Sommer 1948. Die Älteren werden sich gut daran erinnern: die Zeit des Kalten Krieges, West-Berlin wie eine Insel der Freiheit mitten im Ostblock. Am 24. Juni 1948 beginnt die sowjetische Besatzungsmacht mit der Blockade der Freien Stadt. Diese Blockade dauert 322 Tage.
Was kann man tun, um 2,2 Millionen Menschen in der eingeschlossenen Stadt zu versorgen? Die Alliierten entscheiden sich für eine Lösung: die Versorgung aus der Luft in einer logistischen Meisterleistung und einem ausgeklügelten Operationsplan.
Wird etwa die Transportleistung innerhalb dieser 322 Tage von 450 auf 11 Tonnen pro Tag gesteigert? Man löst das Problem von oben durch Flieger. Tankschiffe überqueren den Atlantik mit Benzin und Kerosin. Aufgrund eines Abkommens mit den Sowjets dürfen die Amerikaner, Briten und Franzosen nur drei Flugkorridore nach Berlin benutzen.
Diese drei Korridore werden optimal ausgenutzt, indem innerhalb jedes Korridors in jeweils fünf unterschiedlichen Höhen geflogen wird. Es wird wirklich jeder Meter genutzt. Alle drei Minuten landet ein Flugzeug in Tempelhof. Das Entladen der zehn Tonnen Fracht dauert anfangs über eine halbe Stunde, später weniger als zehn Minuten.
Einen großen Anteil der Fracht, nämlich 66 Prozent, macht die Kohle aus – für das Heizen und die Stromversorgung der Industriebetriebe, die ja weiterarbeiten müssen. Zum Kohleumschlagplatz werden die Flugplätze in der Nähe von Hannover, in Celle und in Fassberg. Kohlenzüge aus dem Ruhrgebiet rollen dorthin, täglich 200 Güterwaggons, in Spitzenzeiten sogar 300.
Die Fracht wird dann per Flugzeug nach Berlin transportiert. In einem weltumspannenden Logistiknetzwerk sind 150 Personen im Einsatz. Auf insgesamt 280 Flügen werden 2,3 Millionen Tonnen Güter nach Berlin transportiert. Der Tagesrekord liegt bei 12 Tonnen, das sind immerhin – wir müssen uns das vorstellen – 22 Güterzüge, bestehend aus 50 Waggons.
Addiert man alle Flugstunden, ergibt das 35 Jahre Flugzeit. Die Gesamtstrecke der Luftbrückenflüge beträgt 175 Millionen Kilometer. Das ist 456 Mal die Entfernung von der Erde zum Mond. Eine logistische Meisterleistung von unvorstellbarem Ausmaß, nichts wird dem Zufall überlassen, alles genauestens geplant und systematisch optimiert.
Die Bedeutung von Gründlichkeit in der Rettung einer Stadt
Warum diese unvorstellbare Gründlichkeit und Genauigkeit? Weil so viel auf dem Spiel stand. Natürlich ging es auch um Macht, aber ebenso um die Rettung und die Freiheit einer Millionenstadt. Es ging um den Fluchtpunkt im kommunistischen Machtbereich. Für viele bedeutete es Leben oder Tod. Deshalb konnte man sich weniger als absolute Gründlichkeit nicht leisten.
Diese Gründlichkeit führte schließlich zum Ziel: Am 11. Mai 1949, also vor gut 65 Jahren, gaben die Sowjets auf und die Blockade endete.
Genau diese Haltung, genau diese Gründlichkeit begegnet uns in den Versen des Zweiten Petrusbriefs. Besonders in den Versen, die wir jetzt miteinander studieren – Kapitel 1, Verse 12 bis 21 – wird dieses Bemühen deutlich. Es ist gut, wenn man eine Bibel dabei hat, um das direkt mitzuverfolgen.
Dieses Bemühen, alles herauszuholen, nichts unversucht zu lassen und die letzten Reserven auszuschöpfen – genau diesen Ton finden wir auch in den Worten von Petrus. Wir lesen ab Vers 12:
Darum will ich es nicht versäumen, euch stets an diese Dinge zu erinnern, obwohl ihr sie kennt und in der bei euch vorhandenen Wahrheit fest gegründet seid. Ich halte es aber für richtig, solange ich in diesem Zelt bin, euch aufzuwecken, indem ich euch erinnere, da ich weiß, dass mein Zelt ich bald ablegen werde, so wie es mir auch unser Herr Jesus Christus eröffnet hat. Ich will aber dafür Sorge tragen, dass ihr euch auch nach meinem Abschied jederzeit diese Dinge in Erinnerung rufen könnt. (2. Petrus 1,12-15)
Die Leidenschaft des Apostels für die Wahrheit
Paulus sagt: „Ich will dafür Sorge tragen“, doch das ist in Vers 15 eigentlich viel zu schwach übersetzt. Wörtlich steht dort vielmehr: „Ich will mich reinhängen“ oder „Ich will mich eifrig darum bemühen.“
Den gleichen Eifer – den haben wir ja schon im ersten Vortrag angedeutet – erwartet auch Petrus von seinen Zuhörern. In seinem Brief, ihr Lieben, begegnet uns kein gemächlicher, abgeklärter, verwirrter oder erstarrter Elder Statesman, obwohl er kurz vor seinem Tod steht. Stattdessen schreibt jemand, der noch einmal die letzten Kräfte mobilisiert. Jemand, der vor Leidenschaft brennt, der noch einmal alles gibt und der sich von seinen Lesern, also von uns, die gleiche Leidenschaft wünscht, die er selbst investiert.
Deshalb sagt Petrus in Vers 5: „Setzt auch ihr allen Eifer daran.“ Und in Vers 10: „Seid umso eifriger bestrebt.“ Das ist dasselbe Wort wie in Vers 15.
