Einführung in die Passionszeit und biblischer Ausgangstext
Wer aufmerksam unseren Gottesdienstraum beobachtet, merkt heute die Veränderung hier im Antipendium. Auch hier zeigt sich, dass heute der Anfang der Passionszeit ist, mit dem Sonntag Invocavit.
In der alten Tradition Württembergs, die bis ins Mittelalter zurückreicht, feiern wir heute den Landesbustag. Dieser ist durch die Einführung des allgemeinen Buß- und Bettags im November etwas außer Kraft gesetzt worden. Deshalb ist auch der Predigttext, über den heute in allen Kirchen gepredigt wird, über das Böse in Gottes guter Schöpfung.
Der Text stammt aus 1. Mose 3,1-9:
„Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: ‚Sollte Gott gesagt haben, ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?‘
Da sprach das Weib zu der Schlange: ‚Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten, aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esst nicht davon, rührt sie auch nicht an, damit ihr nicht sterbt.‘
Da sprach die Schlange zum Weibe: ‚Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß, an dem Tag, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.‘
Und das Weib sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Sie nahm von der Frucht, aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon, und er aß.
Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan. Sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.
Sie hörten Gott, den Herrn, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des Herrn unter den Bäumen im Garten.
Gott rief Adam und sprach zu ihm: ‚Wo bist du?‘
Er antwortete: ‚Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich, denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.‘
Gott fragte: ‚Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir geboten habe, du sollst nicht davon essen?‘
Adam antwortete: ‚Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß.‘
Gott der Herr sprach zum Weibe: ‚Warum hast du das getan?‘
Das Weib antwortete: ‚Die Schlange betrog mich, so dass ich aß.‘
Da sprach Gott der Herr zur Schlange: ‚Weil du das getan hast, seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Feld! Auf deinem Bauch sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.‘
Zum Weibe sprach er: ‚Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst. Unter Mühen sollst du Kinder gebären, und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, aber er soll dein Herr sein.‘
Zum Manne sprach er: ‚Weil du der Stimme deines Weibes gehorcht hast und gegessen von dem Baum, von dem ich dir geboten habe, du sollst nicht davon essen, verflucht sei der Acker um deinetwillen. Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Feld essen. Im Schweiß deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis du wieder zur Erde wirst, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zur Erde werden.‘
Herr, lass deinen Fluch nicht auf uns liegen! Amen!“
Unterschiedliche Perspektiven auf das Böse in der Welt
Wir haben schon mehrfach darüber gesprochen, dass es heute in den Medien oft das Ziel ist, die Vorgänge unserer Welt unverblümt darzustellen. Man will möglichst realistisch sein und die Dinge beim Namen nennen. Die Kameras müssen so nah wie möglich an die grausamen Geschehnisse heran. Dann sieht man, wie Menschen leiden, wie sie verzweifelt sind und wie ihnen Unrecht widerfährt. Man kann empört sein und sagen, dass es eine grausame, gemeine und hässliche Welt ist.
Diese Sichtweise kann sich bei uns allen bis zum Überdruss steigern. Wir fragen uns dann, ob man überhaupt noch leben will oder warum die Welt so böse ist. Und anschließend fragen wir, ob das nicht auch in der Bibel ganz ähnlich erzählt wird. Die Bibel schildert doch auch die schreckliche Zerstörung der guten Schöpfung Gottes.
Ich sage nein. Es gibt einen ganz, ganz tiefen Unterschied zwischen den Darstellungen in unseren heutigen Medien über die Welt und den Menschen und dem, was die Bibel schreibt. Die Bibel sagt in jeder ihrer Schilderungen, selbst wenn sie das Furchtbarste erzählt, immer auch: Es ist nicht so gewesen, und es darf nicht so bleiben.
Hören Sie einmal ganz genau hin, wie die heutigen Berichte über die Welt lauten. Sie sagen fortwährend: Das ist das Wesen des Menschen, das ist die Welt, so ist sie, schonungslos. Die Bibel hingegen sagt: Das ist eine entartete Welt, die ihren Sinn verloren hat. Das darf nicht so bleiben.
Ich meine, dass wir das unseren Kindern schon mit den ersten Dingen, die sie lernen, beibringen müssen. Wir müssen ihnen sagen: Das, was ihr mit euren Augen seht, ist Täuschung. Ihr dürft nicht bei dem stehenbleiben, was euch niederdrückt. Es gibt etwas Neues, ein erfülltes und schönes Leben.
