Herr Präsident, liebe Brüder und Schwestern, liebe Freunde!
Wir wollen uns heute Morgen mit einem Buch der Bibel beschäftigen, das zum Neuen Testament gehört – einem Brief des Paulus. Es ist der Epheserbrief. Ihr dürft ihn gerne schon aufschlagen, und während ihr das tut, möchte ich ein paar Gedanken dazu sagen. Ich hoffe, dass viele von euch ihre Bibel mitgebracht haben oder zumindest das Neue Testament. Falls die Predigt einmal langweilig sein sollte, kann man wenigstens ein bisschen in der Bibel blättern. Das ist gar nicht schlecht, wenn man die Bibel dabei hat. Aber langweilige Predigten gibt es hier nicht in eurer Gemeinde.
Der Epheserbrief gilt bei vielen Bibelkennern als das tiefste Buch der Bibel – vielleicht noch zusammen mit dem Johannesevangelium. Er beschreibt Christus und seine Gemeinde und offenbart dabei so tiefe Gedanken, dass wir die Fülle dieser Wahrheiten kaum in unseren Herzen fassen können.
Der Brief beschäftigt sich erfreulicherweise mit der Herrlichkeit der Gemeinde Jesu Christi. Alle Nöte einer lokalen Gemeinde fehlen im Epheserbrief. Wenn wir den Korintherbrief zum Vergleich heranziehen, sehen wir, dass dieser voll ist mit den Nöten einer örtlichen Gemeinde in Korinth – von vorne bis hinten. Der Epheserbrief hingegen zeigt uns nicht die vielen Nöte, Schwierigkeiten und Probleme, die es in einer Gemeinde geben kann. Stattdessen zeigt er uns die Herrlichkeit der Gemeinde.
Hier sehen wir die Gemeinde, wie Gott sie sieht, vom Himmel herab. Hier sehen wir die Gemeinde in ihrer schönsten Form, in ihrer Vollendung. Der Brief ist somit an jede Gemeinde auf dieser Erde gerichtet. Viele Ausleger sind der Ansicht, dass er ursprünglich als Rundschreiben konzipiert war. Der Brief kam zuerst nach Ephesus und wurde dann an die umliegenden Gemeinden im kleinasiatischen Raum weitergegeben.
Es ist einer der sogenannten Gefangenschaftsbriefe des Apostels Paulus. Er wurde wahrscheinlich in der Zeit zwischen 61 und 63 nach Christus, grob gesagt in Rom, abgefasst.
Die Gliederung des Epheserbriefs: Sitze, wandle, stehe
Es ist nicht schwer zu erkennen, dass der Brief in drei Teile gegliedert werden kann. Rodrini hat dies klassisch in seinem Büchlein über den Epheserbrief getan, das den Titel „Sitze, wandle, stehe“ trägt.
Ich bin nicht mit allem einverstanden, was Watchmenny je gesagt und geschrieben hat. Aber er wäre auch nicht mit allem einverstanden gewesen, was ich je gesagt und geschrieben habe. Somit sind wir wieder quitt. Dieses Büchlein halte ich für ausgezeichnet. Es war lange vergriffen, aber im Moment ist es, glaube ich, wieder erhältlich.
Wer sein Verständnis von der Gemeinde vertiefen möchte, dem empfehle ich dieses Büchlein sehr herzlich: Sitze, wandle, stehe! Ich möchte die Gliederung von Watchmenny aufgreifen, weil sie genial ist. Anhand dieser drei Worte wollen wir uns heute Morgen den Brief ein wenig anschauen.
Sitze: Die Identität in Christus
Erstens: Sitze!
Ihr lieben Brüder und Schwestern, der Epheserbrief beginnt nicht mit dem, was wir als Christen tun sollen, sondern mit dem, was wir in Christus sind. Das ist ein großer Unterschied.
Lesen wir Epheser 1,3: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, er hat uns gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in der Himmelswelt in Christus.“ Wir sind gesegnet mit jeder geistlichen Segnung.
Dann entfaltet Paulus diese Aussage in den folgenden Versen. Hier können wir sehen, wie wichtig es ist, eine wortgetreue Bibelübersetzung zu haben, für die ich immer eine Lanze breche bei jeder Gelegenheit. Denn wenn wir eine wortgetreue Übersetzung haben, erkennen wir, dass die Verse 3 bis 14 ein einziger Satz sind.
