Einführung: Die Bedeutung der Reformation heute
Ich habe heute nur zwei Verse als Predigttext unter dem Thema „Die Mitte der Bibel“ gewählt: Johannes 5,39-40.
Ihr suchet in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin, und sie ist es, die von mir zeugt. Aber doch wollt ihr nicht zu mir kommen, damit ihr das Leben hättet. Herr, gib uns ewiges Leben! Amen!
Liebe Gemeinde, manche meinen, die Reformation sei nur ein geschichtlicher Rückblick. Als ginge es heute um die Hammerschläge an der Schlosskirche von Wittenberg, um die Wartburg, um Kaiser und Reich und um Kirchenspaltung.
Nein, es geht heute nicht nur um einen Rückblick. Dann würde es sich nicht lohnen, dass wir uns 450 Jahre zurückerinnern. Es geht um etwas viel Wichtigeres.
Was wir heute zum Anlass eines besonderen Gedenktages machen, ist ein wichtiges Ereignis. Ich muss es Ihnen gleich zu Beginn sagen: Es fällt mir schwer, darüber zu reden, dass wir uns heute daran erinnern, dass die Gestalt der Gemeinde Gottes in dieser Welt trostlos zerstört sein kann.
Vielleicht sagt jetzt jemand: „Pssst, sag das nicht!“ Konfirmanden sind da, vielleicht ist heute jemand in unserer Mitte, der nur mal reinhören wollte. Das könnte doch abschrecken!
Warum hat man das nicht zu Martin Luther sagen können? „Rede doch die Schäden der Kirche nicht so offen an! Wir müssen doch zusammenhalten!“
Das war nicht nur vor 450 Jahren die Not. Solange es Menschen in dieser Welt gibt, die Gott dienen, hat der Teufel seinen Tempel mitten in der Kirche aufgebaut.
Das ist der Gedenktag heute.
Die ernste Lage der Kirche damals und heute
Wenn wir uns jetzt zurückerinnern, erscheint uns das wie eine schreckliche Zukunftsvision, fast wie vom Antichristen: dass es möglich ist, dass sich unter frommer Predigt Bestechung breitmacht, dass es nur noch um Geld geht, dass selbst unter Christen jede Kritik in geistlichem Hochmut abgewiesen wird, dass die Bruderschaft abstirbt, dass die wichtigsten Gebote Gottes über Bord geworfen werden und dass eine Kirche vergisst, was sie zur Kirche macht.
Obwohl eine Stadt überschwänglich war von Kapellen und religiösem Leben – Stuttgart zählte damals nur einen Bruchteil der heutigen Einwohner und hatte viel mehr Kirchen als heute –, war das ganze Alltagsleben von Religion durchdrungen.
Wenn das heute nicht mehr so wäre, dann fragt man sich: Wie ist es denn heute? Wenn wir uns heute kritisch fragen, haben wir nicht längst das Erbe zerstört, das uns Gott anvertraut hat?
In Gesprächen höre ich oft, dass Leute sagen: "Psst, das darf man nicht sagen, darüber darf man nicht reden, hab doch Zuversicht!" Ich verstehe nicht, wie das nicht die Frage ist, die in den Kirchengemeinden und Synoden verhandelt wird: Ob wir noch auf dem Boden stehen, der uns im Wort Gottes gewiesen ist.
Welche Frage soll denn sonst für eine Kirche von Belang sein?
Die biblische Grundlage für Reformation und Umkehr
Doch nicht nur in der Reformation. Betrachten Sie einmal die Geschichte des Volkes Israel.
Als dieses Volk 42 Jahre durch die Wüste gewandert war und gerade dabei war, das Land in Besitz zu nehmen, sagte Joshua: Zuerst muss Klarheit an der Basis geschaffen werden. Klarheit darüber, ob ihr auf dem Grund stehen wollt, auf dem ihr allein leben und sterben könnt. „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen.“ Dann tut von euch die fremden Götzen weg. Ihr könnt wählen, aber man kann Gott nicht halbdienen.
