Einladung zur Erquickung und Gebet
Wenn wir uns hier versammeln, lädt uns unser Herr Jesus Christus ein: „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“ Dieses Wort gilt uns besonders an diesem Bußtag: „So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“
Wir wollen gemeinsam das Gebetslied „Erneuere mich, o ewiges Licht“ (263, alle Verse) singen und beten.
Du, unser himmlischer Vater, das ist unsere Bitte: Reinige unser Herz. Wenn wir uns heute Morgen versammeln, bedrückt uns tief in unserem Wesen und unserer Persönlichkeit so vieles, was uns den Frieden raubt. So vieles wohnt in uns und bestimmt uns, was gegen dich und dein Wort ist. Es tut uns leid, dass wir immer wieder auf andere Stimmen und Herren hören und nicht auf dich.
Wir haben in unserem Leben viel zerstört durch Ungehorsam, wo wir dein Gebot gebrochen haben. Und all das bedrückt uns: der Schmutz, der Unrat, die Begierde, das Unrecht und das ungute Reden in unserem Leben. Herr, du kannst uns reinigen, und darum bitten wir dich. Du bist für Sünder gestorben, und deshalb kannst du auch unser Leben völlig erneuern und uns jetzt allen die Last wegnehmen.
Wir wollen dir in der Stille all das bringen, was uns belastet: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist.“ Amen.
Schriftlesung und Ermahnung zur Stärkung
Unsere Schriftlesung steht im Hebräerbrief, Kapitel 12. In den ausgelegten Bibeln findet man sie im Neuen Testament auf Seite 250, Hebräer 12,12-17:
Darum stärkt die müden Hände und die wankenden Knie und macht sichere Schritte mit euren Füßen, damit nicht jemand strauchelt wie ein Lahmender, sondern vielmehr gesund wird. Jag dem Frieden nach mit jedermann unter Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird, und seht darauf, dass nicht jemand Gottes Gnade versäume, dass nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse und Unfrieden anrichte und viele durch sie unrein werden. Dass nicht jemand sei ein Abtrünniger oder Gottloser wie Esau, der um der einen Speise willen seine Erstgeburt verkaufte. Ihr wisst ja, dass er hernach, als er den Segen ererben wollte, verworfen wurde, denn er fand keinen Raum zur Buße, obwohl er sie mit Tränen suchte.
Dann singen wir das Lied „Kehre wieder“ 447, die Verse 1, 2 und 5.
Von den schönen Bußgeschichten des Neuen Testaments gibt es viele, besonders im Neuen Testament. Aber da steht auch eine im Alten Testament, im Buch Nehemiah. Wir lesen sie in Nehemiah 8, das in den ausgelegten Bibeln auf Seite 464 im Alten Testament zu finden ist, Nehemiah 8,1-12:
Als nun der siebte Monat herangekommen war und die Israeliten in ihren Städten waren, versammelte sich das ganze Volk wie ein Mann auf dem Platz vor dem Wassertor. Sie sprachen zu Esra, dem Schriftgelehrten, er solle das Buch des Gesetzes des Mose holen, das der Herr Israel geboten hatte. Und Esra, der Priester, brachte das Gesetz vor die Gemeinde – Männer und Frauen und alle, die es verstehen konnten – am ersten Tag des siebten Monats. Er las daraus auf dem Platz vor dem Wassertor vom lichten Morgen an bis zum Mittag vor Männern und Frauen, und wer es verstehen konnte, hörte zu.
Die Ohren des ganzen Volkes waren dem Gesetzbuch zugewandt. Esra, der Schriftgelehrte, stand auf einer hölzernen Kanzel, die sie dafür gemacht hatten. Neben ihm standen Matityah, Shema, Anaya, Uriah, Hilkiah und Maaseiah zu seiner Rechten, aber zu seiner Linken standen Pedaia, Mishael, Malkiah, Harschum, Haschbadana, Secharja und Meshulam.
Warum steht das immer da? Sie wissen, später wurde das in der jüdischen Synagoge ein wichtiger Brauch, dass einer aufpasst, dass der, der aus der Bibel vorliest, nicht falsch vorliest. Es wäre heute manchmal ganz gut, wenn die Gemeinde immer wieder auf die Finger schauen würde, damit nichts verkündigt wird, was nicht geschrieben steht. Das andere interessiert uns nicht, was Menschen an Gedanken dazwischen flechten.
Esra tat das Buch vor aller Augen auf, denn er überragte das ganze Volk. Als er es auftat, stand das ganze Volk auf. Esra lobte den Herrn, den großen Gott, und alles Volk antwortete: Amen, Amen. Sie hoben ihre Hände empor, neigten sich und beteten den Herrn an mit dem Antlitz zur Erde.
Die Leviten Jeshua, Bani, Scherepja, Jamin, Akub, Schabetai, Hodia, Masseja, Kelita, Asarja, Josabat, Hanan und Pelaja unterwiesen das Volk im Gesetz, während das Volk auf seinem Platz stand. Sie legten das Buch des Gesetzes Gottes klar und verständlich aus, so dass man verstand, was gelesen worden war.
Nehemiah, der Statthalter, Esra, der Priester und Schriftgelehrte, und die Leviten, die das Volk unterwiesen, sprachen zu allem Volk:
„Dieser Tag ist heilig dem Herrn, eurem Gott, darum seid nicht traurig und weint nicht.“ Denn das ganze Volk weinte, als sie die Worte des Gesetzes hörten.
Darum sprach er zu ihnen: „Geht hin und esst fette Speisen und trinkt süße Getränke und sendet davon auch denen, die nichts für sich bereitet haben. Denn dieser Tag ist heilig unserem Herrn, und seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
Um dieses Wort geht es mir heute vor allem in der Predigt: „Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ Die Leviten trösteten das ganze Volk und sprachen: „Seid still, denn der Tag ist heilig, seid nicht bekümmert.“ Und das ganze Volk ging hin, um zu essen, zu trinken und davon auszuteilen und ein großes Freudenfest zu machen, denn sie hatten die Worte verstanden, die man ihnen kundgetan hatte.
Das wäre schön, wenn man nach der heutigen Predigt auch sagen könnte: Sie haben verstanden, was man Ihnen kundgetan hatte. Um es klipp und klar zu sagen: Es geht darum, dass der Bußtag ein großer Freudentag ist.
Die meisten der heute lebenden Menschen haben, wenn sie an das Evangelium denken, ein solches schreckliches Zerrbild des Christentums vor Augen, das einen nur grauen kann. Es ist immer wieder interessant, das Gespräch einmal mit unseren Bekannten wieder zu eröffnen: „Was stellst du dir eigentlich unter Christentum vor?“ Ach, sagen da die jungen Leute, „was Scheußliches, da werde ich in eine Form hineingezwungen, da wird meine Jugendkraft gelähmt, da werde ich in meiner Freude gehemmt, da kann ich mich nicht entfalten mit meinen Gaben, da werde ich ein ganz verstümmelter und verkrampfter Mensch.“
Woher kommt das? Es kommt aus der alten Vorstellung, dass dem Menschen die Sünde eingeredet würde. Es sagen ja manche Leute, die uns verlassen haben, die einmal treu in unserer Mitte mitgeschafft haben, und die sagen dann: „Nein, ich will das nicht mehr. Jetzt will ich mich selber verwirklichen. Bisher habt ihr versucht, mich zu manipulieren, mein Leben zu bestimmen. Ihr habt mir etwas eingeredet von Schuld. Ich habe keine Schuld, ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich lebe nach meinen Gaben, so wie ich veranlagt bin. Natürlich habe ich längst die engen Fesseln der alten Moral des Christentums gesprengt. Ich lebe nach meinen Gefühlen, so wie es mich treibt und wie ich Lust habe. Das ist mein Ziel, und ich lebe ganz gut.“
Kein Wunder, dass dann das Christentum aussieht wie eine schlimme Vogelscheuche mit einer grässlichen Fratze. Und ich möchte heute dazu einiges sagen.
Wahrscheinlich sagen die meisten Menschen: „Um was geht es denn überhaupt an diesem Tag? Schuld? Nein, ich nicht! Mein Ehegatte natürlich, aber ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich lebe recht, ich bemühe mich, ich will immer nur das Gute. Was habe ich mir auch vorzuwerfen? Nein, das mit den Christen und mit der Schuld, das ist ein altes Thema, das hat für uns heute nichts mehr zu bedeuten.“
Und das hat ja längst die Kirchen erreicht. Das wird seit Jahrzehnten von den Kanzeln herunter immer wieder abgespult, dass den modernen Menschen nicht mehr die Frage seiner Schuld umtreibt. Und das stimmt ja.
