Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Thomas Povileit und Jörg Lackmann. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zugleich zum theologischen Nachdenken anregen.
Scharfe Augen und Ohren zu haben, ist grundsätzlich eine gute Sache. Doch in manchen Lebenssituationen ist es hilfreich, nicht auf jedes gesprochene Wort sehr genau zu achten. Besonders dann, wenn es einen selbst betrifft, kann es besser sein, für bestimmte Äußerungen taub und für manche Taten blind zu sein.
Charles Spurgeon hat seinen Studenten am Predigerseminar genau dies ans Herz gelegt. Ob man Prediger ist oder nicht, dieser Rat ist sicher für alle wertvoll. Es geht also darum, auch mal nicht so genau hinzuhören oder hinzusehen – vor allem dann, wenn es einen selbst betrifft.
Jörg, vielleicht möchtest du einmal erklären, wer dieser Spurgeon überhaupt war, der diesen Rat gegeben hat. Außerdem wäre interessant zu erfahren, ob wir eine biblische Grundlage für seine Aussage finden können.
Charles Haddon Spurgeon, um genau zu sein, lebte im neunzehnten Jahrhundert. Er wird der Fürst der Prediger genannt, weil er, man könnte fast sagen, ein Wunderkind im Predigen war.
Sein Großvater und sein Vater waren bereits Pastoren, und Spurgeon selbst las schon in jungen Jahren viel in der Bücherei. Mit sechzehn Jahren begann er zu predigen und war zudem Hilfslehrer in seinem Dorf. Er wuchs auf dem Land in Großbritannien auf.
Mit 18 Jahren wurde er Pastor, und mit 20 Jahren wurde er nach London berufen. Dort übernahm er eine Baptistenkirche in der New Park Street, die damals etwa 1200 Sitzplätze hatte – für die damalige Zeit eine beachtliche Größe.
Spurgeon, später als der Fürst der Prediger bekannt, erlebte, wie die Gemeinde wuchs. Nach einer Zwischenstation wurde ein eigenes Gemeindehaus mit sechstausend Sitzplätzen gebaut. Das war eine richtige Mega-Church – für die damalige Zeit eine außergewöhnliche Größe, da baulich wahrscheinlich kaum mehr möglich war.
Seine Predigten wurden vervielfältigt – nicht wie heute mit Video, Audio oder Podcasts, sondern schriftlich. Sie wurden in einer Auflage von 30.000 Stück gedruckt, was eine enorme Wirkung und Verbreitung hatte. Außerdem schrieb er sehr viele Bücher.
Ich besitze zu Hause bestimmt zwei Dutzend Bücher von ihm. Neunzehn davon sind in einer Sammelbox, die du hier siehst – in einem eher unansehnlichen grünen Layout, das Mitte der Achtziger Jahre üblich war. Diese Sammelbox enthält seine Predigten, die sehr lebendig sind.
Außerdem gibt es, wie heute, ein spezielles Buch mit dem Titel „Ratschläge für Prediger“. Dieses Buch enthält praktische Tipps, die er weitergegeben hat. Seine Gemeinde baute auch eine Bibelschule auf, und eine der Lektionen findet sich im vorletzten Kapitel dieses Buches. Das Buch ist eher locker geschrieben und bietet praktische Ratschläge für Prediger.
Ich kann mich noch gut erinnern, als wir einmal von der Schweiz nach Hause gefahren sind. Du hast dich damals vehement dafür eingesetzt, dass in Bibelschulen auch gelehrt wird, wie man mit Konflikten umgeht und mit anderen Dingen, die oft vernachlässigt werden. Das ist praktisch so ein Thema.
Er hatte immer so einen Spruch: das blinde Auge und das taube Ohr. Dann fing er hier an und sagte: „Ihr habt mich schon manchmal sagen hören, der Pfarrer sollte ein blindes Auge und ein taubes Ohr haben.“ Vielleicht habt ihr euch darüber gewundert. Denn eigentlich sollte man denken, es sei umso besser, je schärfer die Augen und die Ohren sind.
Nun wollen wir uns das geheimnisvolle Thema etwas näher ansehen, hat er dann erläutert. Einleitend hat er drei Verse gebracht, einen aus Prediger sieben. Den lese ich jetzt auch mal vor, damit ihr wisst, woher das kommt. Da muss ich mal schauen, ab wann ich anfange.
„Weil kein Mensch auf Erden so gerecht ist, dass er Gutes tut, ohne zu sündigen.“ Sorry, welcher Vers ist das denn? Prediger 7? Prediger 7, Vers 20, fange ich jetzt mal an:
„Weil kein Mensch auf Erden so gerecht ist, dass er Gutes tut, ohne zu sündigen, so höre auch nicht auf alle Worte, die man dir hinterbringt, und nimm sie nicht zu Herzen, damit du nicht deinen eigenen Knecht dir fluchen hörst. Denn wie oft, das weiß dein Herz, hast auch du anderen geflucht.“
Das finde ich sehr spannend. Er sagt hier, Salomo war das ja: „Dein Knecht flucht und das erzählt man dir.“ Achtet auf solche Sachen nicht, habt da ein taubes Ohr. Daraus kommt dieses taube Ohr. Einfach nicht darauf hören.
