Einführung in die Jahreslosung und ihre Bedeutung
Wir wollen heute Morgen auf die Jahreslosung hören. Sie steht am Ende des Hebräerbriefs, Hebräer 13, Vers 16: „Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, denn solche Opfer gefallen Gott.“ Ersegne du uns dieses Wort. Amen.
Weil manche Leute vergesslich sind, machen sie sich einen Knoten ins Taschentuch. Schlimm ist es dann bloß, wenn man später nicht mehr weiß, warum man den Knoten ins Taschentuch gemacht hat – wenn man vergessen hat, wofür das eigentlich gut war.
Das passiert ab und an auch bei uns. Deshalb ist es gut, dass uns die Jahreslosung darauf hinweist, dass wir in Glaubensdingen wichtige Dinge vergessen können: „Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen!“
Man kann schon mal vergessen, Gutes zu tun, den Geburtstag der Cousine oder die Handschuhe irgendwo liegen lassen – das kommt ja vor. Aber dass man vergisst, Gutes zu tun? Auf den ersten Blick würde ich das einfach abstreiten und sagen: Nein, Gutes tun, das vergessen wir doch nicht.
Aber leider stimmt das sehr, was die Jahreslosung da anspricht. Das gibt es gerade im Leben der Christen sehr häufig. Da versäumt man Gutes, Nettes, Freundliches – nicht aus bösem Willen, sondern einfach aus Unachtsamkeit. Man hat nicht gewusst, dass das so wichtig ist, man hat anderes für wichtiger gehalten oder es schlicht übersehen.
Ich denke, jetzt, wo Sie Ihre Kalender am Anfang des Jahres ordnen müssen und sagen: „Da sind schon so viele wichtige Termine, manches ist schon dicht gefüllt“, da kommt die Jahreslosung ganz richtig: „Vergesst nicht, Gutes zu tun!“
Habt da noch ein bisschen Raum drin. Das ist äußerst wichtig, auch wenn die Zeit knapp ist und man ins Gedränge kommt. Passt darauf auf, dass das nicht übersehen wird.
Die Herausforderung des Glaubens im Alltag
Jetzt muss ich zuerst erklären, warum das so leicht übersehen wird. Dieses Problem betrifft nur glaubende Christen. Die Freireligiösen haben diese Schwierigkeiten nicht.
Die freireligiösen Menschen sprechen nämlich ständig von ihren Taten. Sie kommen, protzen und sagen: „Ihr Kirchenspringer, ihr singt und betet und tut Sachen, wir sind Leute der Tat!“ Ja, sie geben den Armen, wärmen die Frierenden und versorgen die Hungernden. Aber bei ihnen ist das mit der Tat nie das Problem, weil sie nicht so viel drum herum machen.
Ich habe sogar Sorge, dass unsere Jahreslosung missbraucht werden könnte. Manche könnten unter dem Motto dieser Jahreslosung sagen, dass der Glaube gar nicht so wichtig ist, sondern Hauptsache man tut etwas. Es sei nicht wichtig, was man glaubt, die Dogmen seien nicht so wichtig, die Bibel sei nicht so wichtig, und Jesus sei nicht so wichtig. Hauptsache, man ist ein netter Mensch, hat ein gutes Herz und hilft den Notleidenden.
Für Glaubende geht das aber so nicht mehr. Glaubende Menschen wissen, dass sie auch mit vielen guten Werken und großen Taten nicht die Schuld ihres Lebens abdecken können. Sie wissen, dass sie vor Gott eine Menge unbezahlter Schuld haben. Man kann sich den Frieden bei Gott nicht kaufen, indem man ein paar Mark spendet. Und mit täglich einer guten Tat kann man sein verdorbenes Leben nicht wieder in Ordnung bringen.
Das wissen doch die Glaubenden. Sie sehen klar: Mit unseren guten Werken, so wichtig sie sind, kann ich mein Leben nicht wieder zurechtbügeln. Ich kann Gottes Güte nicht kaufen und seine Gnade nicht herbeizwingen. Darum ist es für glaubende Christen die Hauptsache, dass wir Jesus haben.