Wer von euch hat denn eine alte Elberfelder Bibelübersetzung, den sogenannten Urtext? Hat niemand? Nein, das war nur Spaß. Die alte Elberfelder hat das bewahrt. Sie übersetzt hier wirklich in einem Satz. Ich habe hier die revidierte Ausgabe, und die macht leider an einer Stelle einen Punkt dazwischen. Es ist aber ein Satz im Griechischen.
Warum ist das so? Hat der Apostel Paulus nicht aufgepasst im Griechischunterricht? Hat er nicht gewusst, dass man mal einen Punkt oder ein Komma setzen sollte? Oh doch, das hat er sehr wohl gewusst, obwohl es Punkte und Kommas im Griechischen eigentlich gar nicht gibt. Aber er hätte schon Absätze machen können. Er hat es nicht getan, weil es ein Zusammenhang ist. Er entfaltet, was geistlicher Segen in Christus ist.
Das können wir jetzt natürlich nur schemenhaft nachvollziehen. Aber schaut: Er sagt in Vers 4, wir sind vor Grundlegung der Welt auserwählt. Das ist ein großes Geheimnis – die Erwählung der Gemeinde vor Grundlegung der Welt.
In Vers 5 heißt es: Wir sind vorherbestimmt zur Sohnschaft.
In Vers 6: Wir sind begnadigt in dem Geliebten.
In Vers 11: Wir sind zu einem Erbteil gekommen.
Und in Vers 13: Wir sind mit dem Heiligen Geist als Unterpfand versiegelt worden.
Das entfaltet er hier – das bedeutet: gesegnet in Christus. Und das sind Tatsachen. Er schreibt „wir sind, wir sind, wir sind“ – das ist ein Ist-Zustand.
Ich darf das hier mal anfügen, ohne polemisch zu werden: Bitte lasst euch nicht irreführen von dem Toronto-Segen, dem Pensacola-Segen, dem Honolulu-Segen und was es wahrscheinlich noch alles geben wird in der Zukunft.
Lasst euch nicht irreführen, wenn Leute kommen und sagen, ihr müsst an bestimmte Orte kommen, weil es dort einen besonderen Segen gibt. Das ist Unsinn. Hier steht: Wir sind gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in der Himmelswelt. Wer will uns denn noch mehr geben?
Natürlich hat Gott an bestimmten Orten auf dieser Erde auch manchmal besonders gesegnet, aber man kann das nicht exportieren und importieren. Es nützt nichts, dorthin zu pilgern und da irgendwie die Taschen voll Segen zu stecken und damit wieder heimzugehen. Das geht nicht.
Lasst euch nicht irreführen: Wir sind gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in der Himmelswelt.
Das Sitzen zur Rechten Gottes als Zeichen der Vollendung
Und jetzt kommen wir zum Thema Sitzen. In Vers 20 von Kapitel 1 bezeugt Paulus, dass Gott in seiner absoluten Macht Christus aus den Toten auferweckt und zu seiner Rechten in der Himmelswelt gesetzt hat. Das wissen wir alle, das ist uns nicht neu. Jesus Christus ist auferstanden. Er hatte sich erniedrigt bis zur letzten Schande und Ehrlosigkeit am Kreuz. Darüber haben wir heute Morgen in der ersten Stunde nachgedacht.
Er hatte sich erniedrigt, doch dann hat ihn Gott erhöht. Er ist auferstanden, er ist der erhöhte Herr, und er sitzt zur Rechten Gottes. Um die Bedeutung des Sitzens richtig verstehen zu können, müssen wir uns ein wenig im Alten Testament auskennen.
Damals hatte Gott zuerst ein Heiligtum in der Wüste errichten lassen, die sogenannte Stiftshütte, das Zelt der Zusammenkunft, und später den Tempel in Jerusalem. In beiden Einrichtungen, Stiftshütte und Tempel, dienten eine große Zahl von Priestern. Auffällig war, dass es weder in der Stiftshütte noch im Tempel eine Sitzgelegenheit für die Priesterschaft gab. Es gab Altäre, Waschbecken und heilige Geräte, aber nirgendwo einen Stuhl, geschweige denn ein Sofa.
