
Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen.
Ich habe noch vier Gottesdienste auf dieser Kanzel, ehe meine Tätigkeit hier zu Ende ist. Dabei habe ich überlegt, was ich in diesen Gottesdiensten thematisieren könnte. Ich möchte vier ausgewählte Worte aus meinem Lieblingspsalm 34 nehmen.
Dazu lese ich Vers 3: „Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass es die Elenden hören und sich freuen.“ Über diesen Vers habe ich bereits beim Sängerfest gepredigt. Nun möchte ich gewissermaßen die Fortsetzung machen.
„Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass es die Elenden hören und sich freuen.“ Herr, heilige uns in deiner Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit. Amen.
Wenn man die Bibel aufmerksam liest – und ich hoffe, Sie tun das –, dann streichen Sie wenige Namen christlich aus Ihrem Leben nicht. Christen sind automatisch Menschen, die selbstständig in der Bibel lesen.
Wer die Bibel aufmerksam liest, dem fällt auf, dass die Menschen der Bibel eine Eigenschaft besitzen, die in der Welt einfach unbekannt ist. Diese Eigenschaft kommt im Sprachschatz der Zeitungen nicht einmal als Wort vor und ist so unbekannt. Diese Eigenschaft, die nur wirklichen Christen eigen ist, heißt Freudigkeit.
Was ist Freudigkeit? Preisausschreiben: Was ist Freudigkeit? Ich möchte Ihnen Zettel geben. Am Samstag schreiben Sie mal auf, was Freudigkeit ist. Paräsier – das ist ein mittelhochdeutsches Wort und bedeutet eigentlich Freidigkeit, also Freiheit. Jawohl, das hängt auch mit „frei“ zusammen.
Wir sagen Freudigkeit, und denken dabei an Freude. Man könnte sagen: Sie sind immer fröhlich. Das ist auch dabei, aber das allein drückt es noch nicht aus. Was ist Freudigkeit? Bedeutet es Mut zu haben? Das gehört auch dazu, ist ein Teil davon, aber es drückt es noch nicht richtig aus. Bedeutet es, Hoffnung zu sehen, wo andere grau in grau sehen? Auch das gehört zur Freudigkeit.
Das sind Worte, die sich schwer definieren lassen. Ich habe eine Zeit lang versucht, es mit Vitalität zu übersetzen. Das klingt menschlich so maßlos langweilig, verstehen Sie? Freudigkeit, so Petrus, nicht Vitalität. Aber Vitalität gehört auch dazu.
„Ihr werdet hüpfen wie die Mastkälber“, sagt die Bibel am Schluss des Alten Testaments. Ihr werdet hüpfen wie die Mastkälber – das ist Vitalität, von Gott geschenkt. Aber das ist auch noch nicht das, was in aller Welt Freudigkeit ist.
Fragen Sie einen Theologen, er gibt Ihnen eine Erklärung. Am Schluss sagen Sie: Das ist großartig, aber kapiert habe ich es nicht. Fragen wir lieber die Bibel.
Da ist also diese Szene. Sie haben dazu gehört, ich habe Sie extra gebeten, sich zu setzen, damit Sie das Geschehen in sich aufnehmen können.
Dort stehen die beiden Fischer Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat, der Prominenz ihres Volkes, angeklagt. Sie werden beschuldigt, mit der Botschaft von der Auferstehung Unruhe im Volk zu stiften. Wissen Sie, diese Botschaft bringt tatsächlich Unruhe. Dass bei uns die Christlichkeit keine Unruhe verursacht, liegt nur daran, dass kaum jemand die Auferstehung ernst nimmt.
Sie bringen Unruhe ins Volk mit der Botschaft von der Auferstehung Jesu. Nun sind sie also angeklagt. Die Männer sitzen da, streichen ihre Bärte und runzeln die Stirn. Sie fragen sich: „Warum könnt ihr das?“ Verzeihen Sie, ich kann es nur so ausdrücken: Da schmettert Petrus, dieser Fischer, der in höflichen Formen nicht besonders routiniert ist, dieser ganzen Prominenz ins Gesicht, dass es keinen anderen Heil gibt für die ganze Welt als in diesem Jesus.