Wenn man den Hebräerbrief liest, weiß man, dass unsere Jahreslosung in einem Zusammenhang steht. Dort heißt es ja im gleichen Kapitel: „Jesus Christus gestern, heute und derselbe auch in alle Ewigkeit.“ Das soll vorne anstehen. Ohne das läuft überhaupt nichts. Ohne Jesus bringen wir in diesem Jahr nichts für uns.
Jesus als Zentrum unseres Glaubens und Lebens
Dieses Kapitel, in dem die Jahreslosung steht, ruft uns dazu auf, Jesus treu zu bleiben. Es fordert uns auf, die Schmach zu ertragen, draußen vor der Stadt mit ihm den Leidensweg zu gehen und durch dick und dünn an Jesus festzuhalten. Nichts ist so wichtig wie das.
Gerade der Hebräerbrief sagt: Weil Jesus uns ein solches Opfer gebracht hat – mit seinem eigenen Leben und seinem Blut –, ist es jetzt wichtig, dass wir im Glauben ganz ihm treu bleiben. Auch wenn Schmach uns trifft, sollen wir ihm nachfolgen und fest bei ihm bleiben.
Das brennt uns auf dem Herzen, und das muss einfach einmal gesagt werden. Es kann durchaus passieren, dass glaubende Christen irgendwo nicht mehr richtig die Kurve kriegen. Davon spricht der Hebräerbrief. Ich glaube, diese Jahreslosung ist ein Wort für gläubige Menschen.
Weil Jesus sich für uns geopfert hat, ist es so dringend wichtig, dass unser ganzes Leben von Jesus geprägt ist. Darum sollen wir Gutes tun und mit anderen teilen. Gerade von Jesus her hat das seinen Sinn.
Es wäre schlimm, wenn wir im neuen Jahr wunderschöne Lobchöre singen, den Herrn preisen und ehren, aber nicht Gutes tun würden. Ich spreche hier zu frommen Leuten, zu glaubenden Menschen, die sich heute Morgen versammelt haben.
Es ist schon eine Sache, im neuen Jahr so früh aufzustehen und zum Gottesdienst zu kommen. Manche von ihnen haben sogar eine weite Fahrt hinter sich. Das zeigt, wie wichtig es ist, Gutes zu tun. Wenn man das weglässt, fehlt etwas Entscheidendes.
Die Gefahr leerer Worte ohne Taten
Wie ist das, wenn man als Christ Gott nur mit dem Mund preist, nur mit Worten? Die Bibel sagt das so deutlich: Das ist ein Gräuel für Gott, eine Schändung seines Namens. Es verfehlt genau sein Ziel und wird zum Gegenteil.
Das ist schädlich. Es ist, als wollte man Gott austricksen, ein Betrug an Gott, wenn man nur Worte macht und sie nicht mit seinem Leben bekräftigt. Das wollen wir festhalten.
Dann wäre unser Glaube nur eine Proforma-Geschichte, ein Hemdchen, das wir überstreifen und drüberhängen, und darunter bliebe das ganz Alte. Das hat doch keinen Sinn.
Darum will diese Jahreslosung fromme Leute, glaubende Leute treffen und ihnen zeigen: Hier ist eine Umkehr und ein Umdenken nötig. Gerade weil Jesus für uns gestorben ist und weil er uns in der Ewigkeit noch vor seinem Thron haben will.
Darum will er, dass wir heute Jesusmenschen sind – im Jahr 1981. Gutes tun, gutes tun, das wird sich zeigen in unserem Familienleben, im Gespräch mit anderen Menschen, in der Straßenbahn, da, wo wir mit anderen zusammen sind.
Da will uns Jesus bestimmen: in Wort und Werk und in allem Wesen soll Jesus sein – und sonst nichts.