Die Reformation – das war doch unter Josia, als sie dieses Gesetzbuch unter dem Gerümpel des Tempels wiederfanden und es auf einmal lasen. Sie waren entsetzt, wie dieses Buch der Bibel ganz anders redete, als sie es sich in den Gedanken zurechtgemacht hatten.
Das war auch unter Esra, als sie die Stadt Jerusalem nach der Zerstörung und der siebzigjährigen babylonischen Gefangenschaft wieder aufgebaut hatten und so glücklich waren. Dann lasen sie das Buch – und auf einmal weinten sie. Das gab ein Erschrecken im Volk, weil man plötzlich merkt, dass man so tut, als ob man Gott dient, ihm aber doch gar nicht dient.
Die Gefahr der Verflachung des Glaubens heute
Ich war in diesen Tagen wieder traurig, wenn ich in vielen Blättern und Blättchen sowie in Ansprachen im Rundfunk und Fernsehen lese, als ob es bei der Reformation nur um die äußere Gestalt der Kirche ginge. Als ob es um modische Veränderungen und Anpassungen an die Zeit ginge.
Vor dieser Frage habe ich keine Sorge. Warum sollten moderne Menschen nicht die Form ihrer Zeit finden? Wir sprechen ja auch nicht von Vorgestern. Aber genau das war doch nicht die eigentliche Frage der Reformation.
Was hat Luther bewegt? Ging es ihm darum, wie man Kirchenbezirksgrenzen abtrennt oder neue Strukturen schafft? Nein, da war ein Mann, der vom Wort der Bibel zutiefst getroffen war. Und ich frage mich, ob es so etwas in unserer Mitte heute überhaupt noch gibt – Menschen, die wirklich vom Wort der Bibel getroffen sind.
Und was sind dann unsere Ordnungen und Neuplanungen, wenn es nicht um dieses Leben geht, das Gott in unserer Mitte schafft und immer wieder neu macht?
Das Bild des Brunnens als Lebensquelle der Gemeinde
Ich möchte das mit einem Bild veranschaulichen und klarstellen: Etwa in Äthiopien regnet es zehn Monate im Jahr nicht. Manchmal fällt sogar zwölf Monate lang kein Regen, und dann herrscht Dürre. Die Menschen können nur überleben, wenn sie einen Brunnen haben.
In diesem Brunnen sammelt sich allerlei Dreck. Dort leben Tiere und Schlangen. Wenn dann die schrecklichen Sandstürme kommen, blasen sie große Mengen Sand in den Brunnen. Die Mauersteine werden brüchig und fallen schließlich zusammen.
Wenn jemand sagt: „Nein, wir haben einen Brunnen, das ist doch schön“, wird er staunen. In drei oder vier Jahren hat er keinen Brunnen mehr. Er ist vom Sand der Zeit zugeschüttet, zerfallen und brüchig geworden.
So ist es auch unter Christen. Niemand kann sich rühmen und sagen, wir haben die Quelle. Es geht nicht um Kirchenspaltung oder ähnliche Fragen am heutigen Reformationstag. Vielmehr geht es darum, ob eine Gemeinde einen Brunnen hat – den Brunnen des Wortes Gottes, an dem Menschen Leben finden.
Ich kann Ihnen sagen, dass ich das in eigener Betroffenheit zu mir selbst sage. Und das gilt zuerst einmal für unseren Kirchengemeinderat. Nehmen wir selbst so das Wasser aus der Bibel, dass wir als Älteste der Gemeinde an die Sterbebetten treten können? Können wir zu Menschen gehen und ihnen Leben bringen? Hat unser Wort die Vollmacht von Gott?
Die wahre Bedeutung der Bibel in der Reformation
Man könnte jetzt sagen, das war doch das Ereignis in der Reformationszeit, als die Bibel neu entdeckt wurde. Aber nein, die Bibel gab es immer. Es gab keine mittelalterliche Kirche ohne Bibel – genauso wenig, wie es heute Christen ohne Bibel gibt. Es gibt keine Theologie ohne Bibel.