Mein erster Punkt heute: Es gibt ein böses Erwachen. Vielleicht erzähle ich Ihnen jetzt zuerst einmal von den damaligen Zeiten unter Nehemiah.
Wo befinden wir uns überhaupt? Sie wissen, dass Jerusalem zerstört wurde von den Assyrern. Zweimal wurde es erobert, es wurde dann total zerstört, der Tempel ging in Flammen auf, und das Volk Israel wanderte siebzig Jahre in die Gefangenschaft nach Babel.
Von dieser Gefangenschaft sind sie wieder zurückgekehrt und haben Jerusalem aufgebaut. Es war die Zeit, als etwa der Prophet Zacharja gewirkt hat. Es war ein schwerer Kampf, auf den Trümmern wieder anzufangen. Das wissen die Eltern unter uns, die nach dem Zusammenbruch wieder angefangen haben, in großer Mühe unser Land wieder aufzubauen und auf den Trümmern wieder die Häuser zu errichten. Hundert Jahre lang ging das, und dann sind wir in dieser Zeit.
Da kam ein persischer Hofbeamter, der aus dem Judentum stammt. Die Perser hatten ja die Gewohnheit, auch die unterjochten Völker mit hohen Leitungsämtern in ihrer Regierung zu betrauen. Dieser Nehemiah kam nach Jerusalem und ließ sich extra von seinem persischen König Freibriefe geben. Er wollte dem notleidenden kleinen Trüblein, das in Jerusalem wieder gesiedelt hatte, zur Hilfe kommen. Denn in Jerusalem haben immer wieder die Nachbarvölker dieses kleine angesiedelte, wieder aufgebaute Städtchen überfallen und geplündert. Da waren keine Mauern da.
Das hat Nehemiah gedrückt. Er kam nach Jerusalem und beschreibt, wie schlimm das aussah. Die Bürger von Jerusalem waren recht stolz, was sie in hundert Jahren geleistet hatten. Sie hatten viel aufgebaut, sie hatten schwer geschafft.
Aber Nehemiah ging dann bei Nacht, wo ihn niemand beobachten konnte, mit seinem Esel um die Stadt herum. Da lagen so viele Trümmer, dass er gar nicht mit seinem Maultier reiten konnte. Jetzt werden Israel-Pilger sich sogar genau zurückerinnern können, wo das war.
Als er ans Quelltor kam, wird das im Kapitel 2 beschrieben, musste er von seinem Maultier absteigen, weil da so viele Trümmer lagen. Das ist der Steilabhang der Davidstadt, die hinuntergeht zur Gihonquelle. Auf der letzten Reise sind wir den Hang gar nicht hochgegangen, weil es so steil war. Dort liegen heute noch die Trümmer, über die das Reittier Nehemias nicht mehr klettern konnte. Er stieg zu Fuß darüber.
Dann hat Nehemiah die Bürger zusammengerufen und gesagt: „Wir wagen es, wir bauen Mauern!“ Und Sie kennen doch das, wie Sie gebaut haben. In der einen Hand hatten Sie die Waffe, in der anderen Hand die Mauerkelle. Dann haben Sie die Mauern wieder aufgebaut und die Tore eingesetzt. Sie mauerten gleichzeitig an allen Stellen der Mauer. In 52 Tagen hatten Sie das große Werk vollbracht: in 52 Tagen die ganze Mauer um Jerusalem gezogen. Als die Feinde, die immer wieder Jerusalem überfallen hatten, merkten, dass die Mauer gebaut war, war es schon zu spät.
Das war ein Moment, wo die Bürger zusammenkamen und sagten: „Wir haben es geschafft!“ Das muss doch ein Freudentag sein! Wie fühlen Sie sich nach so einer Superleistung?
Es wird im Buch Nehemiah erzählt, wie diese Leute sagten: „Ja, aber das war nur der äußere Aufbau. Was ist unseres Lebens Sinn?“ Und das suchen sie: „Wofür leben wir eigentlich?“ Das bricht ja manchmal auf in Zeiten des äußeren Wohlstands, wenn man seine äußere Versorgung unter Dach und Fach hat: „Wofür lebe ich eigentlich?“
Dann holen sie das Gesetzbuch des Mose her, Esra, der Schriftgelehrte, und dann kommt das alles, wie wir vorhin gehört haben. Sie stehen da mit seinen Begleitern, und dann wird das Gesetz Gottes vom Sonnenaufgang an vorgelesen.
Gott hat mitgeteilt, wofür wir leben und was unseres Lebens Ziel ist. Und da gibt es ein böses Erwachen. Die Leute merken auf einmal: „Wir haben falsch gelebt. Wir haben die Gebote Gottes gebrochen. Und weil wir die Gebote Gottes gebrochen haben, gibt es für uns gar keine Chance der Hoffnung mehr. Wir sind Leute, die verflucht sind, die Gott vor sich wegstößt. Wir können gar nicht mehr beten, und wenn wir sterben, haben wir keine Hoffnung, bei Gott zu sein.“ Und da schreien und weinen sie.
Gibt es das heute auch noch? Oder war das nur in der alten Zeit so? Zu allen Jahrhunderten war es so, dass die Menschen Schuld verdrängt haben. Es ist nicht erst nur unsere Generation so.
Man hat gesagt: Wichtiger ist der Wiederaufbau, wichtig ist es, Geld zu verdienen, wichtig ist es, dass man zu essen und zu trinken hat. Und dann gibt es ein böses Erwachen. Das kommt, wenn man das Wort Gottes hört.
Der Punkt ist mir jetzt wichtig heute Morgen: Wenn andere sagen, „Aber in unserer Generation gibt es gar kein Empfinden für Schuld.“ Nein, das hat ein Mensch nie. Nicht mal Adam und Eva hatten Empfinden für Schuld im Paradies.
Schuld erkennt man erst, wenn man vor dem Wort Gottes still wird und zuhört. Es ist mir schwer, dass wir heute modernen Menschen gar nicht mehr auf das Wort Gottes hören können. Es wird unseren jungen Leuten schon in der Schule eingeimpft, dass man das Wort Gottes natürlich nicht wörtlich nehmen müsse, sondern das sei eigentlich bloß so eine alte Ansicht gewesen, die vielleicht für uns noch im übertragenen Sinn eine gewisse Bedeutung habe. Und dann hört einer noch so ganz fern: „Na ja, das hat mir ja nichts mehr zu sagen.“
Oder ich denke mit Schmerzen daran, wie heute viele das Wort Gottes benutzen. Sie hören es, und dann sagen sie: „Buchstags, gut, da wird von Schuld geredet, jawohl, ja, von Schuld wird geredet. Jetzt redet mal von den Chemiekonzernen, von der Atomrüstung, von der Waffentechnik, von dem amerikanischen Präsidenten Reagan und SDI, und dann redet von den Nazi-Verbrechen und von der Kriegsgeneration und von all dem Unrecht, das geschehen ist. Jetzt prangern wir es an: die Ausbeutung, die Werbung und die Reichen, die auf der dritten Welt herumtrampeln. Da haben wir es doch, wir reden von Schuld, wir reden von Schuld. Niemand redet so viel von Schuld wie unsere junge Generation heute.“
Aber: „Mir, ich habe doch mir nichts vorzuwerfen. Meine Väter, meine Eltern, die Generation, die mich erzogen hat, das Schulsystem, die schlechten Bildungschancen, die Ungerechtigkeit in unserem Volk, die sind schuld.“ Und da passiert immer wieder ein böses Erwachen, dass Menschen plötzlich unter dem Wort Gottes merken: „Ich habe gesündigt.“ Und jetzt geht es nicht um die Schuld der anderen, zu vergleichen und zu messen, sondern: „Wie kann ich meine Schuld vor Gott in Ordnung bringen?“
Ich habe oft den Eindruck, dass viele seelische Zusammenbrüche, auch körperliche Zusammenbrüche, davon herrühren, dass Menschen plötzlich ihre Schuld entdecken. Wenn die Kinder von zuhause weglaufen und die Ehe zusammenbricht, man plötzlich merkt: „Irgendetwas war doch falsch bei mir.“ Das kommt bei mir oft vor, dass ich erschrecke: „Mensch, was hast du da geredet, was hast du da gemacht?“ Und wehe, wenn wir bloß flüchten in eine hektische Betriebsamkeit und uns belügen und sagen: „Aber die anderen sind viel schlimmer, wie will ich mit meiner Schuld gerade stehen?“
Das ist doch die Frage. Immer hat das Wort Gottes Schuld aufgedeckt, auch heute. Und sie verstanden, was da geredet war.