Die Bedeutung praktischer Liebe im Glauben
Wenn unser Glaube sich nicht in der Liebe zeigt, ist das nicht nur ein Versäumnis oder ein fehlendes Stück unseres Christenlebens. Vielmehr wird unser ganzes Christenleben dadurch zu etwas Stinkendem, zu einem Gräuel. Ich möchte hier zitieren, was Gott im Buch Jesaja sagt: „Wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch. Und wenn ihr auch viel betet, höre ich doch nicht, denn eure Hände sind voll Blut. Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst vom Bösen, lernt Gutes zu tun.“ (Jesaja 1)
Schon im Alten Testament fordert Gott uns auf, nach Recht zu trachten und die Unterdrückten zu schützen. Es stimmt wirklich, dass Gott eine unermessliche Barmherzigkeit mit fehlbaren, sündigen Menschen hat. Sein Herz ist weit, und er kann uns mit großer Liebe vieles nachsehen. Aber Lüge im frommen Gewand kann er nicht ertragen. Er duldet das bei seinen Leuten nicht und lässt es nicht durchgehen. Hier ist Gott nicht großzügig, wenn wir ihn täuschen wollen, indem wir fromm reden, es aber nicht sind.
Wäre das Beten und Singen dann nicht letztlich nur eine Täuschung Gottes? So, als wollten wir ihm etwas vorspielen, als ob wir seine Leute wären, obwohl wir es in Wirklichkeit nicht sind. An vielen Stellen der Bibel finden wir, dass Gott von uns im Glauben Konsequenzen verlangt. Wenn der Glaube nur äußerlich gelebt wird und nicht im praktischen Leben verwirklicht ist, wird das zum Anstoß und zum Fallstrick für gläubige Menschen.
Jesaja 58 sagt: „Das ist aber ein Fasten, an dem ich Gefallen habe, nicht das äußere Fasten, bei dem man nur ein Theater spielt und eine Maske aufsetzt. Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, gib frei, die du bedrückst. Brich dem Hungrigen dein Brot und führe die Elenden ohne Obdach ins Haus. Wenn du einen Nackten siehst, so kleide ihn und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut, deinem Mitmenschen.“
Dann wird ein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten. Deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen, und der Herr wird dir antworten.
Die Herausforderung des praktischen Glaubens im Alltag
Verstehen Sie, warum es im Glauben oft hakt – bei Ihnen und auch bei mir? Es liegt daran, dass wir die Konsequenzen scheuen. Das ist die Not: Um in der Sprache der Bibel zu sprechen, sind wir vergessliche Hörer. Wir vergessen es.
Durch die vielen Termine und Aufgaben, die wir haben, vergessen wir das Naheliegendste: Gutes zu tun im Namen Gottes. So sind wir nicht Täter des Wortes. Gott will von uns keine Verehrung oder Lobhudelei, solange wir ihm den Gehorsam in allen Bereichen unseres Lebens verweigern.
Es ist gut, dass dies am Anfang des Jahres 1981 steht. Gott will mit unserem ganzen Leben geehrt werden. Er weist unsere Opfer zurück. Er ist nicht auf das Geld angewiesen, das wir spenden.
Er sagt: Ich mag eure Versammlungen nicht mehr riechen, ich kann eure Lieder nicht mehr hören, wenn dies nicht in eurem praktischen Leben bestätigt wird. Wenn Gott nicht gepriesen wird durch die Taten unseres Leibes im Alltag und durch unser Tun verherrlicht wird.
Genau das greift das Gesagte von gestern Abend noch einmal auf: Das Lob Gottes ist die Anerkennung des Herrschaftsanspruchs Gottes über unser Leben. Wir müssen auf den Boden der Tatsachen kommen und sagen: Der Herr ist Gott, ihm gehört alles, ihm wollen wir dienen.
Konkrete Aufforderung zum praktischen Handeln
Jetzt ist es wichtig: Machen Sie sich also einen dicken Knoten in Ihr Taschentuch und denken Sie das ganze Jahr 1981 daran, dass es wichtig ist, Gutes zu tun und den Glauben in praktischen Konsequenzen fortzuführen.
Nun zur nächsten Frage: Was ist denn zu tun? Die Jahreslosung sagt klipp und klar: Gutes tun, in der alten Lutherbibel hieß es „Wohltun“. Ich habe richtig Sorge, dass wir das heute vielleicht nicht mehr hören. Unsere Ohren sind taub geworden durch das schrille Geschrei und durch die vielen Aufrufe im christlichen Raum.
