Letztes Mal bei der Doppeldecker-Crew.
Wer bist du denn?
Fenrir. Wollt ihr mit zum Fischen? Ich bin gerade auf dem Weg zu meinem Boot.
Oh ja, super gern.
Was haben die Leute im Dorf wohl gegen dich?
Ich denke, ich komme ihnen ziemlich fremd vor.
Obwohl du hier aufgewachsen bist?
Gerade deshalb. Klar wäre es leichter, mitzuspielen und sich so mit den Leuten gutzustellen. Aber daraus entstehen keine echten Freundschaften.
Mit Jesus und seiner Hilfe schon.
So viel Wasser, da will ich nicht rein.
Das ist schwer, muss ein großer Fang sein.
Dann dreh lieber langsamer.
Es geht schon, irgendwas stimmt da nicht.
Sammy! Wo rennt der hin?
Oh oh, nirgendwohin, sondern weg, von dem da.
Der Postbote hat mir den Brief persönlich gegeben. Ich dachte, ich bringe ihn gleich her.
Das Gutachten gibt Herrn Reinhardt in allen Punkten Recht.
Das heißt, die Scheune steht wirklich auf der Grenze und damit zum Teil auf seinem Grundstück?
Sie haben mir gerade noch gefehlt.
Was haben Sie, Beck? Darf ich denn nicht in meinem eigenen Garten herumlaufen?
Das ist nicht Ihr Garten!
Da muss ich dich aber enttäuschen, Klein. In diesem Brief vom Bärmachergericht steht genau das drin. Und ich weiß, dass euer Onkel so einen auch bekommen hat.
Es ist nur mein Onkel.
Na dann! Aber nun im Ernst, Beck, ich habe vor, einen Pool zu bauen und will zügig loslegen. Sehen Sie zu, dass diese Bruchbude von Scheune bald verschwunden ist.
Das Geld, das Sie mir schulden, können Sie überweisen. Oder Sie zahlen aber direkt die Rechnung für den Pool.
Einen Schritt nach dem anderen, ja? Zunächst – und das steht auch in dem Brief – muss noch geklärt werden, ob ich überhaupt haftbar gemacht werden kann. Vorher bekommen Sie keinen Cent von mir.
Ja, gib sie, Mike! Halte ich bitte da raus, Fell.
Entschuldigung.
Außerdem werde ich das Urteil noch mal prüfen lassen. Bis dahin bleibt hier jeder Stein auf dem anderen. In den nächsten vier Wochen haben Sie hier nichts verloren.
Das werden wir ja sehen.
Eine Sache noch, bevor Sie gehen.
Was denn?
Lassen Sie es uns nicht schlimmer machen, als es ist, und freundlich bleiben.
Gern. Überlassen Sie mir einfach freundlicherweise sofort, was mir gehört.
Ich habe Ihnen nichts Böses angetan in diesem ganzen Prozess, nicht seit Sie den Baum gefällt haben, vorher auch nicht.
Ich werde nun tun, was ansteht, um die Sache anständig abzuschließen.
Wir haben hier einiges zu besprechen. Nehmen Sie sich ruhig noch ein paar Kekse mit.
Nein, danke. Ihr entsetztes Gesicht zu sehen, ist mir süß genug.
Damit verlässt der unsympathische Nachbar die Scheune.
Mike lässt sich in den Sitzsack sinken. Marie, Philipp, Toni und Gudrun sehen ihn erwartungsvoll an.
Ihr wart dabei, ihr wisst alles.
Das ist echt schlimm. Wie konnte es nur so weit kommen?
Ich weiß es nicht. Ich will kurz mit Gott darüber reden.
Ja, okay.
Und, hat Gott dir direkt geantwortet?
Ja, Gott hat mich daran erinnert, dass er größer ist als jede Schwierigkeit. Ich darf mich auf ihn verlassen.
Das wird für mich immer schwieriger zu glauben.
Für mich auch. Müsste Gott nicht irgendwann mal eingreifen und den Nachbarn aufhalten?
Vielleicht erlaubt Gott auch, dass das passiert, weil der Mike was ganz anderes sagen will.
Vielleicht was Wichtiges.