Ich kann mich nicht ausreden aus einer Sache: Ich bin noch nie an einem Grab gestanden, wo ich mir nicht schwere Vorwürfe gemacht hätte. Eigentlich hättest du dich mehr darum kümmern können, um den, der da gestorben ist. Ich denke, dass niemand der Angehörigen da stehen wird am Grabe, ohne sich Vorwürfe zu machen. Schuld wird uns bedrängen.
Schuld ist sogar die Not unserer Generation heute, aber keiner redet mehr davon. Darum wollen wir hier davon reden: Schuld, die plötzlich uns in die Augen tritt und wir erwachen und wir sehen sie, und dann wird das Gewissen wach.
Ich habe das oft gehört von jungen Leuten, die sagen: „Ihr Christen, ihr redet uns das nur ein.“ Dann sage ich nichts, weil das nur der Geist Gottes einem Menschen zeigen kann, dass man Schuld nicht einreden kann, die muss man sehen. Auch da, wo heute Menschen alle Gebote Gottes auf die Seite geworfen haben und rein nur noch leben nach ihrer Lust und ihrem Empfinden.
Jetzt kommt mein zweiter Punkt: Unbegreiflich, wie da getröstet wird.
Die Leute erschrecken und weinen damals in Jerusalem. Sie merken, dass sie gar kein Leben haben, das vor Gott bestehen kann. Und da passiert das Merkwürdige, dass der Nehemiah von seinem Statthalter, den er da so feierlich vor dem Volk hatte, herunterspringt unter diese belasteten und traurigen Menschen. Er rüttelt und schüttelt sie und sagt: „Jetzt lasst doch den Kopf nicht hängen, seid nicht bekümmert, seid nicht bekümmert.“
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass das völlig unpassend ist? Es ist unbegreiflich, was da geschieht. Der Nehemiah müsste doch sagen: „Endlich, jetzt seid ihr dran.“ Wahrscheinlich hätte ich als Prediger auch so gesagt: „Ja, ja, da wollen wir stehen bleiben. Jetzt wollen wir viel darüber reden, über eure Versäumnisse. Merkt ihr nicht, dass eure wüsten Gedanken schuld waren an eurem Leben, euer eigensinniger, störrischer Wille, eure Lieblosigkeit? Ich möchte vertiefen. Ich würde sagen: Natürlich, jetzt müsst ihr euch mal darum kümmern um die Sache. Jetzt wollen wir richtig mal hinsitzen und in weichen Weinen und Trauern über unsere Fehler.“
Die Bibel ist ganz anders, als wir Menschen denken. Besonders der Bußtag ist voll von Freude.
„Seid nicht bekümmert! Nein, seid nicht bekümmert!“ Wie kann denn eigentlich Nehemiah so etwas sagen? „Seid nicht bekümmert!“, wo es jetzt aus den Menschen herausbricht: „Ich habe falsch gelebt, ich habe falsch gehandelt.“
Man kann es nur so sagen: Er weiß schon etwas von dem Geheimnis, das dort viel später enthüllt wird, dass Jesus kommt, der die Sünden der Welt trägt. Sonst kann er doch den Menschen gar nicht das verkündigen: „Seid nicht bekümmert! Es gibt eine Vergebung, die alles, alles auslöscht und was in deinem Leben drin war: ein Versäumnis, ein Unrecht, eine Boshaftigkeit, Gemeinheit, Tücke, Lüge, Unrecht und Gewalt. Jesus will es jetzt vergeben. Sei nicht bekümmert! Und wenn deine Sünde blutrot wäre, soll sie schneeweiß werden!“
Ich muss Ihnen noch einmal verdeutlichen, warum das Unbegreifliche „Seid nicht bekümmert!“ gerade in der christlichen Predigt unserer Tage so wichtig ist.
In den Kirchen hört man viel von Problemen, und es wird viel von Schuld geredet. Immer wieder wird die alte Schuld vorgehalten, auch die alte Schuld vor vierzig Jahren und davor. Dann wird gesagt: Nur wenn man das immer und immer wieder bewusst macht, gibt es eine Änderung.
Wir können die Probleme heute nur lösen, indem wir immer wieder an die alte Schuld erinnern. Und es gibt einen Neuanfang eigentlich nur, wenn man die alte Schuld vor Augen hat.
Man glaubt, das ist falsch, jedenfalls ist es nicht christlich. Nehemiah sagt: Nein, ein Problem muss gelöst werden. Nicht die vielen Weltprobleme, die sind alle da, sondern zuerst muss das Problem gelöst sein: Deine Schuld muss vergeben sein. Zuerst muss Gott dein Herz verwandeln können. Und das sucht er dich, bis du kommst und sagst: „Ach Herr, mach mein Leben neu.“
Es ist ein ganz großer Augenblick, wenn das geschieht: Wenn ein stolzer, eigenwilliger Mensch sagt: „Gott, ich komme zu dir, es war alles falsch, jetzt machst du aus mir einen neuen Menschen, gib mir ein neues Herz.“ Und wenn das geschieht, ist der größte Durchbruch erzielt. Da ist die Welt neu geworden an einer kleinen, konkreten Stelle.
Darum ist Nehemiah so darauf aus, den Bürgern von Jerusalem von der Freude zu sagen: „Seid nicht bekümmert! Jetzt sind wir dran, jetzt seid ihr durchgebrochen zur Freude.“ In dem Augenblick, wo man Schuld erkennt, ist doch schon die Heilung da.
Er hält nichts davon, lange zu trauern über Schuld und Versäumnisse, sondern er sagt: „Gib es her, und dann werfen wir es in Meerestiefe hinunter, niemand holt es mehr hervor.“
Darf ich Ihnen heute in diesem Gottesdienst anbieten, dass Sie jetzt sagen: „Herr Jesus, bei mir kommen immer wieder die alten Geschichten hoch. Geschichten längst vergangener Tage, Schuld, die mich anklagt und belastet und die mich lähmt.“ Bekümmert euch nicht, legt es jetzt ab bei Jesus, dass er sie dir ganz vergibt. Nie mehr soll sie hervorkommen, weg ist sie. Bekümmert euch nicht.
Wenn dann andere sagen: „Aber was ist mit den Weltproblemen?“ Dann wollen wir uns fröhlich zuwenden den Weltproblemen, allen, aber als neue Menschen, die nur auf die Stimme des Herrn hören, in denen der Geist Gottes Wohnung macht.
Mein letzter Punkt: Das ist der Weg zur Freude, drittens: Das ist der Weg zur Freude.
Es steht ja erstaunlich viel von der Freude da: „Die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
Ich muss Ihnen noch ein bisschen reinen Wein einschenken über den Bußtag. Der Bußtag war eine schlechte Erfindung, wissen Sie das? Er wurde in der christlichen Kirche schon von Theodosius dem Großen eingeführt. Das war ganz am Anfang des Altertums, noch aus der vorchristlichen Zeit übernommen, überhaupt aus dem Heidentum.
Denn das wissen die Heiden: Irgendwann muss man einmal ein bisschen Reue empfinden. Wir haben ja über die Strenge geschlagen, dann machen wir einen Aschermittwoch, so einen Kadertag, und dann wird alles wieder gut.
Als wir dann Landesfürsten hatten, die auch manchmal über die Strenge geschlagen haben, haben die gesagt: „So, wenn es ganz liederlich war, jetzt soll das Volk für uns büßen.“ Dann wurden Bußtage angesetzt. Und da gab es dann so viele Bußtage in Deutschland im Mittelalter, dass man kaum mehr durchblickte.
Noch im Jahr 1878 gab es 48 verschiedene Bußtage in Deutschland. Die hat man dann ein wenig zusammengefasst auf diesen Bußtag vor dem Totensonntag. Da sagte man: „Da ist man eh schon traurig, da passt das noch mitten rein,“ und dann lässt man einfach so mal das Gesicht ganz traurig hängen.
Dieser Bußtag hat in dieser Konstruktion gewiss nichts zu tun mit dem christlichen Glauben, mit der Botschaft des Evangeliums.
