Einführung in das richtige Beten
Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 219: Das Vaterunser, Teil eins – Einführung.
Wir wissen inzwischen, wie wir nicht beten sollen: nicht als Heuchler und nicht als Plappernde. Gebet ist keine Show, und es geht beim Gebet nicht darum, Gott durch die Menge meiner Worte zu manipulieren.
Kommen wir heute zu der Art von Gebet, die wir sprechen sollen. Dazu vier Vorbemerkungen zu dem, was wir „Vater Unser“ nennen.
Vorbemerkung eins:
Vorbemerkung eins: Das Vaterunser im Neuen Testament
Im Neuen Testament betet niemand das „Vaterunser“. An keiner Stelle heißt es, dass die Gemeinde zusammenkam und zum Beispiel mit einem Vaterunser den Gottesdienst abschloss. Auch der Herr Jesus selbst erweckt nirgends den Eindruck, dass er das Vaterunser wortwörtlich gebetet hätte. Wenn er betet, dann spricht er frei und bringt seine Anliegen mit eigenen Worten vor Gott.
Ja, das Vaterunser wird recht schnell zum rituellen Gebet der frühen Kirche. Bereits in der Didache, einer frühchristlichen Schrift aus dem ersten Jahrhundert, finden wir die Aufforderung, dass Christen nicht nur am Mittwoch und Freitag fasten, sondern auch dreimal am Tag das Vaterunser beten sollen. Wie leicht eine solche Aufforderung ein Gebet in heidnisches Geplapper verwandeln kann, weiß jeder, der sich aus einer der Großkirchen heraus bekehrt hat.
Im Gegensatz dazu finde ich es interessant, dass sich weder in der Apostelgeschichte noch in den Briefen ein Hinweis darauf findet, dass es beim Vaterunser um einen Gebetstext geht, den wir wörtlich rezitieren sollen.
Vorbemerkung Nummer zwei.
Vorbemerkung zwei: Die Struktur des Vaterunsers
Das Vaterunser präsentiert uns eine klare Struktur. Im Neuen Testament gibt es zwei Stellen, an denen der Herr Jesus das Vaterunser seinen Jüngern vorstellt. Die beiden Texte unterscheiden sich leicht voneinander. Ich lese sie einmal vor.
In Lukas 11,2-4 heißt es:
Er sprach aber zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, unser nötiges Brot gib uns täglich, und vergib uns unsere Sünden, denn auch wir selbst vergeben jedem, der uns schuldig ist, und führe uns nicht in Versuchung.
In Matthäus 6,9-13 steht:
Betet ihr nun so: Unser Vater, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben, und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns von dem Bösen.
Es fällt sofort auf, dass Matthäus eine längere Version überliefert. Es scheint beim Vaterunser also nicht auf die genauen Worte anzukommen, sondern auf das, was beide Versionen gemeinsam haben: die Struktur beziehungsweise die Reihenfolge der Themen.
In diese Richtung zielt auch die Formulierung aus Matthäus 6: „Betet ihr nun so.“ Das „nun so“ bezieht sich nicht auf Worte, sondern auf Konzepte. Es geht beim Vaterunser nicht darum, ein Ritual einzuführen, sondern den Jüngern beizubringen, wie man betet beziehungsweise wie man seine Gebetsanliegen findet und sinnvoll sortiert.
Und genau das wollen die Jünger ja auch lernen, wenn sie zu Jesus kommen. In Lukas 11,1 heißt es:
Und es geschah, als er an einem Ort war und betete, da sprach, als er aufhörte, einer seiner Jünger zu ihm: „Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte.“
Was ist hier passiert? Die Jünger beobachten den Herrn Jesus, wie er betet. Sie sind fasziniert von seiner Art, mit Gott zu reden, und wollen, dass er ihnen diese für sie fremde Art des Gebets beibringt. Sie halten diesen Wunsch für völlig normal, weil Johannes der Täufer seinen Jüngern auch das Beten beigebracht hatte.
Für sie gehört es also zu den Aufgaben eines Rabbis, seine Schüler in der Kunst des Betens zu unterweisen. „Herr, lehre uns beten“ – so lautet ihre Bitte.