Jetzt ist natürlich die spannende Frage: Wann soll ich auf Sachen hören und wann nicht? Das diskutiert er an verschiedenen Stellen. Es gibt noch andere Verse, zum Beispiel aus Psalm 38, auch von David, also von seinem Vater.
Dort heißt es: „Ich aber bin wie ein Tauber und höre nichts und wie ein Stummer, der seinen Mund nicht auftut.“ Es geht um Leute, die über ihn Lügen erzählen. Und da sagt er, ich bin wie ein Tauber und höre nichts, wenn sie Lügen über mich erzählen.
Er lässt das nicht an sich heran. Man kann ihn nicht zum Schweigen bringen, sagt Spurgeon so schön. Die anderen erzählen Lügen, aber man kann seine eigenen Ohren verstopfen und es dann nicht hören.
Gibt es da einen besonderen Bereich, an den er denkt? Er präsentiert ein buntes Potpourri, eine praktische Lektion, die quer durch verschiedene Themen führt. Ich habe den Eindruck, dass er nur zwei oder drei Stichworte als Skizzen hingeschrieben hat und dann frei gesprochen hat. So wirkt es auch im Druck noch.
Er beginnt mit einem Thema, das besonders für Pastoren von Interesse ist – Zwistigkeiten, die den Vorgänger betreffen. Ich lese das einfach mal vor, damit wir den Stil ein wenig hören können:
„Seid taub und blind gegenüber den Zwistigkeiten, die ihr in der Gemeinde antrefft. Ihr werdet vielleicht gleich von Leuten überlaufen, die euch wegen eines Familienswists oder eines kirchlichen Streits auf ihre Seite ziehen wollen. Also, wenn man eine neue Stelle antritt, seid taub und blind gegen sie. Sagt, das Vergangene müsse begraben werden und ihr wollt nicht ausessen, was euer Vorgänger eingebrockt hat. Wenn eine schreiende Ungerechtigkeit geschehen ist, so sucht Recht zu schaffen. Aber mischt euch nicht in gewöhnliche Händel ein, sondern sagt den Leuten ein für allemal, ihr wollt nichts damit zu tun haben. Sie sollen sich vertragen.“
Er erzählt weiter: „Ich kam als junger Mann frisch vom Land an die Kirche in der New Park Straße, die eine große Gemeinde war. Mit zwanzig Jahren waren die Verhältnisse in der Gemeinde ziemlich ungeordnet. Ich bin überzeugt, dass es für meine Wirksamkeit und das Gedeihen der Gemeinde das Klügste war, für alle Streitigkeiten, die vor meiner Ankunft begonnen hatten, nur ein blindes Auge zu haben.“
Er betont: „Es ist höchst unklug, wenn ein junger Mann, der frisch vom Seminar oder von einer anderen Stelle in ein Amt kommt, sich durch Einflüsterungen, Schmeicheleien oder Freundlichkeiten für eine Partei gewinnen lässt und es dadurch mit der anderen Hälfte der Gemeinde verdirbt.“
Sein Rat lautet: „Kümmert euch nicht um Klicken und Parteien, sondern seid die Hirten der ganzen Herde und sorgt gleich für alle. Selig sind die Friedfertigen. Ein besonders gutes Mittel, Frieden zu stiften, ist, das Feuer der Zwietracht nicht anzufachen oder zu schüren, sondern es ruhig verklimmen zu lassen.“
Er fordert: „Tretet also euer Amt mit einem blinden Auge und einem tauben Ohr an.“ Das, was er dazu sagt, ist ein guter Rat.
Wenn man das jetzt auf eine Familie übertragen würde, könnte man auch sagen: Facht das Feuer nicht an, sondern versucht, es klein zu halten. Seid Friedenstifter.
Er gibt dazu eine wichtige Einschränkung, die mir gefällt: Natürlich gilt das nicht, wenn eine schreiende Ungerechtigkeit geschehen ist. Aber für alles Gewöhnliche soll man das Feuer nicht anfachen.
Vor allem, wenn man an einer neuen Stelle antritt, ist es klar, dass die Leute ihre Chance wittern. Sie schauen, was der Neue dazu sagt, und dann werden Allianzen neu geschmiedet. Dabei kommen oft alte Konflikte hoch.
Für mich wäre in der Praxis die Frage, inwieweit man es ignorieren kann, ohne dass es weiter gärt. Aber ich glaube, er meint eben, das Feuer nicht anzufachen. Wenn es schlimm ist, wird es sowieso wieder aufglühen. Dann muss man sich damit beschäftigen, aber erst im Jetzt.
Das war jetzt mehr ein Ratschlag für die Pastoren, die er ausbildet.
Der zweite Punkt ist ebenfalls wichtig und macht die Sache für alle praktischer. Interessanterweise hat mich gerade bei diesem Thema Geldangelegenheiten etwas überrascht. Geld hat ja nicht unbedingt etwas mit zwischenmenschlichen Konflikten zu tun. Heutzutage wird das, denke ich, fast flächendeckend so gehandhabt, dass nicht der Pastor selbst schaut, wer was spendet und sich um die Geldangelegenheiten kümmert, sondern dass dies der Kassierer übernimmt. Wahrscheinlich ist das aber nicht in jeder Gemeinde so. Ich habe es bisher nur so erlebt. Insofern gilt mir das als selbstverständlich, es kann aber auch anders sein.
