Einführung in die Bedeutung des Stammbaums Jesu
Wir haben gerade in der Textlesung aus Matthäus 1 gehört, dass Jesus der Nachkomme Abrahams ist. Das ist bedeutend. Matthäus schreibt das nicht einfach nur als Anekdote, sondern weil an Abraham viele Erwartungen hingen.
Abraham war von Gott selbst auserwählt worden. Ihm waren große Verheißungen gegeben, unter anderem die Verheißung eines Nachkommen, durch den alle Völker gesegnet werden sollten. Matthäus möchte, dass wir gleich zu Beginn seines Evangeliums verstehen: Jesus ist dieser Nachkomme. Deshalb gibt es diesen Stammbaum.
In diesem Stammbaum tauchen jedoch noch einige andere Dinge auf. Neben dem besonderen Bezug auf die Rolle Davids erscheinen dort auch fünf Frauen. Das ist höchst ungewöhnlich. Normalerweise wurden in solchen Stammbäumen nur Männer erwähnt; Frauen gehörten normalerweise nicht dazu. Und wenn schon Frauen genannt wurden, dann zumindest die, die man sofort erwarten würde: Sarah, die Frau Abrahams, Rebekka, vielleicht Rahel, für die Jakob sieben und dann noch einmal sieben Jahre gedient hatte.
Aber nein, von ihnen ist hier keine Rede. Stattdessen tauchen ganz andere Frauen auf: Tamar, Rahab und Ruth. Dann heißt es „die Frau des Urija“, die nicht einmal mit Namen genannt wird – Bathseba. Erst ganz am Ende erscheint weniger überraschend Maria, die Mutter Jesu.
Fremde Frauen im Stammbaum und ihre Bedeutung
Aber warum gerade diese vier Frauen: Tamar, Rahab, Ruth und die Frau Uriahs? Was hat es mit ihnen auf sich? Darüber wollen wir in dieser Adventszeit nachdenken. Wir wollen Frau für Frau durch diese Adventswochen gehen und dabei auf diese Adventsgeschichte schauen – auf die Zeit der Vorbereitung auf das Kommen Jesu.
Wir werden sehen, und es ist relativ offensichtlich, dass diese vier Frauen einiges gemeinsam haben. Sie sind alle sehr wahrscheinlich Ausländerinnen. Tamar, um die es heute gehen wird, und auch Rahab, die wir nächste Woche betrachten, sind beide wohl Kananiterinnen. Ruth ist eine Moabiterin, und Bathseba war sehr wahrscheinlich, genauso wie ihr Mann, eine Hethiterin. Das allein ist schon bemerkenswert: Hier lesen wir, wie vier fremde, ausländische Frauen in diese auserwählte Familie hineingehen, hineingeheiratet werden und dann zu Vorfahren des Herrn Jesus Christus werden.
Wahrscheinlich bedeutet das aber noch etwas anderes. Denn alle vier Frauen werden auf sehr ungewöhnliche, ja man könnte sagen skandalöse Weise Mütter und Vorfahren Jesu. Wir werden dazu gleich die Geschichte Tamaras betrachten. Nur ganz kurz als Vorschau: Der Bericht über die Hure Rahab ist bemerkenswert – eine Hure im Stammbaum Jesu. Dann eine moabitische Witwe, Ruth, die auf seltsame Weise später Obed gebar. Und schließlich die Frau Uriahs, Bathseba, die durch Ehebruch und die Tötung ihres Mannes, beides letztlich von König David ausgehend, zu ihm findet, seine Frau wird und mit ihm Salomo zeugt.
Ich denke, was wir hier sehen sollten, ist, dass Matthäus uns diese vier Frauen nennt, weil sie hervorragend in die Geschichte hin zur Geburt Jesu passen – einer Geburt, die ebenfalls auf höchst ungewöhnliche und scheinbar skandalöse Weise zustande kam.
Nun wollen wir diese Frauen genauer betrachten. Dabei werden wir wohl noch ein anderes Element erkennen: Alle vier Frauen bereiten uns mit den Geschichten um sie herum darauf vor, dass wir alle einen Retter brauchen – einen Retter für Sünder.
Gebet vor der Betrachtung der Geschichte Tamas
Bevor wir uns der Geschichte Tamas zuwenden, möchte ich mit uns beten.
Himmlischer Vater, wir danken dir für dein heiliges Wort. In deinem Wort lesen wir manche Dinge, die uns überraschen und die wir zunächst schwer verstehen können. Dazu gehören zum Beispiel Geschlechtsregister, wie wir es gerade gehört haben, aber auch Berichte von skandalöser Sünde, die wir gleich betrachten wollen.
Herr, wir bitten dich, dass du dein heiliges Wort gebrauchen mögest, wozu du es gesandt hast: um in uns Gutes zu bewirken und uns zu verändern. Lass uns aus diesem Gottesdienst anders weggehen, als wir hineingekommen sind.
So wirke du durch dein heiliges Wort zu deiner eigenen Ehre und zum Wohle deiner Gemeinde. Amen.
Einführung in die Geschichte Tamas
Also Tama, die erste Frau, die uns in diesem Advent, in dieser langen Wartezeit auf die Ankunft des Herrn Jesus, begegnet. Von ihr lesen wir im ersten Buch Mose, in Kapitel 38. Ihr habt den Text auch im Gottesdienstblatt mit abgedruckt. Da liegt ein extra Blatt bei, weil der Text so lang ist, dass er nicht auf eine Seite passt.
Das erste Buch Mose, nur ganz kurze Orientierung: Wir haben ja schon einige Predigtreihen dazu gehabt und werden ab Januar in einer letzten Predigtreihe noch einmal dort weitermachen. Heute greifen wir schon einmal dort heraus, Kapitel 38. Grob teilt sich dieses Buch in zwei große Teile auf. Kapitel 1 bis 11 ist die Frühgeschichte. Dort geht es um die Schöpfung der Menschen, den Sündenfall und die Ausbreitung der Sünde. Trotz der Flut, die zwischendurch als Gericht kommt, geht es immer weiter bis zum Turmbau zu Babel.
Dann beginnt mit Kapitel 12 wirklich der zweite Teil. Dort kommt die große Verheißung, die Abraham empfängt, gleich zu Beginn. Diese wird noch mehrfach wiederholt: die Verheißung eines Nachkommen. Bei der Suche nach diesem Nachkommen, beim Warten, gibt es viele Hindernisse. Abraham und Sarah sind schon sehr alt und können eigentlich keinen Nachkommen mehr haben. Man fragt sich, wie diese Verheißung überhaupt erfüllt werden soll.