Und nun kommt das, was mich interessiert. Sie sahen aber an die Freudigkeit des Petrus und wunderten sich. Man müsste meiner Meinung nach logisch weitergehen und sich wundern, dass sie freudig waren, wo sie doch Gefangene waren, in einer prekären, einer fiesen Lage – ich sage auf Deutsch, in einer dummen Lage.
Da heißt es aber: „Sie sahen an die Freudigkeit und wunderten sich“, weil sie wussten, dass die beiden ungelehrte Leute waren. Das heißt, die Schriftgelehrten und Ältesten Israels kannten das Wort „Freudigkeit“ noch. Sie hätten aber gesagt: Freudigkeit ist geistige Überlegenheit. Die kannst du unmöglich bei ungebildeten Fischern finden.
Verstehen Sie, das ist der Zusammenhang: Du kannst ja bei ungebildeten Fischern keine Freudigkeit erwarten. Freudigkeit ist geistige Überlegenheit, das gehört auch zur Freudigkeit. Und es ist das Phänomen, dass diese Fischer geistig überlegen sind.
Ah, meine Freunde, es ist nicht notwendig, dass wir Freudigkeit definieren oder genau sagen können, was Freudigkeit ist. Aber es ist sehr notwendig, dass wir sie haben. Sonst hat der ganze Christenstand keinen dreifachen Wert.
Und wenn ich nun Freudigkeit studieren will, dann muss ich den vierunddreißigsten Psalm lesen. Dieser Psalm ist mir seit meiner Zeit als junger Pfarrer, als ich meine ersten Enttäuschungen erlebte, unsagbar wichtig geworden – und zwar durch einen blinden Mann namens Tuckson, der mir diesen Psalm gewissermaßen nahegebracht hat.
Das ist der Psalm der Freudigkeit. Er wurde von David gedichtet, Psalm 34. Ich möchte ihn so als kleines Vermächtnis betrachten. Es sind ein paar Dinge, die ich ihm hinterlassen möchte, wissen Sie? Seltsamerweise hat David diesen Psalm in einer Zeit gedichtet, als er am Tiefpunkt seines Lebens war – als es nicht tiefer gehen konnte, als er wirklich zwischen Himmel und Erde keinen Platz mehr hatte, wo er bleiben konnte, und verzweifelt war.
Da hat er den Psalm der Freudigkeit geschrieben: „Ich will den Herrn loben allezeit. Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Meine Seele soll sich rühmen des Herrn.“ Und das ist, nun, nicht – verstehen Sie – ein unvernünftiger Enthusiasmus oder bloßer Komfort. Nein, der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochenen Herzens sind. Er ist nahe bei den Zerbrochenen und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.
Das heißt: Freudigkeit ist in keiner Weise abhängig von den Umständen. Ich kann krank sein, ich kann Zahnschmerzen haben, ich kann mein Geld verloren haben, ich kann, was weiß ich, im Examen durchgefallen sein – Freudigkeit ist da. Ich wünsche euch das nicht, aber Freudigkeit ist in keiner Weise abhängig von den Umständen.
Wovon denn, meine Freunde? In Psalm 34, unserem Vers, wird ein klein wenig gesagt von den Quellen, aus denen die Freudigkeit fließt.
Das war jetzt eine lange Einleitung. Nehmen Sie es nicht übel, aber ich muss Sie für letzten Sonntag ein bisschen ausnutzen.
Die Quellen, aus denen die Freudigkeit fließt – Überschrift, nicht? Drei Punkte.
Meine Seele soll sich rühmen des Herrn. Die erste Quelle, aus der die Freudigkeit fließt, ist die feste Gewissheit um den Herrn, das feste Wissen um den Herrn! Ich will Ihnen das ausführen.
Sehen Sie, für den modernen Menschen – modernen Menschen kann man ja beinahe nicht mehr aussprechen, ohne dass man lächeln muss, nicht? Also für den „modernen“ Menschen in Anführungsstrichen: Der doofste Mondkalb hält sich heute für einen modernen Menschen, nicht? Also für diesen modernen Menschen ist es selbstverständlich, dass alles, was mit Bibel, Christentum, Religion zusammenhängt, eine unklare und verschwommene Sache ist.