Warum nicht? Damit machte der Heilige Geist deutlich, dass die Erlösung in der Zeit des Alten Testaments noch nicht geschehen war. Darum mussten die Israeliten opfern, waschen, reinigen, rennen und schwitzen – alles ohne Sitzgelegenheit. Sie konnten sich nicht setzen.
Im Neuen Testament wird uns die Botschaft überliefert: Christus starb am Kreuz für unsere Schuld, er wurde begraben, Gott hat ihn auferweckt, und er hat sich zu seiner Rechten gesetzt. Das heißt, die Erlösung ist ein für allemal vollbracht – er hat sich gesetzt.
Aber damit nicht genug. Darf ich eure Aufmerksamkeit auf Kapitel 2 lenken? Lesen wir ab Vers 4, Kapitel 2, Vers 4. Da schreibt Paulus: „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, hat um seiner vielen Liebe willen, womit er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Vergehungen, mit dem Christus lebendig gemacht. Durch Gnade seid ihr errettet.“ Und jetzt kommt es: „Er hat uns mit auferweckt und mitsitzen lassen in der Himmelswelt in Christus Jesus.“
Ich muss gestehen, darüber habe ich jahrelang hinweg gelesen – über diese Formulierung, über diesen Ausdruck. „Er hat uns mitsitzen lassen“ steht hier in der Himmelswelt. Ihr Lieben, ich kann gar nicht deutlich genug machen, welche wunderbare Wahrheit hier ausgedrückt wird. Das ist der erste Teil des Epheserbriefs, den Wotschmeni zu Recht mit dem einen Wort „Sitze“ überschrieben hat.
Jetzt kommt es darauf an, dass wir das verstehen. Wir dürfen mitsitzen in der Himmelswelt. Das heißt, wir dürfen ruhen in der Erlösung. Gott hat die Erlösung vollbracht, und wir dürfen ruhen in dieser Erlösung. Wir dürfen uns mitsitzen lassen, dürfen mitruhen in der Erlösung.
Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig das ist. Ihr lieben Brüder und Schwestern, das Ruhen in Jesus ist wichtiger als das Tun für ihn. Es ist großartig, wenn wir dem Herrn dienen wollen – ob in persönlicher Evangelisation, worüber wir gestern nachgedacht haben, ob in der Gemeinde, in Lehre oder in praktischer Arbeit. Es ist großartig, wenn wir dem Herrn dienen wollen.
Aber die Bibel lehrt uns auf jeder Seite eine Reihenfolge: Zuerst Ruhen, dann Tun; zuerst Stille, dann Aktivität; zuerst Sammlung, dann Sendung – das erfahren wir überall. Wir dürfen uns nicht aufs Tun fixieren. Es kann die Zeit kommen, in der wir wegen Krankheit oder Alter nicht mehr viel für den Herrn tun können. Dann fallen wir in ein Loch, wenn wir immer aufs Tun fixiert waren.
Wir müssen lernen zu ruhen – in Jesus Christus, ruhen in seiner vollbrachten Erlösung. Christsein beginnt mit Ruhen, indem man erkennt: Die Erlösung ist geschehen am Kreuz, und ich darf sie annehmen und ruhen in der Erlösung.
Schaut, deswegen haben wir uns heute Morgen hier versammelt, am ersten Tag der Woche. Nach der Bibel ist heute der erste Tag der Woche. Für manche ist morgen der erste Arbeitstag, aber heute ist der erste Tag der Woche. Und schaut, was ihr gemacht habt: Ihr beginnt diese Woche buchstäblich mit Ruhen. Ihr habt euch alle gesetzt – nur ich muss jetzt arbeiten. Aber ihr habt euch alle gesetzt und dürft diese Woche mit Ruhen beginnen.
Ich möchte euch dazu ermuntern: Beginnt auch jeden Wochen- und Arbeitstag mit Ruhen. Lest am Morgen eure Bibel, werdet still vor Gott, und dann geht an das Tagewerk, dann an die Pflichten. Das ist die praktische Lehre, die wir hier herausziehen dürfen.