Dahinter steht der Gedanke, als ob man mit seinen Bußereien für seine Schuld gerade stehen könnte. Wenn man das alles sieht, wie bei Wallfahrten, ob die nun heidnischen oder halbchristlichen Ursprungs sind, die Leute auf den Knien kilometerweit herumschleichen – damit wird das Böse, das ich angerichtet habe, nicht besser. Das sollte man wissen.
Darum verstehen wir Buße anders, nicht als einen Tag, an dem wir sagen: „Na ja, da war auch manches nicht so ganz in Ordnung, und einen Tag von 365 Tagen kann man ja mal freimachen und Schuldtag drüber schreiben oder Bußtag war nicht so ganz in Ordnung, ich bin ja auch schon mal schneller gefahren als 50 in der Stadt, da kann man ja mal Buße tun.“
Uns Christen geht es um etwas ganz anderes. Ich möchte mit meinem Leben Jesus ergreifen. Und da hat Jesus als liebstes Thema seiner Verkündigung das Wort Buße gehabt.
Aber das heißt im Deutschen eigentlich: „Bekehr dich doch, mach die Wendung deines Lebens und nimm Jesus an.“
Die Freude am Herrn, die Freude an Jesus macht dich stark.
Es wird heute oft gefragt, wie man in dieser notvollen Zeit eine Verbesserung oder eine Änderung einleiten könnte. Wenn man heute etwa junge Leute hat, die sich nicht mehr erziehen lassen, da werden ganze Heere von Psychologen und Therapeuten bestellt, und dann wird versucht, wie man in der Therapie einen Menschen noch beeinflussen kann. Ist man eigentlich überrascht, dass man so wenig erreicht?
Wenn man heute versucht, Drogensüchtige oder Alkoholsüchtige zu heilen, da sagt man: Es geht nicht. Warum denn? Weil der Mensch schwach ist. Sie kommen nicht weit.
Es soll noch einige Christen geben, die der altertümlichen Ansicht sind, als ob sie mit dem Prügel die Herzen ihrer Kinder verändern könnten. Glauben Sie das wirklich? Da können sie so lange herumtreffen, solange sie wollen. Ändern können sie Menschen durch so etwas nie.
Durch was können sie Änderung erreichen? Wenn der Geist Gottes Schuld aufdeckt, beim alten und beim jungen Menschen, beim Kind und beim Erwachsenen, dann ist der große Durchbruch erzählt.
Wenn einer sagt: „Jesus, ich kann nicht so weiterleben, es ist alles falsch, dich brauche ich,“ dann sagt Jesus: Da wird Freude sein im Himmel. Ganz gleich, ob das ein Krimineller vom Gefängnis war oder ein frommer Schriftgelehrter vom Tempel.
Freude ist im Himmel über einen Sünder, der Buße tut.
Das Wichtige ist doch nicht, die Tränen zu vergießen, sondern neu mit Jesus zu beginnen und zu leben.
Der Bußtag muss das heute sein, wo Jesus ergriffen wird, und dann ist nur noch Freude da.
Dann kommen unsere Mitchristen und sagen: „Ja, ja, aber jetzt ist erst noch die Frage: Wie werdet ihr mit der Zukunft fertig? Und wie löst ihr die schwierigen Ehefragen und die Familienfragen?“
Dann sagen wir: „Ach du, es ist ganz schön, was ihr an Büchern und Therapien und allem mir hier beischleppt, aber das Wichtigste ist mir immer noch, dass Jesus mich durch seinen Geist leiten kann.“ Und da wird eine Familie neu. Da wird ein Mensch verändert, wo Jesus einkehren kann, wo ein Verzweifelter und Mutloser erkennt: Jesus liebt mich.
Und das geht bis hinein in die tiefen seelischen Verzweiflungen und Verzagen, in die Mutlosigkeit von Menschen, die sagen: „Ich kann immer froh sein.“ Doch die Freude am Herrn ist eure Stärke, dass Jesus dich nicht loslässt, sondern dich hält.
Und dann ist das das Größte, was wir heute anbieten können: Für uns gibt es keine hoffnungslosen Fälle, egal wo Menschen stehen, wie zerstört das Leben ist.
Ich will das heute jedem zurufen, der irgendwo sagt: „Bei uns ist alles unlösbar geworden, unsere Familie, unsere Ehe, ich werde mit meinem Leben nicht mehr fertig, ich werde mit meinen Gedanken nicht mehr fertig, über mich fällt all das Hässliche und Wüste nur so herein.“
Das stimmt. Wenn man einmal die Schleusen öffnet und dem Bösen Raum gibt, dann ist das ja eine Macht, die uns Besitz hält, bis du sagst: „Jesus, dich will ich, du musst mein Herr sein, ich will mich ganz dir ausliefern.“
Es ist nur noch von Freude die Rede. Lauter Freude. „Bekümmert euch nicht, die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ Wir reden gar nicht mehr viel.
Wie sagten wir am vorletzten Sonntag vom Tod? Ja, da wollen wir auch nicht mehr viel reden, wir reden vom Leben.
Wir reden auch nicht mehr viel von Schuld und von Sünde. Für uns ist das gar nicht mehr interessant, was uns jede Nachrichtensendung erzählt, was wieder Schlimmes passiert und wie hoffnungslos das mit den Menschen ist.
Wir haben eine tolle Nachricht, ein Evangelium, das Jesus Menschen total verändert.
Was könnte aus Ihrem Leben geschehen, wenn Sie ganz, ganz nur Jesus Raum geben, bis in die letzten Verästelungen Ihres Lebens Jesus einziehen lassen? Dann ist die Freude da.
Ich freue mich, dass ich nicht mehr mein Eigen bin, nicht mehr nach meinem Kopf lebe, sondern meines getreuen Herrn und Heilands Jesu Christi Eigentum bin. Amen.
Nun singen wir das Lied „Mir ist Erbarmung widerfahren, Erbarmung, deren ich nicht wert bin.“ Wir singen es nach der Melodie, nach der es in der ganzen Welt gesungen wird.
Das ist eines der wenigen Lieder, das überall, auch in den Ländern der Dritten Welt, Eingang gefunden hat. Sie singen nur eine Melodie, die aber manchen von uns bekannt ist. Nach der wollen wir singen, Lied 277, Verse 1-3.
Wir wollen beten:
Herr, wir bitten dich, dass du uns unsere Schuld vor Augen stellst, dass wir unsere Versäumnisse sehen und das Unrecht, auch wo wir an den Menschen, die um uns herum leben, uns versündigt haben – in der Familie, in der Nachbarschaft, im Bekanntenkreis.
Zeig uns, wo wir dein Wort gebrochen haben, so dass wir umkehren können.
Hab Dank, dass du uns noch Zeit lässt vor der Stunde des Gerichts, dass wir unser Leben mit dir in Ordnung bringen können und unser Haus bestellen und alles so ordnen, dass es vor dir taugen kann.
Und dann wollen wir all das vor dir ausbreiten, Herr, was nicht recht war, und dir danken, dass du nicht einmal zulässt, dass wir uns darum bekümmern, dass du nur noch Freude willst über der Umkehr, weil du die alte Schuld zudeckst mit deinem Blut und das Neue schaffst.
Ja, da wollen wir auf dich blicken und auf dich trauen und dir danken, dass wir so zuversichtlich auch in die kommenden Tage gehen dürfen, weil du uns leitest, weil du uns die neuen Gedanken gibst, weil du uns durch deine Liebe prägen willst.
Herr, da schaffe doch du wieder diese Veränderung in uns, und in deiner ganzen Christenheit wirke du dieses neue Leben aus deinem Geist.
Wir wollen dich bitten, dass überall, wo heute dein Evangelium gepredigt wird, dies geschieht, dass Menschen mit dir ihr Leben neu ordnen und dich annehmen, dich als ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Wir singen noch die beiden letzten Verse vom Lied 277.
Wir haben den neuen Notizenzettel wieder fertig, am letzten Sonntag ausgeteilt. Das ist jetzt ein weißer Bogen. Dann wissen Sie vielleicht, ob Sie ihn haben. Da stand auch schon etwas von Silvester und Neujahr drauf. Wer den noch nicht hat, muss ihn nachher mitnehmen.
Ich grüße immer auch die Neuen in unserem Gottesdienst. Nehmen Sie den weißen Zettel nachher am Ausgang mit. Ich bin immer dankbar, wenn Sie da keine Gesangbücher ablegen, denn da soll man ja diese Blätter mitnehmen können. Das sind all unsere Gruppen und Kreise auch auf einem gelben Blatt und so fort. Aber der weiße Notizzettel ist jetzt wichtig.