Ist doch klar, ist doch kein Wunder. „Ach“, sagt der moderne Mensch, „Christentum?“ Mich fragte ein Mann, ein Direktor hier von so einem Industriewerk: „Ich habe so viele Vorträge gehört über Christenaufrüstung, Christenwirtschaft, aber was ist denn Christ? Das weiß kein Mensch. Das ist das Verschwommenste, was es gibt.“
Ach, sagt der moderne Mensch, schon die vielen Konfessionen, nicht? Gehört zum Christentum Kardinalzüten und Bischofstäbe, Weihrauch und Orgeln? Oder ist das auch noch Christentum, wenn bloß ein Posaunenchor sitzt, einmal mit vier Zuchtposaunen, wie ich gehört habe? Die vielen Konfessionen!
Und dann die Unsicherheit der Kirche: Die Kirche hatte feierlich erklärt, sie sei gegen Aufrüstung, und jetzt hat sie alles – von Pazifisten bis zum Militärbischof. Was denn nun? Ja, was denn nun? Ach, sagen die Leute, Christentum ist so verworren.
Dann die vielen Sekten – nein, nicht Insekten, Sekten, verstehen Sie? Und dann geschieht das Merkwürdige: Viele von Ihnen sagen heute, da das alles verworren ist, mache ich mir ein eigenes Christentum. Und das ist der Gipfel aller Verworrenheit.
Wissen Sie, das höre ich als Pfarrer dauernd: „Ich glaube an den Herrgott, aber wie kann er alles zulassen? Also ist er vielleicht doch nicht da. Im Übrigen bin ich vorzüglich, aber selbstverständlich, Kirche muss sein. Ich kenne schon eure Zahlen und so.“ Das ist die Höhe aller Verworrenheit: Das Christentum, das sich der Mensch dann selber zurechtmacht.
Ich fasse noch einmal zusammen: Für die meisten Leute ist das Christentum ein quälartiges, nebelhaftes Gebilde, nicht ganz unnütz für die Erziehung der Kinder bis zum vierzehnten Lebensjahr, ein Gebilde, dem man sich mit Ehrfurcht fernhält. „Habe ich recht gesprochen, Genossen?“, fragen die Russen.
Und nun, wie anders der David! Bitte, wie anders der David! „Meine Seele soll sich rühmen des Herrn“ – da ist eine Spur von Nebel, eine Spur von Unglauben. Da ist einer, da ist einer, an dem mein Herz vor Freude überquillt. Da ist einer, der aus Nebel hervortritt, den ich deutlich sehe: der Herr, der Herr Jesus Christus.
Da ist einer, der mich liebt, der mich kennt, und den ich liebe und den ich kenne. Und da ist nichts mehr von Qualhaftigkeit und Nebelhaftigkeit, verstehen Sie? Da ist ein Stufenverhältnis von einer geradezu fantastischen Großartigkeit und Schärfe.
Darf ich zwischendurch sagen: Wundern Sie sich nicht, dass ich sage, David habe den Herrn Jesus Christus gekannt? Wer in der Geschichte zu Hause ist – das sind noch etwa sieben Prozent in Deutschland – der weiß, dass David über tausend Jahre vor dem Kommen Jesu gelebt hat. Wie kann er von Jesus reden?
Die Bibel muss durch die Bibel ausgelegt werden. In der Apostelgeschichte wird erzählt, dass Petrus eine Pfingstpredigt hält, und da sagt er – Apostelgeschichte 2, bitte lesen Sie nach –, dass David im Geist Jesus gesehen hat und von der Auferstehung des Gekreuzigten gepredigt, verkündigt, gesungen hat.
Das ist für mich maßgebend, nicht? „Meine Seele soll sich rühmen des Herrn“ – da ist einer, der Sohn Gottes, der Herr Jesus Christus. Da ist völlige Klarheit!