Wir haben uns gesetzt in der Erlösung, und immer und immer wieder wollen wir uns darauf besinnen und aus der Ruhe in den Dienst gehen, aus der Stille in die Aktivität.
Wotschmeni hat am Anfang der Bibel noch eine feine Entdeckung gemacht, die ich hier noch einfügen möchte. Er führt aus, dass unser Schöpfer sechs Tage arbeitete, um dann am siebten Tag zu ruhen. Das wissen wir alle. Adam wurde folglich am sechsten Tag geschaffen, in der zweiten Hälfte des sechsten Tages, und somit wurde der siebte Tag sein erster. Als er zum ersten Mal die Augen aufmachte, war Ruhetag.
Und dann sagt Wotschmeni: Gott arbeitete, um zu ruhen. Der Mensch muss ruhen, um arbeiten zu können. Haben wir das verstanden? Das ist eine ganz tiefe geistliche Wahrheit. Gott arbeitete, um zu ruhen. Wir müssen ruhen, um arbeiten zu können. Wir müssen aus der Stille in den Dienst gehen.
Die Ruhe in Jesus ist wichtiger als der Dienst für ihn – in der Reihenfolge.
Und dann ging Gott noch einen Schritt weiter und vollendete auch das Erlösungswerk. Wir müssen nichts mehr tun, um uns den Himmel zu verdienen. Wir dürfen es in Umkehr und Glauben für uns in Anspruch nehmen.
Ich möchte es so ausdrücken: Christen sind die einzigen Menschen auf dieser Erde, die nicht mehr arbeiten für ihre Erlösung. Alle anderen arbeiten bewusst oder unbewusst – die meisten unbewusst – für ihre Erlösung in allen Religionen. Und auch hier im sogenannten Christentum arbeiten die meisten, wollen sich die Annahme bei Gott verdienen.
Christen haben erkannt: Das ist nicht der Weg. Ich arbeite nicht mehr für meine Erlösung, weil ein anderer genug gearbeitet hat, alles vollbracht hat – Jesus Christus. Er hat den Himmel geöffnet.
Und wenn heute Morgen einzelne Leute unter uns sein sollten – ich kenne hier die wenigsten, die sich, im Bild gesprochen, noch nicht gesetzt haben –, dann möchte ich das mit aller Deutlichkeit an dieser Stelle sagen:
Du kannst rennen, solange du willst. Du kannst beten, opfern, weinen, fasten, ringen, dich kasteien, dich vorwärts und rückwärts überschlagen und religiöse Übungen machen – und du wirst auf diesem Wege niemals den Frieden mit Gott finden. Niemals. Du wirst nicht zur Ruhe kommen durch eigenes Tun und Arbeiten.
Erkenne: Jesus Christus hat alles getan. Du darfst dich setzen in seine Erlösung. Hör auf mit aller selbsterwählten Frömmigkeit, kehre um, vertraue allein auf seine Erlösung und auf ihn, den Erlöser – sitze!
Wandle: Der praktische Lebenswandel als Ausdruck der Berufung
Zweitens: Wandle! Wer sich im Glauben gesetzt hat, der soll aufstehen und wandeln. In dieser Reihenfolge – ab Kapitel vier – beginnt der praktisch-seelsorgerliche Teil des Epheserbriefs.
Vielleicht habt ihr selbst schon entdeckt, dass Paulus in all seinen Briefen zuerst einen lehrhaften, also dogmatischen Teil hat. Danach folgt ein zweiter, praktischer Teil. Im Epheserbrief sind diese Teile fast gleich lang. Die ersten drei Kapitel enthalten die Lehre, danach folgt der praktische Teil.
Im Römerbrief sind die ersten elf Kapitel lehrhaft, dann kommen fünf Kapitel über praktische Lebensfragen. Hier, ab Kapitel vier, schreibt Paulus: „Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid.“
Der Begriff „Wandel“ umfasst das gesamte Leben des Christen – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. In der Gemeinde, zu Hause, im Alltag, in der Schule, im Beruf, an der Universität, im Urlaub – das ganze Leben des Christen ist sein Wandel. Über diesen Wandel spricht Paulus nun.
