Einführung und Textvorstellung
Nach der Ordnung unserer Kirche ist uns heute der Abschnitt aus Markus 3 wichtig. Wir finden ihn in unseren Gottesdienstinformationen auf der ersten Innenseite.
Es kamen zu Jesus seine Mutter und seine Brüder und seine Schwestern. Sie standen draußen, schickten zu Jesus und ließen ihn rufen, während das Volk um ihn saß. Sie sprachen zu ihm: „Siehe, deine Mutter, deine Brüder, deine Schwestern draußen fragen nach dir.“
Er aber antwortete ihnen und sprach: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?“ Dann sah er ringsum auf die, die im Kreis um ihn saßen, und sagte: „Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ (Markus 3,31-35)
Der Wille Gottes und seine Bedeutung
Liebe Gemeinde,
wenn wir hören, wer den Willen Gottes tut, denken wir schnell an die zehn Gebote oder daran, dass man anständig sein muss. Manchmal denken wir auch daran, dass man sich weltweit für die Beseitigung der Nöte der Welt einsetzen sollte.
Jesus sagt: Wer mir zuhört, der tut den Willen Gottes. Das ist eindeutig. Gott hat gesagt: Das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören und nachahmen. Schon Mose hatte angekündigt: Einen Propheten wie mich wird Gott erwecken. Dem will ich meine Worte in den Mund geben, und ihr sollt ihn hören.
Die heilige Stunde war angebrochen, als die Menschen rings um Jesus saßen und das Prophetenwort in Geltung trat: Neiget eure Ohren zu mir und hört mir! Hört, so werdet ihr leben! Das war der Wille Gottes, dass die Menschen zur Kenntnis nehmen sollten, was Gott ihnen im Auftrag Gottes sagen wollte.
Jesus hat auch nicht seine Mutter im Regen stehen lassen. Noch sterbend am Kreuz hat er seinem Lieblingsjünger Johannes gesagt: Sie ist deine Mutter, sorge für sie. Und der Bruder Jakobus wurde später zur Säule der Urgemeinde in Jerusalem.
Das heißt schon in der Apostelgeschichte 1, dass die Geschwister Jesu die Grundlage waren, aus der die Christenheit gebildet wurde.
Persönliche Reflexion: Vorrang des göttlichen Willens
Ich habe zwei Gedanken erhalten, wie noch nie zuvor. Zuerst einmal hat das, was Gott will, Vorrang – und zwar absolute Vorrang!
Ich muss zugeben, ich wäre versucht gewesen, als mein Jesus gesagt hat: „Da draußen sind deine Brüder und Schwestern, deine Familie ist zum Besuch gekommen.“ In mir steckt noch so viel Koffernasieblut, dass ich gedacht hätte: Tolle Chance! Also, einen Augenblick mal, wir wollen zuhören – eine tolle Überraschung, meine Familie! Ich weiß gar nicht, ob ihr meine Familie kennt: Da ist meine Mutter, die Magd des Herrn, und meine Brüder Johannes, Josef, Simon, meine Schwestern. Ihr müsst mal den Jakobus kennenlernen. Ich will euch noch nichts verraten, aber er wird in der Geschichte der Christenheit eine große Rolle spielen. Darüber spreche ich aber noch nicht. Schaut ihn euch genau an – so hätte ich vielleicht gesagt.
Aber nun habe ich gelernt – man lernt ja im Alter nie aus – dass das nicht zusammenpasst. Heilige Stunden vertragen keine Gags. Heilige Stunden brauchen keine belebenden Spritzen. Martin Luther hat bei der Einweihung der ersten evangelischen Kirche, der Schlosskirche von Torgau, die grundlegenden Worte gesprochen: „Auf dass hier nichts anderes laut werde, als dass Gott durch sein Wort zu uns redet und wir in Gebet und Singen mit ihm reden.“ Nichts anderes!
Heilige Stunden – das hat Foren, die Vorfahren der Korntaler, noch gewusst. Wir haben es an der Stirnseite unseres Saals: Heiligkeit ist die Zierde seines Hauses, nicht alles Mögliche. Heiligkeit heißt, dass Gott da ist – er selbst. Der Schmuck, den du in deiner Wohnung hast, ist lauter Himmel. Hier ist Gottes Gegenwart.
Die Bedeutung heiliger Stunden und Gottesdienstbesuch
Jesus will, dass das Vorrang hat: Jesus, deine Mutter, deine Brüder, deine Schwestern. Nein, wenn heilige Stunden sind, wenn es darum geht, was Gott uns mitteilen will, dann dürfen nicht einmal die engsten Blutsverwandten stören.