Aber dann wirkt Gott scheinbar. Abraham hat eine gute Idee, die er für von Gott gegeben hält: Er schwängert nicht seine Frau, sondern eine Magd. Diese wird Mutter von Ismael. Doch Gott macht deutlich, dass Ismael nicht der Sohn der Verheißung ist. Man muss noch weiter warten, über ein Jahrzehnt, bis Sarah in hohem Alter tatsächlich Isaak zur Welt bringt. Isaak wird zum Träger der Verheißung.
Isaak hat das gleiche Problem. Er geht und findet eine Frau, bewusst nicht dort, wo Abraham hingeführt worden war in Kanaan, sondern zurück zur Familie. Er will keine Heidin, keine Frau des ungläubigen Volkes heiraten, das um die Familie herum lebt. Er findet eine Frau, Rebekka, eine wunderbare Frau. Das Problem ist, auch sie wird zunächst nicht schwanger. Doch dann wird sie schwanger und bekommt zwei Söhne: Jakob und Esau.
Die Frage stellt sich, wer der Sohn der Verheißung sein wird. Wir sehen, dass es ein großer Kampf zwischen den beiden ist. Schließlich empfängt Jakob die Verheißung und nicht der Erstgeborene Esau.
Dann kommen wir zu Jakob. Jakob hat zwölf Söhne. Dort war das Problem nicht, dass die Frauen nicht schwanger wurden, sondern dass zu viele Frauen schwanger wurden. Vier verschiedene Mütter gebären zwölf Kinder. Wer würde es sein? Der Erstgeborene Ruben wäre naheliegend, aber in 1. Mose 35 lesen wir fast beiläufig und in jugendfreier Sprache, dass sich Juda zur Nebenfrau seines Vaters legte und damit den Segen verspielt.
In Kapitel 34 wird vom zweiten und dritten Sohn gesprochen, Simeon und Levi, die wiederum Dinge tun, die ihrem Vater nicht gefallen. Sie üben ein Massaker aus und töten auf arglistige Weise die ganze Stadt Sichem. So verspielen auch sie das Anrecht, Träger der Segensverheißung zu sein.
Dann kommt in Kapitel 37 Josef in den Blick. Josef ist der bis dahin jüngste Sohn, der elfte. Später wird noch Benjamin geboren. Josef scheint an die Stelle zu treten. Nun denken wir, wahrscheinlich müssen sich die Söhne vier bis zehn noch irgendwie disqualifizieren. Eigentlich tun sie das auch sofort, denn in großer Eifersucht wollen die ältesten zehn Brüder ihren Bruder töten. Zumindest behaupten sie das gegenüber ihrem Vater.
Sie lassen jedoch von ihrem Plan ab und verkaufen ihn einfach in die Sklaverei nach Ägypten. Josef ist weg. Doch dann sehen wir, dass Josef nicht wirklich weg ist. Er lebt weiter und wird sehr prominent. Später wird er zum Retter seiner Familie.
Damit scheint alles klar zu sein: Josef ist der Träger des Segens, der Verheißung. Doch dann kommt Kapitel 38 und die Geschichte von Josef wird plötzlich unterbrochen. Juda, der Vierte, kommt in den Blick.
Man könnte denken, nun bekommen wir einen Bericht, wie sich auch der vierte Sohn disqualifiziert. Und genau so scheint es auch. Doch in diesem Bericht im ersten Buch Mose, Kapitel 38, taucht auch Tama auf. Wir werden sehen, dass sie in ganz besonderer Weise von Gott gebraucht wird.
Die Situation um Judah und seine Familie
Der Bericht beginnt mit den Worten „Es begab sich um diese Zeit“. Damit wird deutlich, dass das, was hier beschrieben wird, in der Zeit stattfindet, als die Brüder Joseph gerade nach Ägypten verkauft hatten.
Das Kapitel spielt also in der Zeitspanne zwischen dem Verkauf Josephs als Sklave und dem Zeitpunkt, an dem die Familie zu Joseph nach Ägypten kommt. Diese Zwischenzeit umfasst wahrscheinlich ungefähr 22 Jahre, in denen sich das gesamte Kapitel abspielt.
Von Anfang an wird deutlich, dass Judah kein Heiliger ist. Er war es, der den Brüdern vorschlug, Joseph an die Ägypter zu verkaufen. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels verstrickt er sich immer tiefer in Sünde.
Alles beginnt damit, dass Judah seine Familie verlässt und sich den Ungläubigen zuwendet. Er sucht sich eine heidnische Frau und hat einen heidnischen Freund.
Ich lese die ersten fünf Verse vor:
„Es begab sich um diese Zeit, dass Judah hinabzog von seinen Brüdern und sich zu einem Mann aus Adulam gesellte. Das ist eine kanaanitische Stadt, und der Mann hieß Hira. Judah sah dort die Tochter eines Kananiters, der Schur hieß, und nahm sie zur Frau. Als er zu ihr einging, wurde sie schwanger und gebar einen Sohn, den nannte er Er. Sie wurde abermals schwanger und gebar einen Sohn, den nannte sie Onan. Sie gebar abermals einen Sohn, den nannte sie Scheler, und sie war in Kessib, als sie ihn gebar.“
Dies ist ein kurzer, faktischer Bericht. Doch wir sehen, was Judah tut: Er entfernt sich von der erwählten Familie und geht zu den Ungläubigen. Er verbindet sich mit einem ungläubigen Mann namens Hira und lässt sich möglicherweise von ihm beeinflussen.
Wahrscheinlich sieht er eine sehr attraktive kanaanitische Frau. Es klingt fast so, als handle er triebgesteuert. Es ist ihm völlig egal, dass diese Frau einem Volk angehört, das Götzen anbetet. Er sieht nur die Frau, nimmt sie sich und sie wird schwanger.
Das ist alles, was wir über diese Frau erfahren. Sie bekommt nicht einmal einen Namen; wir wissen nur, wie ihr Vater heißt. Dreimal gebiert sie Kinder, danach tritt sie in den Hintergrund.
Das ist das, was Judah tut.
Die Rolle Tamas und die Schwagerehe
Nun ist zumindest eines geschehen: Es gibt Nachkommen für Juda. Doch auch diese geraten in Gefahr, und ab Vers 6 wird deutlich, warum.