Das Wort „Wandel“ kommt fünfmal vor. In der Theologie sehen wir es auf einen Blick fünfmal: Wir sollen wandeln würdig unserer Berufung (Kapitel 4), wir sollen wandeln im Kontrast zu den heidnischen Nationen – nicht so, wie die Heiden leben, nicht so, wie wir früher lebten, als wir ohne Gott waren in dieser Welt. Nicht so, wie die Weltmenschen leben, die rein im Diesseits, in diesem vordergründigen, materialistischen Leben sind.
Wir sollen wandeln in der Liebe, wandeln als Kinder des Lichts (Kapitel 5), und wandeln als Weise, die die Zeit auskaufen. „Carpe diem“ – das haben wir heute Morgen schon gehört: die Zeit auskaufen.
In den Kapiteln vier bis sechs kommt das Wort „sitzen“ kein einziges Mal mehr vor, dafür aber fünfmal das Wort „wandeln“. Wer sich zuvor gesetzt hat, der soll dann auch wandeln. Mit anderen Worten: Wer sich die Errettung hat schenken lassen, der will, darf und soll Gott aus Liebe und Dankbarkeit dienen.
Auch das hat uns wieder etwas zu sagen: Lehre und Wandel gehören nach der Schrift immer zusammen. Der Herr bewahre uns vor theologischen „Wasserköpfen“, die mit todrichtiger Lehre gefüllt sind, die aber nicht im Leben ausgeübt wird.
Manche Christen kennen Epheser Kapitel 1 bis 3 sehr gut, aber sie leben Kapitel 4 bis 6 nicht aus. Wir sollen wandeln. Wie sollen wir wandeln? Schauen wir uns gerade die ersten Verse in Kapitel vier an: „Wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, mit aller Demut und Sanftmut.“
Demut ist die richtige Haltung gegenüber Gott. Gott ist heilig – das haben wir heute Morgen gesungen. Er ist der große, lebendige, allmächtige Gott. Wir sollen in Demut gegenüber ihm wandeln. Sanftmut ist die richtige Haltung gegenüber unseren Mitmenschen: Langmut, Nachsicht, Liebe, Einheit, Frieden.
Diese edlen Gewächse werden hier genannt. Sie wachsen nicht auf unserem natürlichen Herzensboden. Aber Gott will diese Dinge durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt, durch den innewohnenden Christus in uns zur Ausprägung bringen. Er will uns umgestalten in das Bild Jesu Christi.
Interessant ist, wie Paulus den ganzen Bereich „Wandel“ angeht. Er beginnt mit dem Wandel in der Gemeinde, da, wo wir gelehrt und zugerüstet werden – wie es in Kapitel elf und zwölf heißt, wo Gott Männer berufen hat als Evangelisten, Hirten und Lehrer, die die Heiligen ausrüsten. Da beginnt unser Wandel.
Dann geht Paulus weiter zum ganz praktischen Alltag. Er spricht über den Umgang mit Lüge, Zorn, Diebstahl und all diesen Dingen, die zum Alltag gehören. Danach behandelt er Ehe und Familie – unser Wandel in Kapitel fünf – bis hin zur Kindererziehung. All diese Bereiche spricht Paulus an. Dort manifestiert sich unser Wandel. Dort wird deutlich, wie wir als Christen in all diesen Bereichen wandeln.
So spannt Paulus den Bogen bis hin zur geistlichen Waffenrüstung am Schluss des Briefes. Wie sieht ein Alltagsleben aus, das Gott gefällt? Ein Wandel, der möglich ist durch die Erhebung.
Paulus entfaltet das in einem bestimmten Kontext. Ich habe es auch farblich deutlich gemacht auf dieser Folie. Paulus sagt: Wir sollen nicht so wandeln, sondern so. Nicht so, nämlich wie die Heiden, wie die Nichtchristen, die Gott nicht kennen, die nichts wissen von Christus und vom Heiligen Geist.
Nicht so (Kapitel 4, Verse 17 bis 22), sondern erneuert euch im Geist eures Gemüts. Lasst euch immer wieder innerlich erneuern und auf Gottes Ziele ausrichten. Er sagt: Legt ab Lüge, Diebstahl und all diese Dinge. Sündigt nicht (Kapitel 4, Verse 25-31), sondern seid nachahmer Gottes.