Wichtiger als die Scheune? Die Doppeldeckerlounge?
Vielleicht.
Aber du sagst doch immer, dass Gott gut ist. Braucht er da wirklich so brutale Methoden?
Ich habe nicht auf alles eine Antwort. Aber mich wirklich auf Gottes Treue zu verlassen, das ist doch in schweren Zeiten viel mehr wert als in leichten.
Hoffentlich stimmt das.
Ich glaube schon.
Boah, Herr Reinhards fieses Lachen hat mir fast noch mehr Angst gemacht als der Bär in der Geschichte. Wie geht es denn mit dem eigentlich weiter? Ich will es euch gern erzählen.
Sicher, Mike? Brauchst du noch etwas?
Ich komme zurecht, danke, Gudrun.
Dann gehe ich mal Amy die Nachrichten überbringen. Wir sehen uns später.
Ja, bis dann. Tschau.
Bereit?
Schon. Fangen wir erst mal an. Der Bär in der Geschichte ist nämlich für die eine oder andere Überraschung gut. Eine erwartet euch in eben diesem Moment.
Ich sehe fast nur einen Schatten, aber der kommt näher. Können wir nicht doch weglaufen? Ganz langsam?
Bitte bleibt stehen und schaut mal genau hin!
Angestrengt starrt Marie in die Dunkelheit. Im schwachen Schein von Fenriers Hüttenbeleuchtung erkennt sie außer einer Silhouette nicht viel. Das ändert sich, als der Bär am Ufer ist und aus dem Wasser tapst.
Das ist aber ein kleiner Riesenbär. Es ist noch ein Baby. Super niedlich.
Ich bin mindestens doppelt so niedlich.
Ein Baby nicht, aber noch sehr jung.
Vorsicht, er kann schon zuschnappen, jagen wird er uns aber nicht.
Hu, bin ich erleichtert. Zu denken, da ist ein riesiges Raubtier, und nicht wegzulaufen, das fühlt sich irgendwie falsch an.
Stimmt, aber ein echter Eisbär, wie cool ist das denn?
Meinst du, ich kann ihn streicheln, Fenrir?
Nein, bloß nicht, es ist immer noch ein wildes Tier und damit unberechenbar.
Fenris Antwort war überraschend scharf. Toni wundert sich darüber und hakt nach.
Ist da noch ein anderes Problem?
Leider ja. Island ist kein guter Ort für einen Eisbären.
Wieso denn?
Bestimmt können wir irgendwo melden, dass er hier ist, dann wird er nach Hause gebracht.
Woher weißt du denn, wo er herkommt?
Aus meinen Dokus. Viele Eisbären leben in Grönland. Sie jagen ihre Beute im Meer, dabei klettern sie auch auf Eis. Normalerweise schwimmen sie dann einfach wieder zurück an Land.
Manchmal treibt aber eine Eisscholle zu weit aufs offene Meer, und der Bär muss darauf bleiben, bis er hoffentlich irgendwo wieder an Land kommt, wie hier.
Heißt das, der Babybär hier hat tagelang auf der Eisscholle gesessen?
Boah, der muss ja richtig Hunger haben.
Von beidem ist auszugehen. Sorge macht mir aber etwas anderes. Das wird in den Dokus nicht gern dazugesagt.
Was denn?
Eisbären sind eine der wenigen Tierarten, zu deren Beute auch Menschen gehören. Ihr könnt euch vorstellen, wie groß die Angst vor ihnen ist. Außerdem vergreifen sich Bären oft an Haustieren oder Fischlagern.
Oh, und was machen die Leute dann?
In Island wird ein gestrandeter Eisbär erschossen.
Was? Damit er niemanden in Gefahr bringt.
Das ist doch grausam. Bestimmt würde das aber niemand mit einem Babybären machen. Oder?
Die einzig andere Möglichkeit ist nicht wirklich besser.
Ich vermute, man fängt ihn und steckt ihn in einen Zoo.
Hm, besser als erschossen zu werden.