Ich finde diese Regelung klug. Ich war ja einmal kommissarisch Kassierer in meiner alten Gemeinde. Damals war ich schon Ältester, und weil der Kassierer ausgefallen war, habe ich die Aufgabe für ein paar Monate überbrückt. Das war sehr interessant. Dabei habe ich einige Dinge gesehen, bei denen ich dachte: „Boah, heieiei, gut, dass der Kassierer so verschwiegen ist.“ Es gab Sachen, die mich wirklich überrascht haben.
Eine Sache habe ich mir dann erlaubt anzusprechen. Es gab nämlich eine ganze Gruppe von Mitarbeitenden, die keinen Cent gespendet haben, keinen einzigen. Sie haben immer nur Projekte unterstützt, die sie persönlich interessiert haben. Das finde ich problematisch. Natürlich habe ich keine Namen genannt, aber ich habe dem Leitungskreis vorgeschlagen, über Geld zu sprechen. Dabei ging es darum, nicht nur das zu tun, was man selbst denkt, sondern auch den Wert für die gesamte Gemeinde zu erkennen. Das Problem ließ sich schnell und gut lösen, es musste nur ein Bewusstsein geschaffen werden.
Dabei habe ich diesen Zwiespalt bemerkt: Ein richtiger Kassierer hätte wohl seinen Mund gehalten. Ich war jedoch in beiden Rollen – als Ältester und als Kassierer – und das war nicht einfach. Es heißt ja: „Taubes Ohr, blindes Auge – wenn du Pfarrer bist, ist das besser für dich.“ Die Gemeinde soll den Pastor ordentlich versorgen, aber nicht genau hinschauen. Das gibt auch eine innere Freiheit gegenüber anderen. Man denkt dann nicht: „Der spendet jetzt so viel, da kann ich ihm nicht sagen, dass das, was er tut, dem Wort Gottes absolut nicht entspricht.“
Wobei natürlich die Frage bleibt, ob die Leute überhaupt so viel spenden. In meinem Fall gab es da wirklich Überraschungen. Das kann ich hier nicht im Detail erzählen, weil es zu speziell ist und jemand es hören könnte. Aber es gab Überraschungen, die haben mich wirklich umgehauen – in beide Richtungen. Trotzdem ist das nicht das eigentliche Thema.
Ganz klar: Ein Pastor soll sich auf das Geistliche konzentrieren. Die Geldangelegenheiten sind besser ausgelagert. Die linke Hand soll nicht wissen, was die rechte tut – das ist eine andere Formulierung für „taubes Ohr, blindes Auge“ oder Ähnliches.
Gibt es noch ein Thema? Ja, Klatsch hat er gebracht. Da hat er sich sehr ausgelassen. Ich weiß nicht, ob das heute noch so das Thema ist. Ich glaube, ich habe das jahrelang falsch verstanden.
Ich habe mal nachgeguckt auf Wikipedia – ach, die Beschreibung ist so schön, die muss ich einfach mal vorlesen, wie Klatsch dort beschrieben wird: Klatsch ist eine Form der gesellschaftlichen Unterhaltung, bei der absichtsvoll Informationen über nicht anwesende Personen ausgetauscht werden. Der Begriff bedeutet ein gesellschaftliches Gespräch über triviale, oft auf Gerüchten beruhte Themen. Daneben steht Klatsch aber auch ausdrücklich für Unbelegbares bis hin zu beabsichtigt Falschem. Dies unterscheidet ihn vom Tratsch, der eher zielloses Schwatzen und Erzählen bezeichnet.
Ich lag am Boden, als ich diese Definition gehört habe. Das ist schon bewusst, also auch Klatsch. Ja, und ich habe gemerkt: Ich habe das ja vor dreißig Jahren gelesen, dieses Buch. Letztens in irgendeinem Podcast habe ich es das letzte Mal erwähnt und habe gemeint, naja, vielleicht machen wir mal mein eigenes Thema, weil ich irgendwie wieder darauf gekommen bin. Und ich habe jetzt festgestellt, ich habe das immer falsch angewandt. Also ich habe das gar nicht auf Klatschen angewandt, sondern auf etwas anderes, bin aber sehr gut damit gefahren.
Ich weiß nicht, ob es Klatsch heute noch so in dieser reinen Form gibt. Was meinst du? Ich habe es gar nicht so arg mitgekriegt. Du meinst in der Gemeinde oder allgemein? Ja, einfach über Leute reden so. Also das glaube ich schon, dass das so ist. Ja, also ich kriege es gar nicht so mit. Also damals muss es schon gewesen sein, aber das lese ich nicht vor.
Damals gab es wahrscheinlich auch noch die Klatschpresse, wo du ja entsprechend dann alle möglichen wichtigen Nachrichten in was weiß ich irgendwelchen Blättern hattest. Das gibt es ja heute auch noch. Nee, die Kaffeekränzchen erwähnt er, wo die einfach immer schnattern.
Ja, ich glaube, es ist eine Prägung der Gemeinde ein Stück weit auch, ob man mit den Leuten redet oder ob man über die Leute redet. Und dass man über die Leute so redet, dass man dabei besser wegkommt, dann bist du ganz schnell auch bei Klatsch, dem absichtsvollen Erzählen, wie du gesagt hast. Das ist…
Ich habe es dann mehr angewandt auf – obwohl, was schreibt er da zum Beispiel? Das fand ich auch eine sehr schöne Bezeichnung: Es gibt auch Leute, die nie so glücklich sind, als wenn sie leider dem Pfarrer sagen müssen. Das war nicht so eine schöne Beschreibung.