Die viel ernstere Frage ist jedoch, wie wir die Bibel lesen, was wir in ihr finden und was sie uns bedeutet. Ist sie ein Brunnen, von dem wir leben können?
Deshalb möchte ich heute nur zwei Teile behandeln. Den ersten Teil werde ich ganz anders gestalten, als ich ursprünglich geplant hatte: Man kann mit der Bibel in der Hand in die Hölle fahren.
Als ich diese Predigtreihe mit dem Titel „Das Einzigartige an Jesus“ ausgesucht habe, wählte ich dieses Wort mit großer Freude. Ich wollte Ihnen zeigen, was es bedeutet, die Bibel zu lesen und was man in ihr finden kann.
Wenn man in der Schrift sucht, meint man, dort das ewige Leben zu finden. Doch wenn ich an einer Predigt arbeite, dann arbeitet zuerst Gott an mir. Dabei habe ich gemerkt, dass ich das Bibelwort missverstanden hatte. Denn da steht nicht einfach „Sucht in der Schrift“. Was steht denn wirklich da?
Jesus sagt zu den Pharisäern und Schriftgelehrten: „Ihr sucht in der Schrift, ihr forscht, ihr dreht jeden Buchstaben um, ihr sortiert die Kommas, ihr forscht von vorne bis hinten, lernt alles auswendig und habt Traditionen. Ihr forscht mehr in der Bibel als wir alle.“
Und doch muss Jesus ihnen bescheinigen, dass all ihr Bibellesen umsonst ist. Sie werden mit all ihrem Bibellesen in die Hölle kommen.
Ihr sucht in der Schrift und meint, durch euer Forschen das ewige Leben zu besitzen. Aber ihr habt es nicht, weil ihr der Mitte der Sache nicht auf die Spur gekommen seid. Ihr täuscht euch.
Warnung vor einer oberflächlichen Bibelauslegung
Ich habe bei der Bibelvorbereitung aus der großen Sammlung meiner geistlichen Väter den Schweden Olaf Rosenius herausgeholt, einen lutherischen Theologen, der eine vierbändige Auslegung der Bibel geschrieben hat. Ich habe nachgeschaut, was er zum Thema Bibel sagt.
Rosenius meint, es gibt nichts Gefährlicheres in der Welt als die Bibel. Nirgendwo wird man so viel Schläfrigkeit finden, so viel laues Leben wie unter denen, die die Bibel lesen. Sie nehmen die Bibel, aber sie nehmen sie so, dass sie sie nicht wirklich verstehen. Sie machen daraus etwas Harmloses und hören die entscheidende Anfrage der Bibel nicht.
Da fragte ich mich: Können wir dann das Reformationsfest feiern und immer wieder sagen: „Ach ja, die Bibel, ich habe sie ja“ – haben wir sie wirklich? Heute gibt es viele Meinungen über die Bibel, und gerade bei der Auslegung finden Menschen sehr unterschiedliche Erkenntnisse.
Wir müssen nun eigentlich fragen: Wie ist das möglich? Liegt das an der Bibel? Nein, es liegt nicht an der Bibel, sondern an uns. Man kann die Bibel verdrehen.
Luthers Mahnung zur ernsthaften Bibelbegegnung
Und jetzt möchte ich Ihnen Luther als Reformator zitieren, der immer wieder über dieses Thema gesprochen hat. Wenn Sie diese Worte hören, wird es Ihnen so ergehen, dass Sie sagen: Man meint, Luther rede zu den aktuellen Fragen unserer Zeit.
Er sagt: Da gibt es Leute, die wollen an der Bibel eine wechselnde Nase machen, eine aus Wachs, die man biegen und drehen kann, wie man will. Nun zitiere ich wirklich: "Die das heilige Wort Gottes zugunsten ihrer närrischen und unbeständigen Meinungen und Auslegungen missbrauchen und dadurch so weit bringen, dass Gottes Wort, das für alle passt, keinem mehr passt."