Dort wird nämlich ständig davon gesprochen, wie wir Großes vollbringen müssen. Nun, ich freue mich, wenn Sie alle einen großen Einfluss in der Welt haben. Vielleicht sitzt ein Staatspräsident oder ein Präsident der UNO unter uns. Wenn wir vom Weltfrieden reden, wissen Sie, die Christen sprechen oft mit großen Worten darüber, was alles zu tun ist.
Wir gehen ja auf eine neue Welt zu, und in unserer Generation müsse die ganze Welt verwandelt werden. Wir leben in einer Zeit der Utopien und Träumereien. Dabei stellt sich die Frage, ob wir dann noch wissen, was es heißt, Gutes zu tun.
Die Bibel spricht ganz praktisch. Dort werden keine großen Sprüche geklopft über Aufgaben, die wir doch nicht erfüllen könnten. Wir wollen alle die Welt umkrempeln. Aber keine weltumwälzenden Taten werden gefordert, sondern einfach: Gutes tun.
Jesus als Vorbild für das alltägliche Handeln
Sieh auf Jesus: Er saß am Brunnen und sprach mit der Frau. Diese Taten werden heute unter Christen oft übersehen, während gleichzeitig viel Lärm um große Taten gemacht wird, die man angeblich vollbringen will.
Doch was hat Jesus tatsächlich getan? Nichts von den großen Taten, die heute häufig genannt werden. Er hat das Kleine ernst genommen. Er hat den Kranken gesehen. Das war für mich eine Anklage bei der Vorbereitung auf diesen Jahreslosungs-Predigttext. Wie viele Kranke hören das und denken, Jesus hätte auch noch einmal bei ihnen vorbeischauen können?
Das sind die Werke, die von uns gefordert sind. Viel anderes kann zurücktreten. Die Jünger waren dafür blind. Sie dachten immer, jetzt müsste Israel erlöst werden. Jesus aber hat die Frau verstanden, die mit ihren Tränen am Stadttor von Nain stand. Er konnte mitfühlen mit denen, die nicht mehr aus und ein wussten.
Und genau darin liegt das große Versagen der Christenheit heute – unser Versagen. Wenn man so will, sind das ganz kleine Dinge. Aber das ist schon wieder nicht richtig. Wenn wir diese Dinge klein nennen, dann nur aus der Sicht der Welt. Nach den Maßstäben der Zeitungen und Fernsehredaktionen sind das unwichtige Dinge, die nicht erwähnenswert sind.
Doch in Jesu, in Gottes Augen sind das die wichtigsten Taten ihres Lebens. Versäumen Sie nicht, Gutes zu tun, auch wenn kein Wort davon in den Illustrierten oder in den Nachrichten erscheint. Auch wenn das niemand in Ihrer Umgebung wahrnimmt.
Die Verantwortung der Christen in einer kalten Welt
Gerade weil wir heute so viel klagen, leben wir in einer kalten, bösen und unheimlichen Zeit. In einer Zeit, in der es keine Liebe gibt, hat Gott uns Christen hineingestellt. Wir haben Jesu Liebe empfangen, damit wir die Liebe weitergeben, die er uns geschenkt hat.
Das ist doch nicht unsere Aufgabe, auch noch mitzulamentieren über die schlimme Zeit, über das Böse, das geschieht, über den Unfrieden in der Welt und über die Härte der Menschen. Wir sollen doch sehen, dass Menschen bei uns im Haus sind, denen wir auf der Straße begegnen – Menschen, die Liebe spüren müssen.
Kennen Sie solche Leute in Ihrer Nähe? Falls nicht, meint Gott, vergesst nicht, wohlzutun, zu loben und zu ermutigen. Sagen Sie nur einmal: „Das hast du gut gemacht.“ Mich freut das immer, wenn ich so etwas höre, wenn ich Sie sehe. Es ist schön zu sagen: „Schön, dass Sie da sind.“
Die Bedeutung kleiner Taten im Urteil Gottes
Und wenn Sie immer noch meinen, das sei meine Auslegung, dann will ich es Ihnen deutlich sagen: Jesus hat ein Gleichnis vom Endgericht erzählt.