Und zwar: Wenn sie leider dem Pfarrer sagen müssen, dass Herr A eine falsche Schlange ist, dass der Herr Pfarrer von dem Herrn B und C eine viel zu gute Meinung hat und dass Herr D unglücklich verheiratet ist. Kümmert euch nie um solchen Klatsch! Außer um die Bosheit und Herzlosigkeit zu betrauern, die ihm zugrunde liegt.
Er hat halt immer sehr schöne Formulierungen, also ich liebe das. Was ich eher festgestellt habe und da habe ich es für mich angewandt: Leute, die auf einen zukommen und sagen, du, das und das läuft in der Gemeinde falsch, und viele Leute sagen, das müsse man machen, und die werden nie konkret. Du weißt nicht, wer was sagt und was gesagt wurde.
Ich habe immer den Eindruck, da wird so eine Schar aufgebaut von vielen, die gar nicht so viele sind, nur um die eigene Position durchzudrücken. Ja, ich weiß nicht, ob das Klatsch ist, aber das ist auf jeden Fall etwas, was in der Praxis sehr oft vorkommt.
Das ist kein Klatsch, aber ich habe es so immer angewandt. Weil sein Ratschlag war, was hat er gesagt? Nur wenn der Klatsch – also man soll ein taubes Ohr und ein blindes Auge haben für solchen Klatsch, was über andere Menschen gesagt wird. Nur wenn der Klatsch ernsthaft wird und schlimme Folgen haben könnte, müsst ihr ernstlich mit den Urhebern sprechen.
Und jetzt war der Ratschlag, den ich seit dreißig Jahren mit Erfolg anwende: Sagt ihnen, ihr müsstet bestimmte Tatsachen haben, aber euer Gedächtnis sei nicht besonders gut, ihr hättet an so vielerlei zu denken. Sie möchten so freundlich sein und euch ihre Behauptungen schwarz auf weiß geben.
Okay, das ist ja eine andere Ebene dann schon. Ja, das tun sie aber nicht. Sie machen nicht gerne klare und bestimmte Angaben, sie schwatzen viel lieber aufs Geratewohl. Und das fand ich halt sehr hilfreich, das konkret zu machen. Muss ja nicht unbedingt schriftlich sein, aber konkret.
Weißt du, hast du ähnliche Situationen mal? Ich glaube, auf der Bibelschule war mal was, wenn ich… Ja, also das ist dann auch nicht der Klatsch, aber das ist nicht nur Bibelschule. Ich glaube, das erlebe ich auch so im Alltag, dass wenn man selber keine Argumente mehr hat, dann beruft man sich auf jemand anders.
Also ich weiß eben, das war mal auf einer Bibelschule bei mir so, dass jemand argumentiert hat und nicht weiterkam bei seiner Argumentation und gesagt hat: „Aber der Lehrer Soundso meint es auch so.“ Ja, also das war dann schon, und da fing die Klasse, glaube ich, fast an zu lachen, weil sie begriffen hat, die Argumentation wechselt hier.
Und ich glaube, dass das im Gemeindealltag aber häufiger vorkommt, als man denkt, dass man sich auf irgendjemanden beruft. Und ich glaube, das ist auch wichtig in der Prägung der Gemeinde, dass man sagt: Ihr müsst selber in das Wort Gottes hineinschauen. Und auch wenn ich hier vorne stehe, kann es durchaus sein, dass ich mich in dem einen oder anderen Punkt irre.
Also die Bibel muss immer die Grundlage sein und nicht irgendein Bruder, der irgendwas sagt, und selbst wenn er noch so begabt ist.
Also ich habe dann diesen Rat jetzt 30 Jahre falsch angewandt, gar nicht auf Klatsch, habe ich jetzt gemerkt, aber auch erst gestern. Aber das mit diesem Schriftlichen, das habe ich oft so gemacht.
Also ich habe festgestellt: Wenn Leute auf dich zukommen und sagen, viele denken das, dann sind es drei. Drei Leute, die es denken. Es sind drei, immer drei – ich übertreibe ein bisschen. Es sind keine zwei, weil die Leute, die das sagen, sind Christen, und viele zwei, das ist gelogen, das macht kein Christ.
Es sind aber auch keine vier, sonst käme man mit einer von denen vier an oder würde die auch mal nennen. Es sind eigentlich immer nur drei. Es ist jetzt eine Theorie von mir.
Gelernt habe ich das, wir hatten früher mal mehrere WGs in der Gemeinde – eine Quelle des Unfriedens war das. Das war halt eine Zeit lang so. Da gab es immer Probleme. Und da habe ich mal von Problemen gehört, da hieß es ja: Viele sagen in der Gemeinde, das und das läuft nicht und dies und jenes. Und dann kam noch eine zweite und dann hatten sie viele und so weiter.
Und nach einer Weile habe ich herausgefunden, das waren zwei bis drei Personen aus dieser WG. Die kamen aber alle auf dich zu und haben alle erzählt, viele. Und du hast gedacht, boah, das ist ein Riesenproblem.
