
Bist du bereit für eine neue Geschichte? Hast du deine Koffer im Kopf schon gepackt? Hier ist Toni. Und ich bin Philipp. Ich heiße Marie. Ah, und einer darf bei uns auch nicht fehlen: Sammy.
Uhuh, hier bin ich – die Koppeldecker. Ich freue mich schon so. Du bist ja aufgeregt. Du nicht? Morgen ist endlich Weihnachten. Ich freue mich schon sehr darauf, mit Mama den Baum zu dekorieren. Und abends ist die ganze Familie zusammen. Ist das nicht super?
Ja, total! Ich freue mich darauf, mit dir die Scheune fertig zu schmücken. Marie hat heute endlich mal wieder etwas Zeit ganz allein mit ihrer Cousine Amy. Der Rest der Doppeldecker-Crew ist nämlich ausgeflogen.
Beim Dekorieren vergeht der Nachmittag wie im Flug. Draußen wird es schon langsam dunkel. Sieh mal raus! Wir wollen doch noch die Lichterketten auf dem Scheundach aufhängen. Das machen wir wohl besser gleich.
Also schnell Jacken anziehen, alles einpacken und dann ab nach draußen. Keine von beiden weiß, dass sich jemand in Maries Jackentasche versteckt hat.
Es hat wohl geregnet, als wir drin waren.
„Pass auf, dass du nicht auf dem Dach ausrutschst“, sage ich. „Wo ist denn die Leiter?“
Mit einem großen Bündel bunter Lichterketten klettert Marie aufs Dach, während Amy unten die Leiter für sie festhält. Oben angekommen, befestigt Marie auf allen Vieren eine Glühlampe nach der anderen. Ausgelassen lachen und scherzen die beiden miteinander.
„Echt schön hier oben. Nur super kalt.“
„Vorsicht, dass du nicht zum Eiszapfen einfrierst.“
„Dann wäre ich ja selbst die Deko.“
Ganz oben am Dachfirst wagt es Marie, vorsichtig aufzustehen.
„Wow, was ist da oben?“
„Das musst du sehen, Amy. Ich kann über die ganze Stadt schauen. Alles strahlt ganz hell und bunt. Superschön!“
Eine Zeit lang ziehen die schönen Lichter Marie in ihren Bann. Doch dann, plötzlich:
„Was war das?“
„Marie, kannst du mich hören?“
„Ja, kann ich. Aber ich kann meine eigene Hand nicht mehr vor Augen sehen. Es ist stockdunkel. Was mache ich denn jetzt?“
„Erst mal ruhig bleiben. Bestimmt ist das nur ein kleiner Stromausfall.“
„Klein? All die schönen Lichter sind aus, die ganze Stadt ist dunkel. Und es fängt schon wieder an zu regnen.“
„Ich weiß, aber vielleicht ist es gleich vorbei. Ich bleibe genau hier, wo du mich hören kannst. Bewege dich am besten auch nicht, solange du nichts siehst.“
„Okay.“
Langsam vergehen die Minuten in der kalten Dunkelheit. Schon die ersten zwei Minuten fühlen sich für Marie wie eine Stunde an. Lange fünfzehn Minuten vergehen, bis ihr Geduldsfaden reißt.
„Amy, es ist so kalt. Wie lange sind die Lichter schon aus? Ich habe leider keine Uhr dabei, aber wir sollten nicht noch länger warten. Wir müssen Dichter irgendwie runterbekommen. Denkst du, Onkel Mike kann uns helfen?“
„Er ist mit dem Fahrrad zu Gudrun gefahren. Hierher wird er zu lange brauchen.“
„Kannst du irgendwas sehen, sodass du dich bis zur Leiter vortasten kannst?“
„Nein, gar nichts. Und es ist echt rutschig hier.“
„Okay, ich suche eine Taschenlampe in der Scheune. Kauere dich eng zusammen, um warm zu bleiben.“
„Versprichst du, dass du gleich wieder da bist?“
„So schnell ich kann.“
Amy hält Wort. Mit aller Kraft bewegt sie ihren Rollstuhl über den unebenen Boden. Langsam rollt sie an der Scheunenwand entlang und sucht nach der Tür. Auch sie kann ja nicht sehen.