Dort heißt es, dass wir beim Endgericht nicht nach einer vermeintlichen Weltverantwortung gerichtet werden. Natürlich tragen wir als Christen eine Verantwortung für die Welt. Wir leiden darunter, dass wir Zeitentwicklungen nicht aufhalten können – in unserer materialistischen Zeit, mit den Kriegsentwicklungen und allem, was es sonst noch gibt. Wir leiden unter Schuld.
Aber Jesus erzählt im Endgericht, dass er uns nicht nach diesen großen Dingen fragt. Er fragt uns nach dem Krankenbesuch, nach dem kleinen Postkärtchen, das wir nicht geschrieben haben, nach einem Becher Wasser, den wir verweigert haben, nach kleinen, ganz kleinen Taten, die Christen oft vergessen. Das ist Schuld, und diese klagt uns im Endgericht an.
Vergiss nicht, Gutes zu tun, besonders bei den Einsamen, wo du etwas gegen Hunger, gegen Leiden, gegen Einsamkeit tun kannst. Dort, wo du deinem Mitmenschen etwas von der Liebe und Freundlichkeit Gottes weitergeben kannst.
Jesus als Vorbild für liebevolles Handeln
Ich möchte darauf hinweisen, dass Jesus hier unser Vorbild ist. Er hat nicht die weltumstürzenden Taten vollbracht, die wir uns oft wünschen. Er hat weder Kriege abgeschafft noch Tyrannen vom Thron gestoßen. Auch die Armut hat er nicht beseitigt. Stattdessen hat er kleine Zeichen seines Friedensreiches gesetzt.
Diese Taten von Jesus nennen wir so, aber gerade das macht sie so groß. Über unserem Leben liegt die Tatsache, dass es sich nicht nur um kleine Dinge handelt, sondern um die Taten Jesu, zu denen wir gesandt sind.
Es wird uns niemals erlaubt sein, irgendetwas in unserem täglichen Umfeld zu entschuldigen und zu sagen, wir hätten Wichtigeres zu tun gehabt oder keine Zeit gehabt. Die Jahreslosung streicht uns das aus. Es sind die Pflichten Jesu, zu denen wir gerufen sind.
Beispiel eines gelebten Glaubens im Alltag
Ich denke an eine unserer Mitarbeiterinnen, unsere Schwester Margret, die vor einiger Zeit im Alter von 27 Jahren ums Leben kam. Es geschah auf dem Heimweg von einem Missionseinsatz. Sie war mir immer ein Vorbild.
Schwester Margret ist nie groß hervorgetreten und hat keine großen Programme für unsere Gemeinde entworfen. Doch sie wurde für so viele Menschen zur Stütze. Das merken wir oft erst viel später, wenn wir spüren, dass sie fehlt. Sie konnte so wohltuend sein.
Sie hat ermutigt und die Zaghaften aufgemuntert. Wenn eine Prüfung anstand, hat sie ermutigende Worte auf Kärtchen geschrieben. Sie hat immer daran gedacht und nichts vergessen. Sie wusste genau, wen man besuchen musste.
Es hat mich nicht überrascht, dass eine Frau, die ihr Leben nehmen wollte, zu Schwester Margret lief, als sie merkte, dass es ernst wurde. Mit ihren Tabletten in der Hand suchte sie Schwester Margret auf. Als man den Notarzt holen musste, war Margret die Vertrauensperson.
Sie war es nicht nur für Menschen innerhalb der Kirche, sondern auch für solche außerhalb, die spürten, dass hier die kleinen Dinge ernst genommen wurden. Sie stand hinter dem Lieben und wusste genau, wo Schwermütige ihr Wort brauchten.
Solche Menschen in unserer Nähe fehlen uns sehr. Es ist so wichtig, in diesen kleinen Dingen nicht nur einen Becher Wasser zu reichen, sondern wirklich da zu sein.