Wir fragen uns: Warum drückt der Apostel so aufs Tempo? Die Antwort lautet: Weil er weiß, dass er nicht mehr viel Zeit hat. Bei Petrus geht es auf die Zielgerade seines irdischen Lebens zu. Der Herr hat ihm das deutlich gemacht. Wir wissen nicht, auf welchem Weg – vielleicht hat Jesus auch dafür gesorgt, dass die Staatsbeamten Petrus mitgeteilt haben: „Pass auf, deine Exekution steht in wenigen Tagen bevor.“
Uns wird nicht mitgeteilt, auf welchem Weg er diese Nachricht erhielt, aber er weiß es. Und er weiß, dass er sein Haus bestellen muss. In Vers 15 sagt er: „Ich will dafür Sorge tragen, dass ihr auch nach meinem Abschied diese Dinge euch in Erinnerung rufen könnt.“ Damit die Gemeinde lebensfähig bleibt.
Die erste Aufgabe: Wahrheit in der kommenden Generation befestigen
Darum legt uns der Apostel nun in diesen Versen einige Aufgaben ans Herz. Wir wollen versuchen, diese Aufgaben so gut wie möglich zu verstehen.
Erste Aufgabe: Befestige die Wahrheit in der kommenden Generation. Wenn ihr mitschreibt, merkt euch diesen ersten Punkt: Befestige die Wahrheit in der kommenden Generation.
Die Verse 12 bis 15 machen deutlich, dass dies ein Vermächtnis ist. Petrus sagt nicht: „Also Leute, ihr habt nun viele Jahre die Grundlehren gehört und euch diese biblischen Basics gewissermaßen an den Schuhsohlen abgelaufen. Ihr wisst das jetzt, wir müssen nicht mehr viele Worte machen, lasst uns noch ein paar Gebetsgemeinschaften abhalten, und dann ist gut.“ Nein, dreimal betont Petrus, wie unverzichtbar und nötig es ist, die Wahrheit unermüdlich zu befestigen, so lange er noch Luft zum Atmen hat.
Dreimal sagt er das im Vers 12: „Ich will es nicht versäumen, euch stets an diese Dinge zu erinnern.“ Diese Dinge meinen alles, was in den davorliegenden Versen steht. Es meint auch alles, was er in seinem anderen Brief geschrieben hat. Letztlich meint es die gesamte Verkündigung des Evangeliums.
Petrus sagt: „Ich will es nicht versäumen.“ Und noch einmal in Vers 13: „Ich halte es aber für richtig, euch immer wieder daran zu erinnern.“ Und noch einmal in Vers 15: „Ich will mich eifrig bemühen.“ Wie soll man das noch deutlicher sagen?
Warum an etwas erinnern, das den meisten schon bekannt ist? Zumal Petrus ja seinen Lesern bescheinigt, was bestimmt auch für viele hier unter uns in der Hammerhütte gilt. Vers 12, zweiter Teil: „Diese Dinge, obwohl ihr sie kennt und in der vorhandenen Wahrheit festgegründet seid.“ Das gilt bestimmt auch für viele unter uns.
Und Petrus sagt trotzdem: Warum? Warum will ich euch immer wieder in den gleichen Wahrheiten stärken und zurüsten? Das ist kein Beschäftigungsprogramm für pensionierte Apostel, sondern sein Überlebensdienst mit den letzten Körnern an Kraft, die ihm noch geblieben sind.
Paulus hat das übrigens ähnlich formuliert in Philipper 3, Vers 1. Da sagt er: „Euch immer wieder dasselbe zu schreiben, ist mir nicht lästig, und euch macht es gewiss.“ Das ist auch ein Grund für Petrus: Festigung, Sicherheit, Gewissheit – befestige die Wahrheit in der kommenden Generation.
Am Ende von Vers 15 macht er klar: „Jetzt erinnere ich euch, damit ihr euch dann auch selbst erinnern könnt.“ Die Basics, die Grundlagen müssen sitzen.
Dabei geht es nicht einfach um ein stures Einbläuen. Es geht nicht um ein paukermäßiges, gedankenloses Auswendiglernen. Sondern es geht darum, feste Überzeugungen auszuprägen. Es geht darum, diese Dinge so gründlich zu verstehen, dass ich sie selbst auch andere lehren und gegen Angriffe verteidigen kann.
Dass ich es gründlich selbst verstehe, und zwar so gut, dass ich es auch verteidigen kann. Da stimmt dann wirklich dieser Dichtersatz: „Was du ererbst von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.“
Petrus macht deutlich: Leute, es kommt niemals der Punkt, an dem man sagen kann: „Jetzt habe ich es nicht mehr nötig, die biblischen Wahrheiten noch besser zu ergründen und weiter zu studieren.“ Dieser Punkt kommt nie.
Martin Luther hat gesagt: Man kann sinngemäß erst dann sagen, man habe die Bibel verstanden, wenn man hundert Jahre lang mit den Propheten die Kirche regiert hat. Vorher soll man erst gar nicht davon reden.
Diesen Herzschlag will Petrus der kommenden Generation mitgeben. So hat er es auch für sich selbst praktiziert. Denn nichts, ihr Lieben, nichts ist selbstverständlich.
Das macht er deutlich im zweiten Teil von Vers 13: „Ich will euch auch aufwecken, ich muss euch das sagen, um euch auch aufzuwecken.“ Ich weiß nicht, wie schläfrig Sie heute Morgen sind, aber keiner ist grundsätzlich dagegen gefeit, müde zu werden, nachlässig zu werden, selbstgenügsam zu werden, kampfmüde zu werden.
Müdigkeit – das hatte Petrus auch erlebt im Garten Gethsemane. Das wusste er aus eigener Erfahrung.
Und nicht nur Müdigkeit ist ein Problem, ihr Lieben. Auch keiner von uns ist immun dagegen, dass sich Irrtümer in sein Denken einschleichen, ebenso Unklarheiten, Halbheiten und Kompromisse.
