Einführung in die Gleichnisse und das Thema Licht
Für die Zeit, die wir uns nehmen können, um uns mit deinem Wort auseinanderzusetzen, möchten wir dich bitten, uns Konzentration zu schenken. Gib mir die Konzentration, das Richtige zu sagen, und allen anderen die Konzentration, das mitzunehmen, was du möchtest, dass jeder mitnimmt. Amen!
Wir wollen uns an den Abenden dieser Freizeit mit einigen Gleichnissen beschäftigen. Im Neuen Testament gibt es neununddreißig Gleichnisse. Die meisten davon stehen im Lukasevangelium, am zweitmeisten im Matthäusevangelium und am drittmeisten im Markusevangelium. Im Johannesevangelium finden sich relativ wenige Gleichnisse.
Manche dieser Gleichnisse kommen in allen drei oder sogar in allen vier Evangelien vor. Von diesen 39 Gleichnissen werde ich nur einige wenige auswählen, da wir nur begrenzte Zeit haben, sie anzuschauen.
Manche Gleichnisse sind nur ein oder zwei Verse lang. Man könnte fast von einem Bildwort sprechen, in dem Jesus einen Vergleich anstellt und ganz kurz auf den Punkt bringt, was er ausdrücken will. Andere Gleichnisse sind richtige längere Geschichten, wie zum Beispiel die vom vierfachen Acker oder von den Jungfrauen, denen das Öl ausgeht. Dort haben wir eine ausführliche Handlung.
Einige Gleichnisse werden von Jesus selbst ausgelegt, bei anderen können wir die Bedeutung nur indirekt erschließen. Jesus sagt einmal, dass er in Gleichnissen spricht, damit die Menschen ihn nicht verstehen. An anderer Stelle bringt er jedoch zum Ausdruck, dass er Gleichnisse benutzt, um den Menschen zu erklären, was er sagen will. Das stellt uns vor eine große Herausforderung.
Ich werde heute mit einem Gleichnis beginnen, das wir im Lukasevangelium finden und dort sogar zweimal als Motiv. Ich wähle den Text aus Lukas 11,33-36. Es ist das Gleichnis vom Licht, genauer vom Licht, das angezündet wird und dann in die Ecke gestellt wird.
Dieses Gleichnis finden wir auch in anderen Evangelien, nämlich in Matthäus 5,14-16 in der sogenannten Bergpredigt und in Markus 4,21-22, wo es nur zwei Verse umfasst. An den verschiedenen Stellen wird dieses Gleichnis etwas unterschiedlich ausgelegt.
Verschiedene Varianten und Kontext des Gleichnisses vom Licht
Beispielsweise wird an einer Stelle davon gesprochen, dass das Licht unter einen Scheffel kommt. Einen Scheffel kann man sich am ehesten wie einen Eimer oder einen Messbecher vorstellen, unter dem das Licht schließlich versteckt wird. An einer anderen Stelle, im Markus-Evangelium, wird das Licht unter das Bett gestellt. Hier wird das Licht also ins Verborgene gestellt, versteckt, in ein Versteck hineingestellt – das angezündete Licht.
Möglicherweise hat Jesus dieses Beispiel häufiger in seinen Predigten verwendet, einfach weil es so anschaulich war. Dabei hat er einmal diese Variante und ein anderes Mal eine andere genannt, jeweils in unterschiedlichen Zusammenhängen. Das erscheint mir die plausibelste Erklärung dafür zu sein, warum wir verschiedene Varianten davon haben.
Im Lukasevangelium finden wir dieses Bild vom angezündeten Licht nicht nur im Kapitel 11, sondern auch noch in Kapitel 8, Vers 16. Es dient dort als Vorbild und Herausforderung für die Christen.
Wenn wir uns den Kontext anschauen, in dem dieses Gleichnis erzählt wird, handelt es sich um einen Bericht, in dem Jesus zuvor eine Predigt hält. Diese wird in vielen Bibeln mit „Das Zeichen des Propheten Jona“ überschrieben. Dabei ist der Prophet Jona gemeint, der im Bauch des Fisches gewesen war. Jesus sagt: „Den Menschen wird kein anderes Zeichen gegeben als das Zeichen des Propheten Jona.“
Davor finden wir Dämonenaustreibungen Jesu und davor wiederum eine Ermahnung Jesu zum Gebet, eine Aufforderung zum intensiven Gebet. Direkt danach folgt eine Einladung eines Pharisäers, bei der Jesus zum Mittagessen eingeladen wird. Dort hält Jesus dann eine Strafrede über die Pharisäer. Das Gleichnis ist also in diesen Zusammenhang eingebettet.
Wir können davon ausgehen, dass Jesus hier eine Predigt gehalten hat, die von einer Situation ausgeht – nämlich der Ankündigung seines Todes. Das ist ja das Zeichen des Jona: Jona war drei Tage im Bauch des Fisches und kam dann heraus. So wie Jesus drei Tage im „Bauch des Todes“ war und dann wieder herauskam.
Anschließend wendet sich Jesus einem ganz anderen Thema zu, nämlich dem Licht in der Finsternis beziehungsweise dem Licht, das nicht abgedeckt werden soll. Gleichzeitig fügt er noch ein zweites Bild hinzu. Jesus bleibt nicht nur beim Licht, sondern vergleicht das Licht auch mit dem Auge – also dem Auge und dem Leib – und dem Licht, das angezündet ist und nicht dunkel sein soll.
Beide Bilder greifen hier ineinander, und wir versuchen nun, das ein bisschen zu erleuchten.
Das Gleichnis im Wortlaut und erste Auslegungen
Kapitel 11, Vers 33-36
Niemand zündet ein Licht an und stellt es an einen verborgenen Ort, auch nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit die Hereinkommenden den Schein sehen.
Das Auge ist die Leuchte des Leibes. Wenn nun dein Auge lauter ist, so ist auch dein ganzer Leib Licht. Wenn es aber böse ist, ist auch dein Leib finster.
So habt nun Acht, dass das Licht in dir nicht Finsternis ist. Wenn nun dein ganzer Leib Licht ist, so dass er keinen finsteren Teil mehr hat, wird er ganz hell sein, als ob das Licht mit seinem Strahl dich erleuchtet.
Dies ist die Übersetzung, wie sie Schlachter vornimmt. Ich werde später noch etwas von der Schlachter-Übersetzung abweichen, denn es gibt verschiedene Textvarianten. Diese werde ich jeweils bei den einzelnen Versen erläutern.
Zuerst also Vers 33: Niemand, der eine Leuchte anzündet, stellt sie in ein Versteck, sondern auf den Leuchter, damit die Hereinkommenden die Helligkeit sehen.
Die Rede Jesu, die bereits vorher begonnen hat, wird, wie erwähnt, in Vers 37 durch die Einladung eines Pharisäers unterbrochen.
Hier wird im Vergleich zum Matthäusevangelium der Vorgang des Lichtanzündens noch hinzugefügt. Bei Matthäus wird nur erwähnt, dass das Licht unter den Scheffel gestellt wird. Hier hingegen wird das Anzünden des Lichtes zusätzlich betont.
Scheinbar hat Lukas ein anderes Bild vor Augen: Das Licht soll denen leuchten, die in die Wohnung hineinkommen. Im Matthäusevangelium hingegen werden die Bewohner des Hauses beschrieben, also diejenigen, die bereits im Haus wohnen. Dort heißt es, niemand nimmt ein Licht und stellt es unter den Scheffel für sich selbst.
Hier aber finden wir, dass die Hereinkommenden, also am Ende des Verses, den Schein sehen sollen.
Möglicherweise müssen wir uns folgendes Bild vorstellen: Jemand lädt Gäste zum Abendessen ein, es ist bereits dunkel, und die Gäste klopfen an die Tür. Sobald sie hereinkommen, würde der Gastgeber das Licht abdrehen. Das wirkt wahrscheinlich nicht gerade gastfreundlich.
Es würde wohl eher dazu führen, dass die Gäste stolpern, hinfallen und nicht mehr wissen, wohin sie gehen sollen. Das ist kein Zeichen von Gastfreundschaft.