Darum sind wir Christen gerade in dieser traurigen Welt, in diesen nihilistischen Berichten, die man heute lesen kann, die Freudenboten. Wir sagen den Menschen, dass es sich lohnt zu leben. Es gibt eine Hoffnung, die die Welt nicht kennt. Diese Hoffnung steht gerade im Mittelpunkt auch dieses Kapitels.
Dort wird nicht bloß vom Bösen erzählt, dort ist nicht nur vom Teufel die Rede. Dort wird erzählt, dass Gott diesen Menschen ruft – und er ruft ihn Adam, mein Mensch.
Der Ruf Gottes und die menschliche Reaktion
Ich freue mich, dass Sie heute Morgen die Zeit gefunden haben, zu diesem Gottesdienst zu kommen, um den Ruf Gottes erneut zu hören. Einen Ruf, den Sie sonst nirgendwo hören können: dass Gott Sie bei Ihrem Namen ruft und sagt: Du sollst mein Eigen sein. Es soll wieder alles so sein, wie es einst einmal war.
Ich will alles andere wegtun – das Böse, das Zerschundene in deinem Leben.
Heute Morgen kommen wir alle hierher als Menschen, die in ihrem Leben gezeichnet sind, auch in der vergangenen Woche. Vieles ist ganz anders verlaufen, als Gott es uns schenken wollte. Mit unserem eigenen Sturkopf verbauen wir uns die Schönheit dieses von Gott geschenkten Lebens. Wir bringen Zwietracht, Neid und Hass in die Welt hinein.
Und dann ruft uns heute Gott: Mein Mensch, mein Mensch, mein Mensch – und er möchte uns mit Ehre und Herrlichkeit krönen. Das ist sein Angebot an uns. Er möchte uns wieder zurückführen in die große Freude des Lebens.
Drei zentrale Fragen zur Reflexion
Ich habe heute zu diesem Kapitel drei Fragen, die ich gerne mit Ihnen besprechen möchte: Was ist das Böse, was ist der Mensch, und was ist die Welt?
Vielleicht wird es ein bisschen lehrhaft, aber das hilft uns, manches besser zu verstehen.
Was ist das Böse?
Was ist das Böse?
Was ist das Böse? Unterhalten Sie sich einmal mit anderen – mit Freunden, Bekannten oder Familienmitgliedern. Das ist ein gutes Thema. Viele Menschen heute leugnen das Böse. Das wird oft als positiv angesehen, man sagt, es gibt das Böse einfach nicht. Doch wie verstehen die Menschen das? Fragen Sie einmal nach. Dann werden Sie erkennen, dass viele unserer Zeitgenossen sagen: „Das gibt es ja gar nicht, das ist eben Natur.“
Ein Kind hat bestimmte Eigenschaften. Wenn es trotzig ist, hasst oder lieblos ist, dann ist das eine Veranlagung, die man psychologisch erkennen und erfassen kann. Und nun: Wie jemand geboren ist, so lebt er. Was soll daran böse sein? So wie eine Pflanze, die wächst, kann das Kind ja auch nichts dafür, dass es eben so blüht und wächst.
Wenn das so wäre, dann gäbe es keine Hoffnung auf Änderung, keinen Frieden, keine Liebe und keinen neuen Anfang. Das wäre das schlimmste Todesurteil über unsere Welt und die Menschen. Hier unterscheidet sich das Wort Gottes grundlegend von diesen modischen Zeitmeinungen, die auch heute in der Erziehungslehre kursieren.
Die Bibel sagt: Das Böse ist eine Macht. Aber auch hier müssen wir aufpassen. Viele verstehen das Böse nur als eine kleine Entgleisung – man hat seine Fehler, seine Macken, eine kleine Entartung. „Nichts ist vollkommen“, heißt es oft. Die Bibel sieht das ganz anders. Das Böse hat eine schier uneingeschränkte Macht. Gott hat dem Bösen viel Raum gegeben, und die Macht des Bösen tritt uns immer personhaft gegenüber. Das ist so, als ob da jemand taktisch vorgeht.