Martin Lloyd-Jones hat einmal gesagt: „Es ist ein großer Fehler zu denken, weil man eine Sache kenne, müsse man nicht immer wieder an sie erinnert werden.“ Genau das betont Petrus, Leute.
Wir brauchen es immer wieder, egal wie alt wir geworden sind. Wir haben es immer wieder nötig, befestigt zu werden und andere zu befestigen. So verstehen wir die Wahrheit tiefer und können sie gegen Verwässerung verteidigen.
Und, ihr Lieben, auch dafür ist dieser Malachitag wichtig. Es ist nicht einfach nur ein Himmelfahrtsausflug. Es ist keine christliche Beschäftigungstherapie, bei der wir uns nur freuen, dass wir uns sehen.
Ja, wir freuen uns, dass wir uns sehen. Ich freue mich, viele hier wiedergetroffen zu haben, die ich lange nicht mehr gesehen habe. Das ist wunderschön.
Aber es ist nicht nur Erbauung, so wichtig die auch ist. Es geht um Befestigung in der Wahrheit. Das ist das Hauptziel dieses Malachitags: dass wir befestigt in der Wahrheit nach Hause fahren und dann auch andere befestigen können.
Und noch etwas ist wichtig, ihr Lieben: Es ist wichtig, dass wir die nächsten Generationen einbeziehen. Es reicht nicht, dass wir unter uns sind und sagen: „Ja, wir haben uns mal wieder getroffen, es war schön, es war stärkend und erhebend.“
Deshalb ist es so wichtig und ein Herzensanliegen, wirklich alle Generationen unter dem Wort zu sammeln. Denn wir alle brauchen Befestigung in der Wahrheit.
Die Bedeutung der Rechtfertigungslehre und aktuelle Herausforderungen
Und, ihr Lieben, wie wichtig es ist, die biblischen Grundwahrheiten immer wieder zu buchstabieren und gegen Angriffe zu verteidigen, zeigt ein aktueller Vorgang sehr deutlich.
Zu den Dingen, von denen Petrus in den Kapiteln 12 und 15 spricht, gehören die zentralen Botschaften der Bibel. Ganz oben auf der Liste dieser zentralen Botschaften steht die Rechtfertigung des Sünders. Das ist eine der wichtigsten Aussagen des Neuen Testaments: Gott schenkt uns seine Gerechtigkeit. Er erklärt uns Sünder für gerecht und macht uns zu seinen Kindern, weil Jesus stellvertretend unsere Strafe gesühnt hat. Wer sich im Glauben zu Jesus flüchtet, ist gerechtfertigt, darum vor der Hölle gerettet und für den Himmel bewahrt.
Das ist die Schlüsselfrage, an der die Reformation aufbrach.
Nun kam letzten Montag eine Schrift der EKD zum Thema Rechtfertigung in die Buchhandlung, bereits in Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017. Diese Schrift trägt zwar „Rechtfertigung“ vorne auf dem Cover, schleicht aber um das Thema herum wie die Katze um den heißen Brei. Sie versucht alles, um den anstößigen Kern des Problems zu entschärfen.
Da heißt es beispielsweise: Luther lebte in einer Welt, in der Gott als Gerichtsherr über das Leben der Menschen urteilt und Sünde und Schuld straft. Habt ihr gehört? Luther lebte in so einer Welt. Deshalb habe die Vorstellung gegolten, dass Gott alle Menschen zur Rechenschaft zieht. In der Tat, möchte man sagen.
Aber dann beruhigt einen die Studie und sagt: Die heutige Mehrheitsfrömmigkeit hat diese Frage nicht mehr. Heute sei dieses übersteigerte mittelalterliche Bild von Gott als einem Gerichtsherrn tief problematisch geworden.
Dann suggeriert uns diese Studie, sie flüstert es uns ein: Leute, die verzweifelte Suche nach dem gnädigen Gott könnt ihr getrost abblasen. Das war nur für die Menschen zu Luthers Zeiten psychologisch wichtig. Inzwischen sind wir über diese Frage hinaus.
Das heißt, so suggeriert die Studie, dass der Mensch sich vor seinem Schöpfer im Endgericht rechtfertigen muss, stimmt gar nicht. Das war nur das subjektive Empfinden zu Luthers Zeiten. Heute, im einundzwanzigsten Jahrhundert, hat der Mensch ganz andere Fragen. Ihn beschäftigt nicht mehr die Hölle am Ende, sondern die Hölle hier auf dieser Erde.
Der Rest des Buches ist ein krampfhafter Versuch, unter Berufung auf die Reformation mit teilweise frommen Worten etwas völlig anderes zu propagieren, als die Reformatoren verkündigt haben.
Deswegen schreibt Petrus: Leute, passt auf, seid wachsam, damit wir solche Verfälschungen, auch wenn sie fromm daherkommen, durchschauen.
Wie wenig selbstverständlich es ist, dass solche Verfälschungen durchschaut werden, zeigte sich dann etwa an der Reaktion in Idea. Idea lieferte eine relativ neutrale Berichterstattung, nahm die Studie sogar auf das Titelblatt mit dem Slogan „Das Herzstück des Glaubens“ und bewertete die Studie durch einen Kommentar zum Grundsatzpapier.
Dieser Kommentar wurde von einem Vertreter der Evangelikalen geschrieben. Er ist Vorsitzender der Konferenz Missionarische Ausbildungsstätten in der EKD, Direktor der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal und im Vorstand auch des Gnadauer Verbandes. Dort wird die Studie sehr gelobt.
Der Mann schreibt: „Man kann sich über diesen EKD-Text nur freuen. Ich würde sagen, man kann über diesen Kommentar nur weinen.“ Aber die Schwierigkeit ist: Wie kann das sein? Wie kann das sein?