Dieses Bild wird hier also noch ergänzt. Man könnte sonst sagen, der Hausherr kennt sich in seiner Wohnung aus, vielleicht sogar blind. Aber die Gäste kennen sich sicherlich nicht aus.
Deshalb kommt hier ein zusätzliches, erschwerendes Moment hinzu: Die Gäste im Vorraum benötigen die Beleuchtung, um ihre Kleider abzulegen, den richtigen Platz zu finden und sich in der Wohnung zu orientieren.
Die Bedeutung des Lichts und die Zielgruppe des Gleichnisses
Nun stellt sich die Frage, was Jesus damit eigentlich sagen will. Wir werden uns später noch Gedanken darüber machen, was das Licht oder die Leuchte alles sein kann.
Ich halte es hier für am naheliegendsten, dass Jesus schon diese kritischen Pharisäer im Blick hat, denn sie sind ja scheinbar schon dabei. Der Pharisäer, der sich später gegen Jesus stellt, steht ja direkt daneben. Als Jesus fertig ist, lädt er ihn sogar ein.
Ich glaube, Jesus will seinen Zuhörern hier vor Augen führen, dass die Wirksamkeit Jesu eigentlich das Licht ist – zumindest im ersten Aspekt. Wir kommen noch auf weitere Aspekte zu sprechen. Um ihn herum sind Menschen, die Orientierung suchen und auf der Suche nach dem Reich Gottes sind. Das ist es, was Jesus ja predigt.
In erster Linie konnten die Menschen damals das Reich Gottes durch das, was Jesus getan und gepredigt hat, erfahren. Dieses Wirken ist so etwas wie ein Licht, an dem die Menschen Gott erkennen können und verstehen, was Gott mit ihnen vorhat.
Dabei geht es nicht nur um die Predigt, die direkt vorher stattgefunden hat, sondern auch um die Dämonenaustreibungen. Wir sehen bei vielen Dämonenaustreibungen und Heilungen Jesu, dass sie nicht Selbstzweck waren. Sie dienten nicht in erster Linie dazu, dass die Menschen gesund wurden.
An den meisten Stellen waren Dämonenaustreibungen und Krankheitsheilungen vielmehr dazu da, dass die Menschen die große Macht Gottes erkennen konnten. Sie sollten erkennen, dass Jesus der von Gott gesandte Messias ist. Das war das Hauptziel.
Deshalb gibt es in der Bibel keine Zeit, in der so viele Heilungen dokumentiert sind wie zur Zeit Jesu. In den Jahrtausenden des Alten Testaments finden sich nur wenige Stellen mit Heilungen, vor allem bei Elija und Elisa, wo viele Wunder geschehen sind. Davor und danach gibt es kaum vergleichbare Berichte.
Dann sehen wir diese Häufung von Heilungen in der Zeit Jesu und noch etwas in der Zeit der Apostel. Doch auch dort nimmt die Häufigkeit bereits wieder ab.
Das Licht als Zeichen des Messias und der Gegensatz zur Finsternis
Warum im Höhepunkt? Nun, Jesus antwortete den Jüngern des Johannes, die zu ihm kamen. Er sagte: „Ihr seht es doch.“
Auf die Frage, ob Jesus der Messias sei, antwortet er also: „Ja, ihr seht doch, was passiert. Die Blinden werden sehen, die Lahmen werden gehen, und am Abend wird das Evangelium verkündigt.“ Das ist das Zeichen, das Gott für den kommenden Messias vorhergesagt hat.
So habe ich den Eindruck, dass dieses Licht hier etwas Geistliches meint, nicht ein reales Licht. Es steht für das, was Jesus tut, woran man ihn erkennen kann – seine Predigten und seine Taten. Dazu gehören seine Macht über die Dämonen und auch seine Macht über die Sünde. Das wissen wir, als der Gelähmte durchs Dach gelassen wird und die Umstehenden fragen: „Wer kann denn Sünde vergeben außer Gott?“ Jesus stimmt dem zu. Die Antwort ist, dass er Gott ist. Das akzeptieren die Pharisäer an dieser Stelle jedoch nicht und überlegen danach, wie sie ihm schaden können.
Entgegengesetzt zu diesem Licht, das durch Jesus Christus symbolisiert wird, steht der Fürst der Finsternis in der ganzen Geschichte mit drin. Dieser taucht indirekt auch in den vorherigen Versen auf. Zum Beispiel in Johannes 11,18: „Wenn aber auch der Satan mit sich selbst uneins ist, wie kann sein Reich bestehen? Ihr sagt, ich treibe den Dämon durch Beelzebub aus.“
Das sehen wir auch in Johannes 11,21: „Wenn der Starke bewaffnet in seinem Hof bewacht, so bleibt der Besitz in Frieden.“ Hier ist natürlich Gott gemeint.
Diese Auseinandersetzung wird noch deutlicher in Johannes 11,22: „Wenn aber der, welcher stärker ist, als der über ihn kommt und ihn überwindet, so nimmt er seine Waffenrüstung auf, auf die er sich verlässt, und verteilt seine Beute.“
Die Auseinandersetzung zwischen Teufel und Gott wird hier bildhaft dargestellt. Meiner Meinung nach geht es hier in erster Linie darum. Auf der einen Seite wird vom Licht gesprochen, auf der anderen Seite von der Finsternis. Die Finsternis wird im ersten Vers nicht direkt genannt, steht aber im Hintergrund unausgesprochen. Denn es heißt ja: Wenn das Licht weg ist, dann ist es finster, dann ist es dunkel.
Dort, wo es schon hell ist, braucht man keine Lampe. Diese Lampe ist dazu da, Dunkelheit zu vertreiben. Dunkelheit ist hier ein Bild für die Welt ohne Gott. Helligkeit steht für das Reich Gottes, das in diese Welt einbricht.
In welcher Form bricht es ein? In den Predigten und Taten Jesu. Dieses Bild wird besonders am Anfang des Johannesevangeliums aufgegriffen. Dort heißt es: „Das Licht kam in die Finsternis, und die Finsternis wollte es nicht.“ Dasselbe Bild: Jesus ist das Licht, die Finsternis ist die Welt ohne Gott.
Wir erkennen daran auch, dass es hier nicht um einen Hinweis geht, wie wir unsere Wohnungen gestalten sollen oder wie wir Gastfreundschaft üben.
Das Gleichnis als geistliche Herausforderung
Hier ist klar, dass es sich um ein Gleichnis handelt. Ein Gleichnis ist ein Bild aus dem Alltag, das einen geistlichen Sachverhalt erklären soll – so auch hier. So wie es ganz selbstverständlich ist, das Licht der Gäste anzuzünden und nicht auszumachen, soll es auch hier selbstverständlich sein, wenn wir ein Licht sehen, es nicht zum Erlöschen zu bringen.
Es ist eigentlich auch klar, was Jesus hier sagt, und müsste jedem einleuchten. Wenn jemand ein Licht anzündet, wer würde das tun, um es danach zu verstecken? Das wäre ja sinnlos. Diesen ganz einfachen Sachverhalt, der im täglichen Leben jedem sofort einleuchtet, versucht Jesus auf einen geistlichen Zusammenhang anzuwenden.
Im Alltag können wir uns das gut vorstellen. Ein Licht anzuzünden war damals noch komplizierter, aber selbst heute, wenn ihr abends irgendwo in eine Wohnung kommt und es dunkel ist, macht ihr das Licht an. Das Erste, was ihr dann tun würdet, wäre doch nicht, einen Stein nach der Birne zu werfen, damit das Licht ausgeht.
Es gibt da irgendwie so einen Ostfriesenwitz, der das beschreibt. Ich weiß nicht mehr genau, wie der geht. Irgendwie geht es so: Wie macht ein Ostfriese abends das Licht aus? Mit einem Stein, um das Licht auszuschalten, und dann mit einer Taschenlampe schaut er nach, ob es auch wirklich aus ist.
Natürlich spielt das hier keine Rolle und gehört nicht wirklich zum Thema. Aber uns ist klar: Wenn wir Licht anmachen, wollen wir sehen. Deshalb ist die Schlussfolgerung Jesu eindeutig: Kein Mensch zündet ein Licht an, um es danach zu verstecken, auszumachen oder zuzudecken.
