Lukas 1,67-79
Der Lobgesang des Zacharias, des Vaters von Johannes dem Täufer.
Sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach:
Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat sein Volk besucht und erlöst.
Er hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Haus seines Dieners David, wie er es früher durch den Mund seiner heiligen Propheten verheißen hat.
Er hat uns errettet von unseren Feinden und von der Hand aller, die uns hassen.
Er zeigte Barmherzigkeit unseren Vätern und gedachte seines heiligen Bundes.
Er gedachte des Eides, den er unserem Vater Abraham geschworen hat, uns zu geben,
dass wir, erlöst aus der Hand unserer Feinde, ihm dienen ohne Furcht unser Leben lang,
in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefallen.
Und du, Kindlein, das ist jetzt der eben geborene Johannes, wirst ein Prophet des Höchsten genannt werden.
Du wirst vor dem Herrn hergehen, um seinen Weg zu bereiten
und seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben in der Vergebung ihrer Sünden.
Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besucht hat der Aufgang aus der Höhe,
auf dass er erscheine denen, die sitzen in Finsternis und im Schatten des Todes,
und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
Herr, nimm die Schatten des Todes von uns und mache uns fröhlich. Amen.
Die Freude als Kennzeichen des Glaubenslebens
Liebe Gemeinde,
das Kennzeichen eines Christen ist die Freude. Wenn man junge Leute darauf anspricht, werden sie verdutzt schauen und sagen: Das hätten wir am wenigsten erwartet. Wenn sie an unseren Veranstaltungen teilnehmen und uns dabei in die Gesichter schauen, werden sie sagen: Also darauf hätte ich am wenigsten getippt, dass ein Kennzeichen der Christen die Freude ist.
Ich glaube, dass Gott uns eines Tages danach fragen wird, wie wir Freude an andere Menschen weitergegeben haben. Die Menschen um uns herum hungern nach Freude. Sie können nicht anders, als ihren großen Hunger irgendwo zu stillen, wo sie gerade noch eine Möglichkeit finden. Sie müssen in dieser Welt an Stellen ihre Freude zusammenkratzen, an denen man beim besten Willen keine Freude finden kann.
Neulich habe ich zufällig ein Gespräch in Orpason mitbekommen. Zwei Personen unterhielten sich darüber, wie sie Silvester im letzten Jahr gefeiert haben. Sie sagten, es habe furchtbar viel gekostet, und sie seien bis morgens um acht Uhr zusammengesessen. Aber es kam keine richtige Stimmung auf.
Sehen Sie, wir haben die Aufgabe, echte, erfüllte, herzliche Freude weiterzugeben. Wenn die Bibel von Freude spricht, benutzt sie Worte, die wir heute oft als übertrieben empfinden, weil wir so weit von der Freude entfernt sind. Sie redet vom Jubel und vom Jauchzen.
Haben Sie schon einmal gejauchzt, Frau Locken? Beim Volksfest gibt es solche Kraftmesser, früher war das der „Hau den Lukas“, heute gibt es sogenannte Drücker. An der Skala kann man sehen, wie viel Kraft man aufbringt. Wenn man die Freude bei uns auf einer solchen Skala messen würde, kämen wir gerade noch bis zum Amüsieren, Lächeln oder Belustigen.
Die Adventsfreude, die Gott uns in diesen Tagen schenken will, ist jedoch viel mehr und größer.
Die Überraschung als Quelle der Freude
Ich möchte an drei Stellen zeigen, warum wir Grund zum Lachen haben. Ganz besonders Menschen, die unter dem Schatten des Todes leben, haben Grund zum Lachen.
Das Erste, was ich aus dieser gefüllten Aussage und aus dem fröhlichen Lied des Zacharias herausnehmen will, ist: Die Überraschung ist perfekt. Es gehört ja zu unseren Weihnachtsfreuden, dass man versucht, die kleinen Freuden, die wir einander geben, noch durch eine Überraschung hervorzuheben. Wenn man ein schönes Einwickelpapier drumherum macht, dann die Kleber löst und sagt: „Ja, was hast du mir geschenkt?“ – dann macht man es auf. Eine nett gemachte Überraschung ist eine besondere Freude.