In Vers 6 taucht Tamá auf. Es heißt, Juda gab seinem erstgeborenen Sohn eine Frau, die Tamá hieß. Wieder ist Juda derjenige, der auswählt. Er sieht eine Frau, wahrscheinlich eine kanaanitische, vermutlich auch recht attraktiv, und denkt: „Ach, das wäre eigentlich eine gute Schwiegertochter. Von der ein paar Enkel zu bekommen, wäre nicht schlecht.“ Also gibt er sie seinem Sohn.
Aber das klappt nicht. In Vers 7 heißt es nur kurz und sachlich: „Er“ – das ist nicht Juda, sondern der Name ist verwirrend – „war böse vor dem Herrn, und darum ließ er ihn sterben.“ Der Erstgeborene stirbt also, und es fehlt ein Nachkomme für ihn.
Es gab jedoch eine Praxis, mit der man das reparieren konnte: Der nächste Sohn sollte die Frau quasi übernehmen, sie schwängern, anstelle seines verstorbenen Bruders. Das Kind würde dann als Nachkomme des Erstgeborenen gelten und dessen Erbteil übernehmen. Das heißt, der Zweitgeborene produziert zwar das Kind, aber das Kind gehört zum verstorbenen Erstgeborenen und wird dessen Erbe.
Juda folgt dieser Praxis und gibt Tamá an seinen zweitgeborenen Sohn Onan. Vers 8: „Da sprach Juda zu Onan: Geh zu deines Bruders Frau und nimm sie zur Schwagerehe, auf dass du deinem Bruder Nachkommen schaffst.“
Aber Onan wusste, dass die Kinder nicht sein Eigen sein sollten. Deshalb ließ er seinen Samen auf die Erde fallen und verderben, wenn er zu der Frau seines Bruders ging, damit er seinem Bruder keine Nachkommen schaffe. Onan dachte gar nicht daran, mitzuspielen. Sex mit Tamá war kein Problem, aber er sorgte dafür, dass sie nicht schwanger wurde.
Das ist nachvollziehbar: Der Erbteil wird größer, wenn der Erstgeborene keine Nachkommen hat. Bleiben nur noch zwei Söhne als Erben, und normalerweise bekommt der Erstgeborene einen doppelten Erbteil. Keine Nachkommen für Juda sind also gut für Onan. Sein bösartiger Egoismus wird deutlich, und Gott lässt das nicht ungestraft. In Vers 10 heißt es: „Dem Herrn missfiel, was er tat, und er ließ ihn sterben.“
Bevor wir uns jetzt zu sehr erschrecken, dass Gott Menschen sterben lässt, die Böses tun, sollten wir bedenken, dass das seit dem Sündenfall grundsätzlich so ist: Wer der Sünde dient, ist tot. Dass du und ich sterben, ist kein Unfall. In letzter Instanz ist das das gerechte Gericht Gottes über Menschen, die in Sünde verfallen sind. Die ersten Menschen hätten nicht sterben müssen, aber seit dem Sündenfall sind die Menschen sterblich und sterben zu dem Zeitpunkt, den Gott bestimmt. In diesem Fall hat er gesagt, es ist Zeit für die beiden, zu sterben. Das ist seine Strafe für Sünder. Es ist große Gnade, wenn wir trotz unserer Sünden lange leben dürfen, aber dem Tod entkommen auch wir nicht.
Nun ist also der dritte Sohn an der Reihe, Nachkommen zu zeugen. Nach der damaligen Praxis müsste Tamá dem dritten Sohn gegeben werden. Doch diesmal tut Juda das nicht. Wieder greift er ein, überlässt es nicht den Söhnen, sondern schickt Tamá zurück in ihr Elternhaus. Er sagt zu seiner Schwiegertochter: „Bleibe eine Witwe im Haus deines Vaters, bis mein Sohn Schela groß wird. Denn er dachte, vielleicht würde dieser auch sterben wie seine Brüder.“ So ging Tamá und blieb im Haus ihres Vaters.
Juda vertröstet Tamá also auf später, hat aber eigentlich nicht vor, seinem dritten Sohn sie zu geben. Wahrscheinlich aus Aberglauben denkt er, diese Frau bringe Unglück, denn die Söhne sterben immer. Das erspart er dem dritten Sohn lieber und hofft, dass alles in Vergessenheit gerät.
Der Bericht geht weiter. Ab Vers 12 lese ich einen längeren Abschnitt vor: „Als nun viele Tage vergangen waren, starb Judas Frau, die Tochter des Schur, und Tamá hatte noch keinen Namen. Nachdem Juda ausgetrauert hatte – das kann nicht sehr lange gewesen sein, denn all das muss sich in relativ kurzer Zeit abgespielt haben – ging er hinauf, um seine Schafe zu scheren, nach Timna, zusammen mit seinem Freund Hirah von Adulam.“
Das Schafscheren war ein großes Fest, bei dem kräftig getrunken und gefeiert wurde. Tamá hörte, dass ihr Schwiegervater nach Timna ging, um seine Schafe zu scheren. Da legte sie ihre Witwenkleider ab, deckte sich mit einem Schleier zu und setzte sich vor das Tor von Enaim, einem Weg nach Timna. Sie hatte gesehen, dass Schela groß geworden war, aber sie wurde ihm nicht zur Frau gegeben.
Als Juda sie sah, meinte er, sie sei eine Hure, denn sie hatte ihr Gesicht verdeckt.
Bisher war Tamá nur Opfer: Sie wurde genommen, weitergegeben, weggeschickt. Jetzt wird sie aktiv. Sie hat bisher anständig gelebt, hat Witwenkleider getragen und damit gezeigt, dass sie eine Witwe ist und wartet. Doch nun ändert sie ihr Erscheinungsbild. Sie legt die Witwenkleider ab und kleidet sich so, dass sie als Prostituierte wahrgenommen wird. Sie will ihren Schwiegervater treffen, denn sie weiß, dass er kommt.
Was muss Juda für ein Mann gewesen sein? Stellt euch das vor: Was für ein Lustmolch muss er gewesen sein, dass seine Schwiegertochter so einen Plan schmiedet? Wie ist er mit ihr umgegangen, dass sie denkt, wenn sie sich anders kleidet, wird er sich nicht zurückhalten können?