Leider nicht viel. Tiere, die im Zoo geboren und aufgezogen werden, kommen gut zurecht. Für ein Wildtier sieht das völlig anders aus. Es einzusperren wird es hoffnungslos verstören, egal wie groß das Gehege ist. Das will ich für dieses kleine Wesen nicht.
Dann muss der Bär irgendwie zurück nach Grönland.
Wir können ihn per Post verschicken, das geht schnell.
Aber sicher sind sie da nicht begeistert von einem hungrigen Päckchen, das auch noch Pipi macht.
So gesehen ... Schafft er es mit der Eisscholle zurück?
Die Meeresströmung ist unberechenbar. Der Bär hat Glück, dass er überhaupt noch irgendwo an Land gekommen ist.
Eine Möglichkeit gibt es, aber die gefällt mir nicht.
Welche denn?
Mein Boot ist hochseetauglich. Wir müssten das Bärchen einpacken und selbst nach Grönland bringen.
Aber das dauert doch bestimmt zwei oder drei Tage, bis wir dort sind. Und das mit einem Eisbären an Bord.
Das ist nicht mal die größte Schwierigkeit.
Sondern?
Wir müssten heute Nacht schon aufbrechen, bevor jemand von dem Kleinen erfährt.
Heute Nacht?
Die erste Hürde für die große Fahrt steht in Fenrirs Haus bevor. Er wird bereits von seiner Großmutter erwartet.
„Du bist spät. Alles in Ordnung mit dem Boot?“
„Mit dem schon, aber ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen.“
„Es hat sicher mit deinem netten Besuch zu tun. Lass uns erst einmal essen, und dann richten wir die Gästezimmer her.“
„Na ja, das trifft es noch nicht ganz.“
Okay? Knapp erklärt Fenrir, was vorgefallen ist. Dann erzählt er von seinem Plan.
Lange schaut die Großmutter ihn an. Marie befürchtet schon, sie könne Fenrir für verrückt halten und ihm einfach verbieten, zu fahren.
„Und diese drei Herrschaften hier haben noch keine Erfahrung auf See? Oder mit Wildtieren?“
„Nuh, nur mit dem kleinen Hörnchen.“
„Nimm’s mir nicht übel, Fenrir, aber die Idee klingt ziemlich waghalsig.“
„Ich weiß, deshalb war es mir wichtig, mit dir zu reden. Hast du schon gebetet und mit Gott darüber gesprochen? Wir könnten gemeinsam dafür beten.“
„Aber sagtest du nicht, es wäre sehr eilig?“
„Ist es auch, aber ohne Gott mache ich nichts. Es ist wichtig, einen starken und zuverlässigen Partner zu haben.“
Nach dem Gebet mit seiner Oma ist Fenrir umso entschlossener, den Bären zu retten.
„Irgendwie vermute ich schon lange, dass du einmal auf eine große Reise gehst. Ich dachte, das würde anders aussehen.“
„Einem wunderbaren Geschöpf Gottes aus der Not zu helfen, ist sicher ein guter Anlass.“
„Sehe ich auch so. Und ich denke, dass es noch mehr zu bedeuten hat.“
„Was meinen Sie damit?“
„Genauer kann ich es dir nicht sagen, aber ich bin sicher, Gott hat etwas mit Fenrir vor. Packt jetzt schnell warme Kleidung zusammen, ich bereite euch Vorräte vor. Fenrir, ist geräucherter Fisch in Ordnung für den Bären?“
„Solange es genug ist, allemal. Und bitte nicht die Nüsse vergessen.“
Eilig packen Fenrir und seine Oma alles Wichtige ein. Wehmütig, aber entschlossen schaut die ältere Dame ihnen hinterher, als die Gruppe sich mit den schweren Kisten auf den Weg zum Boot macht. Eine Träne kullert über ihre Wange, als Fenrir sie zum Abschied umarmt.
„Gut, dass ich letzte Woche meine Treibstoffkanister aufgefüllt habe, so müssen wir nichts mehr kaufen.“
„Denkst du denn, der Bär ist noch dort, wo er vorhin war?“
„Na ja, ich vermute, dass er den Fisch in meiner Hütte riecht.“
Wir sind da. Und der Bär auch. Och nee! Aus der Holzwand sind zwei Latten herausgebrochen. Das süße Bärchen ist tatsächlich in Fenris Fischhütte eingebrochen. Es steckt gerade mit der Nase tief in einer Kiste Fisch. Draußen liegen abgefressene Gräten herum.