Und es waren einfach nur die Gegenüberleute dann. Ja, es waren nur die zwei oder drei. Und deswegen frage ich inzwischen, wenn einer auf mich kommt und sagt: „Du, viele denken das“, sage ich: „Du, wer denn? Das würde mich doch interessieren. Das ist jetzt so gewichtig, mit denen möchte ich doch einfach mal reden. Und sag mir doch mal konkret, was sie genau gesagt haben.“
Dann wird man nämlich merken, die Leute haben teilweise etwas ganz anderes gesagt, und derjenige hat es benutzt und umgedeutet, um seine Position zu stärken.
Also wenn auf mich so etwas Unbestimmtes zukommt, außer es ist nicht so wichtig, letztendlich hat auch mal mein Bruder etwas gesagt, da haben viele gesagt, das und das sollte geändert werden. Das war eine Sache, wo ich sagte: Ja, gebe ich weiter, soll ich im Leitungskreis weitergeben, kein Problem. War jetzt nichts Weltbewegendes, da frage ich jetzt auch nicht nach, wer und was genau usw.
Aber wenn es halt um ernste Versachen geht, die angeblich so schlimm sind, dann fühle ich den schon ein bisschen auf den Zahn. Und im Normalfall merke ich dann, da ist nicht viel dahinter.
Und ich glaube, das ist auch sehr wichtig. Mir fällt spontan ein, der Paulus, der sagt, die Leute der Chloe, sagt er zu den Korinthern, haben gesagt – also er nennt hier Ross und Reiter dann eben auch. Und das ist sehr hilfreich.
Er sagt ja auch: Wenn es ernsthaft ist, lasst es konkret werden, hier noch schriftlich. Man hört ja ein bisschen so seine Ironie dadurch, wenn er das beschreibt.
Er sagt übrigens auch, man wird dem nie den Chaos machen können, weil nach Jakobus 3 ist die Zunge ein Übel, wird immer so sein.
Und das hat mir wirklich sehr geholfen. Gerade bei so Konflikten das nicht ausufern zu lassen, aber auch wirklich konkret zu machen.
Und wenn du dann diese Frage stellst: Du hast gesagt, das ist jetzt so schlimm, wer hat denn das gesagt? Ja, darf ich nicht sagen. Ja, dann frag doch die Person, ob du es sagen darfst.
Und dann scheidet sich das, ob das eine ernsthafte Sache ist. Dann kann die das nämlich sagen, weil dann will die das Anliegen voranbringen oder nicht. Und dann war es nur, um die eigene Position zu begründen.
Und da hast du dir viel Ärger erspart. Das glaube ich, ja. Fand ich sehr, sehr sinnvoll, da dann konkret zu werden und über die anderen Sachen einfach nicht zu hören.
Das war jetzt so ein bisschen Richtung Tratsch.
Das heißt, dass Spurgeon vor allen Dingen empfiehlt, eben eine Einstellung zu haben, die sich so ein Stück weit unabhängig auch von Menschen macht, oder dass ich wirklich nachfrage, dann ist es sehr konkret, aber dass ich nicht bei jedem, wenn jemand kommt und über jemand anderes was sagt, meine, ich muss dem jetzt nachgehen oder so.
Ja, er sieht da auch die Gefahr drin, dass man dann eine argwöhnische Gesinnung kriegt, wie er schreibt. Muss mal gucken, wo das steht.
Also: "All den Dingen, die euch zu einem harten oder unfreundlichen Urteil veranlassen könnten, wendet euer blindes Auge und euer taubes Ohr zu. Wenn nicht zu erfahren ist, was unsere Liebe zum Nebenmenschen fördert, so unterlasst besser das Fragen, denn es könnte etwas zum Vorschein kommen, was die Ursache jahrelangen Zwists würde."
Ich spreche hier natürlich nicht von Dingen, bei denen es sich um Gemeindezucht handelt, denn da muss gründlich untersucht werden. Ich meine persönliche Angelegenheiten. Es ist am besten, wir wissen nicht und versuchen nicht zu erfahren, was Freunde oder Feinde von uns sagen.
Also einfach eine gewisse Distanz und das nicht extra in Erfahrung bringen. Er hat Recht, da können dann Sachen hochkommen, die man sonst nie erfahren hätte, hätte glücklich weitergelebt und auf einmal jahrelanger Zwist deswegen.
Und das finde ich eine sehr kluge Aussicht.
Später hat er das Thema noch einmal vertieft. Er sagte, Menschen, die sehr argwöhnisch sind, sind wie Spinnen in einem Netz. Wenn irgendwo eine Berührung ist, spüren sie jede einzelne.
Er berichtete von Pfarrern in der Gemeinde, die überall hören wollen, was gesagt wird, und total nervös sind. Egal, wo im „Spinnennetz“ der Gemeinde etwas passiert – in diesem Bild – werden sie nervös und das schädigt ihren Charakter. Der König, der argwöhnisch ist, wird zum Tyrannen. Der Ehepartner, der argwöhnisch ist, wird eifersüchtig. Und der Geistliche, der argwöhnisch ist, wird verbittert.
Das liegt daran, dass er überall etwas wittert: „Der hat jetzt etwas gegen mich, der sagt dies und jenes.“ Wenn einem das gesagt wird, kann natürlich auch eine Voreingenommenheit bei einem selbst entstehen. Das ist eine wichtige Beobachtung.