Und sie hat Recht: Vers 16 sagt, er näherte sich ihr auf dem Weg und sprach: „Lass mich doch zu dir kommen.“ Er wusste nicht, dass sie seine Schwiegertochter war. Sie antwortete: „Was willst du mir geben, wenn du zu mir kommst?“ Er sagte: „Ich will dir einen Ziegenbock von der Herde senden.“ Sie erwiderte: „Gib mir einen Pfand, bis du ihn mir sendest.“ Er fragte: „Was willst du für einen Pfand?“ Sie antwortete: „Dein Siegel, deine Schnur und deinen Stab, den du in der Hand hast.“
Er gab sie ihr und kam zu ihr. Sie wurde schwanger von ihm. Danach ging sie weg, legte den Schleier ab und zog wieder ihre Witwenkleider an.
Der Plan geht auf. Juda war offenbar so triebgesteuert, dass sein Verstand ausgeschaltet war. Man stelle sich vor: „Was willst du haben?“ – „Okay, dann gib mir einen Pfand.“ – „Was willst du als Pfand?“ – „Gib mir deine Kreditkarte und dein Handy.“ So ungefähr war das.
Das Siegel war sozusagen die Kreditkarte, mit der man einen Kauf abschließen konnte. Der Stab war kein gewöhnlicher Stock, sondern ein Erkennungszeichen. Und er macht es einfach.
Später will Juda die Sache klären und das Pfand zurückhaben. Es ist natürlich peinlich, nun selbst loszugehen und zu fragen: „Wo ist die Prostituierte, die meine Kreditkarte hat?“ Er schickt seinen Freund Hirah los, der sich für nichts zu schade ist.
Juda aber sendet den Ziegenbock durch seinen Freund von Adulam, damit dieser das Pfand zurückholt. Er findet sie nicht. Er fragt die Leute des Ortes: „Wo ist die Hure, die zu Enaim am Wege saß?“ Sie antworten: „Es ist keine Hure hier gewesen.“
Er kommt zurück zu Juda und sagt: „Ich habe sie nicht gefunden.“ Die Leute des Ortes behaupten also, es sei keine Hure da gewesen – eine perfekte Blamage.
Juda sagt: „Sie mag es behalten, damit wir nicht noch in Verruf geraten.“ So ist das.
Nun vergeht einige Zeit, und Juda vergisst die Prostituierte, besorgt sich wahrscheinlich einen neuen Siegel und schließt einen neuen Handyvertrag ab.
Drei Monate später hört Juda, dass seine Schwiegertochter Tamá schwanger ist. Wie kann das sein? Es kommt ihm eigentlich ganz gelegen, denn außerehelicher Sex stand unter Todesstrafe. Und diese Tamá war ja nicht gut für die Söhne. Wenn sie also aus dem Weg geräumt ist, kann der dritte Sohn heiraten, wen er will.
So lesen wir: „Nach drei Monaten wurde Juda gesagt: Deine Schwiegertochter Tamá hat Hurerei getrieben und siehe, sie ist schwanger geworden.“ Juda sprach: „Hole sie heraus, damit sie verbrannt wird.“
Seht ihr, was für ein scheinheiliger Heuchler er ist? Er, der Witwer, der gerade außerehelichen Sex hatte, fordert, dass die Witwe, die außerehelichen Sex hatte, verbrannt wird.
Wahrscheinlich hält er sich für sehr clever: „Haha, jetzt bin ich sie los.“ Juda merkt gar nicht, wie er sich immer tiefer in Sünde verstrickt. Er versteht nicht, dass auf eine Sünde die nächste folgt, um das Problem immer weiter wegzuschieben.
Dann nimmt der Bericht eine plötzliche Wendung. Nachdem Juda angeordnet hatte, dass Tamá verbrannt werden soll, lesen wir ab Vers 25, wie Gott Tamá gebraucht, um Juda von seiner Sünde zu überführen und ihn zur Umkehr zu bringen.
Dort heißt es: „Als man sie hinausführte, schickte sie zu ihrem Schwiegervater und sprach: Von dem Mann bin ich schwanger, dem dies gehört. Erkennst du auch, wem das Siegel und die Schnur und der Stab gehören?“ Juda erkannte es und sprach: „Sie ist gerechter als ich, denn ich habe sie meinem Sohn Schela nicht gegeben, doch wohnte er ihr nicht bei.“
Juda wird durch Tamás Botschaft klar, dass er der Vater ist, durch ihn ist sie schwanger geworden. Der Herr nutzt diese Überführung, um ihn tief von seiner Sünde zu überzeugen.
Jetzt sagt Juda nicht, sie solle rechtlos werden, sondern er kehrt um. Er erkennt, dass er der größere Sünder ist. Wenn Juda sagt: „Sie ist gerechter als ich“, meint er nicht, dass das, was Tamá getan hat, in Ordnung sei, nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“. Das Sprichwort ist schlicht falsch. Der Zweck heiligt nie die Mittel.
Aber das, was Tamá getan hat, war eindeutig die geringere Sünde. Was Juda getan hat, war schlimmer. Deshalb kann er sagen: „Sie ist gerechter als ich.“ Juda erkennt seine Schuld und ist ein veränderter Mann.
Der kurze Zusatz „doch wohnte er ihr nicht mehr bei“ zeigt uns, dass dieser bisher so triebgesteuerte Mann, der jedem Rockzipfel nachjagte, nun angemessene Zurückhaltung übt und die wahrscheinlich sehr attraktive Schwiegertochter in Ruhe lässt.
Einige Zeit später, wahrscheinlich kurz nach dieser Begebenheit, sehen wir Juda im ersten Buch Mose wieder. Er ist zurück bei seinem Vater und bei seinen Brüdern, hat das heidnische Gebiet verlassen und kehrt dorthin zurück, wo er hingehört.
Noch mehr: Im 1. Mose 43 wird Juda erneut erwähnt. Er handelt ganz anders als früher. Wo er zuvor egoistisch war und seinen Bruder Josef verkauft hatte, wird er nun zum Bruder, der für das Leben seines jüngsten Bruders Benjamin bürgt. Er wird zum Sprecher der Familie und wird von Juda voraus zu Josef gesandt (Kapitel 46).
Am Ende des ersten Buchs Mose, in Kapitel 49, folgen die Segensworte Jakobs. Die ersten drei Söhne werden direkt angesprochen, ihre Sünden werden offen benannt und sie sind disqualifiziert. Dann kommt Juda – ein großer Sünder, aber ein umgekehrter, der Buße getan hat – und empfängt den Segen des Vaters. Er wird zum Träger der Verheißung.