Ich darf heute schon darauf hinweisen, dass wir in zehn Tagen, am Samstag vor dem ersten Advent, den Adventsabend hier in der Kirche haben. Es ist immer ein sehr schöner, festlicher Auftakt gewesen. Leider können wir dann nicht mehr diesen zweiten Teil im Gemeindehaus machen. Das waren jetzt einfach Platzprobleme. Wir werden hier in der Kirche diese Adventsfeier dann nur haben.
Ich möchte Ihnen sagen, dass es immer auch so eine schöne Gelegenheit war, jemanden einzuladen, den man sonst schlecht in den Gottesdienst einladen kann. Darum sage ich es Ihnen, dass Sie dann die Gelegenheit benützen und jemanden mitbringen.
Das wird gestaltet von vielen Gemeindegliedern, von Chören und Gruppen, und ist immer auch festlich mit dem Kerzenlicht.
Wir haben hinten schon den Büchertisch aufgebaut, und da möchte ich heute auf den schönen Kalender hinweisen, den unser Missionsarzt Doktor Hans Martin Kilgus uns zur Verfügung gestellt hat.
Mit dem Erlös dieses Kalenders wird die Missionsarbeit in Pakistan unterstützt. Das sind diesmal Farbaufnahmen. Hans Martin Kilgus kann ja besonders eindrücklich diese Gesichter porträtieren. Auch die, die im Gemeindehaus hängen, sind vor vielen Jahren entstanden.
Er ist jetzt in einem Gebiet als Arzt tätig, in Pakistan, wo bis vor kurzem überhaupt keine christliche Missionsarbeit sein konnte, in einem Stammesgebiet.
Wir freuen uns, dass er am 2. Februar hier eine Missionsmatinee bei uns halten wird. Er kommt in Heimaturlaub, aber dieser Kalender wird Sie sicher das ganze Jahr erfreuen und grüßen. Auch eine gute Gelegenheit, wenn Sie etwas versenken wollen.
Unser Opfer heute ist für ein Missionsehepaar bestimmt, das im Januar aus unserer Gemeinde in den Missionsdienst nach Japan entsendet wird.
Das ist unsere Sibylle, geborene Glöckler, jetzt Johnson, mit dem Alec Johnson verheiratet. Sie sind zurzeit in England und gehen dann mit der Überseeischen Missionsgemeinschaft der früheren China Inland Mission von Hudson Taylor hinaus nach Japan.
Wir wollen heute für diese Aussendung, für die Kosten, die jetzt vorher sind, unsere Opfer geben, und wir freuen uns, dass wir wieder jemanden entsenden dürfen aus unserer Gemeinde.
Viele von Ihnen sind beruflich gebunden, die können nicht mehr gehen, sie dürfen es dann finanzieren. Darum freuen wir uns, wenn sich noch viele junge Leute rufen lassen, dass das auch heute so ein Stoß sein kann für einen, der sagt: „Dann will ich doch mal überlegen, wo Gott mich braucht.“
Vielen Dank für alle Opferunterstützung auch hier.
Wir wollen nun um den Segen Gottes bitten:
Er segne uns und behüte uns, er lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
Die heutige Wahrnehmung des Christentums und Schuld
Es wäre schön, wenn man nach der heutigen Predigt sagen könnte, dass Sie verstanden haben, was Ihnen klipp und klar kundgetan wurde: Es geht darum, dass der Bußtag ein großer Freudentag ist – für Ihre Generation.
Die meisten der heute lebenden Menschen haben, wenn sie an das Evangelium denken, ein so schreckliches Zerrbild des Christentums vor Augen, dass es einen nur grauen lässt. Es ist immer wieder interessant, das Gespräch mit unseren Bekannten neu zu eröffnen. Man fragt: Was stellst du dir eigentlich unter Christentum vor? Die jungen Leute antworten oft: „Ach, da ist etwas Schreckliches. Da werde ich in eine Form hineingezwungen, meine Jugendkraft wird gelähmt, meine Freude gehemmt. Ich kann mich nicht entfalten mit meinen Gaben. Da werde ich ein ganz verstümmelter und verkrampfter Mensch.“
Woher kommt das? Es kommt aus der alten Vorstellung, dass dem Menschen die Sünde eingeredet wird. Manche Leute, die uns verlassen haben – die einst treu in unserer Mitte mitgeschafft haben – sagen dann: „Nein, ich will das nicht mehr. Jetzt will ich mich selbst verwirklichen.“ Sie meinen, bisher habe man versucht, sie zu manipulieren und ihr Leben zu bestimmen. Man habe ihnen etwas von Schuld eingeredet, dabei hätten sie keine Schuld. Sie hätten sich nichts vorzuwerfen. Sie leben nach ihren Gaben, so wie sie veranlagt sind.
Natürlich haben sie längst die engen Fesseln der alten Moral des Christentums gesprengt. Sie leben nach ihren Gefühlen, so wie es sie treibt. Und so wie sie Lust haben – das ist ihr Ziel. „Ich lebe ganz gut“, sagen sie.
Kein Wunder, dass das Christentum dann aussieht wie eine schlimme Vogelscheuche mit einer grässlichen Fratze. Und dazu möchte ich heute einiges sagen.
Wahrscheinlich fragen sich die meisten Menschen: Um was geht es denn überhaupt an diesem Tag? Schuld? „Nein, ich nicht! Mein Ehegatte vielleicht, aber ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich lebe recht, ich bemühe mich, ich will immer nur das Gute. Was habe ich mir auch vorzuwerfen?“
„Nein, das mit den Christen und mit der Schuld, das ist ein altes Thema. Das hat für uns heute nichts mehr zu bedeuten.“
Und das hat ja längst die Kirchen erreicht. Seit Jahrzehnten wird von den Kanzeln immer wieder abgespult, dass den modernen Menschen die Frage seiner Schuld nicht mehr umtreibt – und das stimmt ja.
Das böses Erwachen und die Zeit Nehemiahs
Mein erster Punkt heute: Es gibt ein böses Erwachen, es gibt ein böses Erwachen.
Vielleicht erzähle ich Ihnen zunächst von den damaligen Zeiten unter Nehemia. Wo befinden wir uns überhaupt? Sie wissen, dass Jerusalem von den Assyrern zerstört wurde. Zweimal wurde die Stadt erobert, dann total zerstört. Der Tempel ging in Flammen auf, und das Volk Israel wanderte siebzig Jahre lang in die Gefangenschaft nach Babel.
Von dieser Gefangenschaft kehrten sie zurück und bauten Jerusalem wieder auf. Es war die Zeit, in der etwa der Prophet Sacharja wirkte. Es war ein schwerer Kampf, auf den Trümmern wieder anzufangen. Das wissen auch die Eltern unter uns, die nach einem Zusammenbruch mit großer Mühe unser Land wieder aufgebaut und auf den Trümmern die Häuser errichtet haben. Hundert Jahre lang dauerte das.
Wir befinden uns also in dieser Zeit. Da kam ein persischer Hofbeamter, der aus dem Judentum stammte. Die Perser hatten die Gewohnheit, auch unterworfenen Völkern hohe Leitungsämter in ihrer Regierung zu geben. Dieser Nehemia kam nach Jerusalem und ließ sich extra von seinem persischen König Freibriefe geben. Er wollte dem notleidenden kleinen Trüblein, das in Jerusalem wieder gesiedelt hatte, zur Hilfe kommen.
Denn in Jerusalem überfielen und plünderten immer wieder die Nachbarvölker dieses kleine, wieder aufgebaute Städtchen. Es gab keine Mauern. Das drückte Nehemia sehr, und er kam nach Jerusalem. Er beschreibt, wie schlimm das aussah.
Die Bürger von Jerusalem waren stolz auf das, was sie in hundert Jahren geleistet hatten. Sie hatten viel aufgebaut und hart gearbeitet. Aber Nehemia ging nachts, wo ihn niemand beobachten konnte, mit seinem Esel um die Stadt herum. Da lagen so viele Trümmer, dass er gar nicht mit seinem Maultier reiten konnte.
Israel-Pilger werden sich sogar genau erinnern können, wo das war. Als er ans Quelltor kam – das wird im Kapitel 2 beschrieben – musste er von seinem Maultier absteigen, weil so viele Trümmer lagen. Das ist der Steilabhang der Davidstadt, der hinunter zur Gihonquelle führt. Auf der letzten Reise sind wir den Hang gar nicht hochgegangen, weil es so steil war. Dort liegen heute noch die Trümmer, über die das Reittier Nehemias nicht mehr klettern konnte. Er stieg zu Fuß darüber.