Da steckt eine Planung und ein Kopf dahinter. Darum ist das Böse so gefährlich. Es kommt nicht willkürlich oder zufällig, sondern planvoll. Was will das Böse? Es kann Gott nicht antasten, den mächtigen Herrn nicht berühren. Er steht über allem. Das Böse kann nur uns Menschen antasten und uns aus der Hand Gottes herausziehen. Das ist das einzige Ziel dieses bösen Feindes, wie ihn die Bibel nennt: uns wegzuziehen von dem Ursprung unseres Lebens.
Der Böse tritt an, um in den Frieden des Paradieses einzubrechen. Darum sehen wir die Dinge ganz anders an, wenn es um die Erziehung unserer Kinder geht. Es ist eben nicht nur angeborene Natur. Vom ersten Tag an ist das Böse mächtig und will zerstören. Wir wissen, dass das in allen fröhlichen Planungen unseres Lebens so ist. Da kommt der Böse und will zerstören und zerbrechen. Er hat nur das eine Ziel: uns von Gott wegzureißen.
Schon jetzt, beim Predigt-Hören, ist er tätig. Wir können ihm gar nicht entfliehen. Und er macht das ganz geschickt. Er weiß: Ich muss nur eine Stelle treffen, und dann sind die Menschen schon verloren. Ich muss sie vom Wort Gottes lösen. Die einzige Stelle, an der wir Menschen mit Gott in dieser Welt verbunden sind, ist das Wort Gottes. Dieses Wort Gottes ist die lebensschaffende Kraft. Das merken Sie ja, das haben Sie schon oft entdeckt.
Das ist der taktische Angriff dieses Feindes: Wenn wir nicht so still über der Bibel sind, wenn wir keine Lust zum Gottesdienst haben, wenn uns das Wort nicht mehr wichtig ist, wenn wir nicht zuhören können, wenn uns das jetzt langweilig ist – das ist Taktik des Feindes. Er macht es sehr geschickt. Er nimmt das Wort Gottes und verfälscht es.
Wir erleben in unseren Tagen, wie viele Kirchen leer geworden sind, weil das Wort Gottes verdreht und verfälscht wurde. Wie vielen Menschen dieses klare Wort Gottes fremd geworden ist – und sie haben alles darunter verloren, alles. Der Angriff wird an der Stille geführt. Das wird hier in einer ganz schlichten Erzählung erzählt:
Und dann kam die Schlange, sie redet und sagt: „Sollte Gott gesagt haben?“ Meinst du wirklich, das sei von Gott? Das ist doch von Menschen. Was hast du denn hier? Das ist doch von Menschen. Das ist das Zeugnis der urchristlichen Gemeinde, mehr nicht. Was hast du denn?
An diesem Angriff werden Menschen von Gott hinwegerissen. Wir können genau bis in die Kleinigkeiten beobachten, wie die Taktik hier läuft. Das Wort Gottes wird verdreht. Zuerst wird es verfälscht, dann wird es verdreht. Dann sagt die Schlange: „Gott hat doch gesagt, ihr dürft von den Bäumen nicht essen.“ Sie behauptet einfach, Gott hätte überhaupt Essen verboten.
Das ist eine List des Feindes: Er macht uns das Wort Gottes immer viel strenger. Kennen Sie diesen Feind, der dauernd aus der Bibel nur Gesetze und Verordnungen herausliest und sagt: „Das ist alles verboten, und in deinem Leben wirst du eingeschränkt, du darfst keine Freude haben“? Wie viele Menschen hören aus dem Wort Gottes immer nur das Verbot heraus! Das macht die Schlange, das macht der Feind so taktisch klug.
Wie oft kommt der Feind auch gerade in christlichen Kreisen mit Überforderung, mit Möncherei, mit Askese und sagt: „Lass das auch noch, tu das auch nicht, hab keine Freude in der Welt“, mit einem übersteigerten Gesetzesverständnis. Das ist die Taktik des Feindes, das Wort Gottes so zu verfälschen.
Eva weiß das noch und wehrt sofort dem Feind: „Nein, nein, Gott hat uns nicht das Essen verboten. Gott hat uns doch nicht das Essen verboten. Im Gegenteil, er hat gesagt: Ihr sollt von allen Früchten essen, nur von einer nicht.“ Gott will, dass wir die Schöpfung genießen. Gott will, dass wir Freude haben. Gott will, dass wir erquickt werden.