Liebe Geschwister, wir wollen uns nicht selbstgerecht darüber erheben. Aber wir wollen daran sehen, wie nötig das ist, was Petrus uns hier aufs Herz legt: Passt auf, bleibt dran an den Basics, studiert die Rechtfertigungslehre in der Heiligen Schrift!
Und die EKD-Schrift ist ja nicht die einzige, von der aus die Rechtfertigungslehre verfälscht wird. Ich nenne nur noch ein weiteres Stichwort: etwa die sogenannte neue Paulusperspektive. Die ist ja nun nicht neu, behauptet aber schon seit vielen Jahren, dass die Reformatoren Paulus völlig falsch verstanden hätten und dass es bei der Rechtfertigung gar nicht in erster Linie darum ginge, wie der einzelne Sünder in den Himmel kommt.
Darum ginge es gar nicht.
Auch das dringt in evangelikale Gemeinden ein.
Und, ihr Lieben, wir werden diesem Sturm nur standhalten, wenn wir die Wahrheit in der kommenden Generation befestigen. Da geht es um alles oder nichts.
Die zweite Aufgabe: Wahrheit aus der einzig zuverlässigen Quelle beziehen
Und damit das gelingen kann, ist nun ein zweites notwendig. Darauf kommt Petrus sofort im nächsten Satz zu sprechen.
Wenn wir die Wahrheit festhalten wollen und sie mit allen Poren unseres Denkens aufnehmen wollen, dann müssen wir auch gewiss sein, dass es die Wahrheit ist. Andernfalls werden wir diese Leidenschaft und Entschiedenheit nicht aufbringen können. Wir brauchen also dringend Gewissheit und Klarheit.
Darum legt Petrus uns in den Versen 16 bis 21 eine zweite Aufgabe brennend aufs Herz. Die erste lautete: Befestige die Wahrheit in der kommenden Generation (1. Petrus 1,12-15). Die zweite Aufgabe lautet nun: Beziehe die Wahrheit aus der einzig zuverlässigen Quelle.
In den nächsten Versen, die wirklich zu den wichtigsten Belegen für die absolute Zuverlässigkeit und göttliche Inspiration der Bibel zählen, lesen wir in Vers 16:
„Denn wir sind nicht klug ersonnenen Fabeln gefolgt, als wir euch die Macht und Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus wissen ließen, sondern wir sind Augenzeugen seiner herrlichen Majestät gewesen.“
Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als eine Stimme von der hoch erhabenen Herrlichkeit an ihn erging:
„Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Diese Stimme hörten wir vom Himmel her ergehen, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren. So halten wir nun fest an dem völlig gewissen prophetischen Wort. Ihr tut gut daran, darauf zu achten, als auf ein Licht, das an einem dunklen Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern in euren Herzen aufgeht.
Dabei sollt ihr vor allem erkennen, dass keine Weissagung der Schrift von eigenmächtiger Deutung ist oder aus eigener Deutung entstanden ist. Man kann dies wörtlich übersetzen mit: „Denn niemals wurde eine Weissagung durch menschlichen Willen hervorgebracht, sondern vom Heiligen Geist getrieben.“
Haben die heiligen Menschen Gottes geredet?
Die Glaubwürdigkeit der apostolischen Augenzeugen
Zunächst begründet Petrus die Glaubwürdigkeit der apostolischen Augenzeugen. Er sagt, dass sie nicht irgendwelchen Mythen gefolgt sind. Der Begriff Mythos begegnet im Neuen Testament viermal und wird stets abgelehnt. Mythos wird gleichgesetzt mit Lüge und Unzuverlässigkeit. Es geht um Fakten.
Petrus stellt ganz nüchtern den Mythos den Augenzeugen gegenüber. Das wird besonders deutlich in Vers 16, wo er sagt: „Wir sind Augenzeugen seiner herrlichen Majestät.“ In Vers 18 heißt es: „Diese Stimme hörten wir.“ Das war kein innerliches Hören, sondern ein richtiges akustisches Hören.
Der Vorwurf der Irrlehre hat sich bis heute nicht geändert. Einer der einflussreichsten Bibelkritiker des 20. Jahrhunderts, Rudolf Bultmann, hat sich darauf spezialisiert, die Bibel zu entmythologisieren. Er wollte die Mythen herausfiltern und die Bibel so deuten, dass man nicht dem Irrtum erliegt, alles sei tatsächlich so passiert. Petrus würde Bultmann jedoch antworten: Hier gibt es nichts zu entmythologisieren, weil es keine Mythen in diesen Texten gibt. Wir sind nicht klugen Mythen gefolgt, Bultmann.
Das gesamte Neue Testament legt größten Wert darauf, dass die entscheidenden Ereignisse von Augenzeugen bestätigt werden. Deshalb war es bei der Nachberufung des Apostels in Apostelgeschichte 1 wichtig, dass der Nachfolger ein Zeuge der Auferstehung war. Oder denken Sie an die lange Zeugenliste bei Paulus in 1. Korinther 15 – Augenzeugen, wir haben es selbst gesehen. Das Neue Testament betont diesen Aspekt immer wieder.
Dann richtet Petrus den Blick nach vorne. In Vers 16 spricht er von der Macht und dem Kommen des Herrn, dem so genannten Parousia, also dem Wiederkommen Jesu. Dieses Ereignis am Ende der Zeit und die Entrückung der Gläubigen sind beide mit dem Begriff Parousia erfasst.
Natürlich gab es für die Parousia noch keine Augenzeugen, da das Ereignis noch aussteht. Jesus hatte den Jüngern offenbart, dass die Parousia kommen würde. Petrus sagt jedoch, wir haben einen anderen Beleg.
Er erzählt von einem Ereignis, das wir aus Matthäus 17, Markus 9 und Lukas 9 kennen: die Verklärung Jesu auf dem Berg. In Vers 17 heißt es, dass Jesus von Gott dem Vater Ehre und Herrlichkeit empfing, als eine Stimme von der hocherhabenen Herrlichkeit zu ihm sprach: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Diese Stimme hörten wir vom Himmel her.