Nicht wandeln in der Finsternis. Dann wird er ganz deutlich, was Leben in der Finsternis bedeutet: Es hat mit Unzucht, Unreinheit und Habsucht zu tun. Außerdem mit Unanständigkeit, albernem Geschwätz und Witzelei. Er kommt noch einmal auf die Habsucht zu sprechen.
Habsucht ist nach William MacDonald die Sünde, die nie bekannt wird. Sechzig Jahre lang hat er Sündenbekenntnisse abgenommen – und kein einziges Mal hat ihm ein Mensch Habsucht bekannt. Warum nicht? Weil wir das Sparsamkeit nennen, oder? Sparsamkeit ist gut, aber übertriebene Sparsamkeit nicht.
Über diese Dinge spricht Paulus hier: Sie gehören zur Finsternis. Er sagt nicht nur „nicht in der Finsternis wandeln“, sondern wandelt als Kinder des Lichts (Kapitel 5, Verse 8 bis 10). Nicht Gemeinschaft haben mit den Werken der Finsternis, sondern weise wandeln (Kapitel 5). Weise wandeln heißt, die Zeit auskaufen.
Wir wissen: Das Leben ist sehr kurz, und wir haben nur ein Leben. Die wenigen Jahre, die uns vielleicht noch bleiben, können wir ausnutzen, auskaufen, damit für den Herrn und seine Sache etwas unterm Strich herauskommt. Nicht mehr uns selbst leben, wie wir gestern gehört haben, sondern dem, der für uns gestorben und auferstanden ist.
Dann sagt Paulus noch: Nicht voll Wein trinken, nicht saufen. Ja, nicht vollaufen lassen mit Wein, Bier oder anderen Spirituosen, sondern voll Geistes werden. Mit derselben Selbstverständlichkeit, wie Christen sich nicht volllaufen lassen sollen, sollen sie voll Geistes werden.
Ihr seht, er baut einen Kontrast auf. So haben wir unser Alltagsprogramm für diese Woche: wandeln – nicht so, sondern so.
Christus als Vorbild und Orientierungspunkt
Ist euch aufgefallen, dass unser Herr möchte, dass wir an die Stelle des Bösen etwas Gutes setzen? Es reicht nicht aus, wenn wir uns nur krampfhaft bemühen, irgendetwas wegzulassen oder etwas nicht zu tun. „Oh, das darf ich nicht“, „das darf ich nicht“, „das darf ich nicht“ – davon muss ich mich enthalten, das darf nicht passieren. Das ist zu wenig.
Unser Herr möchte, dass wir an die Stelle des Bösen etwas Gutes setzen, Gutes tun und als Orientierungspunkt für unseren Wandel dient uns im Epheserbrief weder Abraham noch Mose, noch David, geschweige denn das alttestamentliche Gesetz. Stattdessen wird Christus, Christus und noch einmal Christus vor Augen gestellt.
Ist euch das schon mal aufgefallen, dass wir im Epheserbrief keine dieser wunderbaren alttestamentlichen Gestalten finden, die wir in anderen Briefen vor Augen gestellt bekommen? Im Römerbrief stellt Paulus Abraham und David vor Augen, im Hebräerbrief kommen fast alle vor, die im Alten Testament gewandelt sind. Das soll nicht heißen, dass wir nichts von den Männern und Frauen im Alten Bund lernen könnten – oh ja, selbstverständlich! Aber im Epheserbrief bringt Paulus keinen von ihnen, denn es soll nichts von Jesus Christus ablenken.
Auch zeigt er uns Christus ganz deutlich. Er sagt: „Ihr habt den Christus nicht so kennengelernt.“ Immer wenn es um den Wandel geht, stellt er uns Christus vor Augen. „Ihr habt den Christus nicht so kennengelernt“ – Kapitel 4, Vers 24, Kapitel 4, Vers 32. So wie Christus euch vergeben hat, so vergebt auch ihr. Nicht „wie du mir, so ich dir“, sondern „wie Christus mir, so ich dir“.
Im Alten Testament gilt die Regel: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Im Neuen Testament heißt es: „Liebe deinen Bruder, deine Schwester, wie Christus dich geliebt hat“, immer so, wie auch Christus gelebt hat. Er wird uns als Orientierungspunkt für unseren Wandel vorgestellt.