Die Frage ist natürlich: Wie kann man erkennen, dass sich die Einstellung einer Person ändert? Das geschieht praktisch. Zum Beispiel, wenn jemand unfreundlich zu einem ist. Er hat das so beschrieben, und ich lese es vor, weil ich es nicht besser ausdrücken könnte:
„Als ich einmal merkte, dass mir jemand unfreundlich gesinnt war, hätte ich argwöhnisch werden können. Doch ich tat so, als würde ich nichts davon merken, und suchte den Betreffenden durch besondere Freundlichkeit und Höflichkeit zu gewinnen. Bald war alles ruhig. Hätte ich den Mann wirklich als Gegner behandelt, so hätte er die ihm zugewiesene Rolle übernommen und sie so gespielt, dass sie ihm Ehre eintrug. Aber ich wusste, dass er Christ war. Ich dachte, wenn ich ihm missfalle, gibt mir das kein Recht, ihn nicht zu lieben. Darum behandelte ich ihn als einen, der, wenn nicht mein, so doch meines Herrn Freund war. Ich übertrug ihm ein Geschäft, das ihm mein Vertrauen zeigte, sorgte dafür, dass er sich mir gegenüber unbefangen fühlte, und gewann ihn so allmählich zu einem treuen Freund und Mitarbeiter.“
Er rät außerdem: „Erinnere nie einen Bruder an ein scharfes Wort, das er gegen dich gebraucht hat. Siehst du ihn in besserer Stimmung, erwähne den peinlichen Vorgang nicht. Ist er ein vernünftiger, gerechter Mann, wird er einem Geistlichen, der ihn edelmütig behandelt, das nächste Mal nicht kränken. Ist er aber grob und ungebildet, hat es keinen Wert, mit ihm zu streiten.“
Das ist sehr praktisch.
In den letzten Monaten habe ich auch mitbekommen, dass Leute etwas über mich sagen – ohne dass sie wissen, dass ich es weiß. Ich finde das toll und ignoriere es einfach. Meistens muss man darüber nicht reden. Warum sollte ich mir Ärger mit Menschen machen, die es vielleicht gar nicht so gemeint haben und es schon längst vergessen haben?
Im Grunde rät Spurgeon hier, nicht alle Konflikte auszutragen. Manche Konflikte sollte man einfach nicht ausgraben, sondern sagen: „Ich mache daraus keinen Konflikt.“ Das ist eine Grundeinstellung: Friedenstifter sein.
Er hat aber auch eingeschränkt, dass man bei ernsten Dingen, wie Gemeindezucht, einschreiten muss, wenn andere dadurch geschädigt werden. Das finde ich auch richtig.
Zum Beispiel, wenn jemand unfreundlich zu dir ist, betrifft das keinen anderen. Das kann natürlich tiefer gehen, aber wenn du es übersehen kannst, solltest du das tun. Sonst bist du blind dafür.
Der Prediger sagt es auch deutlich: „Hör nicht auf das, was andere über dich sagen, denn auch du hast deinem Knecht mal geflucht.“ Das muss man sehen. Ich habe auch schon Dinge über andere gesagt, wenn ich mich aufgeregt habe. Ich achte dann darauf, das nicht öffentlich zu sagen – so wie es in den letzten Monaten einige Brüder bei mir gemacht haben. Das würde ich nie tun. Aber gut, jeder wie er will.
Es ist natürlich ein bisschen „Roboter“ – das ist klar. Aber die Frage ist wirklich, ob man wegen solchen Sachen Streit anfangen oder das Feuer weiter anfachen will – oder ob man es lieber ausklingen lässt. Ich glaube, das Ausklingenlassen ist sehr klug von ihm.
Solche Dinge betreffen nicht das Predigen für Studenten oder andere Aufgaben, aber sie können oft die Atmosphäre in der Gemeinde zerstören. Sie können die Beziehung kaputt machen, wenn man immer nachtreten muss und alles klären will.
Er hat auch gesagt, es gibt Leute, die horchen. Da gibt es wohl auch ein Sprichwort, wahrscheinlich auch im Englischen, oder es wurde gut übersetzt: „Der Horcher an der Wand hört seine eigene Schand.“
Er meint damit, dass es keinen Segen auf solchen Informationen liegt, wenn man versucht, Dinge von anderen mitzubekommen, die nicht für einen bestimmt sind.
Eine Inschrift auf einem alten Schloss lautete: „Die Leute sagen. Was sagen die Leute? Lass die Leute sagen.“ Ich fand das wunderbar.
Manchmal will man unbedingt wissen, was der andere über einen denkt. Warum schaut er mich so komisch an? Was hat er gesagt? Was tuschelt er? Ich merke, dass er leise wird, wenn ich komme. Vielleicht wird er aus einem ganz anderen Grund leise – das ist egal.
Diese argwöhnliche Gesinnung ist nicht besonders förderlich.
Spurgeon hat diese Lektion, wie du anfangs gesagt hast, auch vor Studenten gehalten, die Pastor werden wollten. Dabei gab er ihnen spezielle Anweisungen, insbesondere zum Thema Predigen.