Das verträgt keine Störung. In diesen Momenten sollen wir bereit sein zuzuhören, damit wir mitbekommen, was Gott uns sagen will. Das habe ich aus diesem Abschnitt gelernt. Ich muss bekennen, dass ich in meinem langen Leben als Christ oft genug auf den Gottesdienstzettel geschaut habe: Wer predigt denn? Oder kann ich woanders hingehen? Oder was sagen denn die Kerntaler? Wo ist der Chefbuch, wenn ich nicht auftauche?
Vielleicht war das der Grund, warum ich gekommen bin. Oder weil man nachher viele Freunde getroffen hat.
Jetzt habe ich gelernt: Gottesdienstbesuch ist keine bloße Sitte. Man besucht den Gottesdienst nicht, weil einem gerade danach ist – und oft ist einem nicht danach – sondern weil Gott es will, dass er mit mir reden kann. Der heilige Gott will, dass ich Jesus und sein Wort kennenlerne.
Wohl dem, selig sind, die mein Wort hören und bewahren. Vorrang für das, was wichtig ist.
Jesus als Bindeglied und Sehnsucht nach Gemeinschaft
Und weiter, zweitens, was mir wichtig geworden ist: Jesus möchte uns als seine Angehörigen wissen.
Jesus sah sich um zu den Menschen, die um ihn herum waren. Dreimal wird betont, dass sie rings um ihn gescharrt waren. Diese Menschen sind für ihn wie Mutter, Brüder und Schwestern. Die Mutter ist die engste Verbindung, die es gibt. Wie sehr sehnt sich ein kleines Kind, wie die Nele Sophie, nach ihrer Mutter.
Auf den Schlachtfeldern der beiden Weltkriege war oft das Letzte, was Schwerversehrte vor dem Sterben geschrien, gebetet oder gestammelt haben, das Wort „Mutter“. Diese engste Bindung zeigt sich in der tiefen Sehnsucht. Jesus will nicht bloß ein religiöser Rahmen sein, sondern Mensch. Er sagt: „Jetzt will ich mit euch verbunden sein, merkt ihr das nicht?“
Jesus nimmt das noch einmal auf und sagt: Nicht nur denen will ich wie eine Mutter sein. Ich habe immer das Psalmwort gern: „Bei dir, oh Gott, ist meine Seele ruhig und still geworden wie ein Kind bei seiner Mutter.“ Aber Jesus sagt noch mehr: „Dies sind mir wie eine Mutter, nach denen sehne ich mich.“
So wie sich ein Kind in tiefster Muttersehnsucht nach seiner Mutter sehnt, so ist es, wenn man schwer krank auf der Intensivstation liegt, an Leib und Seele kaputt. Dann denkt man: „Wann kommen denn meine Angehörigen? Wann kommen sie endlich?“ Dieses Sehnen danach, verbunden zu sein, beschreibt Jesus mit den Worten: „So sehne ich mich nach euch.“
Abschied und Hoffnung auf Wiedersehen
Am kommenden Dienstag wird in Hemmingen unser Bruder Dr. Willi Ehret beerdigt. Er war einer der begabtesten und hilfreichsten Entwicklungshelfer. Zunächst war er missionarisch tätig, später wurde er von der Gesellschaft für Entwicklungshilfe an Land gezogen. Er hat Modelle geschaffen, die für die gesamte Entwicklungshilfe in der Dritten Welt von großer Bedeutung sind.
Jetzt ist er zusammen mit seinem Freund von Räubern ausgeraubt und erschlagen worden.
In der Zeitung haben Sie gelesen, dass die Familie bei der Beerdigung nicht nur schwarze Kleider wünscht. Das liegt daran, dass es für die Familie schmerzlich ist, ihren Vater und Ehemann zu verlieren und loszulassen. Dennoch wissen sie, dass für ihn gilt, was Jesus gesagt hat: „Ich will euch wiedersehen!“
Was wir uns immer bei den Angehörigen wünschen, ist ein Wiedersehen. Jesus sagt: „Ich will euch wiedersehen!“ Das soll uns trösten, auch wenn wir gerade im Sterben liegen. Wir sollen wissen, dass Jesus sich nach uns sehnt.
Wir wünschen das auch Nele, Sophie und uns allen: dass wir dieses Sehnen ernst nehmen und ganz neu mitnehmen – auch aus dem heutigen Gottesdienst. Ich will es einfach gelten lassen, dass Jesus sich ganz eng mit mir verbinden will.
Amen!