Ich sage, dass die Überraschung und das Geschenk, das Gott uns macht, durch seine Überraschung erst groß wird. Nun möchte ich aber doch wissen: Wie kann Gott einen Zacharias, der immerhin Priester am Tempel von Jerusalem war, noch überraschen? Ich denke, dass Zacharias in den religiösen Dingen recht bewandert war. Er wusste viel von den heiligen Dingen. Wie kann Gott ihn noch überraschen?
Es ist doch bei uns so: Wenn wir die Bibel kennen und die Ankündigungen Gottes, dann wissen wir viel von den Plänen, Hoffnungen und Sehnsüchten. Ich glaube, Zacharias war nicht so leicht durch große Reden zu überraschen. Er war sicher ein Meister im Tempel, die Leute anzupredigen und ihnen die Größe der Ehe zu erklären oder zu sagen: „Du sollst nicht stehlen“ und den Weg Gottes aufzuzeigen. Dass man ohne Trug lebt, in der Wahrheit, war für ihn nicht neu. Auch die Hoffnung war für ihn nicht neu. „Ach, wir wünschen uns und wir sehnen uns.“
Wissen Sie, was Zacharias in diesem Augenblick überrascht hat? Dass Gott sein Geschenk schon da liegen hat und es schon passiert ist. Er singt in diesem Lied: „Er hat besucht und erlöst sein Volk.“ Das ist ein Perfekt, eine Vergangenheitsform.
Ich möchte Sie jetzt ganz darum bitten, dass Sie heute nicht im Gottesdienst sitzen und sagen: „Ich hoffe, irgendwann in meinem Leben werde ich auch noch einmal die Lösung meiner Probleme finden. Ich hoffe, ich wünsche, ich rufe zu Gott.“ Wenn Sie so reden würden, hätten Sie die Freude des Zacharias nicht verstanden. Nicht „ich wünsche mir“, nicht „ich hoffe“, sondern es ist passiert! Die Überraschung ist perfekt, das Geschenk Gottes liegt schon da. Sie brauchen sich nur umzudrehen. In Ihrem Leben hat Gott alles schon gelöst, geordnet und erledigt.
Das ist der erste Punkt: Die Überraschung unseres Gottes an Advent.
Das Zweite, das Zacharias hier erwähnt, ist: Wir werden beschenkt. Zu Advent gehören die Klageweiber jedes Jahr neu, die wieder anfangen zu lamentieren und sagen: „Ich muss noch Päckchen richten für die Ostzone, ich muss noch die Scheiben putzen, ich muss noch Lebkuchen backen, was wird Oma dazu sagen, wenn ich diesmal nur sieben Guzzelsorten backe statt neun, wie es eigentlich seit Jahrhunderten Tradition in unserer Familie ist?“ Sie kennen diese klagenden Leute, die immer von dem reden, was sie noch tun müssen. „Ich muss noch etwas besorgen für die Patenkinder, so viel Arbeit jetzt.“ Arme Leute, die Advent nicht verstehen. Nicht sie müssen Geschenke machen, sondern sie werden beschenkt.
Und das ist die große Freude des Zacharias: „Ich werde beschenkt.“ Und er merkt, wie ich gerade gesagt habe, das Geschenk liegt schon da. Jetzt wollen wir dieses Papier runterstreifen und die Kleber lösen. Was ist denn drin in diesem Geschenk? Er hat uns besucht. Nicht irgendwann kommt vielleicht Jesus zu Ihnen, sondern er hat Sie schon lange in Ihrem Leben besucht.
Ich bin davon überzeugt, dass kein Mensch hier sitzt, der nicht in seinem Leben ganz direkt von Jesus Christus persönlich getroffen und angesprochen wurde – durch einen Mitmenschen, durch ein Wort, durch ein Lesen in der Bibel, durch eine Predigt, durch eine Rundfunkansprache. Er hat „mich besucht“, sagt Zacharias. Er hat mich besucht, und das ist seine große Freude. Es hat geklopft, er hat die Tür aufgemacht, und jetzt kommt auf einmal dieser große Herr in mein kümmerliches Leben.