Aber das Wort Gottes ist anders. Wie das Eisen alles zermalmt und zerschlägt, so zermalmt auch das Wort Christi alles Große. Es demütigt die Stolzen und bringt alle Verirrten zurecht. Es züchtigt die Zuchtlosen, beugt die Hocherhabenen, beschwichtigt die Zornigen und macht die Geizigen freigiebig. Es macht die ungelehrten Gebilde, die Weisen, zu Narren.
Wenn einer zu mir sagt, die Bibel sei langweilig, dann ja, wenn sie die Bibel nach ihrem Sinn an der wechselnden Nase herumdrehen. Wenn sie die Bibel lesen und in der Bibel arbeiten, dann sind sie jedes Mal ein Mensch, der zum Lernen erst anfängt.
Die Notwendigkeit der Lebensveränderung durch das Wort
Nun darf ich Luther weiter zitieren, wenn er sagt, es könne gar keiner das Wort der Bibel verstehen, wenn er nicht gleichzeitig das, was er liest, in seinem Leben verwirklicht. Es kann wirklich niemand verstehen. Wörtlich sagt er: „Ich kann mit Wissenschaft allein die Bibel nicht erschließen.“ Ein einfacher Mensch wird vielmehr von der Bibel mehr erkennen als jemand, der allein mit seinem Verstand daran geht.
Der einfache Mensch, der dieses Wort hört und tut, sagt Luther, der wird verstehen. Wie soll man denn von Liebe lesen können, wenn man dieses Herz der Liebe nicht in sich bereiten lässt? Wenn dieses Wort der Bibel uns nicht gleichzeitig umformt, bleibt das Verständnis aus.
Und dann verstehen Sie, was Jesus an dieser Stelle den Pharisäern vorwirft: „Ihr lest in der Bibel, ihr geht mit der Bibel um, das ist euer Tun, euer Geschäft, aber dieses Wort hat euch noch nie verwandelt.“ Ihr lest das ja nicht, wie solche, die Brot essen wollen und das Wort Gottes als Speise nehmen. Ihr nehmt es als Beruf, als Job.
Das ist ja die Gefahr von uns Pfarrern, dass man die Bibel nimmt, aber nicht selbst davon lebt. Und da haben Sie eine Verantwortung, auch für mich, dass Sie mir auf die Finger klopfen, wenn Sie sagen: „Das hast du geredet, aber das ist in deinem Leben nicht so.“
Die göttliche Erleuchtung zum Verstehen der Schrift
Und diese Erkenntnis, die Luther gefunden hat, stammt gar nicht von ihm selbst. Er hat sie nicht als Augustinermönch gewonnen, sondern von Paulus. Paulus lehrte, dass man blind bleibt für das Wort Gottes, wenn Gott einem nicht zuvor die Augen öffnet.
Wenn man die Bibel verstehen will und meint, man könne sie lesen wie eine Zeitung oder den Spiegel, wird man sie niemals wirklich verstehen. Man muss rufen: „Herr, öffne mir die Augen und zeige mir in meinem Leben, was Du treffen willst.“ Das ist doch ein Reden des lebendigen Gottes mit uns und mit unserer Not.
Paulus hat das nicht aus seinem eigenen Kopf gesogen, sondern von Jesus erhalten. Im Johannesevangelium spricht Jesus immer wieder davon, dass nur er die Blindheit von den Augen wegnehmen kann und allein das Verständnis geben kann.
Diese Erkenntnis gibt es schon im Alten Testament bei Jeremia. Dort wird beschrieben, wie Menschen sich über den Ernst des Wortes Gottes hinwegmogeln und sagen: „Friede, Friede“, obwohl es nicht so ist. Sie meinen, es sei doch schön, es gebe Fortschritte, die Statistik sei gut, und die Kirche wachse.
Kirchenpolitisch kann man das heute nicht austricksen, wenn die Gemeinde sich zu Wort meldet und sagt, sie wolle Pastoren, die Lebensbrot geben. Nichts weiter, die uns Jesus Christus in den Predigten vor Augen stellen, den Sohn Gottes.