Petrus betont: Das haben wir als Augenzeugen gesehen. Die Parousia liegt noch in der Zukunft, aber die Ehre und Herrlichkeit, die Jesus durch die autorisierenden Worte des Vaters erhielt, haben wir gesehen. Jesus stand in dieser göttlichen Leuchtkraft vor uns. Das alles weist auf die göttliche Würde Jesu und seine Macht hin.
Diese Verklärung ist eine Vorschau auf die Wiederkunft Jesu am Ende der Zeit. Für diese Verklärung stehen wir als Augenzeugen. Weil dieses Ereignis sicher stattgefunden hat und seine göttliche Macht bewiesen hat, können wir sicher sein, dass Jesus wiederkommen wird. Er hat die Macht, er ist Gottes Sohn.
Darum könnt ihr mit Sicherheit davon ausgehen, dass Gott seine Zusagen wahrmachen wird – aufgrund der Glaubwürdigkeit der Augenzeugen.
Die gegenseitige Bestätigung von Apostel- und Prophetenschriften
Und dann nennt Petrus noch einen zweiten Faktor, der die Zuverlässigkeit der Bibel garantiert: die Glaubwürdigkeit der prophetischen Schriften. Wörtlich kann man ab Vers 19 übersetzen: „Nachdem wir das gesehen haben als Augenzeugen, umso fester und umso sicherer haben wir nun auch das prophetische Wort aus dem Alten Testament.“
Mit dem prophetischen Wort kann man zusammenfassend das gesamte Alte Testament bezeichnen. Petrus sagt, wir haben es nun umso fester. Die apostolischen Augenzeugen haben Jesu Macht gesehen. Damit bekräftigen und unterstreichen wir, dass die prophetischen Schriften Recht haben, wenn sie davon sprechen, dass Jesus wiederkommen wird in Herrlichkeit.
Die apostolischen Augenzeugen und die prophetischen Schriften ergänzen sich gegenseitig. Sie bestätigen und autorisieren sich gegenseitig. Weil wir Jesus dort verherrlicht gesehen haben, können wir uns umso mehr auf das prophetische Wort verlassen.
Benedikt Peters schreibt zu dieser Stelle sehr gut in seinem zweiten Petruskommentar: „Seit Johannes, Jakobus und Petrus den Herrn in der Herrlichkeit des Reiches gesehen und die Stimme des Vaters gehört und davon geschrieben haben, ist uns das geschriebene Wort der Apostel noch gewisser als zuvor, denn jetzt ist es durch beide Seiten bezeugt, die Apostel und die Propheten.“
Die göttliche Inspiration der Schrift
Und dann, ihr Lieben, nennt Petrus noch einen dritten Faktor, der die Zuverlässigkeit unserer Quelle endgültig sichert. Wir hatten die apostolischen Augenzeugen, das Neue Testament und ihr engstes Umfeld, wir hatten die prophetischen Schriften – und was ist der dritte Faktor, den Petrus hier nennt?
Das ist die Inspiration durch Gott selbst. Er sagt ab Vers 20: „Dabei sollt ihr vor allem das erkennen, dass keine Weissagung der Schrift von eigenmächtiger Deutung ist.“ Auf den ersten Blick weiß man nicht genau, was er jetzt meint. Geht es ihm um die Auslegung der Prophetie oder um die Entstehung der Prophetie? Das muss sich ja nicht gegenseitig ausschließen. Aber die meisten Indizien sprechen meines Erachtens dafür, dass Petrus hier von der Entstehung der Prophetie redet.
Wörtlich kann man das übersetzen: „Keine Weissagung der Schrift ist durch eigenmächtige Deutung geworden“, also entstanden. Und dann steht hier: „Ist nicht eine Sache eigener Deutung.“ Das ist ein Genitiv, und der Genitiv weist in der Regel auf die Quelle hin, aus der etwas kommt, aus der etwas entsteht.
Wenn wir dann noch Vers 21 dazunehmen, wird die Logik deutlich. Vers 20 sagt, es ist nicht durch eigene Auslegung entstanden, sondern vielmehr ist es geworden dadurch, dass Gott es inspiriert hat. Dann meine ich, redet Petrus auch in Vers 20 wirklich von der Entstehung, in diesem Fall der alttestamentlichen Schriften.
Er sagt: Leute, das ist nicht entstanden durch menschliche Auslegung, und man kann diesen Begriff Auslegung in Vers 20 sogar freier mit menschlicher Inspiration übersetzen. Die Prophetie ist nicht entstanden durch menschliche Inspiration (Vers 20), sondern sie ist entstanden (Vers 21) durch göttliche Inspiration.
Denn niemals, sagt Vers 21, wurde eine Weissagung durch menschlichen Willen hervorgebracht, sondern vom Heiligen Geist getrieben haben die heiligen Menschen Gottes geredet. Ja, deutlicher geht es nicht. Das ist Inspiration, Eingebung durch Gottes Geist selbst.
Seht, wie Gott mit seinen Menschen hier zusammenarbeitet. Menschen haben geredet, Menschen haben auch in ihrem Stil geschrieben, sie haben gewissermaßen kooperiert und durften beteiligt sein. Aber, sagt Petrus, diese Menschen haben nicht aus sich selbst geschöpft. Sie waren nicht kreativ, als sie Gottes Wort aufschrieben. Sie haben nicht ihre eigenen Gedanken entwickelt im Sinne Gottes.
Jedes Wort, das in die Heiligen Schriften hineingekommen ist, entspricht zu hundert Prozent dem Willen Gottes. Darum können wir sagen, dass die ganze Bibel, die ganze Heilige Schrift, vom ersten bis zum letzten Wort der Urschriften, von Gott inspiriert ist. Deshalb ist sie hundertprozentig vertrauenswürdig und völlig irrtumslos. Gott hat sie eingegeben.