Er betonte, man solle nicht einfach sagen: „Ach, da gibt es so einen hübschen Abschnitt, den muss ich einfach mal vorlesen.“ Wenn man Dienst tut – und das gilt nicht nur fürs Predigen, auch wenn er es speziell auf Predigen bezog, weil er zukünftige Prediger vor sich hatte – dann tritt man in die Öffentlichkeit. Dort gibt es immer Leute, die das, was man tut, gut finden, und andere, die es schlecht finden. Das ist normal.
Ehrlich gesagt gibt es Dinge, die mich stören. Eine Sache, die mich immer stört, ist, wenn jemand auf mich zukommt und sagt: „Diesen Punkt hast du aber schlecht gemacht.“ Dann verweise ich ihn oft an den anderen, der genau denselben Punkt gut fand, und lasse die beiden darüber diskutieren. Jedes Mal denke ich, das sollte ich einfach mal machen. Denn so ist es in der Praxis oft: Der eine sagt, der Punkt war super, der andere sagt, derselbe Punkt war eine Katastrophe. So gibt es verschiedene Meinungen.
Spurgeon sagt, man soll nicht zu sehr darauf hören. Bevor er nach London ging, betete ein alter Bruder – das habe ich immer gelesen – als er sein Dorf verließ, um die Stelle in London anzutreten, betete dieser alte Mann: „Ich möchte von dem Blöken der Schafe erlöst werden.“ Damals hatte Spurgeon keine Ahnung, was er meinte, aber jetzt versteht er es und bittet oft selbst darum.
Zu viel Rücksicht auf das, was die Zuhörer sagen – sei es Lob oder Tadel – ist vom Übel. Heute klingt das mit dem „Blöken der Schafe“ vielleicht beleidigend, denn die Gemeinde „blökt“. Aber damals, um 1850, war das auf dem Land eine andere Sache. Manche Schafhirten erschrecken sich schnell, und dann blökt das Schaf, obwohl gar nichts ist. So ist es wohl gemeint.
Spurgeon sagt: Hör nicht so viel auf das Blöken der Schafe. Konzentriere dich darauf, ein Hirte zu sein. Schau, welches Schaf verletzt ist, wo du die Schafe weiden musst und andere wichtige Dinge. Wann die Schafe blöken, ob beim Lob oder Tadel, soll egal sein. Er betont, die Leute, die dich loben, haben oft genauso Unrecht wie diejenigen, die dich tadeln.
Man soll die Kritik berücksichtigen und überlegen, was berechtigt ist. Aber weder soll man stolz werden, wenn man in den Himmel gelobt wird, noch in Depressionen verfallen, wenn man kritisiert wird. Man soll alles vom Herrn annehmen. Paulus sagt das ja auch: „Ich beurteile mich selbst nicht, sondern der Herr beurteilt mich.“ So steht es im Brief.
Spurgeon warnt auch vor der Parteiung in der Gemeinde und davor, auf Gerüchte zu hören. Er gibt ein Beispiel: Wenn man eine ganze Woche verreist war und deshalb die Predigt etwas wässrig ausgefallen ist, braucht man nicht bei den Gemeindegliedern herumzuhorchen, ob sie es gemerkt haben. Lass dein Gewissen sprechen und gib dir Mühe, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Oder umgekehrt: Du hast eine großartige Predigt gehalten, mit einem kräftigen Posaunenstoß abgeschlossen und möchtest nun unbedingt wissen, welchen Eindruck du gemacht hast. Unterdrücke deine Neugier und frage lieber nicht. Wenn die Gemeinde deiner Meinung zustimmt, nährt das nur deine jämmerliche Eitelkeit. Wenn sie anderer Ansicht ist, setzt du dich durch dein Verlangen nach Lob in den Augen der Leute herab.
Er warnt vor Eitelkeit und sagt: Wenn man zu eitel wird, weil zu viele einen loben, wird der Herr einen schon wieder herunterbringen und züchtigen. Das ist der Punkt.
Heute betont man zu Recht das Feedback als etwas sehr Wichtiges. Das bekommt man von der Gemeinde aber gar nicht so oft, vor allem konstruktives Feedback. Was Spurgeon anspricht, muss man unterscheiden: Er meint nicht konstruktives Feedback, sondern oft das, was Leute im Kopf haben und dann einfach sagen. Und das sagen sie nicht, um zu helfen, sondern um ihren Unmut auszudrücken.
Er sagt: Hör nicht auf solche Stimmen. Natürlich soll man auf die hören, die konstruktiv kommen und sagen, was man besser machen kann. Das wäre natürlich super.
Interessanterweise erwähnt Spurgeon auch, dass er das unterscheidet. Ein verständiger Freund, der dich schonungslos tadelt, ist – wenn du Verstand genug hast, seinen Tadel zu ertragen, und Gnade genug, dankbar dafür zu sein – ein viel größerer Segen für dich als eine Schar von urteilslosen Bewunderern.
Während er in den Surrey-Gärten predigte – ich habe vergessen, in welcher Phase das war – schickte ihm ein ungenannter, sehr fähiger Kritiker jede Woche eine Liste der Wörter, die er falsch ausgesprochen hatte. In England ist die Sprache ja ein bisschen bedeutsamer, und andere Fehler, die er gemacht hatte, wurden ebenfalls aufgeführt. Leider nannte der Kritiker seinen Namen nicht, und deshalb konnte Spurgeon seine Schuld der Dankbarkeit nie abtragen. Er nutzt diese Gelegenheit hier, um das nachzuholen.