Dann rief Nehemia die Bürger zusammen und sagte: Wir wagen es, wir bauen Mauern! Sie kennen das doch: In der einen Hand hatten sie die Waffe, in der anderen die Mauerkelle. So bauten sie die Mauern wieder auf und setzten die Tore ein. Sie mauerten gleichzeitig an allen Stellen der Mauer.
In 52 Tagen hatten sie das große Werk vollbracht: die ganze Mauer um Jerusalem war gezogen. Als die Feinde, die immer wieder Jerusalem überfallen hatten, merkten, dass die Mauer gebaut war, war es schon zu spät. Das war ein Moment, in dem die Bürger zusammenkamen und sagten: Wir haben es geschafft! Das muss doch ein Freudentag sein!
Wie fühlt man sich nach solch einer Superleistung? Im Buch Nehemia wird erzählt, wie die Leute sagten: Ja, aber das war nur der äußere Aufbau. Was ist der Sinn unseres Lebens? Das suchen sie, wofür leben wir eigentlich? Das bricht manchmal auf in Zeiten des äußeren Wohlstands, wenn man seine äußere Versorgung unter Dach und Fach hat: Wofür lebe ich eigentlich?
Dann holen sie das Gesetzbuch des Mose hervor. Ezra, der Schriftgelehrte, kommt dazu. Wie wir vorhin gehört haben, stehen sie mit seinen Begleitern da und lesen von Sonnenaufgang an das Gesetz Gottes vor. Gott hat mitgeteilt, wofür wir leben und was das Ziel unseres Lebens ist.
Und da gibt es ein böses Erwachen. Die Leute merken plötzlich: Wir haben falsch gelebt. Wir haben die Gebote Gottes gebrochen. Und weil wir die Gebote Gottes gebrochen haben, gibt es für uns keine Hoffnung mehr.
Wir sind Leute, die verflucht sind, die Gott vor sich wegstößt. Wir können gar nicht mehr beten, und wenn wir sterben, haben wir keine Hoffnung, bei Gott zu sein. Da schreien sie und weinen.
Wie ist das eigentlich heute? Gibt es das heute auch noch? Oder war das nur in der alten Zeit so? Zu allen Jahrhunderten war es so, dass die Menschen Schuld verdrängt haben. Es ist nicht erst unsere Generation so.
Man hat gesagt: Wichtiger ist der Wiederaufbau, wichtiger ist es, Geld zu verdienen, wichtiger ist es, dass man zu essen und zu trinken hat. Und dann gibt es ein böses Erwachen. Das kommt, wenn man das Wort Gottes hört.
Der Punkt ist mir heute Morgen wichtig: Wenn andere sagen, in unserer Generation gibt es gar kein Empfinden für Schuld, dann ist das falsch. Ein Mensch hatte das nie. Nicht einmal Adam und Eva hatten im Paradies ein Empfinden für Schuld. Schuld erkennt man erst, wenn man vor dem Wort Gottes still wird und zuhört.
Es ist schwer für mich, dass wir modernen Menschen heute gar nicht mehr auf das Wort Gottes hören können. Schon in der Schule wird unseren jungen Leuten eingeimpft, dass man das Wort Gottes nicht wörtlich nehmen müsse, sondern dass es nur eine alte Ansicht sei, die vielleicht noch im übertragenen Sinn eine gewisse Bedeutung habe.
Dann hört es jemand und denkt: Na ja, das hat mir ja nichts mehr zu sagen. Oder ich denke mit Schmerzen daran, wie heute viele das Wort Gottes benutzen. Sie hören es und sagen: Ja, da wird von Schuld geredet. Jawohl, von Schuld wird gesprochen.
Jetzt redet man von den Chemiekonzernen, von der Atomrüstung, von der Waffentechnik, vom amerikanischen Präsidenten Reagan und SDI. Dann redet man von den Nazi-Verbrechen, von der Kriegsgeneration und von all dem Unrecht, das geschehen ist. Jetzt prangern wir die Ausbeutung an, die Werbung und die Reichen, die auf der Dritten Welt herumtrampeln.
Da haben wir es doch: Wir reden von Schuld, wir reden von Schuld. Niemand redet so viel von Schuld wie unsere junge Generation heute. Aber ich habe doch mir nichts vorzuwerfen. Meine Väter, meine Eltern, die Generation, die mich erzogen hat, das Schulsystem, die schlechten Bildungschancen, die Ungerechtigkeit in unserem Volk – die sind schuld.
Und da passiert immer wieder ein böses Erwachen. Menschen merken plötzlich unter dem Wort Gottes, dass sie gesündigt haben. Jetzt geht es nicht um die Schuld der anderen, nicht um Vergleiche und Messungen, sondern darum, wie ich meine Schuld vor Gott in Ordnung bringen kann.
Ich habe oft den Eindruck, dass viele seelische und auch körperliche Zusammenbrüche davon kommen, dass Menschen plötzlich ihre Schuld entdecken. Wenn Kinder von zuhause weglaufen, die Ehe zusammenbricht, man plötzlich merkt: Irgendwas war doch falsch bei mir.
Das kommt bei mir oft vor, dass ich erschrecke und denke: Mensch, was hast du da geredet, was hast du da gemacht? Und wehe, wenn wir nur flüchten in hektische Betriebsamkeit und uns belügen und sagen: Aber die anderen sind viel schlimmer. Wie will ich mit meiner Schuld gerade stehen?
Das ist die Frage. Immer hat das Wort Gottes Schuld aufgedeckt, auch heute. Sie verstanden, was da gesagt wurde. Ich kann mich nicht ausreden aus einer Sache.
Ich bin noch nie an einem Grab gestanden, ohne mir schwere Vorwürfe zu machen: Eigentlich hättest du dich mehr um den kümmern können, der da gestorben ist. Ich denke, niemand von den Angehörigen wird am Grab stehen, ohne sich Vorwürfe zu machen.
Schuld bedrängt uns. Schuld ist sogar die Not unserer Generation heute, aber niemand redet mehr davon. Darum wollen wir hier darüber reden: Schuld, die uns plötzlich in die Augen tritt, und wir erwachen und sehen sie. Dann wird das Gewissen wach.
Ich habe das oft von jungen Leuten gehört, die sagen: Ihr Christen, ihr redet uns das nur ein. Aber ich sage: Nein, das kann einem nur der Geist Gottes zeigen. Schuld kann man nicht einreden, man muss sie sehen.
Auch dort, wo heute Menschen alle Gebote Gottes beiseitegeworfen haben und nur noch nach ihrer Lust und ihrem Empfinden leben.
Trost und Ermutigung durch Nehemiah
Jetzt kommt mein zweiter Punkt: Unbegreiflich, wie da getröstet wird.
Die Leute erschrecken und weinen damals in Jerusalem. Sie merken, dass sie gar kein Leben haben, das vor Gott bestehen kann. Und dann passiert das Merkwürdige: Nehemia, der Statthalter, von dem man erwartet hätte, dass er feierlich vor dem Volk steht, springt herunter unter diese belasteten und traurigen Menschen. Er rüttelt und schüttelt sie und sagt: „Jetzt lasst doch den Kopf nicht hängen, seid nicht bekümmert, seid nicht bekümmert.“
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie unpassend das ist? Es ist unbegreiflich, was da geschieht. Nehemia müsste doch sagen: „Endlich, jetzt seid ihr dran.“ Wahrscheinlich hätte ich als Prediger auch so gesagt: „Ja, ja, da wollen wir stehen bleiben. Jetzt wollen wir viel darüber reden, über eure Versäumnisse. Merkt ihr nicht, dass eure wüsten Gedanken schuld waren an eurem Leben? Euer eigensinniger, störrischer Wille, eure Lieblosigkeit.“
Ich möchte das vertiefen. Ich würde sagen: Natürlich, jetzt müsst ihr euch mal um die Sache kümmern. Jetzt wollen wir richtig mal hinsitzen und in weichem Weinen und Trauern über unsere Fehler nachdenken.
Die Bibel ist ganz anders, als wir Menschen denken. Besonders der Bußtag ist voll von Freude. „Seid nicht bekümmert! Nein, seid nicht bekümmert!“ Wie kann Nehemia so etwas sagen, „seid nicht bekümmert“, wo es jetzt aus den Menschen herausbricht: „Ich habe falsch gelebt, ich habe falsch gehandelt“?