Es ist interessant, welches Verb Petrus hier verwendet. Er sagt, die Menschen wurden getrieben – man kann auch übersetzen: bewegt – vom Heiligen Geist. Das Wort „bewegt“ beschreibt sonst den Wind, der ein Schiff bewegt. So müsst ihr euch das vorstellen: Die Schreiber haben das Segel gesetzt, und der Heilige Geist hat sie dann in die von Gott gewünschte Richtung geleitet und getrieben. So ist das Wort Gottes entstanden.
Man kann dieses „getrieben“ auch übersetzen mit „getragen“. Die Schreiber wurden getragen von dem, der stärker war als sie, und er hat sie dahingetragen, sodass diese Dokumente entstanden sind.
Wenn Petrus hier sagt „getrieben“, müssen wir das sehr deutlich unterscheiden von dem Inspirationsverständnis des jüdischen Zeitgenossen Philo. Philo verstand unter „getrieben“ eine persönliche Besessenheit, gewissermaßen eine Obsession, bei der der Schreiber nicht mehr wusste, was er tat, sondern wie in Trance nur noch ein Werkzeug war.
So war es nicht bei der Bibel. Oder ein Jahrhundert später bei den Montanisten im zweiten Jahrhundert: Die verstanden den Menschen in der Inspiration wie ein Musikinstrument, eine Lyra, ganz mechanisch, auf der der Heilige Geist spielt. Aber die Lyra ist tot und nicht beteiligt.
Die biblische Inspiration ist anders. Ja, Petrus hat in seinem Stil geschrieben, ja, Paulus hat argumentiert. Aber jedes Wort, das davon in die Heilige Schrift hineingekommen ist, ist so, wie es da hineingekommen ist, von Gott gewollt und mit dem Gütesiegel seiner Autorität versehen. Es ist sein Wort, es ist sein Wille, denn sein Heiliger Geist hat darüber entschieden.
Das sagt Petrus hier – eine großartige Stelle zur Bibelinspiration: Menschen haben im Namen Gottes geredet, und so sind diese Schriften entstanden. Jedes einzelne Wort in den Urschriften ist gewollt und deshalb irrtumslos.
Es ist interessant: Sowohl Petrus als auch Paulus haben in ihren letzten Briefen – im 2. Petrusbrief und im 2. Brief von Paulus an Timotheus – noch einmal programmatisch und nachdrücklich betont, dass die Bibel von Gott inspiriert und Gottes Wort ist.
Auch Paulus schreibt in seinem letzten Brief, im 2. Timotheus 3,16: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben.“ Und genauso schreibt es Petrus in seinem letzten Brief. Als wollten die Apostel uns noch einmal ganz viel Mut machen, als wollten sie sagen: Geschwister, haltet das fest, lasst euch nicht auf Kompromisse ein, wenn es um die Autorität der Bibel geht.
Zusammenfassung der drei Aufträge und die zentrale Lehre der Wiederkunft Jesu
Und dann eine letzte Beobachtung: Wir haben zwei klare Aufträge gesehen. Erstens: Befestige die Wahrheit in der kommenden Generation (Verse 12 bis 15). Zweitens: Beziehe die Wahrheit aus der einzig zuverlässigen Quelle – ein monumentales Statement zur absoluten Vertrauenswürdigkeit der Bibel (Verse 16 bis 21).
Nun bleibt noch eine letzte Beobachtung. Wenn wir fragen, welches die einzelne Lehre, die einzelne Wahrheit ist, die Petrus in diesen Versen immer wieder hervorhebt, dann sehen wir: Es ist die Lehre von der Wiederkunft Jesu.
In Vers 16 spricht er von seiner machtvollen Parousia, seiner Wiederkunft. In Vers 19 erwähnt er, dass der Tag anbricht, also der Tag, an dem dieses sichtbar geschehen wird und Jesus wiederkommt. Jesus wird in Herrlichkeit wiederkommen und sein Reich aufrichten.
Damit gibt uns Petrus hier in diesen Versen einen dritten und letzten Auftrag: Erstens, befestige die Wahrheit in der kommenden Generation; zweitens, beziehe die Wahrheit aus der einzig sicheren Quelle; und drittens und letztens – und das können wir jetzt etwas kürzer machen – bewahre die Wahrheit von der Wiederkunft Jesu.
Auf dieses Thema haben wir schon gehört, es läuft ja auch im dritten Kapitel darauf hinaus. Und was sagt Petrus hier? Bis dahin, also bis der Tag anbricht (Vers 19), das heißt, bis es so weit ist, bis er wirklich wiederkommt, brauchen wir was? Das prophetische Wort.
So halten wir nun fest an dem völlig gewissen prophetischen Wort, oder umso gewisser haben wir jetzt das prophetische Wort.
Das prophetische Wort im engeren Sinne – wir haben ja gesagt, dass im weiteren Sinne das gesamte Alte Testament gemeint ist – im engeren Sinne ist das prophetische Wort die Botschaft von der Wiederkunft Jesu, angekündigt durch die Apostel, angekündigt durch die Propheten und bestätigt durch die Apostel.
Vorsicht: Das ist nicht das einzige Thema von Petrus, das ist auch nicht sein Lieblingsthema. Petrus hat für eine ausgewogene Kost seiner Leser gesorgt. Das sehen wir auch im ersten Petrusbrief. Das sehen wir daran, dass er im zweiten Petrusbrief, Kapitel 3, Verse 15 und 16, extra auf die Schriften von Paulus hinweist, so wie ein Literaturhinweis.
Es ging Petrus auch um den ganzen Ratschluss Gottes. Wir sollen nicht einseitige Endzeitspezialisten oder gar Endzeitspekulanten werden – das wollen wir auch nicht.