Wenn wir das auf Jesus übertragen, also wenn die Predigt Jesu und auch seine Taten dieses Licht sind, dann könnte man fragen: Warum sollte man diese Taten und diese Predigt an den Rand drängen, unterdrücken oder überhören? Wenn man das tut, verliert man den eigentlichen Wert und Zweck, den diese Predigt hat.
Die Rollen der Hereinkommenden und die Verantwortung der Gläubigen
Nun stellt sich die Frage: Wer könnten in diesem Gleichnis die Hereinkommenden sein? Es gibt das Licht, das nicht zugedeckt werden soll, und die Finsternis, die ungenannt im Hintergrund steht. Dann gibt es noch die Hereinkommenden, denen der Schein leuchten soll.
Es gibt also zwei Gruppen: Die einen können das Licht anlassen oder ausmachen, die anderen sollen das Licht empfangen. Diejenigen, die über das Licht Gewalt haben, müssen – übertragen auf die Predigt Jesu – Menschen sein, die verstehen, was Jesus sagt. Sie erkennen das Licht als Licht und könnten es vielleicht sogar anzünden oder pflegen. Es sind also Leute, die sich auskennen.
Diejenigen, die neu hinzukommen, haben darauf keinen Einfluss. Ihnen soll geholfen werden, das Licht zu erkennen. Indem man es leuchten lässt, hilft man ihnen. Wenn man es hingegen zudeckt, verhindert man, dass sie es erkennen.
Deshalb müssten hier Menschen gemeint sein, die bereits irgendwie mit Gott leben, auf der Suche nach ihm sind oder es zumindest sehr schnell erkennen könnten.
In der Auseinandersetzung, die wir hier haben, habe ich den Eindruck, dass Jesus in erster Linie die Pharisäer im Blick hat. Denn genau das habe ich gerade gelesen: Sie werfen ihm vor, den Teufel durch Beelzebub auszutreiben. Das heißt, sie erkennen, dass Jesus Dinge tut, die eigentlich kein Mensch tun kann. Sie wissen, dass es sich um einen übernatürlichen Eingriff handeln muss. Doch statt Gott die Ehre zu geben, schreiben sie es aus Missgunst dem Teufel zu.
Jesus sagt immer wieder zu den Pharisäern: Kennt ihr nicht die Schriften? Wisst ihr nicht, was geschrieben steht? Sie wissen es, aber sie wollen es nicht wahrhaben.
Im Zusammenhang damit steht die Sünde wider den Heiligen Geist, die im Matthäusevangelium genau in diesem Zusammenhang erwähnt wird. Dort sagt Jesus, dass alle Sünden vergeben werden können, außer der Sünde wider den Heiligen Geist. Das ist die Sünde, die begangen wird, nachdem die Pharisäer ausgedrückt haben, dass Jesus den Teufel durch Beelzebub austreibt.
Das bedeutet: Die Sünde wider den Heiligen Geist begeht jemand, der das Licht bereits sieht, der das Licht erkennt und dem von Gott das Licht gegeben ist. Jemand, der versteht, was Jesus gesagt hat und warum es so ist, aber der das nicht nur ablehnt oder ignoriert, sondern das Wirken Jesu als das Wirken des Teufels ausgibt. Das ist das Radikale, was die Pharisäer tun.
An dieser Stelle geht es nicht um die Sünde wider den Heiligen Geist, sondern darum, dass Menschen das Licht erkennen, es gewissermaßen in ihrer Gewalt haben und es auslöschen oder verstecken, sodass andere es nicht sehen können.
Und hier richtet sich die Aufforderung an die Pharisäer: Ihr müsstet eigentlich erkennen, dass ich der Messias bin – durch das, was ich predige und durch das, was ich tue. Doch ihr tut es nicht. Damit ladet ihr Schuld auf euch.
Übertragung auf die heutige Situation und die Verantwortung der Christen
Nun übertragen auf unsere Situation heute: Ich möchte heute Abend niemanden als Pharisäer beschimpfen. Aber wir können die Frage stellen, wer heute erkennt, was Jesus getan hat, was Jesus gepredigt hat und was das bedeutet. Die Antwort ist natürlich eindeutig: Wir als Christen. Oder zumindest alle, die sich Christen nennen.
Sie müssten vielleicht nicht einmal alle bekehrt sein. Auch die Pharisäer waren ja nicht alle bekehrt. Aber zumindest diejenigen, die erkennen, dass das Licht Licht ist und die den Wert des Lichtes kennen. Und die dann aus welchen Motiven auch immer – sei es Neid oder Missgunst, damit andere es nicht sehen oder verunfallen – oder vielleicht aus Scham, weil sie sich nicht trauen oder Anstoß erregen wollen, wobei das hier bei dem Bild der Gäste, die man bekommt, wohl kaum der Fall sein wird.
Also alle Menschen, die eigentlich wissen, worum es geht, die das aber unterdrücken, an den Rand drängen oder verfälschen – diejenigen laden Schuld auf sich. Dabei könnten wir in erster Linie an die Leute denken, die in den großen Kirchen bibelkritische Theologen sind. Sie wissen eigentlich, was in der Bibel steht, geben es aber nicht weiter. Stattdessen verfälschen und unterdrücken sie es und bieten den Leuten statt des Lichts vielleicht nur ein Glühwürmchen an. Dann sagen sie: „Das ist doch genauso schön.“
Auf der anderen Seite sind wir natürlich genauso gemeint. Denn hier steht nicht, dass nur diejenigen angesprochen werden, die das Licht unterdrücken. Sondern alle, die das Licht erkennen, könnten in der Versuchung stehen, die Aufgabe, die das Licht eigentlich hat, nicht erfüllen zu lassen.
Das heißt, hier liegt die Herausforderung für uns als Christen: Lassen wir das Licht Jesu leuchten! Und zwar nicht in erster Linie vor Gott oder vor uns selbst, sondern vor den anderen Menschen.
Wir haben gerade versucht zu verstehen, was Lichtleuchten bedeutet. Lichtleuchten heißt, wir machen Menschen, die es selbst nicht wissen, darauf aufmerksam, dass die Predigt Jesu und die Taten Jesu zeigen, wer Gott ist und wie man zu Gott finden kann.
Stehen wir also zu dem, was Gott uns hat erkennen lassen? Oder halten wir das aus irgendwelchen Gründen unter dem Tisch? Wenn wir das tun, sind wir mitverantwortlich dafür, dass die Menschen, die hineinkommen – also die Gäste, sozusagen die Leute, die auf der Suche sind – keine Orientierung haben, zu Boden fallen und von dem Licht nichts mitbekommen.
Ja, die, die hereinkommen – ich könnte das sogar im wörtlichen Sinne nehmen: Die, die in unsere Gemeinde, in unsere Gemeinschaft hereinkommen. Bin ich da aus irgendwelchen Gründen, aus Scham, aus Oberflächlichkeit, Faulheit oder sonst etwas dabei, dass sich dieses Licht mehr verdunkelt?
Man sagt dann vielleicht: „Ach, wir haben es auch ganz nett, wir sind alle nett.“ Nein, das Licht ist eben gerade nicht wie die Finsternis. Das Licht ist ganz außergewöhnlich.
Und die, die hereinkommen – das ist in diesem Gleichnis eindeutig – haben eben kein Licht. Da kann man nicht sagen: „Ja, die haben so ein bisschen Licht auch, sie sind doch auch ganz nett und freundlich.“ Es geht nicht darum, ob jemand nett und freundlich ist oder ob jemand intelligent ist oder studiert hat. Es geht darum, ob er dieses Licht als Licht erkennt. Und ob er die Botschaft Jesu und seine Werke als Wirken Gottes erkennt.
Das können nur die Menschen, denen Gott das geoffenbart hat. Und da gehören wir in jedem Fall mit dazu.
Also sind wir neben den Pharisäern damals auch diejenigen, die hier vor der Entscheidung stehen: Was machen wir mit diesem Licht?
Das Licht an dieser Stelle meint noch nicht Moral. Das kommt später im Verlauf des Gleichnisses noch. Hier meint das Licht in erster Linie die Predigt Jesu, die Werke Jesu und den Zusammenhang, dass uns das das Reich Gottes eröffnet.