Neugierig blickt der Bär auf, als Fenrir als Erster die Hütte betritt. Marie, Philippe und Toni folgen ihm. Fenrir grinst dabei ganz schön frech. Kann ein Bärchen das denn? Na, siehst du doch.
Wie bekommen wir ihn eigentlich ins Boot? Mit einer Spur aus Fischen oder so? Nein, das wäre viel zu gefährlich, ihn wach mitzunehmen. Obwohl er noch so klein ist? Ich lege ihn mit einem Betäubungsmittel schlafen. Das schadet ihm nicht, und er wird uns nicht gefährlich.
Stimmt, das wird oft gemacht, wenn wilde Tiere wieder freigelassen werden. Schön klingt das nicht. Aber der Bär kommt so sicher nach Hause, vielleicht sogar direkt zu seiner Mama. Das wäre super.
Muss er dann auch in einen engen Käfig, falls er unterwegs aufwacht? Am besten wäre das, weil wir ihn zwischendurch füttern und dann neu betäuben müssen. Aber einen Käfig haben wir nicht. Deshalb werde ich ihm paarweise die Pfoten zusammenbinden und einen Maulkorb anlegen. Keine Sorge, das tut ihm nicht weh, und wir nehmen es ja wieder ab, sobald wir ihn an Land lassen.
Toni lenkt den Bären mit einem Fisch ab, um ihn in Position zu bringen. Fenrir zielt sorgfältig mit seinem Betäubungsgewehr. Eigentlich sollte nichts schiefgehen. Doch niemand rechnet mit dem Neuankömmling.
Mist, daneben! Fenrir, du bist hier? Ja, immerhin. Ich habe Krach gehört. Was ist denn da los? Nichts, Ragnar, es ist alles in Ordnung.
Toni bemerkt die Anspannung in Fenrirs Tonfall. Das ist der Mann, der Mittag so unfreundlich war. Ob er wirklich nur besorgt ist? Zeig mal her! Aha, ja, jetzt verstehe ich die heimliche Tuerei.
Ragnars Gesicht verzieht sich zu einem breiten Grinsen. Im diffusen Hüttenlicht sieht das ziemlich gruselig aus. Auch der Bär wird nervös und schlägt mit den kleinen Tatzen um sich. Beinahe hätte er Toni erwischt.
Oh, Vorsicht! Fenrir zielt hastig mit dem Betäubungsgewehr, schießt aber an dem flinken Bären vorbei. Erneut lädt er. Diesmal ist es ein Treffer. Innerhalb von Sekunden wird der Bär träge und legt sich langsam auf den Boden.
Du bist auch bereit zu teilen, oder? Mein Schweigen würde dich etwas kosten.
Lass mich in Ruhe, Ragnar, ich habe es eilig.
Jede Bärensichtung muss gemeldet werden. Ich wette, das hast du nicht gemacht.
Das ist illegal, was du tust.
Seit wann interessierst du dich denn für Recht und Ordnung?
Seit ich dir einen Deal vorschlagen will. Das Vieh ist ja noch klein, das kann in den Zoo. Die zahlen sogar mehr, als man auf dem Schwarzmarkt dafür bekommt.
Schwarzmarkt? Als ob ich so etwas mitmachen würde.
Na, wie ich dich kenne, willst du eh kein Geld verdienen. Wahrscheinlich kommst du Gutmenschen noch auf die dumme Idee, ihn wieder nach Grönland zu verschiffen.
Aber davon hätte ich ja nichts. Und du gehst mit deinen Zuckerbötchen vermutlich drauf.
Vergiss es, Ragnar! Wenn sich jemand kümmert, muss ein Bär nicht gemeldet werden, und in den Zoo schiebe ich ihn bestimmt nicht ab.
Ich tue nichts Verbotenes. Jetzt verlasse bitte meine Hütte, ich habe es eilig.
Ich komme schon zu meinem Geld.