Aber hier in diesen Versen konzentriert sich Petrus auf das Thema der Wiederkunft Jesu. Er sagt: Leute, das ist solide dokumentiert. Verliert diese Information nicht aus den Augen. Bewahrt die Wahrheit von der Wiederkunft Jesu.
Die Bedeutung der Wiederkunft Jesu in einer dunklen Welt
Warum ist das so wichtig? In Vers 19 heißt es: Ihr tut gut daran, darauf zu achten, als auf ein Licht, das an einem dunklen Ort scheint. Zurzeit befindet ihr euch an einem dunklen Ort.
Das Wort, das hier für „dunkel“ verwendet wird, kommt im Neuen Testament nur einmal vor. Es bedeutet „schmutzig“. Ihr befindet euch also an einem schmutzigen, unwirtlichen und ungemütlichen Ort.
Wenn der Ort schmutzig und dunkel ist, kann man leicht den Überblick verlieren. In der Dunkelheit fühlt man sich schnell eingeschlossen, verliert den Mut und kann die Machtverhältnisse falsch einschätzen.
Wenn ihr aus dem Fenster hier in der Hammerhütte schaut, liegt dieses Gebäude zwar in der Bethausstraße, aber der Blick hinaus wirkt sehr weltlich. Es scheint, als würden ganz andere Machtfaktoren diese Welt bestimmen. Ihr seht noch nichts, das darauf hinweist, dass der Herr in den Wolken kommt. Noch leben wir an einem dunklen Ort.
Deshalb könnt ihr leicht das Sichtbare für die letzte Wirklichkeit halten. Darum, ihr Lieben, braucht ihr jetzt dieses Licht. Ihr braucht jetzt die Erinnerung und die Gewissheit, dass unser Herr wiederkommt.
Ihr müsst wissen: Das ist kein Mythos, keine ausgeklügelte Fabel. Es wird sich genauso als Fakt erweisen, wie sich andere Dinge auch als Fakten erwiesen haben.
Wenn ihr diese Wahrheit festhaltet, ihr Lieben, dann wird sie strahlen. Sie wird strahlen wie ein Licht an einem dunklen Ort in eurem Leben. Ihr werdet wissen: Ja, Jesus wird sein Reich aufrichten, wenn er wiederkommt – unverkennbar.
Wenn ihr wisst, dass Jesus wiederkommt, könnt ihr trotz allem, trotz dieses dunklen, schmuddeligen Ortes, die Hoffnung festhalten. Ihr könnt die Wartezeit aushalten. Und das ist auch sehr wichtig: Ihr könnt Original und Fälschung auseinanderhalten.
Warnung vor irreführenden Vorstellungen vom Reich Gottes
Lass mich das noch sagen: Gerade jetzt in unserer Zeit werden viele evangelikale Kreise mit irreführenden und falschen Vorstellungen vom Reich Gottes überflutet. Dies geschieht besonders im Rahmen der sogenannten Emerging Church-Bewegung, der missionalen Theologie sowie verschiedener Transformationskonzepte.
Diese Strömungen lassen sich gut mit einem Zitat von Professor Johannes Reimer zusammenfassen. Er sagte: „Nichts wäre heute wichtiger als die Entscheidung der Christen, das Reich Gottes in der Welt mit den Menschen zusammenzubauen.“ Das heißt, wir bauen das Reich Gottes gemeinsam mit den Menschen in dieser Welt auf.
Tobias Falk sagt dazu: „Dieses neue Jerusalem wird im Reich Gottes schon jetzt und ganz konkret auf dieser Erde sichtbar.“ Roland Hartmayr ergänzt: „Auch in der Welt wird Gottes Reich sichtbar, wenn Unterdrückung und Ausbeutung überwunden werden. Es gibt keine absoluten, sondern nur qualitative Unterschiede zwischen der Kirche und der Welt.“
Es gibt also keine absoluten Unterschiede. Das Reich Gottes kommt jetzt, und wir sollen mit daran bauen. In diesem Bau des Reiches Gottes sollen sogar Nichtchristen mit einbezogen werden. So dienen wir Jesus, und das sei mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als Menschen zur Umkehr in Gottes Retterarme zu rufen.
Diese Irrlehre ist folgenreich, weil sie das Ziel verrückt. Wenn die Emerging Church-Konzepte Recht hätten, dann wäre es nicht entscheidend, in das Reich Gottes hineinzukommen. Stattdessen käme es darauf an, jetzt selbst das Reich Gottes zu bauen. Dann wäre das Engagement für eine Verbesserung der Umstände in dieser Welt letztlich wichtiger als Evangelisation.
Christen haben immer aus Liebe zu Jesus auch dieser Welt und ihren sozialen Nöten gedient. Aber sie haben auch stets gewusst, dass dies nicht das Letzte, sondern nur das Vorletzte ist. Das schlimmste Elend und die größte Not, der unsere Zeitgenossen ausgesetzt sind, ist die Drohung durch das Gericht Gottes in der Ewigkeit.
Deshalb ist das, was sie am dringendsten brauchen, Jesus, der Retter und Erlöser. Er selbst wird wiederkommen und sein Reich in Macht und Herrlichkeit aufrichten. Jetzt ist sein Reich in seinen Kindern, jetzt ist sein Reich dort, wo seine Gemeinde entsteht.
Die Verwandlung dieser Welt in sein Reich hat sich unser Herr jedoch vorbehalten. Das werden wir fest im Blick haben, wenn wir glauben, was uns die Bibel über die Wiederkunft Jesu lehrt. Nicht wir machen das Reich, sondern er bringt das Reich.
Bis es so weit ist, besteht unsere wichtigste Aufgabe darin, Menschen in dieses Reich hineinzurufen. Darum tut ihr gut daran, Vers 19, dieses prophetische Wort festzuhalten.