Tamá, diese ausländische Frau, die anfangs nur eine Randfigur war und hin- und hergeschoben wurde, wird zu Gottes Werkzeug, um Juda, den Sohn der Verheißung, zur Umkehr zu bringen.
Doch nicht nur das: Gott gebraucht Tamá auch, um Juda den Nachkommen zu schenken, durch den die Verheißung weitergehen kann. Davon berichten die letzten Verse unseres Kapitels, Vers 27-30:
„Und als sie gebären sollte, wurden Zwillinge in ihrem Leibe gefunden. Als sie gebar, streckte eine Hand hervor. Da nahm die Wehmutter einen roten Faden und band ihn darum und sprach: ‚Der ist zuerst herausgekommen.‘ Als er seine Hand wieder hineinzog, kam sein Bruder heraus. Sie sprach: ‚Warum hast du um deinetwillen solchen Riss gerissen?‘ Und man nannte ihn Peres. Danach kam sein Bruder heraus, der den roten Faden um seine Hand hatte, und man nannte ihn Serach.“
Dieser Bericht von der Geburt erinnert stark an die Geschichte des Großvaters. Peres, der Sohn Judas, ist wie Jakob ein Zwilling. Hier werden Zwillinge geboren, und wie bei Jakob und Esau kämpfen Peres und Serach schon im Mutterleib um den Vorrang.
Wenn ihr die Geschichte von Jakob noch im Kopf habt, wisst ihr, dass eine seltsame Geburt stattfand: Ein Kind kam zuerst heraus, das andere hielt sich an der Ferse fest, als wolle Jakob seinen Bruder Esau wieder hineinziehen, um als Erster geboren zu werden und den Erstgeburtssegen zu erhalten. Das klappte nicht, aber Jakob betrügt seinen Bruder und erhält letztendlich das Erstgeburtsrecht.
Hier sehen wir etwas Ähnliches: Zwei Zwillingsbrüder kämpfen im Mutterleib. Der scheinbar Erste, der den Faden um den Arm bekommt, zieht seine Hand zurück, und Peres kommt heraus und siegt. So wird er Erbe der Verheißung.
Mit ihm geht es weiter. Im Matthäus-Evangelium 1 lesen wir, dass Juda Peres und Serach mit Tamá zeugte, Peres zeugte Hezron, Hezron zeugte weiter, bis zu Jesus.
Als Jesus seinen Dienst beginnt, tut er genau das, was Tamá getan hat. Jesus wird in gewisser Weise so gebraucht, wie Gott Tamá gebraucht hatte: Tamá war die Person, die Gott nutzte, um Juda zur Umkehr zu bringen.
Jahrhunderte später sendet Gott seinen eingeborenen Sohn Jesus in diese Welt, um Menschen zur Umkehr zu rufen. Jesus tritt auf und verkündet von Anfang an eine große Botschaft: „Tut Buße!“ Oder in unserer Sprache: „Kehrt um, denkt um und glaubt an das Evangelium!“
Ist dir bewusst, wie sehr du diesen Ruf hören musst? Juda ist nicht der einzige Sünder, über den wir heute nachdenken könnten. Ich will keinem von uns unterstellen, dass wir so sind wie Juda. Versteh mich nicht falsch. Aber mal Hand aufs Herz: Steckt nicht ein bisschen Juda auch in uns?
Halten wir uns wirklich immer von aller Gottlosigkeit fern? Bleiben wir immer in der Gemeinschaft der Glaubenden? Hast du dich noch nie mit Leuten eingelassen, die dich eher von Gott weggeführt haben? Bist du immer ehrlich und stehst zu dem, was du versprichst? Tust du immer das Richtige?
Oder sind wir manchmal so wie Juda, der seine Schwiegertochter betrogen und weggeschickt hat, weil er abergläubisch Angst hatte? Der nicht mehr auf das vertraute, was richtig war, weil es ihm nicht mehr gefiel?
Dir ist das schon mal passiert? Widerstehst du immer ganz konsequent deinen sündigen Trieben? Du musst ja nicht gleich tun, was Juda getan hat. Aber bist du frei von aller Schuld? Gibst du Versuchungen nie nach?
Vielleicht ist es bei den Männern nicht der lüsterne Blick und das lüsterne Handeln gegenüber einer realen Person, sondern vielleicht nur im Internet, vielleicht Pornografie. Vielleicht sind es bei Frauen ganz andere Versuchungen. Vielleicht sind es Gier oder Geiz. Aber gibt es das bei dir?
Und wenn du jetzt im Moment noch sagst, bei mir gibt es das alles nicht, dann sprechen wir doch mal über Scheinheiligkeit und Heuchelei: Legst du bei anderen manchmal einen anderen Maßstab an als bei dir selbst?
Möge der Herr in seiner großen Gnade Menschen wie Tamá in unser Leben schicken, Menschen, die er gebraucht, um uns von Sünde zu überführen und uns zurückzurufen zu dem, was gut und richtig ist.
Als ich die Predigt schrieb, fiel mir sofort eine Begebenheit ein, die vor wenigen Tagen stattfand. Meine Frau erzählte von einem relativ prominenten Christen, der ziemlich offensichtlich gesündigt hatte und in den Medien bekannt wurde. Ich zog darüber her, und meine Frau sah mich irritiert an.
Ich fragte: „Was ist los?“ Sie deutete vorsichtig an, dass ich mich vielleicht gerade auf einem hohen Ross befinde, dass ich nicht mit der richtigen Herzenshaltung über einen Sünder rede, als jemand, der selbst Sünder ist. Das tat weh. Ich gab es erst nicht zu, natürlich nicht.
Aber letztlich war ich wie Juda: Obwohl ich eine Frau habe, Freunde, die mir ins Leben sprechen und mir helfen, meine falschen Wege zu erkennen, obwohl ich von Gott zur Umkehr gerufen werde.
Deshalb noch einmal: Höre den Ruf Jesu Christi, tu Buße, kehr um und lerne neu, für Gott zu leben.
Vielleicht bist du heute hier und hast noch gar nicht verstanden, dass du ein Sünder bist, dass du Korrektur brauchst. Vielleicht sagst du: „Also ich habe den Bericht gehört, Juda, richtig mieser Kerl, kann ich total verstehen, der braucht das. Ich bin ein feiner Kerl, brauche das nicht.“
Ja, im Vergleich zu Juda klappt das vielleicht. Wahrscheinlich. Aber mal ehrlich: Glaubst du, dass du eines Tages vor dem vollkommen heiligen Gott bestehen kannst, so wie du bist?
