Herr Jesus Christus, liebe Gemeinde,
heute Abend spielt gar nicht so weit von hier entfernt, nur wenige Kilometer Luftlinie, in der AWD Arena die Fußballnationalmannschaft von Brasilien.
Dabei sind mindestens zwei Spieler, von denen wir hoffen, dass Tobias Erke es ihnen einmal nachmacht. Er muss ja nicht unbedingt so ein guter Fußballer werden wie Lucio oder Serroberto. Wichtiger ist, dass er Christ wird, wie die beiden es auch sind.
Noch wichtiger ist, dass er ganz bewusst zu jener großen Familie hinzutritt – jener Familie, die über die ganze Welt verstreut ist, von São Paulo bis nach Hannover. Diese Familie ist die Gemeinde Gottes.
Die Gemeinde als geistliche Familie und ihr Reichtum
In dieser Familie gibt es viele Unterschiede. Es gibt sehr unterschiedliche Typen von Menschen, und doch teilen alle in dieser Familie das Entscheidende gemeinsam.
Was diese Familie ausmacht, was ihr Geheimnis ist und was ihren Reichtum ausmacht, beschreibt der Apostel Paulus im Epheserbrief. In unserer Gemeinde haben wir in den letzten Wochen bereits gesehen, dass Paulus den Epheserbrief damit beginnt, die Gemeinde als reich zu bezeichnen.
Es gibt einen großen Reichtum für diejenigen, die zur Familie der Gemeinde Jesu Christi gehören. Paulus sagt, sie ist mit allem geistlichen Segen ausgestattet – mit allem geistlichen Segen. Darauf folgt eine fast atemlose Aufzählung, eine Beschreibung, eine staunende, fast fassungslose Darstellung dessen, worin dieser Segen und dieser Reichtum bestehen.
Wir versuchen in unserer Predigtreihe, uns das Woche für Woche richtig zu erschließen. Das erste Markenzeichen haben wir in den letzten beiden Predigten kennengelernt und festgestellt. Paulus macht es gleich am Anfang deutlich, in den Versen 4 bis 6: Wenn jemand Christ geworden ist, darf er wissen, dass der lebendige Gott ihn erwählt hat. Er hat ihn von sich aus gesucht. Er hat sich schon längst auf den Weg zu ihm gemacht und ihn herausgerufen und herausgeholt.
So haben wir uns das an einem Gedicht von John Chadwick klar gemacht, der sagte: „Ich suchte Gott, doch später wurde mir klar, er war es, der mein Herz zum Suchen trieb. Er suchte mich. Nicht ich war der, der fand. Oh Retter wunderbar, gefunden wurde ich ganz durch dich. Gefunden wurde ich ganz durch dich.“
Das ist das Erste, was Paulus uns zeigt.
Die persönliche Verbindung zu Jesus Christus als Grundlage
Und heute gehen wir einen Schritt weiter. Paulus beschreibt nun, auf welche Art und Weise Gott Menschen zu sich hinzieht, wie dies in dieser Welt geschieht und welche Veränderungen Gott bei einem Menschen bewirkt, wenn er diesen in seine Familie hineinzieht – diesen Menschen, den er erwählt hat.
Ab Vers 7, mit dem unser Predigttext heute beginnt, können wir herausfinden, wie der lebendige Gott seinen ewigen Plan in dieser Welt verwirklicht. Ganz einfach ausgedrückt sehen wir hier, was geschehen muss, damit Tobias Erke Christ wird – damit er ein bewusster, lebendiger Nachfolger Jesu Christi wird.
Studieren wir die Fortsetzung unseres Textes genau, Epheser 1,7-8: „In ihm, in Jesus Christus, haben wir die Erlösung durch sein Blut und die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit.“
Herr Jesus Christus, nun bitten wir dich: Hilf uns, dein Wort zu verstehen und gib, dass unser Leben wirklich davon bewegt wird! Amen!
Paulus beginnt diesen Vers mit dem Ausrufezeichen „In ihm“. Aus Vers 6 wissen wir auch, wer mit „ihm“ gemeint ist – nämlich Jesus Christus. Wir werden sehen, dass Paulus alles, was Christen Besonderes haben und sind, auf ihn zurückführt. Das verdanken sie der persönlichen Verbindung zu Jesus Christus.
Darum kommt es für jeden von uns darauf an, in dieser persönlichen Verbindung mit Jesus Christus zu leben – „in ihm“, sagt Paulus. Das wird das Wichtigste für Tobias Erke sein: dass er eine persönliche Lebensverbindung zu Jesus Christus findet und sich im Glauben an ihn klammert. An dieser Verbindung wird sich sein Leben entscheiden.