Man kann es nur so erklären: Er weiß schon etwas von dem Geheimnis, das viel später enthüllt wird – dass Jesus kommt, der die Sünden der Welt trägt. Sonst könnte er den Menschen gar nicht verkündigen: „Seid nicht bekümmert! Es gibt eine Vergebung, die alles auslöscht. Was in deinem Leben war – ein Versäumnis, ein Unrecht, Boshaftigkeit, Gemeinheit, Tücke, Lüge, Unrecht und Gewalt – Jesus will es jetzt vergeben. Sei nicht bekümmert! Und wenn deine Sünde blutrot wäre, soll sie schneeweiß werden!“
Ich muss Ihnen noch einmal verdeutlichen, warum das Unbegreifliche, „seid nicht bekümmert“, gerade in der christlichen Predigt unserer Tage so wichtig ist.
In den Kirchen hören wir viel von den Problemen, und es wird viel von Schuld geredet. Immer wieder wird die alte Schuld vorgehalten – auch die Schuld von vor vierzig Jahren und noch früher. Dann wird gesagt: Nur wenn man die alte Schuld immer und immer wieder bewusst macht, gibt es eine Änderung. Wir können die Probleme heute nur lösen, indem wir immer wieder an die alte Schuld erinnern. Und es gibt einen Neuanfang eigentlich nur, wenn man die alte Schuld vor Augen hat.
Man glaubt, das sei richtig. Jedenfalls ist es nicht christlich.
Nehemia sagt: Nein! Ein Problem muss gelöst werden – nicht die vielen Weltprobleme, die alle da sind. Zuerst muss das Problem gelöst sein: Deine Schuld muss vergeben sein. Zuerst muss Gott dein Herz verwandeln können. Und das sucht er bei dir, bis du kommst und sagst: „Ach Herr, mach mein Leben neu.“
Es ist ein ganz großer Augenblick, wenn das geschieht – wenn ein stolzer, eigenwilliger Mensch sagt: „Gott, ich komme zu dir. Es war alles falsch. Jetzt machst du aus mir einen neuen Menschen. Gib mir ein neues Herz.“ Und wenn das geschieht, ist der größte Durchbruch erzielt. Da ist die Welt neu geworden an einer kleinen, konkreten Stelle.
Darum ist Nehemia so darauf aus, den Bürgern von Jerusalem von der Freude zu sagen: „Seid nicht bekümmert! Jetzt sind wir dran, jetzt seid ihr durchgebrochen zur Freude.“ In dem Augenblick, in dem man Schuld erkennt, ist doch schon die Heilung da.
Er hält nichts davon, lange über Schuld und Versäumnisse zu trauern. Stattdessen sagt er: „Gib es her, und dann werfen wir es in Meerestiefe hinunter. Niemand holt es mehr hervor.“
Darf ich Ihnen heute in diesem Gottesdienst anbieten, dass Sie jetzt sagen: Herr Jesus, bei mir kommen immer wieder die alten Geschichten hoch. Geschichten längst vergangener Tage, Schuld, die mich anklagt und belastet und die mich lähmt. „Bekümmert euch nicht! Legt es jetzt ab bei Jesus, damit er sie dir ganz vergibt. Nie mehr soll sie hervorkommen. Weg ist sie! Bekümmert euch nicht.“
Wenn dann andere sagen: „Aber was ist mit den Weltproblemen?“ – denen wollen wir uns fröhlich zuwenden. Den Weltproblemen, allen. Aber als neue Menschen, die nur auf die Stimme des Herrn hören, in denen der Geist Gottes Wohnung machen kann.
Der Weg zur Freude und die wahre Bedeutung des Bustags
Mein letzter Punkt: Das ist der Weg zur Freude, drittens, das ist der Weg zur Freude. In der Bibel steht erstaunlich viel über die Freude, zum Beispiel: "Die Freude am Herrn ist eure Stärke."
Ich muss Ihnen noch ein bisschen reinen Wein einschenken über den Bustag. Der Bustag war eine schlechte Erfindung, wissen Sie das? Er wurde in der christlichen Kirche schon von Theodosius dem Großen eingeführt. Das war ganz am Anfang des Altertums, noch aus der vorchristlichen Zeit übernommen, überhaupt aus dem Heidentum.
Denn die Heiden wussten: Irgendwann muss man einmal ein bisschen Reue empfinden. Wenn man über die Strenge geschlagen hat, dann macht man einen Aschermittwoch, so einen Kadertag, und dann wird alles wieder gut. Als wir dann Landesfürsten hatten, die auch manchmal über die Strenge geschlagen haben, sagten die: "So, wenn es ganz liederlich war, jetzt soll das Volk für uns büßen." Dann wurden Bustage angesetzt.
Es gab im Mittelalter in Deutschland so viele Bustage, dass man kaum noch durchblickte. Noch im Jahr 1878 gab es 48 verschiedene Bustage in Deutschland. Diese hat man dann ein wenig zusammengefasst auf den Bustag vor dem Totensonntag. Da sagte man: "Da ist man eh schon traurig, da passt das noch mitten rein." Und dann lässt man einfach mal das Gesicht ganz traurig hängen.
Dieser Bustag hat in dieser Konstruktion gewiss nichts mit dem christlichen Glauben oder der Botschaft des Evangeliums zu tun. Dahinter steht der Gedanke, als ob man mit seinen Büsereien für seine Schuld geradestehen könnte. Wenn man sich das alles anschaut, wie bei Wallfahrten, ob sie nun heidnischen oder halbchristlichen Ursprungs sind, die Leute auf den Knien kilometerweit herumrutschen – damit wird das Böse, das ich angerichtet habe, nicht besser. Das sollte man wissen.
Darum verstehen wir Buße anders, nicht als einen Tag, an dem wir sagen: "Na ja, da war auch manches nicht so ganz in Ordnung, und einen Tag von 365 Tagen kann man ja mal freimachen und Schuldtag drüber schreiben." Oder: "Bustag war nicht so ganz in Ordnung, ich bin ja auch schon mal schneller gefahren als 50 in der Stadt, da kann man ja mal Buße tun."
Uns Christen geht es um etwas ganz anderes. Ich möchte mit meinem Leben Jesus ergreifen. Und Jesus hatte als liebstes Thema seiner Verkündigung das Wort Buße. Aber das heißt im Deutschen eigentlich: "Bekehr dich doch, mach die Wendung deines Lebens und nimm Jesus an."
Die Freude am Herrn, die Freude an Jesus macht dich stark. Es wird heute oft gefragt, wie man in dieser notvollen Zeit eine Verbesserung oder Änderung einleiten könnte. Wenn man heute junge Leute hat, die sich nicht mehr erziehen lassen, werden ganze Heere von Psychologen und Therapeuten bestellt. Dann wird versucht, wie man in der Therapie einen Menschen noch beeinflussen kann. Man ist eigentlich überrascht, dass man so wenig erreicht.
Wenn man heute versucht, Drogensüchtige oder Alkoholsüchtige zu heilen, sagt man: "Es geht nicht." Warum denn? Weil der Mensch schwach ist. Sie kommen nicht weit. Es soll noch einige Christen geben, die der altertümlichen Ansicht sind, als ob sie mit dem Prügel die Herzen ihrer Kinder verändern könnten. Glauben Sie das wirklich? Da können sie so lange herumtreffen, wie sie wollen, ändern können sie Menschen durch so etwas nie.
Durch was kann man Änderung erreichen? Wenn der Geist Gottes Schuld aufdeckt, beim alten und beim jungen Menschen, beim Kind und beim Erwachsenen, dann ist der große Durchbruch erzählt. Wenn einer sagt: "Jesus, ich kann nicht so weiterleben, es ist alles falsch, dich brauche ich," dann sagt Jesus: "Da wird Freude sein im Himmel." Ganz gleich, ob das ein Krimineller aus dem Gefängnis war oder ein frommer Schriftgelehrter vom Tempel.
Freude ist im Himmel über einen Sünder, der Buße tut. Das Wichtige ist doch nicht, die Tränen zu vergießen, sondern neu mit Jesus zu beginnen und zu leben. Bekehrungstag muss das heute sein, wo Jesus ergriffen wird, und dann ist nur noch Freude da.
Dann kommen unsere Mitchristen und sagen: "Ja, ja, aber jetzt ist erst noch die Frage: Wie werdet ihr mit der Zukunft fertig? Und wie löst ihr die schwierigen Ehe- und Familienfragen?" Dann sagen wir: "Ach du, es ist ganz schön, was ihr an Büchern und Therapien mitbringt. Aber das Wichtigste ist mir immer noch, dass Jesus mich durch seinen Geist leiten kann." Und da wird eine Familie neu. Da wird ein Mensch verändert, wo Jesus einkehren kann.