Mein Gebet für dich in dieser Adventszeit ist, dass du dein Herz prüfst, ob du nicht vielleicht doch Umkehr nötig hast. Dann höre den Ruf zur Buße.
Aber der Ruf zur Buße allein genügt nicht. Wenn wir uns von unseren Sünden abwenden und anfangen, das Richtige zu tun, werden wir doch immer wieder scheitern, fallen und versagen. Jeder Christ kann das bezeugen.
Außerdem tragen wir einen ganzen Sack voller Sünden aus der Vergangenheit mit uns. Deshalb brauchen wir nicht nur den Ruf Jesu: „Tu Buße!“, sondern auch das, wozu er letztlich gekommen ist.
Wir brauchen den Sohn der Verheißung, auf den die Menschen zur Zeit von Juda und Tamá so sehnsüchtig warteten.
So kam durch die Jungfrau Maria Gott selbst zu uns. Auch durch eine ganz skandalöse Geburt: Nicht eine Witwe wurde unehelich schwanger, sondern eine Jungfrau, die durch den Heiligen Geist zur Mutter des Gottessohnes wurde.
Jesus Christus kam, damit Sünder wie Juda, Tamá, du und ich vor Gott bestehen können. Jesus allein hat so gelebt, dass er nie Buße brauchte. Er war vollkommen ohne Sünde und deshalb der Einzige, der den Tod nicht verdient hätte.
Doch er ging stellvertretend für uns in den Tod und starb am Kreuz, damit Sünder, die zu Jesus umkehren, von aller Schuld befreit werden und vor Gott bestehen können.
So erfüllt sich die Gnadenverheißung Gottes. Die Geschichte Tamás ist ein Hoffnungsschimmer, der uns hinführt zum hellen Licht, das durch Jesus Christus an Weihnachten in diese Welt kommen sollte.
Lasst uns diesen Jesus anbeten, der gekommen ist, um Sünder selig zu machen.
Ich bete mit uns:
Himmlischer Vater, wir danken dir für diese erstaunliche Geschichte, für diesen erstaunlichen Bericht. Ich bete, dass du uns bewahrst vor Scheinheiligkeit und Heuchelei, dass wir uns nicht darauf zurückziehen, zu sagen: „Ich bin nicht so wie Juda.“
Ich bitte dich, hilf uns zu erkennen, dass wir alle so wie Juda vor dir, dem heiligen Gott, nicht bestehen können. Keiner von uns ist qualifiziert, vor dir zu bestehen.
So rufst du uns zur Buße. Herr, ich bitte dich, dass du das in unseren Herzen wirkst. Ich bitte dich, dass du uns im Leben voneinander gebraucht, so wie du Tamá gebraucht hast, damit wir einander den Liebesdienst erweisen, der schwer ist und oft erst nicht gern angenommen wird, aber so wichtig ist.
Herr, wir danken dir, dass du in Jesus Christus deinen eingeborenen Sohn in diese Welt gesandt hast, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, nicht gerichtet wird, sondern ewiges Leben hat, selbst wenn er stirbt.
So bitte ich dich, mach uns Menschen, die dich mit frohem Herzen anbeten als unseren Retter und treuen Erlöser.
Wir preisen dich in Jesu Namen. Amen.
Die Folgen von Tamas Schwangerschaft und Judahs Reaktion
Und nun vergeht einige Zeit. Judah vergisst die Prostituierte und besorgt sich wahrscheinlich neue Siegel. Er schließt einen neuen Handyvertrag ab.
Drei Monate später hört Judah, dass die Witwe seiner zwei älteren Söhne schwanger ist. Wie kann das sein? Für ihn kommt es eigentlich ganz gelegen. Denn auf Sex außerhalb der Ehe steht die Todesstrafe. Und diese Tama war ja nicht so gut für die Jungs. Wenn sie also aus dem Weg geräumt ist, kann der dritte Sohn ja heiraten, wen er will.
So lesen wir hier, dass Judah die Gelegenheit nutzt. Nach drei Monaten wurde Judah gesagt: „Deine Schwiegertochter Tama hat Hurerei getrieben und siehe, sie ist davon schwanger geworden.“ Judah sprach: „Fühlt sie heraus, dass sie verbrannt werde.“ Seht ihr, was für ein scheinheiliger Heuchler das ist? Er, der Witwer, der gerade außerehelichen Sex hatte, sagt, dass die Witwe, die wohl außerehelichen Sex hatte, skandalös verbrannt werden soll.
Wahrscheinlich hält er sich noch für unheimlich clever: „Haha, jetzt bin ich sie los.“ Judah merkt gar nicht, wie er sich tiefer und tiefer in Sünde verstrickt. Er kapiert nicht, dass auf eine Sünde die nächste folgt, um das Problem immer weiter wegzuschieben.
Dann nimmt dieser Bericht eine plötzliche Wendung. Nachdem Judah angeordnet hatte, dass Tama verbrannt werden soll, lesen wir ab Vers 25, wie Gott Tama gebraucht. Gott gebraucht Tama erst einmal, um Judah von seiner Sünde zu überführen und ihn zur Umkehr zu bringen.
Hier heißt es: „Und als man sie hinausführte, schickte sie zu ihrem Schwiegervater und sprach: ‚Von dem Mann bin ich schwanger, dem dies gehört. Erkennst du auch, wem die Siegel und diese Schnur und dieser Stab gehören?‘“ Judah erkannte es und sprach: „Sie ist gerechter als ich, denn ich habe sie meinem Sohn Shelah nicht gegeben, doch wohnte er ihr nicht mehr bei.“
Also wird Judah durch Tamas Botschaft klar, dass er der Vater ist. Durch ihn ist sie schwanger geworden. Der Herr gebraucht diese Überführung, um ihn wirklich zutiefst von seiner Sünde zu überführen.
Jetzt sagt Judah nicht, dass sie erst rechtlos werden muss, sondern es kommt eine Umkehr. Er erkennt, dass er der größere Sünder ist. Wenn Judah hier sagt: „Sie ist gerechter als ich“, dann meint er nicht, dass das, was Tama getan hat, okay ist. So nach dem Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Das ist nie so. Dieses Sprichwort ist schlicht und ergreifend falsch. Der Zweck heiligt nie die Mittel.
Aber das, was Tama getan hat, war ganz eindeutig die deutlich geringere Sünde. Was Judah getan hat, war viel schlimmer. Deshalb kann er sagen: „Sie ist gerechter als ich.“ Judah erkennt seine Schuld und ist ein veränderter Mann.