Marie fühlt sich überhaupt nicht wohl. Als wären Kälte und Dunkelheit nicht schlimm genug, ist sie jetzt auch noch ganz allein. „Bitte beeil dich, Amy.“
War da was? Das klang ja fast wie Sammy. Spielt Maries Fantasie ihr etwas Streiche? „D-das habe ich mir nicht eingebildet. Sammy, bist du hier irgendwo?“ Vorsichtig betastet Marie ihre Jackentaschen und die Lichterkettenrolle neben sich. Nichts. Oder?
„Ah, nicht in den Schal!“
Nicht die Krallen! Sammy huscht aus dem Schal, hopst auf Maries Schulter und springt aufs Dach. Ganz leise kann sie das freche Streifenhörnchen davontrippeln hören.
„Komm zurück, du erkältest dich noch!“
Wäre das eine von Onkel Mikes Geschichten, würde sie ihn vielleicht fröhlich „Fang mich doch!“ rufen hören. Doch hier und jetzt macht sie sich große Sorgen. Was, wenn das kleine Kerlchen ausrutscht? Was, wenn es abstürzt? Und was, wenn er sich bei dem nassen Nieselwetter wirklich erkältet?
„Ich muss ihn einfangen. Sammy, warte doch!“
Sammys Trippelschrittchen und das Schnattern sind so leise, aber Maries einzige Hilfe, um zu wissen, wo er ist. Also aufstehen und hinterher. Dafür ist das Dach jetzt viel zu rutschig. Dann weiter auf allen Vieren.
„Sammy, bitte komm zurück!“
Wo bleibst du nur, Amy? Ohne Taschenlampe eine Taschenlampe zu suchen, ist leichter gesagt als getan. Amy tastet sich durch alle Regale und Schränke in der Scheune, doch sie kann sie nirgends finden. Hier gibt es so viel Kram. Trotzdem gibt sie nicht auf.
In einer Schublade ertasten ihre Finger etwas. Immerhin, damit kann ich auch ein bisschen Licht für Marie machen. Jetzt brauche ich bloß noch Streichhölzer.
Was war das? Das kam vom Dach. Au, voll mit der Hand weggerutscht. Gut, dass nichts passiert ist.
Jetzt bleib doch endlich stehen, Sammy! Daran denkt er überhaupt nicht. Fröhlich huscht das kleine Hörnchen übers Dach. Marie muss sich noch mehr beeilen, ihn nicht zu verlieren.
Dann doch aufstehen. Oh Mann, ganz vorsichtig. So, jetzt ein Schritt nach dem anderen. Okay, das klappt. Zumindest fürs Erste.
Als Amy endlich eine Schachtel Streichhölzer gefunden hat, zündet sie schnell eine Kerze an und geht damit nach draußen. Plötzlich hört sie einen schrillen Schrei: „Hilfe! Marie!“
Amy eilt sofort nach draußen. „Marie, wo bist du? Ist dir etwas passiert?“ fragt sie besorgt. „Amy, Hilfe!“ klingt es leise. „Marie, wo bist du?“ Amy ruft erneut.
„Am Dachvorsprung, ich kann mich nicht mehr länger halten!“ ruft Marie verzweifelt. „Oh nein, bestimmt bist du auf der anderen Seite vom Dach!“ denkt Amy. „Marie, ich bin hier bei der Tür, du bist wohl auf der anderen Seite. Kannst du die Leiter herbringen?“ fragt Amy. „Nein, das geht nicht. Aber ich komme rüber und habe eine Kerze dabei. Halt durch, Marie!“
Amy muss weit um die Scheune herumfahren und im kalten Regen ständig darauf achten, dass die Kerze nicht ausgeht. Nach einer gefühlten Ewigkeit sieht Marie endlich das kleine Licht näherkommen. „Ich bin da, Marie, alles wird gut“, ruft Amy beruhigend.