So wie Christus die Gemeinde geliebt hat, sollen wir als Ehemänner unsere Ehefrauen lieben – in dieser Gesinnung, in dieser Haltung. Auch wenn wir das natürlich in keiner Weise in der Vollkommenheit können, wie er die Gemeinde geliebt hat.
Dann wird das im Kapitel 5, Vers 14 zusammengefasst, und ich gestehe, ich habe lange Zeit Probleme mit diesem Satz gehabt. Ich wusste nicht, warum Paulus hier dieses Zitat bringt. Es ist offensichtlich ein Zitat. Kapitel 5, Vers 14: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und Christus wird dir leuchten.“ Manche übersetzen auch: „Der Christus wird dich erleuchten“, aber wohl besser: „Der Christus wird dir leuchten.“
Ich verstehe es inzwischen so: Nicht Mose wird uns leuchten mit seinem alttestamentlichen Gesetz. Jetzt war ich zu laut. Nicht die Lebensregel ist das Gesetz für uns, sondern Christus ist unsere Lebensregel. Er ist unser Orientierungspunkt. Auf ihn schauen wir. Wir ruhen in ihm, in seiner Erlösung, wir wandeln in ihm und richten uns in allen Dingen nach ihm aus. Er ist unser vollkommenes Vorbild.
Es gibt eine Stelle, die fast den ganzen Bereich, den wir jetzt hatten – den Wandel –, zusammenfasst. Sie ist nicht im Epheserbrief, aber wenn man sie gerade aufschlagen möchte: Erster Johannesbrief, Kapitel 2, Vers 6. Dort wird alles zusammengefasst, was über den Wandel eines Christen gesagt werden kann.
Eine der wichtigsten Stellen für mich im Neuen Testament: Erster Johannesbrief 2,6: „Wer sagt, dass er in ihm bleibe“ – wer sich gesetzt hat, in der Sprache des Epheserbriefs – „ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist.“ Wandeln, wie er gewandelt ist, Jesus Christus.
Er ist unser Vorbild, unser Orientierungspunkt. Wir schauen nicht auf Mose, wir leben nicht nach dem alttestamentlichen Gesetz. Nicht das Gesetz ist unsere Lebensregel. So sagt es der Holländer Feinfandrat in seinem feinen Büchlein: Christus ist unsere Lebensregel, er ist unser Orientierungspunkt. Auf ihn schauen wir, nach ihm wollen wir uns richten im Wandel. Wandel, zweitens, und...
Stehe: Der geistliche Kampf und das Standhalten im Glauben
Drittens: Stehe, sitze, wandle – stehe und sitze in der vollbrachten Erlösung Jesu, wandle im praktischen Gehorsam im Alltag und stehe gegenüber dem Feind. Hier haben wir klassisch zusammengefasst, was ein Christenleben ausmacht: Lehre, Wandel, Kampf.
Im Schlussteil von Kapitel sechs spricht Paulus von der sogenannten geistlichen Waffenrüstung, die uns natürlich allen bekannt ist. Darüber wird sehr oft gepredigt. Nennen wir sie alle „Frau Zee“. Beginnen wir hier noch einmal auf der Folie, damit wir das vor uns haben.
So steht nun, schreibt Paulus im Vers 14 im Imperativ: „Stehe!“ Es ist lehrreich, wie er das Thema angeht. Er zeigt uns zuerst die Quelle der Kraft, wie wir stehen können gegenüber dem Feind. In Vers 10 sagt er: „Werdet stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke.“ Wir können nur im Herrn stehen, bestehen und widerstehen – im Herrn.
Er beschreibt den Charakter des Feindes in Vers 12: Er ist listig. Wir haben nicht gegen Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen Mächte unter dem Himmel. Danach beschreibt er die sieben Teile der Waffenrüstung eines römischen Legionärs, mit der wir eben stehen, bestehen und widerstehen können. Darauf will ich nicht im Einzelnen eingehen, darüber wird, wie gesagt, oft gepredigt. Aber das ist Gottes Ausrüstung, die er uns gegeben hat, um auch einen geistlichen Kampf in dieser Welt bestehen zu können.