Dieser kurze Zusatz „doch er wohnt ihr nicht mehr bei“ zeigt uns, dass dieser bisher so triebgesteuerte Kerl, der jedem Rockzipfel nachjagte, auf einmal diese wahrscheinlich sehr attraktive Schwiegertochter in Ruhe lässt und angemessene Zurückhaltung übt.
Judahs Umkehr und die Fortsetzung der Verheissung
Einige Zeit später sehen wir Juda im ersten Buch Mose wieder, wahrscheinlich kurz nach der zuvor beschriebenen Begebenheit. Dort wird deutlich, dass er zurückgekehrt ist – zurück zu seinem Vater und seinen Brüdern. Das heißt, er hat das heidnische Gebiet verlassen und kehrt dorthin zurück, wo er eigentlich hingehört.
Im ersten Buch Mose, Kapitel 43, wird Juda erneut erwähnt. Dort zeigt er ein ganz anderes Verhalten als zuvor. War er früher egoistisch und hatte sogar seinen Bruder Josef verkauft, wird er jetzt zum Bruder, der sich für das Leben seines jüngsten Bruders Benjamin verbürgt. Er wird quasi zum Sprecher der Familie. In Kapitel 43 sendet Juda Benjamin voraus zu Josef.
In Kapitel 46 kommt es dann zur Begegnung mit Josef. Am Ende des ersten Buches Mose, in Kapitel 49, folgen die Segensworte Jakobs. Wir sind gespannt, wer nun zum Erben der Verheißung wird. Jakob spricht die ersten drei Söhne direkt an, nennt ihre Sünden und macht deutlich, dass sie sich disqualifiziert haben.
Dann kommt Juda ins Spiel – ein großer Sünder, aber einer, der umgekehrt ist und Buße getan hat. So empfängt Juda den Segen des Vaters und wird zum Träger der Verheißung.
Tama, eine ausländische Frau, die zu Beginn nur eine Randfigur war und hin- und hergeschoben wurde, wird zu Gottes Werkzeug. Sie bringt Juda, den Sohn der Verheißung, zur Umkehr. Doch das ist nicht alles. Gott gebraucht Tama auch, um Juda den Nachkommen zu schenken, durch den die Verheißung weitergegeben wird.
Davon berichten die letzten Verse des Kapitels, Verse 27 bis 30:
„Und als sie gebären sollte, wurden Zwillinge in ihrem Leibe gefunden. Und als sie gebar, tat sich eine Hand hinaus. Da nahm die Wehmutter einen roten Faden und band ihn darum und sprach: ‚Der ist zuerst herausgekommen.‘ Als aber der seine Hand wieder hineinzog, kam sein Bruder heraus, und sie sprach: ‚Warum hast du um deinetwillen solchen Riss gerissen?‘ Und man nannte ihn Peres. Danach kam sein Bruder heraus, der den roten Faden um seine Hand hatte, und man nannte ihn Serach.“
Dieser Bericht von der Geburt erinnert stark an die Geschichte des Großvaters Jakob. Peres ist der Sohn Judas, der wiederum Sohn Jakobs ist. Wie Jakob ist auch Peres ein Zwilling. Hier werden Zwillinge geboren, und wie bei Jakob und Esau kämpfen Peres und Serach bereits im Mutterleib um den Vorrang.
Wenn man die Geschichte von Jakob noch im Kopf hat, erinnert man sich daran, dass bei seiner Geburt eine seltsame Begebenheit stattfand: Ein Kind kam zuerst heraus, während das andere sich an der Ferse des anderen festhielt – fast so, als wollte Jakob seinen Bruder Esau wieder hineinziehen, um als Erster geboren zu werden und den Erstgeborenensegen zu erhalten.
Das hat zwar nicht geklappt, aber Jakob kämpfte weiter, betrügte seinen Bruder und erhielt letztlich das Erstgeburtsrecht. Hier sehen wir etwas Ähnliches: Zwei Zwillingsbrüder kämpfen schon im Mutterleib miteinander. Der scheinbar Erste, der den roten Faden um den Arm trägt, zieht seine Hand zurück und verschwindet. Peres kommt heraus und siegt.
So wird Peres zum Erben der Verheißung. Mit ihm geht die Verheißung weiter.
Im Matthäusevangelium 1 wird berichtet: Juda zeugte Peres und Serach mit Tama, Peres zeugte Hezron, Hezron zeugte weiter, und so geht die Linie bis zu Jesus.
Jesus als Erfüller der Verheissung und Ruf zur Umkehr
Als Jesus seinen Dienst beginnt, tut er genau das, was Tama getan hat. Jesus wird in gewisser Weise so gebraucht, wie Gott schon Tama gebraucht hatte. Tama war die Person, die Gott gebraucht hatte, um Juda zur Umkehr zu bringen.
Einige Jahrhunderte später sendet Gott der Vater seinen eingeborenen Sohn Jesus in diese Welt, um Menschen zur Umkehr zu bewegen. Jesus tritt auf und verkündet von Anfang an eine große Botschaft: Tut Buße! Oder in unserer Sprache: Kehrt um, denkt um und glaubt an das Evangelium.
Ist dir bewusst, wie wichtig es ist, diesen Ruf zu hören? Ist dir klar, dass Juda nicht der einzige Sünder ist, über den wir heute nachdenken könnten? Ich will keinem von uns unterstellen, dass wir so sind wie Juda – versteht mich nicht falsch. Aber mal Hand aufs Herz: Steckt nicht ein bisschen Juda auch in uns? Halten wir uns wirklich immer von aller Gottlosigkeit fern? Bleiben wir stets in der Gemeinschaft der Glaubenden? Hast du dich vielleicht schon mit Leuten eingelassen, die dich eher von Gott weggeführt haben?
Bist du immer ehrlich und stehst zu dem, was du versprichst? Tust du immer das Richtige? Oder sind wir manchmal so wie Juda, der seine Schwiegertochter betrogen hat und sie weggeschickt hat, weil er abergläubisch Angst hatte? Er vertraute nicht mehr, tat nicht mehr das Richtige, weil ihm das nicht mehr gut erschien.
Ist dir so etwas schon einmal passiert? Widerstehst du immer ganz konsequent deinen sündigen Trieben? Du musst ja nicht gleich tun, was Juda getan hat. Aber bist du frei von aller Schuld? Gibst du Versuchungen nie nach? Vielleicht ist es bei den Männern nicht der lüsterne Blick oder das lüsterne Handeln gegenüber einer realen Person. Vielleicht geschieht das nur im Internet, etwa in Form von Pornografie. Vielleicht betrifft es Frauen ebenso.