Auf uns liegt eine Blutschuld, dass es in unserer Kirche möglich war, so viel von einem moralischen und seichten Jesus zu predigen. Einen Jesus, der einen nicht aus dem Tod lösen kann und keine Sünde mehr wegnehmen kann.
Die Mitte der Bibel: Jesus Christus als Lebensquelle
Und das Zweite, was ich Ihnen sagen will: Man kann in der Bibel ewiges Leben finden. Jesus sagt das deutlich, was nutzlos ist. Er sagt auch, die Bibel hat eine Mitte.
Wenn Sie das Buch Esra oder das Buch Esther oder das vierte Mosebuch mit seinen Gesetzen lesen, dann wissen Sie, dass es auch dort um ein Thema geht: um Jesus Christus, den Gekreuzigten. Das war die Erkenntnis der Reformation.
Wenn Sie die Bibel lesen, dann suchen Sie Jesus darin. Und wenn Sie Predigten hören, dann suchen Sie Jesus darin, den gekreuzigten und auferstandenen. Denn das ist das Thema der Bibel.
Die haben doch Recht, die Predigten kritisieren und sagen: Hier habe ich nichts von Jesus gehört. Das ist die Mitte der Bibel, sie ist die, von der sie Zeugnis ablegt. Um was soll es denn sonst gehen in der Bibel? Alles läuft auf ihn zu.
Und auf was denn? Dass ein verlorener Mensch heimfindet zum Vater, so wie es Jesus selber in diesem gewaltigen Bild gezeichnet hat. Dort ist dieser Sohn aus der Zerstreuung seines Lebens abgebildet. Das ist doch der moderne Mensch, der da lebt: Einerseits in Saus und Braus und gibt aus, was er hat.
Auf der anderen Seite lebt er gebunden unter Umständen, die ihn zur Arbeit jagen und hetzen. Er hockt da und sagt: Was ist mein Leben eigentlich noch wert?
Und dann erinnert er sich: Mein Leben ruht darin, dass ich meinen Vater habe, meinen Vater. Ich will mich aufmachen, zu meinem Vater gehen.
Die Botschaft der Umkehr und Versöhnung mit Gott
Um was geht es in der Bibel? Es geht doch nicht um politische Zeitmeinungen. Diese mögen als Nebenprodukt entstehen, aber das Hauptanliegen ist etwas anderes. Es geht auch nicht nur um Lebenshilfen, obwohl diese selbstverständlich enthalten sind, wenn ich den Sinn meines Lebens erkannt habe.
Wenn ich einen Vater habe, dann ist mein ganzes Leben sinnvoll. Mein Leben hat einen Sinn, mein Sterben hat einen Sinn, und mein Arbeiten hat einen Sinn. So wie der Sohn heimkehrt und der Vater auf dem Söller seines Hauses steht und hinausblickt, so schildert uns die Bibel, dass Jesus als himmlischer Vater auf die Umkehr wartet. Er wartet darauf, dass wir heimkehren und sagen: „Vater, ich habe daneben gelebt, ich habe das Verfehlte geliebt, ich habe das Sinnlose in meinem Leben geliebt. Das war Sünde, das war ein Verbrechen gegen dich. Ich will dich haben, nichts anderes mehr. Alles andere kann mich nicht mehr befriedigen.“
Wie der Vater diesen Sohn aufnimmt, an sein Herz drückt und unter seine Mantel nimmt, das ist die Mitte der Schrift. Davon zeugt sie vom ersten Blatt der Bibel bis zur letzten Seite der Offenbarung: Unser Gott will in Jesus Menschen zu sich ziehen.
Es geht nicht darum, dass man sagt, ich habe die Bibel unterm Arm geklemmt, ich habe in der Bibel gelesen und ich saß in der Kirche. Vielmehr kommt es darauf an, Jesus, den Gekreuzigten, zu entdecken als den, der hier unser Leben wieder mit Gott versöhnt. Wenn Sie dann morgen und Ihr ganzes Leben in dieser Freude stehen können, ist Gott für Sie da, und alles ordnet sich wieder. Den habe ich bei mir, weil Jesus mich mit dem Vater versöhnt hat.