Sehen Sie, der Herr Jesus hat einmal ein schönes Wort gesagt, das ist wundervoll: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich erkennen, den du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus.“
Da kommt aus dem Nebel einer auf mich zu, mein Herz wird bewegt. Viele von Ihnen kennen ihn noch gar nicht, aber sie werden angezogen. Er tritt immer deutlicher heraus. Und nun erkenne ich ihn: mein Herr und mein Gott, Jesus, Sohn Gottes.
Das ist das ewige Leben, Jesus erkennen. Und ich sage Ihnen, das ist Freudigkeit. Wenn man aus diesem schrecklichen Gewirr von Religion und Christentum und Kirche und was weiß ich allem herauskommt und den Heiland gefunden hat, da ist keine Verworrenheit mehr.
Nun sagen Sie: „Ja, ja, wir kennen Jesus, sonst wären wir ja hier im Jugendgottesdienst. Ihr kennt Jesus.“ Da sage ich: Moment mal, wie kennt ihr ihn? Vom Hörensagen?
Ich kenne Kennedy, das ist der Präsident von USA. Ich weiß genau, was für eine tolle Frau er hat, und ich weiß, dass er einen Schaukelstuhl liebt und einige Schäden an der Bandscheibe hat und so, nicht? Unsere junge Generation von Politikern, die beunruhigend auf die Welt wirkt, das wissen wir alles. Aber er kennt meinen Namen nicht, hat nie mit mir gesprochen, ich habe nicht mit ihm gesprochen, nicht? Kenne ich ihn oder kenne ich ihn nicht? Ich kenne ihn vom Hörensagen, aber ich weiß bestimmt, dass er da ist, aber ich kenne ihn nicht.
Und so kennen die meisten von Ihnen den Herrn Jesus. Sie haben eine Menge von ihm gehört, sie haben vielleicht über ihn nachgedacht. Aber David ist ihm begegnet. Er ist von Ewigkeit beim Vater, er konnte David begegnen.
Ich danke Gott, dass hier Leute sind, die Jesus so kennen. Und ich will Ihnen ganz persönlich sagen: Ich hätte keinen Mut, vor Ihnen auf so eine Kanzel zu steigen, wenn ich nicht gerade eben noch mit ihm gesprochen hätte und ihn gebeten hätte, jetzt hier zu sein und sich meiner armen Predigt anzunehmen.
Das ist die Quelle der Freudigkeit: ein festes Wissen um den Herrn. Jesus am Kreuz gestorben, Jesus auferstanden aus dem Grabe, Sohn Gottes, ihn wirklich erkannt zu haben – das ist Quelle der Freudigkeit.
Und dieses Kennen Jesu, muss ich eben noch sagen, ist eine merkwürdige Sache. Vor dreißig oder vierzig Jahren habe ich ihn kennengelernt, oder fünfundvierzig, und auf einmal entdeckte ich: Ich kenne ihn schlecht.
Paulus drückt das so aus: In ihm liegen verborgen alle Schätze der Weisheit. Ich werde gar nicht mit ihm fertig. Zinsend darauf drückt das so wundervoll aus: Es ist der Glaube ein Eigending. Erst scheint’s für Kinder zu gering, weil ich Jesus Schäflein bin, und dann zerglaubt ein Mann sich dran und stirbt wohl, eh’ er es fassen kann.
So ist das mit Jesus kennen. Und dann zerglaubt ein Mann sich daran und begreift, dass er in eine Welt reingestoßen ist, die unendlich ist, nicht? Und stirbt wohl, ehe er es fassen kann.
Wir wollten nach den Quellen der Freudigkeit fragen. Das Erste ist ein gewisses Wissen um diesen Herrn, heraus aus der Nebelhaftigkeit aller religiösen Verworrenheit.
Zweiter Punkt
Quellender Freudigkeit, darf ich es so ausdrücken: eine unerbittliche Konsequenz im Denken. Eine unerbittliche Konsequenz im Denken.
Ich will den Herrn loben alle Zeit, das heißt, keinen anderen mehr! Wie Sie loben auch Jesus. Sie haben eben gesungen, es war erbärmlich, aber immerhin haben Sie ihn gelobt, nicht wahr? Aber Sie loben auch noch eine ganze Menge anderer Dinge, verstehen Sie? Und das ist die Inkonsequenz.