Vielleicht sind es ganz andere Versuchungen, mit denen du zu kämpfen hast. Vielleicht sind es bei dir eher Gier oder Geiz. Aber gibt es das bei dir? Und wenn du jetzt im Moment sagst: „Bei mir gibt es das alles nicht“, dann kommen wir zum Thema Scheinheiligkeit und Heuchelei.
Legst du bei anderen manchmal einen anderen Maßstab an als bei dir selbst? Möge der Herr in seiner großen Gnade Menschen wie Tama in unser Leben schicken – Menschen, die er gebraucht, um uns von Sünde zu überführen und uns zurückzurufen zu dem, was gut und richtig ist.
Persönliche Reflexion und der Ruf zur Umkehr
Als ich die Predigt geschrieben habe, kam mir allein beim letzten Punkt sofort eine Begebenheit in den Sinn, die vor gar nicht vielen Tagen stattgefunden hat. Meine Frau erzählte von einem relativ prominenten Christen, der ziemlich offensichtlich gesündigt hat und dessen Fehlverhalten in den Medien bekannt wurde.
Ich zog darüber ein bisschen her, und meine Frau sah mich ein wenig irritiert an. Da fragte ich sie: „Was ist los? Warum schaust du mich so an, Herr?“
Dann hat sie ganz vorsichtig angedeutet, dass ich mich vielleicht gerade auf ein sehr hohes Ross setze. Sie meinte, ich rede möglicherweise nicht mit der richtigen Herzenshaltung über einen Sünder – als jemand, der selbst Sünder ist. Das tat weh. Ich habe das zunächst nicht zugegeben, natürlich nicht. Aber letztendlich war ich so wie Judas hier.
Obwohl ich eine Frau habe, die mich liebt, und Freunde, die mir ins Leben sprechen und mir helfen, zu erkennen, wo ich auf falschen Wegen bin, obwohl ich von Gott zur Umkehr gerufen werde, war ich trotzdem so.
Deshalb nochmal: Höre den Ruf Jesu Christi, tue Buße, kehre um und lerne neu, für Gott zu leben.
Vielleicht bist du heute hier und hast das noch gar nicht verstanden. Vielleicht weißt du nicht, dass du ein Sünder bist und Korrektur brauchst. Vielleicht sagst du: „Also ich habe den Bericht gehört, Judas, richtig mieser Kerl, kann ich total verstehen, der braucht das. Ich bin ein feiner Kerl, ich brauche das nicht.“
Ja, okay, im Vergleich zu Judas klappt das vielleicht. Wahrscheinlich. Aber auch mal ganz ehrlich: Glaubst du, dass du eines Tages vor dem vollkommen heiligen Gott bestehen kannst, so wie du bist?
Mein Gebet für dich in dieser Adventszeit ist, dass du dein Herz prüfst, ob du nicht vielleicht doch auch Umkehr nötig hast. Dann höre den Ruf zur Buße.
Die Notwendigkeit von Jesus Christus als Erlöser
Aber der Ruf zur Buße allein genügt nicht. Wenn wir uns von unseren Sünden abwenden und dann anfangen, das Richtige zu tun, werden wir dennoch immer wieder scheitern, fallen und versagen. Jeder Christ kann das bezeugen.
Außerdem gibt es da noch den ganzen Sack voller Sünden aus der Vergangenheit. Deshalb brauchen wir nicht nur Jesu Ruf „Tu Buße“, sondern auch das, wozu er letztendlich gekommen ist. Wir brauchen den Sohn der Verheißung, auf den schon die Menschen zur Zeit von Judah und Tama so sehnsüchtig gewartet haben.
So kam durch die Jungfrau Maria Gott selbst zu uns – auch durch eine ganz skandalöse Geburt. Hier war es keine Witwe, die unehelich schwanger wurde, sondern eine Jungfrau. Maria wird durch den Heiligen Geist zur Mutter des Gottessohns.
Jesus Christus kommt zu uns, damit Sünder wie Judah und Tama, wie ich und du, vor Gott bestehen können. Jesus allein lebt so, dass er nie Umkehr braucht. Er hat vollkommen gut gelebt, so gut, dass er als Einziger keine Sünde hatte und deshalb als Einziger den Tod nicht verdient hätte.
Doch dann ging er stellvertretend für uns in den Tod und starb am Kreuz. So können Sünder wie du und ich, die zu Jesus umkehren, wirklich von aller Schuld befreit sein. Jesus nimmt die Schuld auf sich, und wir können vor Gott bestehen.
So erfüllt sich die Gnadenverheißung Gottes. Die Geschichte Tamas ist ein Hoffnungsschimmer, der uns hinführt zum hellen Licht, das durch Jesus Christus an Weihnachten in diese Welt kommen sollte.
Schlussgebet und Anbetung
Aber lasst uns diesen Jesus anbeten, der gekommen ist, um Sünder selig zu machen. Ich bete mit uns.
Himmlischer Vater, wir wollen dir danken für diese erstaunliche Geschichte, für diesen erstaunlichen Bericht. Ich bete, dass du uns bewahrst vor Scheinheiligkeit und Heuchelei. Dass wir uns nicht darauf zurückziehen, zu sagen: „Ich bin nicht so wie Juda.“
Ich bitte dich, dass du uns hilfst zu erkennen, dass wir alle, so wie Juda, vor dir, dem heiligen Gott, nicht bestehen können. Keiner, niemand wäre qualifiziert, vor dir zu bestehen.
So rufst du uns zur Buße, Herr. Ich bitte dich, dass du das in uns wirkst. Ich bitte dich, dass du uns im Leben voneinander gebrauchen willst, so wie du Tama gebraucht hast, damit wir einander diesen Liebesdienst erweisen. Ein Dienst, der schwer ist und oft erst einmal nicht froh angenommen wird, der aber doch so wichtig ist.
Herr, wir danken dir, dass du in Jesus Christus deinen eingeborenen Sohn in diese Welt gesandt hast, sodass jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht und nicht gerichtet wird, sondern ewig leben darf, selbst wenn er stirbt.
So bitte ich dich, dass du uns Menschen machst, die dich mit frohem Herzen anbeten – als unseren Retter, als den treuen Erlöser. Wir preisen dich in Jesu Namen. Amen.