Manche Christen wissen gar nichts davon, dass Christsein auch mit einem Kampf zu tun hat, dass wir in Feindesgebiet leben. Wir kämpfen mit unserem alten Menschen, mit dem Fleisch, und auch mit manchen Dingen in dieser Welt, die eine Attraktion auf uns ausüben – auch auf uns Christen. Da brauchen wir uns nichts vormachen: Die Welt hat eine Anziehungskraft auf uns.
Bei dem einen ist es das, bei dem anderen etwas anderes. In jedem von uns steckt ein Stück Weltlichkeit – bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Und da liegen wir im Kampf mit bestimmten Dingen in dieser Welt, die Anziehungskraft ausüben. Das kann sogar das Briefmarkensammeln sein, das uns gefangen nehmen will. Es muss nicht immer gleich alles Mögliche ganz offensichtlich Sündige sein.
Ich will das nicht im Einzelnen ausführen, ich wollte nur diesen Dreiklang entfalten: Sitzen, wandeln, stehen. Ist euch etwas aufgefallen? Von liegen hat der Apostel Paulus nichts gesagt. Das kommt nicht mehr vor. Sitzen, wandeln, stehen – nicht liegen.
Unsere Väter haben gesagt: Danken schützt vor Wanken, Loben zieht nach oben, Zweifel sind vom Teufel, und Siegen kommt nicht vom Liegen. Ein schöner Vierzeiler, ja? Den können wir uns hinter die geistlichen Ohren schreiben als etwas Wichtiges für unser Leben:
Danken schützt vor Wanken,
Loben zieht nach oben,
Zweifel sind vom Teufel,
Siegen kommt nicht vom Liegen.
Vielleicht sind hier einige unter uns heute Morgen, die sollten sich erst einmal setzen – wirklich setzen – in die vollbrachte Erlösung und verstehen, was die Gnade Gottes vollbracht hat. Und das wirklich in ihr Leben hineinschenken lassen oder sich neu setzen.
Wenn Sie erkennen: „Ich bin zu viel herumgerannt in letzter Zeit, ich bin in Aktionismus verfallen, ich bin in Trubel geraten, in einen Strudel. Ich habe keine Stille mehr, ich bin ein hektischer Aktionist geworden“, dann müssen Sie sich wieder neu setzen, damit Sie innerlich zur Ruhe kommen.
Vielleicht sind auch manche da, die sollten anfangen zu wandeln. Sie sind zu lange gesessen und haben nicht gewandelt, und es ging nicht in ihr Leben. Sie müssen wieder neu anfangen, sich aufzumachen und zu wandeln – ganz praktisch.
Vielleicht hat der Herr heute Morgen einen Punkt in deinem Leben gezeigt. Vielleicht solltest du auch, wenn deine Verwandten das nächste Mal kommen, sie nicht nur mit einem guten Essen versorgen, sondern ihnen, so wie Kirsten, ein gutes Büchlein mitgeben – den Kindern und den Erwachsenen.
Das heißt wandeln – das kann man machen. Vielleicht ist es irgendein Punkt, auf den Gott dich aufmerksam gemacht hat.
Und vielleicht sind auch einige hier, die müssen neu lernen zu stehen. Sie sind im Bild gesprochen gerade am Boden, sie krabbeln oder liegen, bewegen sich auf allen Vieren, im Bild gesprochen. Es ist Gottes größte Freude, seine Kinder wieder aufzuheben, wenn sie gefallen sind.
Die unter uns, die Kinder haben, wissen, wie das ist, wenn sie laufen lernen. Sie fallen dann auch mal hin – in die Pfütze. Und wie habt ihr das mit euren Kindern gemacht? Habt ihr sie dann aufgehoben und gesagt: „So, du lernst das Laufen nie, wir tragen dich für den Rest deines Lebens“? Nein, das machen wir nicht. Wir klopfen sie ab, und dann geht es weiter, und sie lernen das Laufen.
So ist es Gottes größte Freude, seine gefallenen Kinder aufzuheben. Vielleicht ist jemand heute Morgen da, dem das gilt: Steh wieder auf und wandle, laufe deinen Lauf und lerne auch zu stehen und zu widerstehen, wo es sein muss.
Wollen wir miteinander, wenn es gesundheitlich geht, aufstehen und zum Schluss zusammen beten?