Was loben wir nicht alles? In meiner Seele soll sich das Rühmen des Herrn entfalten. Wir haben eine verzweifelte Neigung, uns an Politiker zu hängen. Meine Seele soll sich rühmen – Hitler, Adenauer – müssen wir seine Frau aussprechen hören? Adenauer? Meine Seele soll sich rühmen – Adenauer oder Willy Brandt. Wir haben eine verzweifelte Neigung, bei aller Christlichkeit, meine Seele soll sich rühmen irgendeines Menschen oder naja... Oder wir rühmen uns selber.
Wir haben eine verzweifelte Gabe, uns selber zu rühmen. Da geht ein junger Mann an der Schaufensterscheibe auf der Straße vorbei. Ich sehe, wie er hineinschaut, und jede Miene sagt: Sieh, wie hat mein Schöpfer mich so schön geschaffen, nicht wahr? Meine Seele soll sich – ja, nein, nein, ist ja nicht so – meine Seele soll sich rühmen. Wir rühmen uns unsere Abenteuer, unsere Geschicklichkeit als Geschäftsleute, unseren Reichtum, unseren Wagen.
Ich pflege zu sagen: Ein junger Mann rühmt sich seiner Kraft, und eine alte Oma, die es nicht mehr kann, rühmt sich einfach ihrer vielen Krankheiten. Jeder hat etwas zum Rühmen. Wagen – das ist das Tollste, was mir vorgekommen ist. Was mir jemand neulich erzählt hat: Wie unsagbar demütig und bescheiden er sei. Der hat sich seiner Bescheidenheit gerühmt. Stellen Sie sich das vor! Das gibt es wo? Kriegen wir hin!
Jetzt kommt mir etwas schrecklich Wichtiges: Meine Seele soll sich rühmen des Herrn. In diesem Wort, wenn Sie den ganzen Psalm lesen, steht als Hintergrund ein Bankrott. Ich kann mich nicht mehr der Menschen rühmen und nicht mehr meiner selbst rühmen. Der Hintergrund dieses Wortes ist eine abgrundtiefe Verzweiflung.
Bitte verstehen Sie: Der Hintergrund dieses Wortes ist eine Hölle. Und durch diese Hölle ist der junge Mann geführt worden, der David war. Damals war er ein junger Mann. Diese Hölle bestand darin, dass der Herr ihm sein eigenes Herz aufdeckte, in sein Licht stellte, und da konnte er nur noch singen.
Ich sage es mir im Wort Paul Gerhards: An mir und meinem Leben ist nichts auf dieser Erde, da sei er Liebe zu jeder Schändlichkeit. Ich sage, in ihrem Herzen ist die Anlage zu jeder Schändlichkeit. Er sah in seinem eigenen Herzen verzweifelte Gottlosigkeit. Er konnte nicht mehr rühmen, der David. Und er konnte nicht mehr rühmen Menschen.
Als er diesen Psalm dichtete, hatte David die grauenvollste Ungerechtigkeit erlebt vom König Saul, den er geliebt hat und dem er gedient hat. Und da hat er ihn verfolgt, listig, gemein. Und da ist ihm der Glaube an Menschen zerbrochen. Und jetzt sage ich: Wer überhaupt ein Mensch ist, dem der Glaube an sich selber zerbrochen ist und der Glaube an die Menschheit und an Menschen zerbrochen ist, der versteht, was das für ein Jubelschrei ist: Doch Herr, meine Seele soll sich rühmen des Herrn!
Ich versinke jetzt nicht im Pessimismus, da ist ein Heiland, Jesus! Mit einem naiven Lebensoptimismus unserer Tage kapiert man die Bibel ja gar nicht, mit diesem dummen Geschwätz: Man muss an Menschen glauben, an das Gute, an sich selber, an die Großen, an Omnibus. Damit kommt man der Bibel ja nicht bei.
Man muss die Realität sehen, dass wir an uns selber zerbrechen, wenn wir Gott sehen, und an Menschen zerbrechen. Und dann sagt meine Seele: Rühm des Herrn! Da ist einer.