Bedeutung von „verstecktem Licht“ und die moralische Dimension
Übrigens, das, was hier mit dem Versteckten oder dem verborgenen Ort übersetzt wird – so wie ich es gerade als „Versteck“ übersetzt habe – stammt vom Wort Krypten, das wiederum von Krypsis oder Krypta abgeleitet ist. In diesem Wort steckt alles mit drin: Keller, Vorratskammer, dunkler Abstellraum, Versteck, Kellerloch und Ähnliches.
Hier ist uns natürlich vollkommen klar, dass niemand dort ein Licht hineinstellt. Was sollte man auch dort beleuchten? Wenn man Gäste willkommen heißt, stellt man das Licht dorthin, wo sie es sehen wollen.
Es wird vorausgesetzt, dass die Dunkelheit ringsherum ist und erleuchtet werden muss. Dabei können wir uns wieder die Frage stellen: Was ist das Dunkle? Nun, das Nichterkennen Gottes gehört ganz bestimmt dazu. Wenn wir die weitere Entwicklung dieses Gleichnisses betrachten, müssen wir sagen, dass dazu allerdings auch das mangelnde ethische Unterscheidungsvermögen, die Gottlosigkeit, die Lieblosigkeit und die Heuchelei im Leben gehören.
Letztendlich können wir sagen, dass es sich um Zielverfehlung handelt. Ein Licht, das nicht leuchtet, ist zielverfehlt. Ein Auto, das nicht fährt, ist zielverfehlt. Eine Brille, durch die man nicht sehen kann, ist zielverfehlt. Zielverfehlung ist unter anderem eine der Beschreibungen von Sünde.
Wir müssen also sagen: Das, was dort stattfindet, ist Sünde. Die eigentliche Aufgabe, die wir als Christen haben, wird nicht erfüllt. Auch die eigentliche Aufgabe der Predigt Jesu wird nicht erfüllt, wenn wir das verdunkeln oder vielleicht herummäkeln.
Im Wort Gottes ist das so extrem, dass es doch keiner so annehmen oder akzeptieren kann. Man macht es ein bisschen dunkler, noch ein bisschen dunkler, bis man irgendwann auf der Ebene irgendwo im Schatten oder Halbdunkeln ist, wo alle dann einig sind. Doch das wird gerade hier nicht geschehen.
Dass das Ärgernis bringt, hat Jesus ja selbst erfahren in seinen Auseinandersetzungen mit den Pharisäern, wie ich bereits erwähnt habe.
Das Auge als Leuchte des Leibes – zwei Interpretationsmöglichkeiten
Kommen wir zum zweiten Vers. Ich lese: „Die Leuchte des Leibes ist dein Auge. Wenn dein Auge klar ist, ist auch dein ganzer Leib Licht. Wenn es aber böse ist, ist auch dein Leib finster.“ Hier wird das Bild des Lichts, das verborgen wird, mit dem Auge verglichen. Man könnte sagen: So wie das Licht für das Haus steht, steht das Auge hier für den Leib.
Natürlich geht es nicht in erster Linie um die körperlichen Augen, die wir sehen, auch wenn dies der Hintergrund des Beispiels ist. Es geht vielmehr um etwas Geistliches. Denn sonst wäre klar: Licht hat nicht direkt mit Augen zu tun, und der Körper nicht unbedingt mit einem Haus. Es sind beides Bilder, aber zwei Bilder, die dieselbe Tatsache veranschaulichen sollen.
Übrigens möchte ich kurz darauf hinweisen, dass man damals in der Antike zwei verschiedene Vorstellungen vom Sehen hatte. Heute kennen wir meist nur eine. Durch die Physik wissen wir, dass kleine Photonen oder elektromagnetische Wellen von einer Lichtquelle ausgesandt, reflektiert und in unsere Pupille gelangen. Dort werden sie von Rezeptoren – den Zäpfchen und Stäbchen – aufgenommen und als elektrische Signale ins Gehirn weitergeleitet. Dort werden sie verarbeitet, und wir haben ein Bild vor Augen.
Damals gab es diese Variante auch, aber zusätzlich die Vorstellung, dass das Auge selbst Lichtstrahlen aussendet und so das Sehen ermöglicht. Physikalisch war das nicht korrekt bekannt, und Jesus gibt hier keine Physikvorlesung. Er sagt auch nicht, dass die Augen etwas ausstrahlen. Ich möchte nur zeigen, dass diese Vorstellung damals in der Vorstellungswelt der Menschen durchaus verbreitet war. Die Mehrheit glaubte sogar, das Auge sende etwas aus.
Wir finden diese Vorstellung bis heute noch im Begriff „Augenlicht“. Wenn jemand sagt, er habe das Augenlicht verloren, fragt man sich: Woher kommt dieses Licht in den Augen? Umgangssprachlich ist die Vorstellung erhalten, dass das Auge etwas ausstrahlt und so Wahrnehmung ermöglicht. In manchen antiken Texten wird das Auge mit der Sonne verglichen – die Sonne als großes Licht, das Auge als kleines Licht. Das nur am Rande.
Dass das Auge zum Sehen wichtig ist, ist uns klar. Dass Licht und Sehen in der Bibel zusammenhängen und dabei nicht nur das körperliche, sondern auch das seelische Sehen gemeint ist, finden wir zum Beispiel in Epheser 1,18: „Von den erleuchteten Augen des Herzens.“ Als Christen brauchen wir erleuchtete Augen des Herzens. Dieses Bild wird hier übernommen. Mit „erleuchteten Augen“ ist nicht gemeint, dass etwas aus den Augen herausstrahlt, sondern es ist auf einer ganz anderen Ebene zu verstehen.
Oder in Johannes 11,10 wird gesagt, dass derjenige, der Gott ablehnt, kein Licht in sich hat. Wenn er Gott annimmt, wird es in ihm Licht. Die Qualität des Leibes wird also mit der Qualität des Auges verknüpft: Ist das Auge Licht, ist auch der Leib Licht; ist das Auge finster, ist auch der Leib finster. Das ist der Hintergrund.
Allerdings bleibt offen, wie genau wir das verstehen sollen. Es gibt zwei Interpretationsmöglichkeiten. Die erste: Das Auge ist gut, weil der Leib schon gut ist. Wir schauen das Auge an und erkennen: Aha, das Auge ist gut, also ist der ganze Leib gut. In diesem Fall spricht Jesus ein Erkennungsmerkmal an. Wer einen klaren Blick hat – ich werde gleich noch erklären, was das bedeutet – lebt auch in seinem Alltag, also in seinem Körper, gut. Hier wird ein kleiner Teil als Indikator für das Ganze genommen. Wenn dieser kleine Teil in Ordnung ist, ist alles in Ordnung.
Die zweite Möglichkeit ist, dass der Leib gut wird, weil das gute Auge ihn verwandelt. Das wäre eher ein Imperativ, eine Aufforderung: Denk daran, wenn dein Auge gut ist – also wenn du diesen Teil, der mit Auge beschrieben wird, besitzt und kontrollierst – dann wird auch der ganze Rest in Ordnung sein. Ähnlich wie Jakobus sagt, wenn du deine Zunge im Zaum hast, kannst du den ganzen Körper unter Kontrolle bekommen.
Solche Gedanken finden sich an mehreren Stellen in der Bibel: Wenn du bestimmte Dinge in deinem Leben unter Kontrolle hast, wirkt sich das auf andere Bereiche aus. Es gibt Schlüsselqualifikationen oder Schlüsselereignisse im Leben eines Christen, die, wenn wir sie meistern, viele andere Bereiche positiv beeinflussen. Wenn wir uns hingegen nur an den Auswirkungen zu schaffen machen, verändern wir nie die Quelle, aus der alles fließt.
Hier wird also Auge und Körper zusammen betrachtet. Vielleicht hat Jesus beide Möglichkeiten bewusst offen gelassen, um uns in beide hineinzunehmen: Es gibt ein Erkennungsmerkmal. Wenn du so und so bist, so handelst und so denkst, sieht man daran, ob du Christ bist oder nicht, ob du in Kontakt mit dem Licht stehst. Auf der anderen Seite gilt: Wenn du eine Grundentscheidung getroffen hast und das Auge klar ist, wird sich das automatisch auf viele andere Lebensbereiche auswirken.