Die Bedeutung kleiner Werke und gelebter Nächstenliebe
Was ist das? Ein Besuch kann einem sogar auf die Nerven fallen, besonders ein Besuch bei einem Kranken, wenn er nicht mehr geht – selbst der Liebesbesuch kann so sein.
Darum ist es so wichtig, dass diese kleinen Werke von Jesus erfüllt sind und für ihn getan werden. „Das habt ihr mir getan“, sagt Jesus. Gutes tun aber für ihn, in seinem Namen, erfüllt von ihm – das ist entscheidend.
Es ist wichtig, dass Jesus unser Verhalten mit seiner Liebe prägen kann, sodass wir dort, wo wir hinkommen, in seinem Namen wirken können. Oh, möge er unser Herz weit machen und unser Verhalten prägen.
Denk an einen anderen Mann, der auf unseren Freizeiten immer die Kinder um sich versammelt. Er braucht keine Süßigkeiten, um Kinder anzulocken. Er kann auf Kinder eingehen. Er sagt ein paar Worte, hört dann zu und geht mit ihnen mit. Weil er Wohltun kann – das spüren die Kinder.
Das meint Jesus.
Gastfreundschaft und praktische Nächstenliebe
In der Bibel wird oft das Gastfreisein erwähnt. Viele von uns können nicht gastfrei sein, weil sie ihr Haus noch nicht aufgeräumt haben. Wenn es danach ginge, dürften Sie mich nie in meinem Amtszimmer besuchen, denn dort sieht es manchmal noch chaotischer aus.
Wissen Sie, das Schöne am Gastfreisein ist gerade, dass man die Leute trotzdem hereinlässt, auch wenn der Haushalt nicht perfekt ist. Gerade in der ungespülten Küche jemanden willkommen zu heißen, ohne viel zu bewirten, sondern einfach zu sagen: So, wie es bei uns ist, so darfst du jederzeit an unserem Tisch sein.
Das meint die Bibel. Das ist das kleine, aber wichtige Liebeszeichen, das gefordert wird. Es gibt Menschen, die sich darüber freuen, auch wenn die Wohnung manchmal Schaden genommen hat durch die jungen Leute, die sich darin trafen.
Ich spreche jetzt bewusst nicht vom Geld. Das wäre mir zu einfach, denn wir könnten uns mit Geld freikaufen. Geld stinkt bei Gott nicht, aber hier geht es um ganz praktische Dinge unseres Lebens, bei denen ein Umdenken nötig ist.
Empfindsamkeit für die kleinen Pflichten im Alltag
Die Jahreslosung fordert uns dazu auf, empfindsam zu werden – besonders für die kleinen Pflichten, bei denen Jesus von uns Liebe erwartet. Gerade weil er uns erlöst hat und unsere Sünden vergeben sind, muss unser Herz übervoll sein. Wir sollen den Menschen, die diese Liebe nicht kennen, diese auf vielfältige Weise spüren lassen.
In der Ewigkeit wird es uns wie Schuppen von den Augen fallen, wenn wir erkennen, was wir versäumt haben. All das hätten wir tun können. Am Grab wird uns immer bewusst, was wir versäumt haben. Ganz kleine Dinge, wie meinem Mann öfter zu sagen, wie dankbar ich ihm bin, oder um Verzeihung zu bitten für das Neulich. Am Grab sehen wir es klar, und in der Ewigkeit werden wir es noch deutlicher erkennen.
Ob wir es heute schon sehen, zu Beginn des Jahres 1981, was von uns geboten ist? Natürlich wird vieles vergehen. Auch unser Geld wird vergehen, unsere Kraft wird schwinden, und mit jedem Jahr werden wir schwächer. Deshalb sollten wir die Zeit nutzen, um etwas zum Lobe Gottes zu tun, zum Wohltun und zum Teilen mit anderen.
Unsere Lebenskraft, unsere Wohnungen und unsere Zeit, die wir haben, sollten wir mit anderen teilen und ihnen wohlzutun.