Sehen Sie, das ist konsequent im Denken. Wir sagen, wir sind Christen. Natürlich sind wir Christen, das sehen wir hier nicht. Aber wir sagen: Rühm! Natürlich rühmen wir auch Jesus, selbstverständlich. Wir sind ja christlich. Wir rühmen uns selber und alle möglichen Leute. Und unter Politik verstehen wir also Hörigkeit – irgendeinen Politiker und Jesus auch natürlich.
David sagt: Meine Seele soll sich rühmen des Herrn allein. Jesus – das habe ich begriffen. Anders kann man von ihm gar nicht reden, als ihn wirklich in den Mittelpunkt zu stellen. Oder ich stecke es auf.
David kann etwa so sagen, wenn ich es auslege: Ich habe vor Gott entdeckt, dass mein Leben unrein ist. Aber dieser Jesus, der am Kreuz starb, ist meine Gerechtigkeit. Ich habe vor Gott nichts zu bringen als ihn. Ich bin ein Versager, ich bin jetzt überall fertig, als er den Psalm dichtet. Aber Jesus liebt mich.
Ich sitze in der Wüste bei einem Stein, habe nichts mehr, als er den Psalm dichtet. Aber Jesus kennt mich und liebt mich. Ich kann Menschen nicht mehr glauben, sie haben mich grauenvoll enttäuscht. Aber Jesus enttäuscht mich nicht und lehrt mich, diese Menschen zu lieben.
Wissen Sie, wenn einer anfängt mit Menschenverachtung, dann sage ich: Was bist denn du für ein Typ? Jesus lehrt mich, diese Menschen zu lieben, an denen ich zerbrochen bin.
Meine Seele soll sich rühmen des Herrn. Ach, wissen Sie, ich wünschte uns allen diese Konsequenz im Denken unseres christlichen Glaubens.
Habe ich mit Jesus zu tun? Fasse ich: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab, dann soll dieser Sohn mein Herr sein. Dann will ich nicht ruhen, bis ich ihn erkenne als die Offenbarung Gottes, bis ich einsteige in die Tiefe seiner Erkenntnis. Dann soll er mein Leben bestimmen.
Lassen Sie mich noch kurz ein letztes sagen – verzeihen Sie, es wird vier Minuten zu lang, aber das ist nicht einfach Alterserscheinung.
Darum gehe ich, verstehen Sie, die Quellen der Freudigkeit an. Die Quellen der Freudigkeit: ein gewisses Wissen um den Herrn, nicht mehr eine verborene Religion, sondern klare Konsequenz im Denken. An dieser Stelle: Jesus, dann Jesus alleine. Und dann höre ich auf.
Was noch anderes zu rühmen? Dann ist er die Freude meiner Seele.
Und drittens: Freudigkeit entsteht aus einer tiefen Erfahrung mit dem Herrn, aus einem Geheimnis mit ihm, aus einem Erlebnis mit ihm. Meine Seele soll sich des Herrn rühmen. Spüren Sie das nicht? Zwischen den Zeilen spricht es: Ich habe mit diesem Herrn Jesus ein gemeinsames Erlebnis, das mich an ihn bindet.
Als ich noch ein junger, unbekehrter Bursche war, hat mich das bei Christen immer wieder fast geärgert, dass so reife, erfahrene Christen ein letztes Geheimnis mit dem lebendigen Herrn hatten, das ich nicht kannte und in das ich nicht eindringen konnte. Der Christenstand hat dieses Geheimnis, diese Erfahrung mit dem Herrn. Hiob drückt es aus: Das Geheimnis des Herrn stand über meiner Hütte.
Ich kann anderen viel bezeugen. Worin besteht das Geheimnis? Lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlich machen. Jedes Jahr bekomme ich eine Postkarte oder einen Brief von einem kleinen Nest, weit ab von der Bahn. Ich glaube, da fährt kein Omnibus hin. Es liegt an der Schweizer Grenze, hinter Waldshut, dort, wo die Welt aufhört, in einem Grenzgebiet namens Aselfingen. Keiner von Ihnen weiß, wo Aselfingen liegt. Ich glaube, sogar der Postminister hat es in seinem Buch vergessen.