Solche Indikatoren haben wir auch bei Jakobus, wenn er sagt: „Der Glaube ohne Werke ist tot.“ Er untersucht den Glauben nicht im Detail, geht nicht durch ein ganzes Glaubensbekenntnis, sondern sagt einfach: Keine Werke, kein Glaube. Ähnlich könnten wir hier sagen: Ist das Auge finster, brauche ich den Leib gar nicht mehr anzuschauen, dann ist der ganze Leib finster. Das ist ein Indikator.
Die andere Seite ist die Herausforderung: Wenn du dein Leben Jesus auslieferst und glaubst, wird Gott in dir alles andere bewirken. Beide Aspekte stecken in diesem Bild, denn es wird nicht eindeutig gesagt, dass das eine vor dem anderen kommt. Es gibt keine zeitliche Abfolge. Das Auge hat offenbar einen Einfluss auf den Körper.
Es scheint, dass die Leuchte im ersten Vers eine ähnliche Funktion hat wie das Auge im zweiten Vers. Im ersten Vers wird gesagt: Die Leuchte, die nicht versteckt werden soll. Im zweiten Vers: Das Auge hat Einfluss auf den Körper. Die Frage ist nun: Was ist die Leuchte, was ist das Auge?
Offenbar erfüllen Auge beziehungsweise Leuchte hier die Rolle, die im Glaubensleben und Alltag das Auge hat. Das ist naheliegend, denn ein Gleichnis nimmt man aus der Alltagswelt. Die Frage lautet: Wofür ist das Auge gut? Und was entspricht dieser Instanz im Glaubensleben?
Im Alltag ist das Auge dafür da, Orientierung zu geben, Dinge zu bewerten und zu erkennen. Im Glaubensleben geht es darum, etwas geistlich zu erkennen und sich zu orientieren. Hier scheint eine Empfangsinstanz im Menschen angesprochen zu sein – eine für göttliche Signale.
Was ist das? Sicherlich keine körperliche Sache, sondern eher das Herz des Menschen, vielleicht die Seele, der Blick für das Übernatürliche. Es ist eine Instanz, die den Menschen Gott und seine Möglichkeiten erkennen lässt. Vielleicht sprechen wir vom Geist des Menschen. Der Geist ist tot, wenn er Gott nicht kennt. Kennt er Gott, also wenn das Licht in sein Leben gekommen ist oder das Auge leuchtet, wohnt der Geist Gottes im Geist des Menschen. Dann ist dieser Geist lebendig und kann geistliche Dinge erkennen, die ein Nichtgläubiger nicht erkennt.
Das ist wohl die naheliegendste Interpretation. Wenn es eine solche Instanz in uns ist, steht hier auch, dass wir sie beeinflussen können, je nachdem, wie wir damit umgehen. Es heißt nicht, das Licht oder das Auge sei einfach da und alles sei in Ordnung. Sondern je nachdem, wie du damit umgehst, kannst du diesen Kanal, diese Empfangsinstanz, diese Einheit – nennen wir sie den Geist des Menschen – beeinflussen. Du kannst seine Qualität beeinflussen, aber nicht selbst schaffen.
Das Licht wird hier nicht geschaffen, es ist schon da. Das Auge ist schon da. Im Geistlichen gesagt: Der Geist, den Gott dir gegeben hat und lebendig gemacht hat, kannst du nicht selbst schaffen. Aber du kannst entscheiden, wie du damit umgehst. Versuchst du, das Licht unter den Scheffel zu stellen, es zu verstecken, oder achtest du auf dein Auge und seine Auswirkungen auf den Körper?
Es geht nicht darum, dass jeder Mensch automatisch, wie in der Mystik, irgendein inneres Licht hat oder eine esoterische Fähigkeit, Gott zu erkennen. Das ist hier nicht gemeint. Das Licht ist etwas, das außerhalb von uns ist, das von außen kommt. Im letzten Vers wird auch gesagt: „Wenn das Licht mit seinem Strahl dich erleuchtet.“ Hier wird das Du vom Licht unterschieden. Das Licht ist nicht etwas, was vom Menschen selbst ausgeht, sondern etwas, das von außen in ihn hineinscheint.
Das dürfte uns allen verständlich sein, wenn wir im Johannesevangelium lesen, dass Jesus das Licht ist, dass Gott das Licht ist und dass alle Menschen in der Finsternis lebten. Oder im ersten Johannesbrief, wo steht: „Wenn du sagst, du liebst Gott, aber deinen Nächsten nicht, dann ist die Finsternis noch in dir. Dann ist kein Licht in dir.“ Dasselbe Bild wird hier verwendet: Nur wer im innigen Kontakt zu Gott steht, hat dieses Licht. Es kommt nicht von ihm selbst, sondern von Gott.
Wir haben aber die Möglichkeit, dieses Licht zu pflegen oder zu löschen, es in unserem Leben zu fördern oder zu vernachlässigen.
In diesem Vers werden zwei Dinge gegenübergestellt: das Böse und das Lautere. Wenn das Auge „lauter“ oder „hell“ ist, so übersetzen manche, oder wenn es „böse“ ist. Die beiden Begriffe dahinter sind einmal „aplotes“, was so viel bedeutet wie einfach, gerade, Integrität, Aufrichtigkeit, Abwesenheit von Bösem, Großzügigkeit oder vollkommene Hingabe ans Gute. All das ist hier gemeint.
Das Auge ist also nicht nur farblich hell, sondern die Begriffe sind moralisch zu verstehen. Jesus spricht hier vom moralischen Leben, vom Verhalten des Leibes, der angesprochen wird.
Der Leib sind hier wiederum die Jünger oder allgemein die Menschen, die von der Botschaft Jesu wissen. Wie verhalten sie sich moralisch? Der andere Begriff „porneia“ meint Schlechtigkeit, Bosheit und wird manchmal auch für Geiz verwendet. Das Licht steht für das Gute, das Finstere für das Böse.
Ein kleiner Teil, den wir beurteilen, erlaubt einen Rückschluss auf das Ganze. Später in der Kirchengeschichte wurde der Leib oft als Gemeinde verstanden. Im Neuen Testament ist das auch möglich, denn an einigen Stellen wird der Leib als Gemeinde betrachtet, als Bild Jesu.
Dann würde das hier bedeuten, dass es einen kleinen Teil der Gemeinde gibt, der mitverantwortlich für den Gesamtzustand ist. Wer soll in der Gemeinde sehen und Orientierung geben? Uns ist klar, das ist die Aufgabe der Hirten, Ältesten, Bischöfe oder wie man sie nennen möchte.
Wenn Jesus diesen Vergleich im Blick hat, könnte das darauf hindeuten, dass diese eine umso stärkere Verantwortung tragen, wie Paulus es später ausdrückt. Man kann sagen: Schau dir den Leiter einer Gemeinde an, und du erkennst oft auch den Zustand der Gemeinde.
Umgekehrt gilt: Wenn du Ältester oder Leiter bist, lebst du nicht nur für dich selbst. Das, was du weitergibst und was Gott dir gezeigt hat, weil er dich in dieses Amt berufen hat, beeinflusst auch den ganzen Leib, die Gemeinde, die dahintersteht.
Auch das ist hier zumindest eine mögliche Deutung.
Die Aufforderung zur ständigen Selbstprüfung
Dann sind wir bei Vers 35: "So habe nun Acht, dass das Licht in dir nicht Finsternis ist."
Das griechische Wort "Skopo" bedeutet so viel wie anstreben oder prüfen. Es ist ein Begriff, der in der damaligen Umwelt besonders im moralischen Zusammenhang verwendet wurde. Es geht also darum, zu prüfen, ob jemand moralisch gut oder schlecht ist. Hier handelt es sich nicht um eine materielle Prüfung, sondern um eine moralische Beurteilung. Das zeigt uns, dass es um das Verhalten geht.