Gottes Freude an unseren guten Werken
Das war also die Antwort auf die Frage, was zu tun ist. Eine wunderbare Zusage spricht Gott: Er hat an solchen Opfern Gefallen. Oft hat Gott an uns jedoch kein Gefallen.
Wir machen Gott viel Not mit unserem Leben und unserem Ungehorsam. Dennoch steht uns offen, Gott Freude zu machen. Das ist kaum fassbar. Wir können Gott Freude machen. Dass die Engel ihm Freude machen können, kann ich mir vorstellen. Aber wie kann ein irdischer Mensch Gott Freude machen? Das ist ein Problem. Wie kann das sein – wir mit unserem irdischen Leben?
Doch genau solche Opfer gefallen Gott. Hier wird das Wort „Opfer“ gebraucht, das eigentlich für das Opfer Jesu steht. Aber es ist auch ein Opfer, wenn ein Geizhals seinen Geiz besiegt. Das ist eine Bekehrung, die durchdringt – wenn die Liebe Jesu einen Menschen überwältigt und er auf einmal empfindsam wird für die kleinen Dinge des täglichen Lebens. Dann bekämpft er seinen Egoismus und kann dienen. Dienen kann – nicht herrschen will, sondern dienen kann.
Diese Jahreslosung ermuntert uns in besonderer Weise: Nimm das Alltägliche deines Lebens und mache daraus eine Freude für Gott. Heilige es dem Herrn.
Plötzlich werden die Beziehungen zu Eltern und Kindern wichtig. Es wird von großer Bedeutung, was wir an Leiden und Sorgen bei den Menschen um uns herum sehen.
Wahrnehmung der Not und Mitgefühl in der Gemeinde
Ich frage mich auch, ob wir im Gottesdienst so kalt nebeneinander sitzen können – alle still und andächtig in der Kirche, in Ehren. Aber erkennen wir dabei nicht, dass neben uns jemand sitzt, der heute vom Schmerz fast zerbrochen wird?
Neulich ist im Gottesdienst eine Frau hinten hinausgerannt. Ich weiß nicht, was passiert war, aber sie hat ihre Schuhe stehen lassen. So war sie nicht mehr auf dem Boden der Tatsachen. War sie krank? War sie schwermütig? War sie verzweifelt?
Solche Menschen sitzen da – sehen wir sie wirklich? Das Kleine wird wichtig.
Und dann ist es so wichtig, dass wir nicht nur sagen: „Wir beten für unsere Missionare draußen.“ Vielleicht schreiben wir ihnen auch ein paar Zeilen oder eine Karte aus dem Urlaub. Nicht, weil sie antworten müssen, sondern als Zeichen der Liebe.
Ob wir die benachteiligten Menschen in unserer Nähe sehen – die, die zu kurz gekommen sind, die im Leben nie richtig auf die Werte kamen, nie richtig gewürdigt wurden. Ob wir sie einmal sehen und ihnen sagen können, was ihnen das Leben vorenthalten hat: Du bist ein wichtiger Mensch, du machst es gut, du machst es richtig.
Ob wir die abgehetzten Menschen in unserer Nähe verstehen lernen. Das sind lauter kleine Dinge.
Vergessen Sie diese kleinen Dinge nicht, denn Gott hat Gefallen daran. Wer im Segen sät, wird im Segen ernten, und Gott hat versprochen, sich darüber mächtig zu freuen.
Ein neuer Blick auf den Nächsten
Ein neuer Blick ist nötig, damit wir den anderen ganz neu sehen und vor allem ihn wichtiger nehmen als uns selbst.
Es gibt eine Geschichte vom Missionsfeld, in der ein junger Missionar zu seinen einheimischen Mitchristen sagte: „Ich liebe euch alle so sehr, dass ich euch alle umarmen und abküssen könnte.“ Darauf antwortete einer der Afrikaner ganz trocken: „Wenn er uns wirklich lieben würde, dann würde er unsere Sprache sprechen.“
Das zeigt, dass niemand Missionar sein kann, ohne sich der Mühe zu unterziehen, die Sprache der Menschen zu lernen, zu denen er kommt. Das funktioniert bei Christen nicht anders. Man muss einfühlsam werden und sich auf der untersten Ebene begegnen.