Was meint er damit? Vermutlich, dass er einen Polizisten bestechen wird, um mich anzuzeigen.
Na ja, wir haben Zeit verloren, lasst uns los.
Die Kisten sind schnell verstaut. Als das schlafende Bärenkind sicher verbunden ist, tragen es Fenrir und Toni gemeinsam aufs Boot.
Von weitem ertönt eine Polizeisirene.
Oh Mann, das ging aber schnell!
Flucht vor der Polizei? Irgendwie fühlt sich das aber schon verboten an.
Sollten wir nicht lieber mit ihnen reden?
Wir tun wirklich nichts Unrechtes. Ich werde Ihnen später alles erklären.
Jetzt, da der Bär schläft, müssen wir dringend los.
Außerdem weiß Oma ja über alles Bescheid und kann uns hier anrufen.
Steigt schon mal ins Boot, ich löse das Seil und schiebe es ins Wasser.
Fenrir tut, wie er gesagt hat, springt dann ins Boot und lässt den Motor an.
In der Dunkelheit ist das Ufer schon bald nicht mehr zu sehen.
Jetzt können wir endlich etwas ausruhen.
Ausruhen? Das Abenteuer geht doch gerade erst los.
Bis jetzt ist alles gut gegangen, aber nur knapp. Toni beobachtet, wie Fenrir sich zurückzieht und still betet. Ein paar Stunden später legen sich Philipp, Marie und Sammy schlafen. Toni bleibt mit Fenrir wach, um nach dem Bären zu schauen und ein bisschen über die See und das Boot zu lernen. Abwechselnd legen sich auch die beiden für eine Weile zur Ruhe.
Als am nächsten späten Vormittag die Sonne aufgeht, sind alle weitgehend munter.
„Ach, sind wir jetzt in Gelbland?“
„Gelbland?“
„Nee, Grönland.“
„Ach Sammy, das hat doch nichts mit der Farbe zu tun. Das heißt Grönland.“
„Das kommt aber tatsächlich vom dänischen Wort für grün. Grönland gehört nämlich zu Dänemark und wurde von den Entdeckern so benannt.“
„Du kennst dich ja echt aus.“
„Aber nein, wir sind noch eine Weile unterwegs. Das Festland erreichen wir frühestens morgen um diese Zeit.“
„Habt ihr gut geschlafen?“
„Wie ein Murmeltier!“
„Ja doch, erstaunlich gut.“
„Da habt ihr aber einen kräftigen Sturm verpennt.“
„Ehrlich?“
„Mhm, die Wellen waren so hoch, dass wir fast alle nass geworden wären.“
„Ja, das war knapp. Aber es ist nichts passiert.“
„Schön, dass es euch nicht wachgehalten hat.“
„Und, wie geht’s jetzt weiter?“
„Recht unspektakulär. Der Autopilot steuert das Boot bis nach Grönland. Bis wir da sind, müssen wir vor allem auf den Bären achten.“
„Hm, ich denke, seine Betäubung wird demnächst nachlassen. Dann füttern wir ihn erst mal.“
Bis dahin vergeht einige Zeit, ohne dass etwas Interessantes passiert. Philipp liest auf dem Tablet Fakten über Island, Marie streichelt den schlafenden Bären und unterhält sich mit Sammy. Fenrir telefoniert mit seiner Großmutter. Sie konnte alles mit der Polizei klären. Toni schaut aufs Wasser und denkt nach.
Er bemerkt als Erster die Veränderung am Horizont.
„Fenrir, ist das ein Problem?“
„Was denn?“
„Da hinten ziehen ziemlich dunkle Wolken auf.“
„Ich schaue es mir mal mit dem Fernglas an.“
„Oh Mann, das sieht nicht gut aus.“
„Was ist denn? Gibt es wieder einen Sturm?“
„Mit Gewitter diesmal. Er zieht genau hierher. Wir müssen gut auf uns und auf den Bären aufpassen.“
„Der Schneetäti wacht übrigens gerade wirklich auf.“
„Oh, kein guter Zeitpunkt.“
„Kannst du ihn nicht noch mal betäuben?“
„Nicht bevor wir ihn gefüttert haben. Erwachsene Bären kommen locker ein paar Tage ohne Futter aus, so ein kleiner aber noch nicht. Wir müssen schnell machen.“
„Phil, hol ein paar Fische aus der Kiste. Fünf bis sieben von den größeren sollten reichen.“
„Alles klar.“
Langsam wacht der Bär auf. Etwas verwirrt schaut er sich um. Er versucht zu gähnen, wird aber durch den Maulkorb gehindert. Erfolglos versucht er, ihn mit der Pfote abzustreifen. Das Tier wird nervös, und Fenrir redet sanft auf es ein. Die Ohren des Bären zucken etwas, aber er lässt sich beruhigen.