Ich bin der verlorene Sohn, der heimgekehrt ist. Das war die Reformation – es ging nicht nur um Strukturen, Kirchentrennung oder Kirchenvereinigung. Wenn das heute unter Christen entdeckt wird, dann werden sie eine weltweite Bruderschaft in allen Kirchen finden. Dort ist die Einheit der Gemeinde Jesu da, und andere Fragen werden gegenstandslos.
Die Herausforderung der heutigen Erneuerung der Gemeinde
Ich habe nur die Sorge, ob wir uns heute wirklich reformieren lassen. Ob Gott dieses Werk der Erneuerung seiner Gemeinde tun kann – das wurde ja gefeiert.
Es gab viele Erneuerungen Gottes, und es ist ein Wunder, dass er gesprochen hat. Nicht nur unter Luther, sondern auch unter Waldo, Franz von Assisi, Wyclif, Hus und wie sie alle hießen.
Wie war das, als unsere Väter in der Gemeinschaftsbewegung das Wort der Bibel wiederentdeckten? Wie die Weinbergbauern in Wengerdorf und Tübingen, die Gorgen, die plötzlich in ihren Weinberghäuschen zusammensaßen und miteinander die Bibel lasen. Ausgerechnet diese Leute, von denen man sonst nur grobe Witze erzählt, wollten sich vom Wort der Bibel umwandeln lassen.
Sie entdeckten, dass dort ewiges Leben zu finden ist. Dort wird von Jesus gesprochen, der mein Leben vom Verderben erlöst und mich mit Gnade und Barmherzigkeit krönt. Das müssen sie finden.
Jesus will uns reformieren. Amen.
Schlussgebet und Bitte um Erneuerung
Und beten. Herr Jesus Christus, wir beugen uns unter unsere große Schuld. Wir sind mitschuldig an dieser Lauheit heute, an der breiten Unwissenheit der Jugend von deinem Wort, an der Kritikssucht und an der Zerstörung der Maßstäbe deiner göttlichen Gebote.
Herr, wir haben unser eigenes Leben dadurch zerstört und das, was uns allein im Leben und im Sterben tragen kann: dein Wort. Wir danken dir, dass du heute noch einmal mit uns redest und dass du uns zur Umkehr aufrufst. Du setzt uns als Zeugen deines Wortes.
Bewahre uns davor, dass es nie um etwas anderes gehen soll als allein um die Ehre deines Wortes – auch in allen Diskussionen, Gesprächen und Kämpfen in unserer Kirche. Lass uns nicht unempfindlich werden, wenn unsere eigene Ehre getroffen wird, aber so empfindsam und unduldsam, wenn es um deine Ehre geht, um dein Sterben und um dein Leiden für uns, um deine ewige Errettung, die du uns anbietest.
Herr, wir wollen dieses Wort weitersagen, damit Menschen heute von dir errettet werden und ewiges Leben finden. Lass sie umkehren und heimkehren in deine Vaterarme. Lass das auch im Leben unserer Gemeinde geschehen. Zeige uns, was wichtig und was unwichtig ist, damit wir Wichtiges vom Unwichtigen trennen können.
Herr, bewahre uns davor, dass wir unsere Zeit nicht füllen mit Dingen, die vor dir nicht bestehen können und die nicht taugen. Gib uns einen Blick für das, was heute Not ist.
Wir bitten dich für deine Christenheit. Du weißt, wie viel Unglaube heute da ist und wie der Zweifel so viele Menschen an sich bindet. Rede du durch dein Wort, dass lebendiger Glaube entsteht und Menschen ihr Leben in deine Nachfolge geben.
Wir bitten dich für unsere Ausbildungsstätten. Gib doch, dass dort nicht nur mit dem Verstand geforscht wird, sondern gib du dort Lehrer, die von ganzem Herzen dir nachfolgen und mit ihrem ganzen Leben dir dienen!
Ja, Herr, erneuere deine Kirche und fange bei uns selber an!
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden,
unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern,
und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen,
denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.