Wie gemein kann hier der Teufel unser Verständnis des Wortes Gottes verfälschen! Nur von einem hat er uns verboten zu essen, nur von einem hat er uns geboten, dass wir ihn nicht wieder sündigen, dass wir sein Gebot nicht mit Füßen treten.
Die Versuchungsgeschichte kommt im Neuen Testament noch einmal wieder, als der gleiche Versucher auf Jesus, den Sohn Gottes, hintritt. Er versucht ihn, in das eigene Grübeln und Denken hineinzuziehen und meint dann, ihn gefangen zu haben. Jesus aber sagt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt.“
Wenn wir vom Wort Gottes geschieden sind, dann sind wir verlorene Menschen. Adam und Eva sind verlorene Menschen, ohne Ziel, ohne Hoffnung. Sie gehen durch diese Welt und können die Rätsel nicht mehr ergreifen, weil sie das Wort Gottes verloren haben. Es sind Menschen, die im Trott des Alltags gefangen sind. Warum? Weil sie an dieser Stelle von Gott herausgerissen wurden.
Der Mensch lebt vom Wort Gottes. Das ist die Macht des Bösen: Es will uns vom Wort Gottes trennen, vom Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes.
Das war unser erster Punkt: Was ist das Böse?
Was ist der Mensch?
Und nun das zweite: Was ist der Mensch? Dieses Thema haben wir schon öfter in unseren Predigten behandelt. Das Wort „Mensch“ wird bei uns oft entwertend gebraucht. Wir sagen zum Beispiel: „Wir sind ja alle auch nur Menschen.“ So, als ob das das Dümmste wäre, was unter den Zwei- und Vierbeinern auf der Welt herumläuft.
Aber die Bibel sieht das ganz anders. Der Mensch ist von Gott hoch gewürdigt, als sein Ebenbild geschaffen. Gott hat dem Menschen einen Auftrag gegeben: Er soll über die Schöpfung herrschen. Die Bibel spricht groß von unserem Leben. Jeder Tag ist ein Geschenk.
Doch nun wird es offenbar: Wenn wir das Wort Gottes verlieren und aus den Bahnen seines Befehls ausbrechen, entsteht plötzlich dieses lächerliche Zerrbild eines Menschen. Was ist der Mensch dann? Versuchlich, versuchlich, versuchlich – das kennen wir auch aus unserem eigenen Leben. Kleinste Dinge können uns schon aus dieser hohen Berufung herausziehen.
Wir werden zu schäbigen Kleinbürgern dieser Welt. Dann kümmern wir uns nur noch um kleine Dinge. Und schon haben wir verloren, was Gott einmal über unser Leben ausgerufen hatte.
Ein paar Kapitel später sehen wir, wie die Frau von Lot aus Sodom flieht. Gott sagt: „Rette dein Leben!“ Doch sie dreht sich um und schaut zurück auf diese lästerliche Stadt. Das war ihr wichtig. Vielleicht wollte sie noch einmal ihren Hausrat sehen, ihre Möbel, die Schränke, die Küche, die Einbauküche, ihr Auto – all das, was ihr wichtig war. Ein letzter Blick zurück in diese Welt, die uns immer wieder verlockend umschmeicheln kann.
Und dann sind das Menschen, die der Gunst eines Augenblicks nachjagen. Ein bisschen Lust, die sie mit ihrem kleinen Leben erhaschen wollen. Dabei verspielen sie ihre ewige Berufung.
Doch Gott ruft: „Hier, Adam, mein Mensch!“ Er gibt den Menschen nicht auf, die von ihm weglaufen. Gott läuft ihnen nach. Das ist eine aufregende Geschichte: Wie Gott uns über Jahre hinweg nachläuft, wie er keinen von uns abschreibt, obwohl wir ihn abschütteln wollen. Er sucht uns und ruft uns bei unserem Namen: „Komm doch!“
Dann versteckt sich dieser Adam. Er geht hinter die Büsche, weil das Wort Gottes ihn im Gewissen getroffen hat. Gerade seine Abwehr ist ein Kennzeichen, dass er verstanden hat. Wir sollten das deutlich wissen, auch wenn wir mit anderen Menschen reden. Wenn Menschen sich gegen den Ruf Gottes wehren, verstehen wir das aus unserem eigenen Leben sehr gut.