Wir haben gestern Abend bei unserem festlichen Adventsabend davon gesprochen: „Er hat die Niedrigkeit seiner Macht angesehen“, sagt Maria, „dass er zu mir will.“ Es ist ja, glaube ich, gerade ein Jahr her, dass da oben in der Hohenheimer Straße plötzlich eine Polizeiabsperrung war. Ich habe einen Polizisten gefragt, was los sei, und er sagte: „Da kommt Kaiser Haile Selassie vorbei.“ Da habe ich meinen Kindern schnell geklingelt und gesagt: „Das müsst ihr euch noch ansehen, das werdet ihr bald nicht mehr erleben, dass es noch einen Kaiser auf der Welt gibt.“
Ich habe nicht gedacht, dass auch er so schnell seine Würde und Macht verliert und die Krone von seinem Haupt gestoßen wird. Wenn Jesus kommt, ist es noch etwas anderes als die Repräsentanten irdischer Macht. Jesus ist nicht ein König von der Gunst irgendwelcher Volksmassen oder von Soldatenarmeen, die ihn stützen. Jesus ist der König, dem niemand die Macht streitig machen kann.
Und das ist die große Freude: Das verstehen andere nicht, dass Jesus seine Macht darin beweist, dass er meine ganz private und persönliche Not löst. Ich werde mit meinem Leben nicht fertig, aber er wird als der König und Herr damit fertig. Und dass er als der König und Herr mein Leben einbaut in seine großen Pläne, die er mit dieser Welt hat. Er will, dass wir seine Diener sind, dass wir ihm dienen ohne Furcht unser Leben lang. Dass meine tägliche Arbeit, mein Reden, mein Planen und mein Denken einen Sinn bekommen von diesem König Jesus her.
Er nimmt in meinem Leben Platz und Wohnung. Das ist die Freude Zacharias’, das ist sein Adventsgeschenk. Es hat geklopft, er ist da, er will zu mir. Ich mache ihm die Tür auf, und er fängt an, bei mir seine Königsherrschaft auszuüben. Was kann aus Ihrem Leben werden, wenn Sie Jesus herrschen lassen und er Sie prägt – Ihr Reden, Ihr Denken, Ihr Tun, Ihr Arbeiten?
Das ist das Schöne: Dass das hinausdrängt in unseren Leib, in unsere Taten, in die Welt hinein. Aber die Freude ist: Er kommt zu mir, er ist nicht irgendwo und fährt nur vorbei durch die Straßen, sondern er will bei mir Wohnung machen. Er steht schon da, er hat bei Ihnen schon geklopft, er möchte hinein und bei Ihnen wirken.
Noch ein Letztes: Die Angst wird ausgetrieben. Die Angst wird ausgetrieben. Wir haben neulich eine ganze Predigt über die Angst gehört. Und jetzt denke ich noch einmal zurück. Es ist ja hier so schön, dass ich in dieser Gemeinde so oft predigen darf. Am letzten Sonntag haben wir recht drastisch von der Macht des Todes gesprochen. Ich habe nach ein paar Fragen gefragt und gesagt: Hat man das aushalten können, dass man sich das einmal so bewusst vor Augen hält, wie alles im Leben weggerissen wird?
Wir versuchen ja mit all dem, was wir in unserem Beruf tun, ein Stück Ewigkeit zu erlangen. So fasse ich meine ganze Arbeit auf. Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass man an einer Sache arbeitet und dann plötzlich feststellt, es war für die Katz. Dass wir die Zeit sparen können. Oder wenn jemand aus seinem Beruf ausscheidet und sein Nachfolger sagt: „Gott sei Dank, jetzt ist er weg, der hat auch bloß quergeschossen.“ Wenn unsere Arbeit umsonst ist, wenn in unserer Welt keine Spuren davon bleiben und die ganze Not unseres Lebens darin besteht, dass alles vom Nichtigen geprägt ist – sehen Sie, was bleibt denn übrig?