„Ich kann nicht mehr. Meine Beine hängen schon die ganze Zeit in der Luft“, klagt Marie. „Beruhig dich, Marie, das ist ganz wichtig“, sagt Amy. „Ich versuche es.“
Fieberhaft blickt Amy im spärlichen Kerzenlicht um sich. „Ah, da oben! Schau mal, neben dir ist die Regenrinne. Kurz unterm Dach gibt es einen Knick, auf den du treten kannst.“ Marie antwortet: „Ich mag nicht nach unten schauen.“ „Bitte, Marie, es muss sein“, bittet Amy. „Na gut.“
„Siehst du da unter deinem linken Fuß? Da kannst du drauf treten und so wieder aufs Dach klettern.“ „Ja, okay. Wo?“ „Ah, da! Ich hab’s geschafft.“ „Super.“ Marie atmet tief durch. Auf den Schrecken muss sie erst einmal verschnaufen. Sie zittert am ganzen Körper und merkt erst jetzt, wie sehr sie friert.
„Wir müssen dich ganz schnell vom Dach holen. Und Sammy auch“, sagt Amy entschlossen.
Sammy, hast du ihn da hochgenommen? Nicht mit Absicht, er hat sich in meiner Jacke versteckt. Das hatte ich gar nicht gemerkt. Und dann ist er aber abgehauen. Bestimmt wird er sich erkälten oder abstürzen, oder?
Ganz ruhig, Marie, du musst ins Warme. Aber Sammy auch. Das musst du aber schnell machen. Hast du irgendwelche Nüsse dabei?
In meiner Jacke? Stimmt ja. Die Tasche ist voller Krümel. Hier hat der wohl alles aufgegessen. Und die Hosentasche? Ich schaue ja schon. Da wäre sie beinahe wieder ausgerutscht. Im letzten Moment kann sich Marie aber noch abstützen.
In der Hosentasche findet sie eine einzelne Haselnuss. Die schüttelt sie und tippt damit auf die Dachziegel. Das hört er bestimmt nicht.
Versuch’s noch mal, er hört ja viel besser als wir. Psst, warte! Er ist wieder da, Amy!
Na los, rein in meine Jacke, Sammy! Vorsichtshalber macht sie den Reißverschluss der Tasche fast ganz zu. So bekommt Sammy darin Luft, kann aber nicht wieder ausbüxen. Er schnattert zwar ein bisschen ärgerlich, bleibt aber darin sitzen.
Ich hab’s, Sammy! Aber wie kommen wir wieder runter? Die Leiter ist auf der anderen Seite vom Dach.
Am besten kommst du ohne Licht wieder bis zum Dachfels, also einfach nur nach oben. Solange erreiche ich die Leiter und kann dir von dort den Weg leuchten.
Okay. Die Idee gefällt Marie nicht besonders. Ängstlich tastet sie sich im Dunkeln zur Dachkante vor. Dort muss sie sehr genau hinschauen, um im Kerzenlicht die Leiter zu finden. Vorsichtig sucht sie mit dem Fuß nach den Sprossen. Sie findet sicheren Tritt und klettert herunter.
Zurück in der Scheune wickelt Amy ihr eine warme Decke um die Schultern. „Ich hätte dir lieber einen heißen Kakao gemacht, aber über der Kerzenflamme ist er leider nur lauwarm geworden.“
„Danke, Amy. Wie gut, dass Tammy nichts passiert ist. Und wie gut, dass dir nichts passiert ist.“
„Mhm, ist schon verrückt irgendwie.“
„Was denn?“
„Die Kerzenflamme ist so klein, normalerweise hätte man sie kaum bemerkt. Aber im Dunkeln war ihr Licht echt meine Rettung. Ohne sie hätte ich die Leiter nicht gefunden.“
„Ja, stimmt. Wusstest du, dass es auch so war, als Jesus auf die Erde kam?“
„Echt? Er ist der Sohn von Gott, also eigentlich ein großer König. Er hätte mit Macht und Prunk kommen können.“
„Stimmt eigentlich. Aber das wollte er nicht. Er wurde klein und kam an Weihnachten als Baby zu uns. Das hätte man leicht übersehen können, aber er kam, um die ganze Welt zu retten. Manchmal muss man wohl genauer hinschauen.“
„Mhm, es lohnt sich.“
Jesus sagt sogar von sich selbst: „Ich bin das Licht der Welt.“
Alles noch mal gut gegangen. Aber was ist eigentlich mit ihren Freunden Philipp, Toni und Mike? Die erleben doch bestimmt ganz eigene Abenteuer in der Dunkelheit. Und wird der Strom zu Weihnachten morgen wieder da sein?
Sei wieder dabei zum zweiten Teil von „Weihnachten mit der Crew“.