Ich habe kürzlich gelesen, wie John Wesley sich sorgte, dass Christen, wenn sie zum Glauben kommen, zwar einen kulturellen Fortschritt erreichen. Sie werden pflichtbewusst, sind treu und versorgen ihre Arbeit. Aber er fragte: Können sie eigentlich noch zu den Menschen hinabsteigen, die am Abgrund des Lebens stehen? Können sie noch mit ihnen mitfühlen, damit diese spüren, dass sie angenommen sind? Und können sie diese Menschen noch in die Gemeinden hineinziehen? Oder stehen sie einfach eine ganze Stufe über ihnen, sodass die anderen gar nicht mehr kommen können?
Warnung vor Leistungsdruck und falschem Verständnis
Die Jahreslosung will keinen neuen Leistungsdruck bei uns erzeugen. Ich habe große Sorge, dass sie dazu missbraucht werden könnte. Einen Leistungsdruck, der uns sagt: „Tu dies, tu das, übernimm neue diakonische Aufgaben“ – das ist nicht gemeint.
Jesus will keinen neuen Leistungssport von uns, keine Rekorde an guten Werken. Das widerspricht dem ganzen Evangelium. Es passt nicht zur Gemeinde Jesu, wenn man mit guten Taten prahlt. Darum können wir nicht so reden, wie es Freireligiöse tun, wenn sie von ihren guten Werken sprechen.
In der Jahreslosung geht es ganz einfach darum, ob wir das Opfer Jesu begreifen. Jesus hat sein Leben hingegeben, damit ich nicht verloren gehe. Er hat meine Schuld durchgestrichen und sein Blut für mich vergossen.
Jetzt will er, dass ich ein wenig Mitgefühl für die Not meiner Mitmenschen in meiner Nähe entwickle. Er freut sich, wenn unsere trägen und harten Herzen erweicht werden und wir aus Liebe gute Werke tun – zu seiner Ehre, für ihn.
Das ist keine lästige Pflicht und keine schwere Last. Es macht uns Freude, und es wird Ihnen Freude machen, wenn Sie wissen, dass auch Gott sich darüber freut. Im Himmel wird Freude sein.
Abschluss und Ermutigung zum alltäglichen Glaubensleben
In diesem Jahr 1981 fallen wichtige Entscheidungen – nicht in großen Angelegenheiten, sondern dort, wo die Belastungen liegen, im Alltag, der uns oft zum Hals herauszuhängen scheint. Dort, wo wir unsere ganz täglichen Verpflichtungen haben, weist uns Jesus an, einen Lobchoral zur Ehre Gottes zu leben.
Im Jakobusbrief heißt es: Ein reiner, unbefleckter Dienst vor Gott, dem Vater, ist der, die Waisen und Witwen in ihrer Not zu besuchen. Das ist eine anstößige Formulierung – das ist Gottesdienst.
Manch einer von Ihnen wäre gern Prediger oder Pfarrer gewesen. Das ist eine wunderbare Sache. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als hauptamtlich Gott zu dienen. Aber genau das will Gott auch von Ihnen.
Ihr Gottesdienst, den Sie zelebrieren, ist gleichwertig mit dem, den ich halten darf. Sagen Sie nicht, Sie hätten gern Größeres für das Reich Gottes gewirkt. Jesus sagt Ihnen heute, dass Sie als Bevollmächtigter und Beauftragter für ihn den schönsten und größten Gottesdienst abhalten dürfen.
Nämlich nicht nur Ihr Herz und Ihren Mund, sondern auch Ihren Leib, Ihre Pflichten, Ihren Beruf und all Ihre weltlichen Aufgaben – bis hin zur Erhaltung dieser Welt – dürfen Sie zur Ehre Gottes und zur Verherrlichung seines Namens gebrauchen. Alles, was Sie haben, dürfen Sie vor Gott verwalten.
Über diesen Gottesdienst liegt unvorstellbarer Segen. Amen.