Und jedes Jahr kommt von dort ein Brief von einem Mann, der so ein kleines Lädchen betreibt, in einem Dorf, wo es alles gibt – vom Hering bis zu Peitschen für die Kühe. Wie kommt das? Im Jahr 1915 waren wir junge Soldaten. Plötzlich schlug eine Granate mitten unter uns ein, friedlich schanzende Leute, die nichts Böses ahnten. Wir waren einen Tag vorher angekommen und hatten keine Ahnung vom Krieg. Das war ein Schock. Die meisten waren tot. Ich sehe noch einen wegrennen, dem der Unterkiefer weggerissen war, der so gurgelnd schrie.
Ich fühlte mich heil. Und jetzt wollte ich weg, denn der nächste Schuss konnte jeden Augenblick kommen, wenn die Batterie hergerichtet war. Wir waren offenbar eingesehen, ich wollte weg. Da trafen mich die Augen von einem jungen Kerl, auch etwa achtzehn Jahre alt, der da lag, dessen Bein zerschmettert war. Er sah mich nur an. Ich hatte solche Angst, ich bin kein Held, aber ich kroch doch zu ihm hin.
Man war offenbar eingesehen. Dann kroch er auf meinen Rücken, und so trug ich ihn den Bärchen hinunter, den Berg hinunter, überströmt vom Blut dieses jungen Mannes. Seitdem schreibt er mir jedes Jahr. Wir sprechen nicht von dem Erlebnis, das ist lange her und uns allen entschwunden, aber es hat uns verbunden.
Darf ich sagen, so ist es zwischen einer gläubigen Seele und dem Herrn Jesus? Also sage ich: zwischen mir und Jesus, zwischen Jesus und mir. Ich lernte eines Tages das Feuer des Gerichts Gottes kennen. Kennen Sie das nicht? Die Angst, dass man in die Hölle kommen kann, kennen Sie das nicht? Sind Sie so blind?
Wissen Sie, was der Zorn Gottes über unsere Sünden, unsere Selbstsucht, unseren Egoismus, unser widerliches Wesen ist? Auf einmal war das Feuer des Gerichts Gottes auf mir. Dann kam Jesus und trug mich heraus. Er trug mich für Zeit und Ewigkeit aus dem Feuer des Gerichts Gottes. Er hat am Kreuz meine Schuld weggetragen.
Es gibt in der Bibel Worte, die so schön sind, dass sie in keinem Literaturbuch sonst stehen könnten: Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten. Je älter ich werde, desto schöner erscheint mir dieses Wort – nicht nur ästhetisch, sondern auch inhaltlich, so dass einem schwindelig werden könnte.
Die Strafe liegt auf ihm. Man steht vor dem gekreuzigten Heiland mit der Dornenkrone, auf dass wir Frieden hätten. Er hat mich in Frieden getragen. Das ist die Quelle der Freudigkeit: Vergebung der Sünden durch Jesu Blut, Vergebung der Sünden durch Jesu Blut.
Wurschteln Sie nicht weiter, sondern ruhen Sie nicht, bis Sie das Feuer des Gerichts Gottes kennenlernen – aber dann die Vergebung der Sünden durch das Blut des Lammes, der am Kreuz stirbt. Das gibt Freudigkeit.
Ich schließe mit einem Freudigkeitsvers von Paul Gerhard. Dort zeigt er auf den gekreuzigten Herrn Jesus, der das ausgelöscht hat, was mit sich den Tod führt. Er ist der Rhein, der mich wäscht und weiß wie Schnee macht, was das Blut droht.
Jetzt kommt’s: In ihm darf ich mich freuen, habe einen Heldenmut und darf kein Gericht scheuen, wie sonst ein Sünder tut.
Lassen wir uns beten. Ach, Herr, hilf uns, aus den Worten, aus den Gedanken, aus den Nichtigkeiten und aus dem Geschwätz herauszukommen. Führe uns hinein in die Realitäten, in die Wirklichkeit deines Gerichts, deiner Gnade und deiner gnädigen Gegenwart. Amen.