Dieser Satz „Schau nicht, was wir da haben, so habe nun Acht“ wird in anderen Übersetzungen auch als „Schau“ wiedergegeben. Die grammatikalische Form im Griechischen ist ein Indikativ, was bedeutet, dass es sich um eine fortgesetzte Handlung handelt. Im Deutschen könnte man den Eindruck bekommen, man solle jetzt einmal hinsehen und dann Bescheid wissen. Doch gemeint ist eher: „Überprüft das dauerhaft! Mach immer wieder einen Rückblick darauf, schau immer mal wieder hin!“ Es ist eine Aufforderung zu einem längeren Prozess.
Wir können das auf unsere heutige Situation übertragen. Diese Handlung betrifft das Leben derjenigen, denen Gott die Wahrheit offenbart hat – damals die Pharisäer und Jünger, heute uns als Christen. Wir sollen beständig dabei sein, immer wieder zu prüfen, wie es mit dem Verhältnis von Licht und Finsternis in unserem Leben aussieht. Das ist keine einmalige Klärung, sondern eine ständige Auseinandersetzung.
Das, was hier steht, ist eigentlich paradox. Es heißt nämlich, wir sollen darauf achten, dass das Licht in uns nicht Finsternis ist. Die Frage ist: Was ist damit gemeint? Habt ihr schon mal ein Licht gesehen, das finster ist? Nein, dann ist es kein Licht mehr. Genau das soll uns hier vor Augen geführt werden. Wenn in deinem Leben dieser moralische Standard nicht vorhanden ist, dann magst du es noch Licht nennen, aber tatsächlich ist kein Licht da.
Das erinnert an den ersten Johannesbrief: Wenn du sagst, du liebst Gott, aber deinen Nächsten nicht, dann ist die Liebe Gottes nicht in dir. Dann lebst du noch in der Finsternis. Ich glaube, dieser Gedanke steckt dahinter. Es soll uns etwas Absurdes vor Augen führen. Es wird gesagt: Ein Christ, also jemand, der Jesus nachfolgt, dessen Leben keine sichtbare Veränderung zeigt, das gibt es nicht. Das ist ein Paradox.
Es gibt niemanden, der zu dogmatischen Aussagen Ja sagt, aber keine Lebensveränderung zeigt. Das ist unmöglich. Entweder hat er nicht verstanden, worum es geht, oder er hat es verstanden, setzt es aber nicht um – dann ist er kein Christ. Das ist so, als würde es ein dunkles Licht oder eine leuchtende Dunkelheit geben. Beides ist Unsinn, wie uns hier gesagt wird.
Hier wird gesagt: Überprüft das! Nicht nur einmal, sondern immer wieder. Es ist keine einmalige Erkenntnis, sondern ein Prozess. Wir verändern uns im Laufe unseres Lebens. Deshalb brauchen wir immer wieder Zeiten, in denen wir genau hinschauen: Wie sieht es aus? Ist das Licht in mir finster geworden? Ist es verschwunden? Oder ist das Licht noch da?
Die Herausforderung ist, dass der Begriff des Prüfens hier insbesondere moralisches Prüfen meint. Es geht nicht darum, Dogmatik zu prüfen, sondern das Leben zu überprüfen. Das ist die zentrale Aufforderung.
Damit wird der sichere Besitz des Lichtes ausgeschlossen. Man kann dieses Licht verlöschen oder verdunkeln lassen, es kann verloren gehen. An dieser Stelle ist das Licht nicht unbedingt der Heilige Geist, sondern etwas, das uns in einen engen inneren Kontakt mit Gott bringt. Ich habe vorgeschlagen, dass es möglicherweise der lebendige Geist ist, ohne hier theologische Auslegungen zu betreiben.
Das heißt nicht, dass das Heil jederzeit verloren gehen kann. Jesus spricht hier nicht vom ewigen Gericht, sondern davon, dass jemand, der nicht moralisch lebt, dessen Auge nicht Licht ist. Wer nicht integer und zuverlässig ist, der ist nicht im Licht, also nicht in der Nähe Gottes und gehört nicht zu Gott. Das ist die Aussage Jesu an dieser Stelle.
Ähnliche Bilder finden wir im Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Matthäus 25,4.7.10). Dort wird gewarnt, wachsam zu sein. Auch in 2. Korinther 4,6 wird davon gesprochen, dass das Licht in unseren Herzen brennen soll.
Historisch gesehen ist diese Warnung vielleicht an die kritischen und skeptischen Zuhörer Jesu gerichtet, besonders an die Pharisäer. Sie wussten, worum es ging, Gott hatte es ihnen offenbart, Jesus hatte es erklärt – und sie wollten es einfach nicht annehmen. Sie verdrehten die Wahrheit, indem sie versuchten, das Licht zur Finsternis zu machen.
Wie machten sie das? Ich habe es schon zitiert: Sie sagen, Jesus treibe den Teufel durch Beelzebub aus. Sie erkennen, dass er gegen den Teufel kämpft, also die Dunkelheit vertreibt. Doch sie behaupten, die Dunkelheit werde durch Dunkelheit vertrieben. Damit drehen sie das Licht in Finsternis.
Gott wird niemals ein anderes Zeichen geben als das, was schon gegeben wurde. Jesus sagt, vor euch wird kein anderes Zeichen sein als das Zeichen des Jona – drei Tage im Bauch des Fisches. Das ist das Zeichen, das Gott gibt. Wenn ein Mensch heute nicht bereit ist, die Zeichen Gottes zu akzeptieren, wird es keine anderen geben.
Denken wir an die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus. Der reiche Mann bittet, Lazarus zurückzuschicken. Die Antwort Abrahams aus dem Jenseits lautet: „Sie haben Mose und die Propheten; wenn sie auf die nicht hören, werden sie auch nicht auf jemanden hören, der von den Toten auferstanden ist.“
Gott offenbart sich auf eine bestimmte Weise. Wenn wir nicht bereit sind, diese Offenbarungen anzunehmen, gibt es normalerweise keine weiteren Sonderzeichen – weder für uns noch für andere.
Wenn wir also unsicher sind, besondere Bestätigungen brauchen oder glauben, es gäbe einen Sonderweg zu Gott, dann wird das ausgeschlossen. Das ist das finstere Licht – und das gibt es nicht. Entweder ist das Licht Licht oder es ist nicht da. Das soll uns hier vor Augen geführt werden.
Der Endzustand des Lichts und die persönliche Ansprache
Vers 36. Wenn nun dein ganzer Leib Licht ist, so dass er keinen finsteren Teil mehr hat, wird er ganz hell sein, wie wenn das Licht mit seinem Strahl dich erleuchtet.
Ich möchte zunächst beim ersten Teil bleiben: Wenn dein ganzer Leib Licht ist, so dass er keinen finsteren Teil mehr hat, wird er ganz hell sein. Hier wird uns verdeutlicht, dass, wenn das Licht erst einmal wirklich da ist – nicht nur in Gedanken oder Begriffen –, es sich unweigerlich ausbreiten wird. Das Bild überträgt sich auf die geistliche Realität: Wenn Jesus wirklich in unserem Leben gegenwärtig ist, wenn die Empfangsstelle, dieser Kanal zu Gott, intakt ist, dann verändert das unser Leben. Gott lässt uns nicht einfach so weiterlaufen, sondern Stück für Stück wird unser Leben umgestaltet.
Umgekehrt gilt natürlich: Wenn diese Verbindung nicht besteht, findet keine Veränderung statt. Was könnte das sein? Im direkten biblischen Zusammenhang könnte es der missionarische Erfolg sein. Matthäus 5,14-16 und Philipper 2,15 deuten in eine ähnliche Richtung. Die Umgebung ist dann nicht nur unser eigenes Leben, sondern wenn du im Licht lebst, wird das ausstrahlen. Mein Wort wird nicht leer zurückkommen, zum Beispiel. Wenn ich zu dem Wort Jesu stehe, ist das ein Versprechen, dass etwas zurückkommt.