Wo das Gewissen getroffen ist, wehrt man sich gegen den Ruf Gottes. Man will ihn nicht hören, man versteckt sich und hält sich die Augen zu, weil man Angst vor der Bereinigung der Schuld hat. Doch Gott geht auch diesem Adam nach und fragt: „Warum hast du dich versteckt?“
Dann sehen wir wieder das Erbärmliche des Menschen. Es läuft hier nicht wie bei dem verlorenen Sohn, der heimkehrt, in die Arme des Vaters sinkt und der Vater ihm ein neues Kleid anzieht. Hier in 1. Mose 3 ist meine Lebensgeschichte und meine Bekehrungsgeschichte abgebildet – und es geht viel trübseliger zu.
Hier kehrt man nicht rasch heim. Zuerst hat man noch allerlei Beschönigungen parat und sagt: „Das war doch nicht von mir verursacht.“ „Ich kann doch nichts dafür.“ „Das war doch schließlich Eva, die mich reingelegt hat.“ „Das ist doch nur meine Natur.“ „Schließlich kann ich nichts dafür, das ist meine Veranlagung.“
Dann hat man Entschuldigungen. „O Adam, das ist doch so wenig ritterlich, was du hier tust. Das ist doch nicht männlich, was du tust.“ Nein, die Bibel zeigt uns den Menschen nicht so, wie wir ihn gern sehen wollen. Sie zeigt ihn, wie er ist – schonungslos. Aber gerade dort, wo er in dieser Enthüllung heil werden kann, ruft ihn der Herr und nimmt ihn zurück.
Adam und Eva werden zurückgerufen. Wie groß ist das! Später gerieten Menschen wie Abraham wieder unter die Führung des Wortes Gottes, da geschah die Heilung des Lebens. Menschen sagten: „Herr, dein Wort ist meines Fusses Leuchte, ich kann nicht leben ohne dich.“ Oder einer unserer Liederdichter sagte: „Mir ist nicht um tausend Welten, aber um dein Wort zu tun, Herr. Ich suche nur deine Befehle in meinem Leben. Sie sind mir köstlicher als Gold, als alles andere, was ich besitzen kann.“
Da bekommt ein Mensch auf einmal wieder Würde und Sinn in sein Leben.
Was ist die Welt?
Doch die letzte Frage lautet: Was ist die Welt? Wir fragten, was das Böse ist – das ist der Mensch. Aber was ist die Welt?
Ja, jetzt wollte ich die Welt noch einmal ansehen, die schöne Welt, jetzt im Schnee. Oder so, wie man sie in der Kalenderschau im Landesgewerbemuseum sieht – die schönen Bilder unserer Welt. Das ist doch schön, von Gott wunderbar geschaffen, ja, nur an einer Stelle zerbrochen, dort kommt aller Schaden her.
Ich las dieser Tage eine interessante Sache, die man mit bloßem Auge nicht sieht: Wie viele Wunder diese Welt in sich trägt. Unser Herz, das jetzt so lautlos schlägt. Es leistet pro Tag eine Arbeitsleistung, die vergleichbar ist mit der Kraft, die ein Mann braucht, um zwölf Tonnen anderthalb Meter hochzuschieben. Das ist die tägliche Arbeitsleistung des Herzens. Wie wunderbar ist die Schöpfung! Wenn man nur vor solchen Rätseln und Wundern steht, kann man staunen.
Und doch sagt die Bibel: Diese Welt ist eine zerbrochene Welt. Durch die Schuld des Menschen ist die ganze Schöpfung mit hineingerissen. Man kann sich nicht an der Tierwelt freuen, ohne zu spüren, wie diese Tierwelt mitleidet und mitseufzt. Jedes Gebären eines Menschen ist ein Kampf auf Leben und Tod – um meiner Schuld willen.
Und wenn wir uns noch so große Töne machen als Menschen und uns noch so gewaltig vorkommen, am Sterben wird offenbar, dass wir nicht mehr sind als der Kompost, den man auf dem Feld zusammenschichtet. Da hat Gott uns so deutlich gezeigt, wer wir Menschen sind. Da kann einer das Maul aufreißen, wie er will – er ist so klein.
Diese Welt ist eine leidende Welt unter der Macht des Bösen. Uns hat es ja auf der Gemeindefreizeit bei unseren Bibelgesprächen begleitet, dass uns unsere Ohnmacht am allermeisten bewusst wird, wenn wir mit dem Bösen ringen.