Wir haben am letzten Sonntag gesagt: Wenn man über den Hoppenlauffriedhof geht, der hier die deutlichste Sprache spricht als unser ältester Stuttgarter Friedhof, wo noch die ganzen Orden und Titel der längst verstorbenen Herren und Größen unserer Stadt aufgezeichnet sind, dann sieht man: Es ist vorbei und ausgelöscht.
Deshalb muss diese Adventshoffnung sich bewähren im Angesicht der Vergänglichkeit, der Nichtigkeit dieser Welt. Es ist gut, dass wir jetzt nicht nur von der Adventsfreude reden, sondern auch sagen: Was ist das dann, wenn ein Mensch in seinem Leben davorsteht, dass ihm alles aus der Hand gerissen wird? Was ist das für ein Mensch, der in seinem Leib schon spürt, dass seine Krankheit wütet, über die die Gesundheit nicht mehr Herr wird? Wenn die Todesschatten sich so weit hereinstrecken in mein Leben?
Wir leben heute in Friedenszeiten, aber wer weiß, was noch über uns kommen kann? Wenn die Todesschatten sich wieder so weit ausstrecken: Es gibt noch viele, die im Kriegsgefangenenlager oder im Bombenkeller in der Hungerzeit saßen. Was habe ich denn dann? Es ist doch heute eine Frage in der Welt geworden: Was können wir denn noch bieten neben Brot für die hungernden Völker?
Zacharias redet sogar davon, dass er in seinem Leben von Feinden umgeben ist. Ich hoffe, dass Sie keine Feinde haben, aber viele Menschen haben Feinde, die nur darauf warten, einen zum Fallen zu bringen. Und er spricht davon, dass seine Freude andauert in dieser furchtbaren Lage.
Denn das gilt für Menschen, die im Todesschatten sitzen, die ihren Kopf vergraben haben zwischen beide Hände und sagen: „Es hat gar keinen Wert mehr, ich habe keinen Mut mehr.“ Die verzweifelt da sitzen, resigniert sagen: „Es ist aus, es ist alles vorbei.“ Und da spricht er vom Aufgang aus der Höhe.
Wie uns heute ein so herrlicher Wintertag wieder geschenkt ist, mit dem Sonnenschein, wenn die Sonne durchbricht hinter dunklen Wolken, so sagt Zacharias: Es gibt nichts mehr in der Welt, gar nichts mehr, was diese Freude, diese Adventsfreude verdunkeln kann. Das erleben Sie erst, wenn Jesus in Ihrem Leben Wohnung genommen hat und bei Ihnen ist.
Wenn man die Adventslieder durchblättert, dann liest man davon, wie Leute, die furchtbar schwer durchmussten. Paul Gerhard durch die furchtbare Todesnot in seiner ganzen Familie, seiner Frau, seiner Kinder, weggerissen. „Ich lag in schweren Banden, du kommst und machst mich los. Ich stand in Spott und Schanden.“ Er hat ja sein Amt sogar verloren in einer großen Auseinandersetzung in der Berliner Kirche damals. Paul Gerhard war Superintendent und ist als Mann ohne Aufgabe in großer Verlassenheit gestorben. „Ich stand in Spott und Schanden, du kommst und machst mich groß und hebst mich hoch zu Ehren und schenkst mir großes Gut, das sich nicht lässt verzehren“, wie er das Reichtum nennt.
Sie müssen das Entscheidende der Adventsbotschaft verstehen: „Dein König, dein König kommt zu dir!“ Amen.
Und beten:
Herr Jesus Christus, wir danken dir, dass du uns schon so lange nachgehst! Dass du uns jetzt in diesen Adventstagen die Augen dafür öffnest, dass du schon lange vor der Tür stehst und anklopfst und uns besuchen willst. Wir können jetzt nur dir die Tür aufmachen und dir alles so hinlegen, wie es ist: unsere ganzen verwickelten Berufsprobleme, die Spannungen, in denen wir leben, die schwierigen Menschen, die uns so viel Ärger machen, unsere Familien und Häuser, unsere Verantwortung und Aufgaben in den Ämtern, die wir versehen, die Menschen, die uns anvertraut sind.