Man merkt die Ironie in seiner Erzählung, aber er meint es ernsthaft. Dieser Kritiker schrieb ihm jede Woche und wies auf Fehler hin. Später sagte Spurgeon, dass dieser Mann sich praktisch nie in seinem Urteil geirrt habe. Er war ein sehr fähiger Beobachter. Dieses Feedback hat Spurgeon sehr geschätzt.
Das andere, was man vermeiden sollte, ist die Frage: „Was denken die denn über mich? Ist es gut angekommen? Oh je, merken sie, dass ich heute etwas übermüdet war?“ Dann läuft man Gefahr, wie Paulus es einmal sagt, den Leuten nach dem Munde zu reden. Das ist nicht gut.
Man sollte ein taubes Ohr und ein blindes Auge gegenüber solchen Gedanken haben.
Aber wie ist es, wenn das, was gesagt wird, doch eine Grenze überschreitet? Das ist ja auch in der jüngeren Vergangenheit immer wieder mal salonfähig geworden. Indem man Dinge sehr vehement und verletzend ausspricht.
Da hat er jetzt etwas gebracht, das ich ein bisschen irritierend finde. Es ist zu viel gesagt, aber dennoch sehr interessant. Er sagt zum Beispiel, wenn es falsche Gerüchte oder Lügen gibt – das ist jetzt sein Thema, das er anspricht –, solle man diese ignorieren.
Denn er meint, diese Lügen haben die Fäulnis in sich. Sie sind wie ein Fisch, der an Land liegt: Er zappelt eine Weile, aber irgendwann wird er sterben. Im Deutschen sagt man: „Lügen haben kurze Beine.“ Viele Lügen erkennt man vielleicht nicht sofort, aber auf lange Sicht wird das Lügengebäude immer schwerer aufrechtzuerhalten. Die Situation ändert sich, und die Lüge kann diese Änderungen nicht wie die Wahrheit bewältigen.
Er meint wirklich, man solle es, wenn möglich, ignorieren. Er bringt das Beispiel eines Pastors, der falsch angeklagt wurde – etwa von einer Zeitung oder Ähnlichem – und daraufhin einen Prozess angestrengt hat. Die anderen haben sich entschuldigt und gesagt, sie hätten Unwahres und Lügen über ihn verbreitet.
Doch der Pastor war mit der Entschuldigung nicht zufrieden. Er bestand darauf, dass die Entschuldigung veröffentlicht wird. Und tatsächlich wurde sie veröffentlicht. Er sagte später, dadurch hätten die meisten Leute erst von dem Fall erfahren, und viele hätten gedacht: „Na ja, da wird ja schon was dran sein.“
Das finde ich sehr klug. Denn ich schaue mir öfter mal Statistiken an, wenn bestimmte Fälle bekannt werden, und habe festgestellt, dass selbst die absurdesten Dinge von etwa 30 Prozent der Menschen geglaubt werden. Ich habe das bei bestimmten Gerichtsverfahren und Umfragen gesehen. Es bleibt also immer etwas kleben, sozusagen.
Es gibt immer Leute, die etwas glauben, egal wie groß die Lüge ist. Deshalb sagt er: Lieber ignorieren. Das ist klüger. Ich denke, das ist kein schlechter Rat.
Wie ist das nun, Jörg? Wir haben jetzt natürlich über Gemeinde gesprochen. Wenn wir von Gemeinde reden, meinen wir dabei nicht immer konkret die eigene Gemeinde. Manche Dinge, die wir hier besprechen, haben auch einen präventiven Charakter.
Gilt das vor allem für die eigene Gemeinde? Oder wie ist es, wenn ich in anderen Gemeinden sehe, dass dort etwas passiert? Bin ich dann berufen, mich einzumischen?
Er wurde ja öfter wegen seiner Bekanntheit angefragt, irgendwo etwas zu regeln. Er hat aber gesagt, dass er das nie angenommen hat, außer er wurde als offizieller Schlichter mit einem Mandat eingesetzt. Ansonsten meinte er: Mische dich nicht in fremde Streitigkeiten ein.
Es gibt ja auch einen Vers in den Sprüchen, Sprüche 26,17: „Es packt einen Hund bei den Ohren, wer sich im Vorbeigehen in einen Streit mischt, der ihn nichts angeht.“ Oft ist es so, dass man sich einmischt und plötzlich wenden sich beide streitenden Parteien gegen dich.
Deshalb warnt er stark davor: Man soll sich um die eigene Herde kümmern. Um andere sollte man sich nur dann kümmern, wenn man offiziell eingesetzt ist und die entsprechenden Vollmachten hat. Alles andere hat er stets abgelehnt.
Das waren seine Erläuterungen. Am Ende sagte er: Ich hoffe, ihr versteht, was ich damit meine, wenn ich von einem blinden Auge und einem tauben Ohr spreche.
Ja, vielen Dank, Jörg, das war sehr interessant.
Damit geht der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart schon wieder zu Ende. Wir hoffen, ihr konntet etwas mitnehmen. Auch wenn ihr in Zukunft in Konflikte geratet, kann es hilfreich sein, manchmal ein blindes Auge und ein taubes Ohr zu haben.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns gerne unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und auch eine göttliche Gelassenheit bei manchen Dingen, die über euch verbreitet werden.