Lassen Sie das die Idealisten der Welt noch erzählen, die schönen Märchen vom Sich-beißen und am Riemen reißen. Wir Christen wissen es doch, weil uns längst das alles vergangen ist. Wir haben uns doch lange gemüht, uns zu bessern. Ich wollte, dass hier keiner mehr sitzt, der diese Sprüche sich vorerzählt, als ob er sein Leben bessern könnte, als ob er an einer Stelle mit dem Bösen ringen könnte.
Wir wollen doch nicht hier so tun, als ob wir uns mit Geboten Gottes selber ein Stück weit vorwärts schieben könnten. Die Schlange wird mich in der Ferse stechen. Kennen Sie das Wort von der Achillesferse, der verwundbarsten Stelle des Menschen? Man will sie treffen und man trifft sie nicht – und sie sticht einen doch.
Es gibt keinen Christen, der nicht fortwährend immer wieder getroffen wird von dieser Macht des Bösen. Es gibt keinen Christen, der gegen die Macht des Bösen aus eigener Kraft siegen kann. Und je mehr wir im Christenstand stehen, umso mehr erkennen wir erst die Aussichtslosigkeit dieses Kampfes.
Da gibt es nur einen, der gesiegt hat: Jesus Christus. Er hat diese Macht völlig besiegt. Ich kann mich in meinem Glaubensleben immer nur unter Jesus stellen. Darum rede ich so viel von ihm, und darum steht mein ganzes Christenleben nur in ihm. Ich will ihm gehören, ich will unter seiner Macht sein, ich will mich an diesem Tag ihm anvertrauen. Ich will sein Jünger sein.
Denn wer der Sohn frei macht, der ist wirklich frei. Und wenn der Herr mich unter seine starken Arme nimmt, dann weiß ich, dass mich nichts mehr treffen kann und dass ich überwinden kann über alle Versuchungen, die mich auch treffen mögen, wenn ich in ihm bin, unter seinem Schutz.
Sie haben doch die Losung heute gelesen, und mit der Losung habe ich Sie heute begrüßt: "Sie werden widerlich streiten, diese Versuchungen und Mächte des Bösen, dich aber nicht überwältigen, denn ich bin mit dir", spricht der Herr.
Darum gibt es dennoch ein sieghaftes Christenleben. Darum gibt es ein Leben, in dem das Böse überwunden wird und in dem man die Frucht des Geistes wirklich darstellt: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit.
Sie sollen Mensch sein – Mensch sein, ein geheilter Mensch. Dazu ruft sie der Herr: "Adam, wo bist du?" Amen!
Schlussgebet und Segensbitte
Und beten. Herr, wir wollen uns aus unseren Verstecken heraus aufmachen und zu dir kommen, in dein helles Licht. Es ist uns so peinlich, wenn du aufdeckst, wo Schuld in unserem Leben ist. Doch du bist der, der vergibt, heilt und alles wieder zurechtrückt.
Wir danken dir für deinen Ruf, mit dem du uns so lange gerufen hast. Wir danken dir, dass wir auch heute zu dir umkehren dürfen und dass du für uns gegen die Macht des Bösen kämpfst.
Verzeih uns unsere Naivität, wenn wir versucht haben, in eigener Kraft gegen die listigen Angriffe des Teufels zu kämpfen und dabei unterlegen waren. Wir danken dir für die Klarstellung, dass es allein in dir und in der Kraft deiner Stärke gelingt. Du sprichst uns diese Kraft jetzt zu, jedem von uns in den Kämpfen, in denen wir stehen.
Du wirst für uns streiten, und wir werden stille sein. Ja, du willst unser Leben gebrauchen, um darin dein Ebenbild darzustellen. Du willst aus unserem Leben etwas machen – zum Lob deiner Herrlichkeit. Ja, gebrauche uns dazu, Herr!
Wir wollen jetzt auch für all die Menschen bitten, die uns anvertraut sind: in unseren Familien, mit denen wir zusammenarbeiten, die hier in unserer Nähe wohnen. Gib uns Geschick, damit wir dein Wort ihnen weitersagen können. Ja, dass wir viele von ihnen retten können, heraus aus dieser vergehenden Welt hin zu dir, zu einem erfüllten und reichen Leben.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden,
unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern,
und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen,
denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Nun wollen wir um den Segen Gottes bitten:
Herr, segne uns und behüte uns.
Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Herr, hebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