„Wenn er gefressen hat, setzt sich die Betäubungsspritze.“
„Er ist so süß!“
„Ach, kaum zu glauben, dass er ein Raubtier ist.“
„Mhm, das muss einem immer bewusst sein, wenn man mit wilden Tieren zu tun hat.“
„Irgendwie erinnert mich das voll daran, wie Menschen drauf sind.“
„Was meinst du?“
„Ich hab da mal mit Mike drüber gesprochen. Er sagt, dass wir Menschen zu ziemlich fiesen Sachen fähig sind, obwohl man das nicht jedem gleich anmerkt und dass einem das klar sein sollte. Wenn man nur dann gut reagieren kann.“
„Du meinst, man soll was Schlechtes nicht schönreden?“
„Ja genau, sonst ist man am Ende schlimm überrascht.“
„Soll man deshalb immer Angst haben, dass einem jemand was Böses tut?“
„Nein, auf keinen Fall. Man soll einfach vorbereitet sein, so ähnlich wie bei einem wilden Tier eben.“
„Weise Gedanken, Toni.“
„Oh Mann, das Unwetter hat uns schon fast erreicht. Friss doch etwas schneller, Abwehrchen.“ Blitze zucken über den Himmel. In Sekunden ist es dunkel geworden, obwohl die Sonne noch am Himmel steht. Beim ersten Donner hält der Bär inne und schnuppert in die Luft.
„Der Teddy mag kein Blitzfotowetter.“
„Und ich auch nicht. Versteck dich in meiner Tasche, Sammy.“
Der Bär wird unruhig.
„Sollen wir ihn wieder betäuben?“
„Einen Moment noch, bis er den letzten Fisch runtergeschluckt hat.“
„So, Hohli ist brav, Kleiner, bleib ruhig.“
Etwas ruhiger frisst der Bär den letzten Fisch. Doch ausgerechnet dann donnert es direkt über dem Boden. Der Bär erschrickt fürchterlich und versucht, die Fesseln an seinen Pfoten loszureißen. Er schnappt um sich und erwischt beinahe Fenrirs Hand. Sammy flüchtet aus Maries Tasche in die kleine Bootskabine.
„Nur weg von diesen Bären, diesen Blitzen! Und diesem Don.“
Er gerät in Panik.
„Was jetzt?“
„Die Spritze, die liegt da vorne.“
„Ich hol sie.“
„Hier, danke.“
Fenrir benutzt so nah an dem Bären nicht das Gewehr, sondern nimmt die Spritze direkt in die Hand. Er zielt sorgfältig, holt aus und… Mist!
„Oh nein, nicht aufs Wasser zu!“
„Helft mir, ihn festzuhalten!“
„Komm schon, ich versuch’s ja!“
Der ist viel stärker, als er aussieht. In Panik entwindet sich das Bärenkind Tonis und Fenrirs Griff. Ohne Maulkorb, aber mit verbundenen Pfoten, rockt es auf die Reling zu. Mit einem Satz platscht es mitten hinein.
„Nein, er geht gleich unter, was jetzt?“
„Und auch noch bei dem Gewitter.“
Das Gewitter wird aber vielleicht gleich wieder weniger. Tonis Hoffnung bestätigt sich. Erst hört der Regen auf, dann lässt der Wind nach, und schließlich wird sogar der Himmel wieder heller.