Vorbemerkung Nummer drei.
Vorbemerkung drei: Die Bedürfnisse des Betenden im Vaterunser
Das Vaterunser entspricht unseren Bedürfnissen. Es geht dabei nicht darum, es wörtlich aufzusagen, sondern darum, dass der Herr Jesus uns eine Struktur für unser persönliches Gebet präsentiert. Wir dürfen davon ausgehen, dass diese Struktur unserer Seele genau den Input gibt, den sie täglich braucht.
Für mich ist ein tägliches Gebet nach dem Vaterunser eine gute Gewohnheit, um geistlich und auch psychisch gesund zu bleiben. Man kann das gerne anders sehen, aber wir dürfen nicht vergessen: Wir reden hier über den Schöpfergott, der uns beibringt, wie wir mit ihm reden sollen. Was könnte klüger und wertvoller sein, als sich an seinen Rat zu halten?
Deshalb möchte ich uns das Vaterunser kurz vorstellen. Man kann es auf verschiedene Weisen einteilen. Ich orientiere mich zum leichteren Merken an meinen Fingern: fünf Finger, fünf große Themen. Diese fünf Themen stelle ich euch am weniger bekannten Lukas-Text vor.
Lukas 11,2: Er sprach aber zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name. Unser Gebet soll mit Gott beginnen – mit Anbetung, Dank und Lobpreis. Auf diese Weise richten wir unser Herz regelmäßig auf Gott aus. Das bewahrt uns vor Götzendienst und fördert in uns Gottesfurcht.
Lukas 11,2: Dein Reich komme. Zuerst kommt die Anbetung, dann das Reich Gottes – also Mission, Evangelisation, die Heiligung und Bewahrung der Gläubigen, das Wachstum der Gemeinde, kurz: Fürbitte. Dieser zweite Teil ist in meinem Gebetsleben durchaus der allergrößte. Die Fürbitte bewahrt mich davor, den Fokus im Leben zu verlieren und eigene Ziele zu wichtig zu nehmen.
Lukas 11,3: Unser nötiges Brot gib uns täglich. Nach der Fürbitte folgt die Bitte. Ich bekenne meine Abhängigkeit und schaffe Raum dafür, dass Gott mich beschenkt.
Lukas 11,4: Und vergib uns unsere Sünden, denn auch wir selbst vergeben jedem, der uns schuldig ist. Punkt vier: das Thema Sünde – meine eigene und die anderer Leute. Mein Schutz vor Selbstgerechtigkeit und Groll, oder anders ausgedrückt: mein tägliches Bekenntnis zu Heiligkeit und Barmherzigkeit.
Lukas 11,4: Und führe uns nicht in Versuchung! Der Abschluss meiner Gebetszeit. Wie wir sehen werden, geht es hier darum, ein weises und bewahrtes Leben zu führen, das nicht von Eigenwilligkeit und Furchtsamkeit bestimmt wird.
Fünf Finger, fünf Punkte: Anbetung, Fürbitte, Bitte, Sünde und Segen. Mehr dazu in den kommenden Episoden. Heute schon einmal der Gedanke, dass meine Seele genau das jeden Tag braucht.
Vorbemerkung Nummer vier.
Vorbemerkung vier: Das Vaterunser in der Gemeinschaft
Das Vaterunser in der Gemeinschaft
Auch wenn das Vaterunser in erster Linie der Strukturierung von Gebeten dient, dürfen wir es natürlich auch allein oder gemeinsam im Gottesdienst sprechen. Das ist nicht verboten. Wichtig ist nur, dass wir nicht gedankenlos oder mechanisch beten.
Was könntest du jetzt tun? Du könntest das Vaterunser auswendig lernen. Die liturgische Form findest du im Internet.
Das war es für heute. Bete dafür, dass durch dich und deine Gemeinde in diesem Jahr Menschen zum Glauben kommen. Bete für ungläubige Freunde. Der Herr segne dich, schenke dir seine Gnade, und lass dich in seinem Frieden leben. Amen.