Natürlich müssen wir auch den Umkehrschluss bedenken: Wenn wir als Christen leben und in unserer Umgebung nichts passiert, dann leuchten wir vielleicht nicht richtig. Das ist eine berechtigte Rückfrage. Ich möchte das aber nicht als Druck verstanden wissen, jetzt etwas leisten zu müssen. Denn durch unsere Leistung können wir das Licht ja gar nicht erzeugen, wie ich bereits sagte. Das Licht – und das wird im zweiten Teil des Satzes deutlich – muss von außen kommen. Aber wenn es da ist, müssen wir ihm Raum geben und es nicht verstecken. Wenn wir es verstecken, wird die Auswirkung nicht sichtbar sein, und der ganze Körper wird nicht Licht sein.
Der Körper kann hier unser Leben sein, die Gemeinde oder unsere Wirksamkeit in der Welt, so wie es in der Bergpredigt beschrieben wird. Dort heißt es, eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Die Stadt ist hier gemeint als ein Ort, der am Abend leuchtet und Orientierung gibt. Damals gab es keine beleuchteten Wege oder Straßenschilder, man musste sich an den beleuchteten Städten orientieren. So ist das Bild im Matthäusevangelium.
Das kann auch eine endzeitliche Verherrlichung sein, wie wir sie zum Beispiel in Philipper 3,21 oder bei den Reichsgottesgleichnissen finden. Wenn Gott in deinem Leben anfängt zu wirken, wird das Endziel sein, dass die ganze Welt von seiner Herrlichkeit erleuchtet wird. So beten wir im Vaterunser: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden, dein Reich komme“. Das wird am Ende geschehen, wenn Jesus wiederkommt. Vielleicht ist das auch ein Hinweis darauf: Wenn in deinem Leben dieses Licht zu leuchten beginnt, wird es eines Tages die gesamte Welt erleuchten – nicht von dir aus, sondern von Gott aus.
Ein kleines Detail möchte ich am Rande noch erwähnen: Ihr habt vielleicht bemerkt, dass Jesus hier die Ansprache wechselt. Zunächst spricht er allgemein, niemand zündet ein Licht an. Im zweiten Teil aber spricht er seine Zuhörer ganz konkret an. Nicht im Kollektiv, sondern jeder soll sich persönlich angesprochen und herausgefordert fühlen.
Zunächst eine allgemeine Feststellung, dann die Aufforderung: Denk nicht an deinen Nachbarn oder an irgendjemand anderen, sondern an dich selbst. Deshalb wechselt Jesus hier in die zweite Person Singular. Jeder soll an sich selbst denken und seine persönliche Herausforderung darin sehen.
Im zweiten Teil heißt es: „Wie wenn das Licht mit seinem Strahl dich erleuchtet“. Hier wird der Blickwinkel verändert: Es geht nicht mehr um das Licht, das aus uns herauskommt – das war es von Anfang an nicht. Es ist nicht das Licht, das durch die Augen herausstrahlt, weil unser ganzer Körper voll von Begeisterung für Jesus ist. Vielmehr wird gesagt, dass dieses Licht in deinem Leben gar nicht von dir selbst kommt. Du sollst so Licht werden, wie du Licht geworden bist, als dieses Licht dich erleuchtet hat.
Stell dir vor, du hast das Licht in der Hand wie eine Taschenlampe und leuchtest damit nach außen, damit andere etwas sehen. Es soll in deinem Leben so sein, wie zu dem Zeitpunkt, als dich das Licht angeleuchtet hat. Wann war das? Das erste Mal, als wir bekehrt wurden, als Jesus uns die Wahrheit offenbarte, als er uns zeigte, wie unser Leben wirklich ist. Wir könnten sagen: der Zeitpunkt der ersten Liebe. Erinnere dich an diesen Moment, als du Jesus kennengelernt hast, als das Licht plötzlich in dein Leben brach und du erkannt hast, wie viel daran schlecht und falsch ist.
Daran sollst du denken, wenn es darum geht, dass einmal dein ganzer Leib Licht wird.
Was hier übrigens auch noch zu bemerken ist: Es wird davon ausgegangen, dass es möglich ist, dass ein Teil deines Lebens bereits vom Licht erleuchtet ist, andere Teile aber noch nicht. Denn es heißt ja: „Wenn nun dein ganzer Leib Licht ist, so dass er keinen finsteren Teil mehr hat.“ Das setzt voraus, dass dies ein Endzustand einer Entwicklung ist. Zuvor ist es möglich, dass ein Teil Licht ist und ein anderer noch im Dunkeln liegt. Das gibt uns Hoffnung.
Sonst müssten wir heute Abend wahrscheinlich alle frustriert den Raum verlassen und sagen: So leuchten tun wir ja nicht, wie Jesus das tut, und so Licht ist das auch nicht alles. Aber es gibt Hoffnung: Wenn das Auge oder ein Teil schon Licht hat, ist der ganze Körper noch nicht Licht, aber er kann es werden.
Wenn das Licht in einer Wohnung angezündet ist, ist es erst einmal da. Vielleicht haben wir es ein Stück weit weggelegt, aber wir können es wieder hervorholen.
Was uns das auch vor Augen führt: Das Licht ist nicht deine eigene Anstrengung. Hier wird deutlich gesagt, dass das Licht dich erleuchtet hat. Du hast es nicht selbst gemacht oder angezündet. Das Licht in unserem Leben kommt von außen.
Das ist auch klar, denn wenn wir so leben wollen, wie Jesus gelebt hat oder wie er es von uns erwartet, können wir das nur durch seinen Einfluss. Alleine schaffen wir das nicht.
Wir haben hier also auf der einen Seite eine starke Herausforderung: Überprüfe dein Licht. Schau dir dein Leben an, sieh auf die Indikatoren. Ist dein Leben wirklich anders im Vergleich zur Welt um dich herum – geistlich gesehen? Stehst du zu der Wahrheit, die Gott dir gezeigt hat, oder verdrängst du sie? Verschweigst du sie in deinem Leben oder in deiner Beziehung zu anderen? Das sind Indikatoren dafür, wie es in deinem geistlichen Leben aussieht.
Wenn nichts zu sehen ist, gilt: Glaube ohne Werke ist tot – dann ist nichts da. Wenn aber etwas da ist, dann glimmt das Licht vielleicht, vielleicht ist es irgendwo versteckt, vielleicht leuchtet es auch richtig hell. Darauf müssen wir achten und uns herausfordern lassen, dass möglichst alle Teile unseres Lebens, der ganze Leib, von diesem Licht erleuchtet werden.
Aber das Licht selbst kommt von Gott. Das ist die Botschaft, die uns hier vermittelt wird.
Dann können wir unser Licht in der Welt leuchten lassen, wie Scheinwerfer, die in die Dunkelheit strahlen. Die Welt um uns herum braucht es dringend.
Wir alle sind immer in der Gefahr, gleichförmig mit der Welt mitzuleben. Das würde in diesem Bild bedeuten, gleichförmig in der Finsternis oder im Halbdunkel zu sitzen.
Licht grenzt sich immer deutlich von der Finsternis ab. Das merkt man zum Beispiel, wenn man abends ins Auto steigt. Es ist dunkel, und wenn man die Scheinwerfer ausschaltet, sieht man kaum etwas. Wenn man mit den Scheinwerfern über eine Kurve fährt, wird alles, was vorher im Licht war, plötzlich dunkel.
Genauso ist es, wenn wir zu den Maßstäben Jesu in unserem eigenen Leben und im Leben anderer stehen. Dann unterscheidet sich unser Leben radikal, nicht nur graduell. Wir sind nicht wie alle anderen – oder sollen es zumindest nicht sein. Wenn wir das Licht irgendwo verstecken, stellen wir es in eine Ecke und lassen es nicht leuchten.
Historische Auslegungen und Impulse aus der Kirchengeschichte
Ich möchte euch zum Abschluss noch ein paar besondere Gedanken aus der Kirchengeschichte mitgeben. Kirchengeschichte gehört einfach dazu, und sie ist auch sehr spannend. Wir sind ja nicht die Ersten, die diesen Text lesen, sondern viele Menschen vor uns haben sich damit beschäftigt.