Herr, wir können mit unseren Gaben oft nicht das Richtige tun, aber wenn du als der Herr und König jetzt bei uns eintrittst, dann kannst du aus unserem Leben etwas zum Lob deiner Herrlichkeit machen, und das erbitten wir. Sei du unser Herr und gebrauche unser Leben dazu.
Wir bitten dich auch jetzt für alle Menschen unserer Gemeinde, besonders für die, die jetzt durch schwere Not hindurchgehen, die bedrückt und schwermütig sind, für die Alten und Kranken, für die jungen Menschen, die so stolz an deinem Angebot vorübergehen. Du kannst sie erreichen und finden.
Wir bitten dich auch für unsere Stadt am heutigen Tag der Wahl, und wir dürfen auch dies in deine Hand legen: unser ganzes Volk, ja die ganze Welt mit ihren vielen Wunden, mit dem Hunger und der Ungerechtigkeit und den Spannungen und den Kriegen. Herr, lass du doch Licht werden auf dieser Welt, auch durch unseren Dienst hindurch. Und die Gaben, die wir in deinem Namen geben, kannst du zu etwas machen, das Not lindert und dass Menschen gerettet werden an Leib und Seele.
Lasst uns gemeinsam das Gebet des Herrn beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Und nun dürfen wir hineingehen in diese Festzeit unter dem Segen unseres Herrn.
Herr segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
Die Überwindung der Angst durch die Adventshoffnung
Noch ein letztes: Die Angst wird ausgetrieben. Die Angst wird ausgetrieben.
Wir hatten neulich eine ganze Predigt über die Angst. Wenn ich jetzt noch einmal zurückdenke, finde ich es schön, dass ich in dieser Gemeinde so oft predigen darf. Am letzten Sonntag haben wir recht drastisch über die Macht des Todes gesprochen. Ich habe danach einige gefragt, ob man das aushalten konnte, wenn man sich einmal ganz bewusst vor Augen hält, wie alles im Leben weggerissen wird.
Wir versuchen ja mit allem, was wir in unserem Beruf tun, ein Stück Ewigkeit zu erlangen. So sehe ich meine ganze Arbeit. Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass ich an einer Sache arbeite und dann plötzlich feststelle: Es war umsonst. Dass wir Zeit sparen können oder wenn jemand aus seinem Beruf ausscheidet und der Nachfolger sagt: "Gott sei Dank, jetzt ist er weg, der hat auch bloß quergeschossen."
Wenn unsere Arbeit umsonst ist, wenn in unserer Welt keine Spuren davon bleiben und die ganze Not unseres Lebens darin besteht, dass alles vom Nichtigen geprägt ist – was bleibt dann übrig?
Am letzten Sonntag haben wir das gesagt, wenn man über den Hoppenlauffriedhof geht, der hier die deutlichste Sprache spricht. Er ist sogar deutlicher als unser ältester Stuttgarter Friedhof, auf dem noch die ganzen Namen und Titel längst verstorbener Herren und Größen unserer Stadt aufgezeichnet sind. Und es ist vorbei, ausgelöscht.
Deshalb muss diese Adventshoffnung sich bewähren – angesichts der Vergänglichkeit, der Nichtigkeit dieser Welt. Es ist gut, dass wir jetzt nicht nur von der Adventsfreude sprechen, sondern fragen: Was ist das eigentlich, wenn ein Mensch in seinem Leben davorsteht, dass ihm alles aus der Hand gerissen wird?
Was ist das für ein Mensch, der in seinem Leib schon spürt, dass seine Krankheit wütet, gegen die die Gesundheit nicht mehr Herr wird? Wenn die Todesschatten sich so weit in sein Leben ausstrecken. Wir leben heute zwar in Friedenszeiten, aber wer weiß, was noch auf uns zukommen kann?
Viele Menschen, die im Kriegsgefangenenlager oder im Bombenkeller saßen, in der Hungerzeit, wissen, wovon ich spreche. Was habe ich dann? Heute ist es eine Frage der Welt geworden: Was können wir noch bieten neben Brot für die hungernden Völker?
Zacharias spricht sogar davon, dass er in seinem Leben von Feinden umgeben ist. Ich hoffe, dass Sie keine Feinde haben, aber viele Menschen haben Feinde, die nur darauf warten, einen zum Fallen zu bringen. Er sagt, dass seine Freude andauert in dieser furchtbaren Lage.