Die Verheißung des Morgensterns und der sichere Empfang im Reich Gottes
Und schließlich schenkt Petrus uns zum Schluss diese Verheißung. Er sagt: „Bis der Tag anbricht und der Morgenstern in euren Herzen aufgeht.“ Man kann das auch freier übersetzen mit: „Bis der Tag anbricht und vorher schon der Morgenstern in euren Herzen aufgeht.“ Denn der Morgenstern erscheint ja vor dem Tagesanbruch.
Der Morgenstern hängt in der Dämmerung am Himmel als ein Versprechen auf den kommenden Tag. Und wir wissen aus dem Neuen Testament, dass der Morgenstern ein Bild für Jesus selbst ist, der Phosphorus genannt wird. Damit sagt Petrus: Leute, bevor Jesus endgültig wiederkommt, bevor die Sonne endgültig aufgeht, bevor der Tag anbricht – und das wird ein kosmisches Ereignis sein, das kein Mensch übersehen kann – wird jetzt schon, jetzt schon der Morgenstern, also Jesus selbst, in euren Herzen aufgehen.
Jetzt schon will Jesus eure Herzen immer mehr erfüllen und erleuchten. Darum ist es gut, dass ihr euch an das prophetische Wort haltet und sein Wort studiert. Umso mehr wird der Morgenstern euer Herz erleuchten, euch mit der Freude Jesu erfüllen und euch mit seinem Mut und seinem Segen stärken.
Dann könnt ihr ganz getrost sein, denn so sicher, wie Jesus selbst wiederkommen wird, so sicher wird er dafür sorgen, dass seine Leute, seine Schafe – also wir – sicher in seinem ewigen Reich ankommen. Du musst nur dafür sorgen, dass du bei Jesus bist, dass dein Leben ihm gehört und dass du wirklich an ihn als deinen Retter und Herrn glaubst.
Wenn du bei ihm bist, wenn du dich vor ihm gebeugt hast und gesagt hast: „Ich brauche deine Vergebung für mein Leben, und Jesus, mein Leben soll dir als meinem Herrn und König gehören“, dann sorgt er dafür, dass du sicher in seinem Reich ankommst. Sei es, dass Jesus noch zu Lebzeiten wiederkommt, uns abholt und mitnimmt, oder sei es, dass wir vorher sterben und dann schon bei ihm sind.
Auf jeden Fall wird sich dann Vers 11 erfüllen. Auf diese Weise wird euch, sagt Petrus, der Eingang in das ewige Reich unseres Retters gewährt werden. Wisst ihr, die Begriffe sprechen hier vom Nachhausekommen – wir haben das schon gehört. Nach einer langen Reise und reichlich wird euch der Eingang gewährt werden. Das ist eine Anspielung auf den Lohn, den Gott uns aus Gnade schenken will.
Dieses Wort „Eingang“ ist so wunderbar. „Heimkommen“, „Eingang“ – das geht im Griechischen zurück auf den triumphalen Empfang der Olympiasieger bei der Heimkehr. Dann wurde ihnen ein Eingang bereitet. Und weil man Olympiasieger immer besonders bejubelte, wurden sie nicht nur durch das große Stadttor geführt. Hinter diesem Begriff steckt sogar noch mehr: Man hat extra für den Olympiasieger in die Stadtmauer ein Loch gemeißelt. Dann wurde er zum Willkommensgruß durch dieses eigens für ihn freigemachte Loch in die Stadt hineingeführt, bejubelt und mit aller Herzlichkeit und Aufmerksamkeit empfangen.
Dieses Bild verwendet Petrus. Er sagt: So wird euch ein liebevoller, ein triumphaler Empfang in Gottes Reich bereitet.
Aber bis es so weit ist, für die Strecke dorthin, gibt uns Petrus mit diesen Versen einen klaren Kompass an die Hand. Lasst uns das mitnehmen: Befestige die Wahrheit in der kommenden Generation. Hör nie auf, sie zu studieren. Zweitens: Beziehe die Wahrheit aus der einzig zuverlässigen Quelle, dem hundertprozentig von Gott eingegebenen Wort Gottes, der Bibel. Und drittens: Bewahre die Wahrheit von der Wiederkunft Jesu.
Dann kannst du schon jetzt mitten in diesem dunklen Ort ganz getrost und froh sein – wie jene alte Dame. Sie lag schwer krank in ihrem Haus, aber der Landarzt besuchte sie regelmäßig. Der Landarzt war meistens mit dem Fahrrad unterwegs und wurde oft von seinem Hund begleitet. Der Hund musste natürlich bei den Untersuchungen draußen vor der Tür warten.
Kurz vor ihrem Tod stellte diese Frau endlich jene Frage, die sie inzwischen viel mehr bedrängte als alle medizinischen Dinge. Sie sagte: „Herr Doktor, ich weiß, dass Sie Christ sind. Bitte beantworten Sie mir diese Frage. Ich habe den Tod vor Augen. Können Sie mir sagen, was nach diesem dunklen Vorhang kommt, vor dem ich jetzt stehe?“
In dem Moment kratzte der Hund von außen an der Tür, und da kam dem Arzt die Idee. Er sagte: „Wissen Sie, das ist wie bei meinem Hund, gute Frau. Er war noch nie hier drin und weiß auch nicht, wie es in diesem Raum aussieht. Aber er weiß: Sein Herr ist hinter der Tür, sein Herr ist hinter der Tür.“
Und so geht es denen, die Jesus als ihren Herrn haben. Wir wissen nicht genau, was hinter diesem dunklen Vorhang kommen wird, wir haben noch nicht mit unseren Augen dahinter gesehen. Aber das dürfen wir wissen: Unser Herr ist hinter der Tür. Noch sind wir an einem dunklen Ort, und noch können so viele dunkle Vorhänge unseren Blick verhängen und verstellen. Aber unser Herr ist hinter der Tür. Er ist in Rufweite, und er wird wiederkommen und uns holen.
Und was auch immer mich hinter der nächsten Tür erwartet – er ist da. Und er macht es gut mit mir und mit dir.