Deshalb möchte ich euch mitnehmen zu einem sehr wichtigen Kirchenvater: Ambrosius von Mailand. Er war der bedeutendste Prediger seiner Zeit und hat unter anderem Augustinus, den ihr hoffentlich kennt, zum Glauben geführt. Ambrosius betont bei der Auslegung dieses Textes die Initiative Gottes. Er sagt in Vers 33: „Sei die Lampe, sei der Glaube.“ Die Lampe, die angezündet wird, ist der Glaube, und das, was sie leuchten lässt, ist das Wort Gottes. Übertragen könnten wir sagen: Die Lampe kann nur leuchten, wenn sie ihr Licht von woanders bekommt, nämlich aus dem Wort Gottes.
Übertragen auf unsere Situation – und ich glaube, hier hat Ambrosius eine wichtige Wahrheit getroffen – ist unser Glaube, also das, was die Verbindung zu Gott erhält, nur dann dauerhaft lebendig, wenn wir uns immer am Licht orientieren, das heißt an der Bibel, am Wort Gottes. Dieses Licht kommt nicht aus uns heraus und liegt auch nicht in uns drin. Damit es ständig weiterleuchtet, braucht es neue Nahrung. Man könnte sagen, es muss am Leuchten erhalten werden, und das geschieht, wie Ambrosius sagt, durch das Wort Gottes. Ich halte das für eine sehr wichtige Erkenntnis.
Chromatius von Aquileia – ich weiß nicht, ob ihr ihn kennt, aber zumindest vom Namen her vielleicht – geht davon aus, dass auch das Auge den Glauben symbolisieren kann. Er sieht darin einen Glauben, der in Gefahr ist, durch die Finsternis der Sünde zu erblinden. Das drückt er so aus: Das Auge ist hell, weil wir von Gott den Glauben bekommen haben. Wenn wir aber nicht darauf achten, kann es sein, dass wir durch die Sünde blind werden. Wenn wir in der Sünde leben und sie immer wieder tun, verlieren wir irgendwann die Fähigkeit, die Sünde als Sünde zu erkennen. Sie erscheint uns selbstverständlich.
Wir alle kennen diesen Vorgang wahrscheinlich: Wenn wir eine Sünde immer wieder begehen, erkennen wir sie irgendwann nicht mehr als Sünde. Dieser Sachverhalt ist das, worauf Chromatius aufmerksam machen will. Auch das ist eine hilfreiche Einsicht.
Hilarius von Poitiers hat dazu gesagt, dass das Auge die Gemeindeleiter oder Ältesten symbolisiert. Eine Kirche oder Gemeinde würde vollkommen ins Dunkel fallen, wenn die Leiter verführt würden. Diesen Gedanken habe ich vorhin schon erwähnt, weil er auch biblisch ist. Jesus beziehungsweise Paulus bezeichnet die Gemeinde an anderer Stelle als Leib.
Augustinus sagt dann, das Auge stehe eher für die Intention, also die Motivation unseres geistlichen Lebens. Der Körper symbolisiert unser geistliches Leben. Wenn unsere Intention oder Motivation nicht rein ist, wenn sie kein Licht ist, dann werden irgendwann auch unsere Taten davon beeinflusst. Das ist nachvollziehbar. Wir können ein frommes Leben nach außen hin aufrechterhalten. Wenn es aber aus falscher Motivation geschieht – also nicht aus der inneren Beziehung zu Jesus, sondern nur wegen des Ansehens oder des Scheins, den wir dadurch gewinnen wollen – dann wird auch das, was wir tun, getrübt und verliert seinen Wert. Es wird nur noch eine äußere Form sein, ein Schein für andere, die zusehen.
Zum Schluss möchte ich noch Ephraim den Syrer nennen. Er hatte eine ganz interessante Idee. Er meinte, dass hier von Augen die Rede ist und dass man immer zwei Augen hat. Weil davon gesprochen wird, dass ein Teil dunkel und der andere hell sein kann, sieht er darin ein Bild für uns Christen. Solange wir auf der Erde sind, sehen wir mit einem Auge so, wie ein Sünder sieht, und mit dem anderen so, wie Gott sieht.
Mit dem einen Auge sehen wir die Sünde als etwas Tolles, Verführerisches, etwas, das wir unbedingt tun müssen. Wir tun es. Dann öffnen wir das andere Auge, und plötzlich sieht das, was vorher prächtig aussah, ganz schlimm aus.
Neulich habe ich ein Hörspiel gehört, in dem jemand sagte: Manche Leute gehen abends in die Kneipe und treffen dort eine Prostituierte, die im schummerigen Licht besonders hübsch aussieht. Am nächsten Morgen wachen sie im Bett auf und wundern sich, wie anders sie plötzlich aussieht. Unter der schummerigen Kneipenbeleuchtung sehen manche Dinge anders aus als im hellen Tageslicht.
Das sollten wir natürlich nicht tun, aber als Beispiel zeigt es, dass wir manchmal die Sünde ansehen wie Eva den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse: Sie sieht so toll aus, und es scheint wunderbar, davon zu essen oder zu nehmen. Sobald wir es getan haben, öffnet sich unser anderes Auge, und wir erkennen, dass das alles nur Moder ist, dass es schlecht ist.
Deshalb sollten wir darauf verzichten. So weit Ephraim der Syrer.
Abschluss und Gebet
Und das, was wir am Ende festhalten können, ist: Jesus ist das Licht der Welt (Johannes 8,12).
Das ist der Ausgangspunkt. Denn dort, wo wir auf der einen Seite unter Druck stehen, müssen wir auf der anderen Seite immer sehen, dass wir es alleine nicht schaffen können. Nur ein bisschen mehr Druck zu erhöhen, bringt es nicht.
Das heißt aber umgekehrt auch nicht, dass wir einfach sagen können: Dann lassen wir es eben dabei, wenn etwas falsch läuft. Das ist auch nicht richtig. Wir müssen nur an der richtigen Schraube drehen. Und die richtige Schraube ist die Beziehung zu Jesus, die richtige Schraube ist, dieses Licht leuchten zu lassen. Dadurch verlieren wir die Angst, von anderen komisch angesehen zu werden oder mal anders zu sein als die Welt um uns herum.
Ich lasse es einmal dabei, wünsche euch noch einen schönen Abend, bete hier an dieser Stelle noch und möchte euch einladen, dazu mitzubeten:
Herr Jesus, vielen Dank für dieses Gleichnis, das du den Menschen damals gegeben hast. Vielen Dank, dass du so anschaulich und klassisch gepredigt hast. Wir möchten dich bitten, dass du uns Weisheit gibst, zu erkennen, wo in unserem Leben etwas nicht in Ordnung ist, wo wir Wahrheiten erkennen und sie dann vielleicht verdunkeln.
Zeige uns, wo du uns Dinge gezeigt hast und wir irgendwie nicht danach leben oder nicht danach leben wollen. Wo wir anderen etwas vorspielen oder wo Teile unseres Lebens im Dunkeln sind, irgendwie von dir entfernt sind. Wo wir nicht darauf achten und dich da nicht mitreden lassen wollen. Zeig du uns das und gib uns den Mut, Licht hineinzubringen, zu verändern und es dir auszuliefern.
Vielen Dank, dass wir da nicht nur auf uns angewiesen sind, sondern dass du, wo wir deine Kinder geworden sind, uns dieses Licht schon gegeben hast. Du bist das Licht in unserem Leben. Hilf uns dabei, es nicht irgendwo in eine Ecke zu stellen, sondern dass es immer mehr leuchtet.
Lass Menschen um uns herum erkennen, dass es die Wahrheit ist, zur Umkehr zu kommen und zur Lebensveränderung. Dass sich unsere Umwelt verändert und auch unser Leben sich verändert. Dass andere Menschen das sehen und vor allem, dass du es siehst, dass wir es auch sehen können und dass du dadurch verherrlicht wirst. Denn andere Menschen können das nur durch dich erkennen.
Und wo andere Menschen sehen: Das ist das eigentliche Leben. Alles andere, was verspricht, lebenswert zu sein und toll zu sein, bringt es eigentlich nicht. Aber das, was wir in unserem Leben haben können, das bringt es wirklich.
Hilf uns auch gerade hier in der Zeit an der Bibelschule, dass wir uns gegenseitig helfen können, unser Leben auf die Probe zu stellen und unter die Lupe zu nehmen.
Danke dafür, dass du da bist und dass du Licht bist. Amen.