Das gilt für Menschen, die im Todesschatten sitzen, die ihren Kopf zwischen die Hände vergraben und sagen: Es hat gar keinen Wert mehr. Ich habe keinen Mut mehr. Sie sitzen verzweifelt da, resigniert, sagen: Es ist aus, es ist alles vorbei.
Und da spricht er vom Aufgang aus der Höhe – wie uns heute ein so herrlicher Wintertag wieder geschenkt ist mit dem Sonnenschein. Wenn die Sonne hinter dunklen Wolken durchbricht, so sagt Zacharias, gibt es nichts mehr in der Welt, gar nichts, was diese Freude, diese Adventsfreude verdunkeln kann.
Das erleben Sie erst, wenn Jesus in Ihrem Leben Wohnung genommen hat und bei Ihnen ist. Wenn man die Adventslieder durchblättert, liest man davon, wie Menschen, die furchtbar schwer durchmussten, das wiedergegeben haben.
Paul Gerhard etwa durchlebte eine furchtbare Todesnot, in der seine ganze Familie, seine Frau und seine Kinder weggerissen wurden. Er schrieb: „Ich lag in schweren Banden, du kommst und machst mich los. Ich stand in Spott und Schanden.“ Er hatte sein Amt sogar verloren in einer großen Auseinandersetzung in der Berliner Kirche damals. Paul Gerhard war Superintendent und starb als Mann ohne Aufgabe in großer Verlassenheit.
Doch er sagt weiter: „Ich stand in Spott und Schanden, du kommst und machst mich groß und hebst mich hoch zu Ehren und schenkst mir großes Gut, das sich nicht lässt verzehren“, so beschreibt er den Reichtum, den Gott schenkt.
Sie müssen das Entscheidende der Adventsbotschaft verstehen: Dein König, dein König kommt zu dir! Amen!
Gebet und Segenswunsch zum Abschluss
Und beten! Herr Jesus Christus, wir danken dir, dass du uns schon so lange nachgehst! Dass du uns jetzt in diesen Adventstagen die Augen öffnest, damit wir erkennen, dass du schon lange vor der Tür stehst, anklopfst und uns besuchen willst.
Wir können dir jetzt nur die Tür öffnen und dir alles so hinlegen, wie es ist: unsere ganzen verwickelten Berufsprobleme, die Spannungen, in denen wir leben, die schwierigen Menschen, die uns so viel Ärger machen, unsere Familien und Häuser, unsere Verantwortung und Aufgaben in den Ämtern, die wir versehen, und die Menschen, die uns anvertraut sind.
Herr, wir können mit unseren Gaben oft nicht das Richtige tun, aber wenn du als der Herr und König jetzt bei uns eintrittst, dann kannst du aus unserem Leben etwas zum Lob deiner Herrlichkeit machen. Das erbitten wir. Sei du unser Herr und gebrauche dazu unser Leben.
Wir bitten dich auch jetzt für alle Menschen unserer Gemeinde, besonders für die, die durch schwere Not hindurchgehen, die bedrückt und schwermütig sind, für die Alten und Kranken, für die jungen Menschen, die so stolz an deinem Angebot vorübergehen. Du kannst sie erreichen und finden.
Wir bitten dich auch für unsere Stadt am heutigen Tag der Wahl. Wir dürfen auch dies in deine Hand legen: unser ganzes Volk, ja die ganze Welt mit ihren vielen Wunden, mit dem Hunger, der Ungerechtigkeit, den Spannungen und den Kriegen.
Herr, lass du doch Licht werden auf dieser Welt, auch durch unseren Dienst hindurch. Und die Gaben, die wir in deinem Namen geben, kannst du zu etwas machen, das Not lindert und Menschen an Leib und Seele rettet.
Lasst uns gemeinsam das Gebet des Herrn beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden,
unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen,
denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Und nun dürfen wir hineingehen in diese Festzeit unter dem Segen unseres Herrn.
Herr segne uns und behüte uns,
Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig,
Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.