Wo ein Verzweifelter und Mutloser erkennt: Jesus liebt mich. Und das geht bis hinein in die tiefen seelischen Verzweiflungen und das Verzagen, in die Mutlosigkeit von Menschen, die sagen: "Ich kann immer froh sein." Doch die Freude am Herrn ist eure Stärke, dass Jesus dich nicht loslässt, sondern dich hält.
Und dann ist das das Größte, was wir heute anbieten können: Für uns gibt es keine hoffnungslosen Fälle, egal wo Menschen stehen und wie zerstört das Leben ist. Ich will das heute jedem zurufen, der irgendwo sagt: "Bei uns ist alles unlösbar geworden, unsere Familie, unsere Ehe, ich werde mit meinem Leben nicht mehr fertig, ich werde mit meinen Gedanken nicht mehr fertig, über mich fällt all das Hässliche und Wüste nur so herein."
Das stimmt. Wenn man einmal die Schleusen öffnet und dem Bösen Raum gibt, dann ist das eine Macht, die uns Besitz hält, bis du sagst: "Jesus, dich will ich, du musst mein Herr sein, ich will mich ganz dir ausliefern." Dann ist nur noch von Freude die Rede. Lauter Freude.
"Bekümmert euch nicht, die Freude am Herrn ist eure Stärke." Wir reden gar nicht mehr viel. Wie sagten wir am vorletzten Sonntag vom Tod? Ja, da wollen wir auch nicht mehr viel reden. Wir reden vom Leben. Wir reden auch nicht mehr viel von Schuld und von Sünde.
Für uns ist das gar nicht mehr interessant, was uns jede Nachrichtensendung erzählt, was wieder Schlimmes passiert und wie hoffnungslos das mit den Menschen ist. Wir haben eine tolle Nachricht, ein Evangelium, das Jesus Menschen total verändert.
Was könnte aus Ihrem Leben geschehen, wenn Sie ganz, ganz nur Jesus Raum geben, bis in die letzten Verästelungen Ihres Lebens Jesus einziehen lassen? Dann ist die Freude da. Ich freue mich, dass ich nicht mehr mein Eigen bin, nicht mehr nach meinem Kopf lebe, sondern meines getreuen Herrn und Heilands, Jesu Christi, Eigentum bin. Amen.
Abschlusslied, Gebet und Hinweise
Nun singen wir das Lied „Mir ist Erbarmung widerfahren, Erbarmung, deren ich nicht wert bin.“ Wir singen es nach der Melodie, nach der es in der ganzen Welt gesungen wird. Dieses Lied ist eines der wenigen, das überall, auch in den Ländern der Dritten Welt, Eingang gefunden hat. Dort singen sie nur eine Melodie, die manchen von uns bekannt ist. Nach dieser Melodie wollen wir die Verse 1 bis 3 von Lied 277 singen.
Dann wollen wir beten: Herr, wir bitten dich, dass du uns unsere Schuld vor Augen stellst. Lass uns unsere Versäumnisse erkennen und das Unrecht sehen, auch dort, wo wir uns an den Menschen versündigt haben, die um uns leben – in der Familie, in der Nachbarschaft und im Bekanntenkreis. Zeig uns, wo wir dein Wort gebrochen haben, damit wir umkehren können.
Hab Dank, dass du uns noch Zeit lässt vor der Stunde des Gerichts. So können wir unser Leben mit dir in Ordnung bringen, unser Haus bestellen und alles so ordnen, dass es vor dir bestehen kann. Dann wollen wir all das, was nicht recht war, vor dir ausbreiten. Wir danken dir, dass du nicht zulässt, dass wir uns darum bekümmern, sondern dass du nur noch Freude über die Umkehr hast. Du deckst die alte Schuld mit deinem Blut zu und schaffst das Neue.
Ja, da wollen wir auf dich blicken, auf dich vertrauen und dir danken. So dürfen wir zuversichtlich auch in die kommenden Tage gehen, weil du uns leitest. Du gibst uns neue Gedanken und willst uns durch deine Liebe prägen. Herr, schaffe du diese Veränderung in uns. Wir bitten dich, dass in deiner ganzen Christenheit dieses neue Leben aus deinem Geist wirkt.
Wir wollen dich bitten, dass überall, wo heute dein Evangelium gepredigt wird, Menschen ihr Leben mit dir neu ordnen. Dass sie dich annehmen, dich als ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln.
Lasst uns gemeinsam beten: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Wir singen noch die beiden letzten Verse von Lied 277.
Wir haben den neuen Notizenzettel wieder fertig. Er wurde am letzten Sonntag ausgeteilt und ist jetzt ein weißer Bogen. Vielleicht wissen Sie, ob Sie ihn haben. Darauf stand auch schon etwas zu Silvester und Neujahr. Wer ihn noch nicht hat, kann ihn nachher mitnehmen.
Ich grüße immer auch die Neuen in unserem Gottesdienst. Nehmen Sie den weißen Zettel bitte am Ausgang mit. Ich bin dankbar, wenn dort keine Gesangbücher abgelegt werden, denn diese Blätter sollen mitgenommen werden können. Auf einem gelben Blatt sind alle unsere Gruppen und Kreise verzeichnet, und so weiter. Aber der weiße Notizzettel ist jetzt wichtig.
Ich darf heute schon darauf hinweisen, dass wir in zehn Tagen, am Samstag vor dem ersten Advent, den Adventsabend hier in der Kirche haben. Es ist immer ein sehr schöner, festlicher Auftakt gewesen. Leider können wir den zweiten Teil im Gemeindehaus nicht mehr durchführen, das liegt an Platzproblemen. Die Adventsfeier wird daher nur hier in der Kirche stattfinden.
Ich möchte Ihnen sagen, dass es immer eine schöne Gelegenheit war, jemanden einzuladen, den man sonst schwer in den Gottesdienst einladen kann. Darum sage ich es Ihnen, damit Sie diese Gelegenheit nutzen und jemanden mitbringen. Die Feier wird von vielen Gemeindegliedern, Chören und Gruppen gestaltet und ist immer festlich, mit Kerzenlicht.
Wir haben hinten schon den Büchertisch aufgebaut. Heute möchte ich auf den schönen Kalender hinweisen, den unser Missionsarzt Dr. Hans Martin Kilgus uns zur Verfügung gestellt hat. Mit dem Erlös dieses Kalenders wird die Missionsarbeit in Pakistan unterstützt. Diesmal sind es Farbaufnahmen. Hans Martin Kilgus kann besonders eindrücklich Gesichter porträtieren, auch die, die im Gemeindehaus hängen, sind vor vielen Jahren entstanden.
Er ist jetzt als Arzt in einem Gebiet in Pakistan tätig, wo bis vor kurzem überhaupt keine christliche Missionsarbeit möglich war – in einem Stammesgebiet. Wir freuen uns, dass er am 2. Februar hier eine Missionsmatinee bei uns halten wird. Er kommt in Heimaturlaub. Dieser Kalender wird Sie sicher das ganze Jahr erfreuen und grüßen. Er ist auch eine gute Gelegenheit, wenn Sie etwas verschenken wollen.
Unser heutiges Opfer ist für ein Missionsehepaar bestimmt, das im Januar aus unserer Gemeinde in den Missionsdienst nach Japan entsendet wird. Es handelt sich um unsere Sibylle, geborene Glöckler, jetzt Johnson, verheiratet mit Alec Johnson. Sie sind zurzeit in England und gehen dann mit der Überseeschen Missionsgemeinschaft der früheren China Inland Mission von Hudson Taylor nach Japan.
Wir wollen heute für diese Aussendung und die vorher anfallenden Kosten unser Opfer geben. Wir freuen uns, dass wir wieder jemanden aus unserer Gemeinde entsenden dürfen. Viele von Ihnen sind beruflich gebunden und können nicht mehr gehen. Sie dürfen es dann finanzieren. Darum freuen wir uns, wenn sich noch viele junge Leute rufen lassen. Das kann heute ein Anstoß für jemanden sein, der sagt: „Dann will ich mir überlegen, wo Gott mich braucht.“
Vielen Dank für alle Opferunterstützung auch hier.
Wir wollen nun um den Segen Gottes bitten: Er segne uns und behüte uns, er lasse sein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden!