„Jetzt sehe ich den Bär wieder in den Wellen. Er kann sich nicht so gut über Wasser halten, lange wird er nicht durchhalten.“
„Was jetzt, Fenrir?“
Fenrir zieht gerade seine schwere Fischerhose aus. Darunter kommt wärmende Schwimmkleidung zum Vorschein. Er nimmt ein Seil und bindet es sich um die Hüfte. Philipp sieht, wie er dadurch am Flaschenzug für die Netze befestigt ist und ahnt, was Fenrir vorhat.
„Du willst ja doch nicht ernsthaft reinspringen.“
„Ich bin hier, damit der Bär nicht erschossen oder gefangen wird. Da lasse ich ihn doch auch nicht ertrinken.“
„Geht’s nicht auch mit einem Fischernetz?“
„Nein, das würde ihn nicht halten. Wenn ich nicht in drei Minuten wieder aufgetaucht bin, holt mich bitte mit dem Seil zurück wie ein Netz. Ihr habt ja Erfahrung damit.“
„Aber er wird das schaffen.“
Aber, hä, warte, was ist denn jetzt? Gerade war es doch wieder spannend, Onkel Mike.
Hallo zusammen, ich störe doch nicht, Thorsten?
Doch, das war eine rhetorische Frage.
Weißt du, was das ist?
Klar, weiß ich ...
Ja, ja, schon gut. Mike, ich muss mit Ihnen reden.
Und dafür platzen Sie einfach so in meine Scheune rein?
Ja, Entschuldigung, furchtbar unhöflich von mir, kommt nicht wieder vor. Ich habe Informationen zu Ihrem Grundstücksgutachten, die Sie interessieren werden.
Woher wissen Sie denn davon?
Ich habe so meine Quellen.
Also?
Meinetwegen, aber draußen.
Es ist kalt draußen. Wo ist denn Ihre Gastfreundschaft?
Darum geht's nicht. Wir sprechen draußen.
Schon gut, schon gut.
Entschuldigt mich, es wird nicht lange dauern.
Okay, ich möchte wissen, was die beiden reden. Vielleicht können wir durch die Scheuntür etwas hören. Aber das geht uns doch gar nichts an.
Bevor Toni ausgesprochen hat, sind Marie und Philipp zur Tür geeilt. Sammy sitzt auf dem neuen Sofatisch und schaut Toni aus neugierigen Kulleraugen an.
Psst, nicht so laut, ich höre was.
Ja, ich auch.
Oh nein, die Kinder hältst du da schön raus.
Was hat er gesagt?
Psst, ich verstehe auch nichts.
Selber, das ist die Grenze, richtig?
So, die Wende kann Beweisung. Woher? Wiedersehen.
Vorsicht, er kommt zurück. Schnell in die Sitzecke.
Tut mir leid, Leute. Wo waren wir?
Dabei, was ihr zu besprechen hattet.
Ich bin aus gutem Grund mit ihm nach draußen gegangen. Ich will nicht, dass ihr da reingezogen werdet.
Wir würden dir so gern helfen.
Wie sollen wir das denn machen, wenn du uns nie verrätst, was eigentlich Sache ist?
Das werde ich noch, Marie, bloß noch nicht jetzt.
Komm, lass dich mal in den Arm nehmen, okay?
Okay.
Egal, was es ist, Mike, wir gehen da mit dir durch.
Mhm.
Danke, Leute, das bedeutet mir echt viel.
Nächstes Mal bei der Doppeldecker-Crew, Mike, habe ich eine schwierige Frage.
Klar, immer raus damit. Findest du es deshalb falsch, dass Fenrir nicht betrügt, wenn er seine Fische verkauft?
Hm, nein. Eigentlich nicht.
Jetzt ist Fenrir schon fast zwei Minuten unter Wasser. Da bewegt sich etwas. Das sieht übel aus.
Jetzt müssen wir die Wunde desinfizieren und verbinden.
Desinfizieren? Womit denn?
Wir haben auch noch ein anderes Problem. Ohne Fenrir können wir das Boot nicht steuern.
Jesus ist auch viel größer als seine ganzen Sorgen, oder?
Davon bin ich überzeugt. Da wird noch einiges zu klären sein, und hoffentlich geht in der Geschichte auf dem Meer alles gut.
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