Die Bedeutung der Erlösung und ihre historische Wurzel
In ihm, sagt Paulus – und damit das ganz klar ist – wird Paulus in diesen Versen nicht müde, das immer wieder zu betonen. Er wiederholt es immer und immer wieder. Am besten lesen Sie zuhause nochmals ab Vers drei nach.
Es geht immer um Christus, in ihm.
Doch was gilt nun für solche Menschen, die in ihm sind? Paulus sagt: In ihm haben wir etwas, nämlich die Erlösung.
Wissen Sie, Erlösung war früher kein religiöses Wort. Erlösung bedeutete damals etwas ganz Konkretes: Es ging um Geld. Der Begriff wurde auf dem Sklavenmarkt verwendet. Im römischen Reich gab es zu jener Zeit schätzungsweise etwa sechs Millionen Sklaven, mit denen ein reger Handel betrieben wurde.
Das erinnert ein wenig an den heutigen Fußballmarkt, allerdings könnte man dort eher von Luxussklaven sprechen, die bei ihrem Verkauf sogar noch mitverdienen. Die Sklaven damals hatten es nicht gut; sie waren völlig abhängig.
Wenn ein reicher Mann einen Sklaven befreien wollte, etwa weil ihm der Sklave leidtat, musste er etwas tun. Er musste ihn zuerst freikaufen, das heißt, ihn für sich persönlich erwerben. Erst dann konnte er ihm eine Entlassungsurkunde ausstellen und sagen: „Du bist jetzt frei. Ich habe dich erkauft, ich habe dich erlöst, du bist frei.“
Dieser Preis musste bezahlt werden.
Paulus sagt, genau das hat Jesus für uns getan.
Die menschliche Lage als Sklaven der Sünde
Und wissen Sie, das ist hochinteressant: Wenn Paulus von Erlösung spricht, dann sagt er damit gleichzeitig, wie der allmächtige Gott uns Menschen sieht – nämlich als Sklaven. Ja, er sieht uns als Sklaven. Unser Sklaventreiber ist die Sünde.
Jeder Mensch, der geboren wird, kommt schon als Sklave in die Welt, sagt Gott. Das ist die ganz ungeschminkte Diagnose der Bibel. Jesus hat das etwa in Johannes 8,34 gesagt: „Wer Sünde tut, der ist der Sklave der Sünde.“ Ganz deutlich.
Und im Alten Testament heißt es in Sprüche 5,22: „Den Gottlosen werden seine Missetaten fangen, und er wird mit den Stricken seiner Sünde gebunden.“ Das ist unsere Lage, sagt die Bibel. Die Sünde ist eine versklavende Macht. Sie wirkt wie ein Naturgesetz.
Der heillose Mensch – das ist nicht so, dass wir an einem kleinen Defekt leiden, sondern wir sind total, total zerstört, sagt die Bibel. Wir sind, was unser Verhältnis zu Gott angeht, total kaputt.
Die Folge dieser Situation ist der Tod, schreibt Paulus im Römerbrief: „Der Lohn der Sünde ist der Tod.“ Das heißt, wir sind abgetrennt vom Leben, abgetrennt vom heiligen, lebendigen Gott. Wer als Toter lebt und als Toter stirbt, der wird auf ewig tot sein – auf ewig getrennt von Gott. Das ist Hölle: auf ewig getrennt von Gott.
Wir Menschen, so sagt die Bibel sehr schnörkellos, sind gefesselte Menschen. Wir haben keine wirkliche Bewegungsfreiheit. Das ist nur scheinbar so. Unsere Fehler und unsere Gemeinheiten sind keine Ausrutscher, sondern die logische Folge unseres Zustands.
Paulus wird das im zweiten Kapitel – da kommen wir demnächst noch ausführlicher drauf – den Ephesern vor Augen halten. Er wird sagen: „Seht mal, was ihr wart, bevor ihr Christen wurdet.“ Noch deutlicher spricht er in Epheser 2,3: „Wir waren Kinder des Zorns von Natur aus.“
Verstehen Sie, er sagt nicht, wir sind von Natur aus Kinder Gottes, sondern Kinder des Zorns. Das ist unsere Wirklichkeit. Das heißt nicht weniger, als dass wir Gottes gerechten Zorn verdient haben. Weil wir von Natur aus drinstecken in dieser menschlichen Auflehnung gegen Gott, in dieser menschlichen Gleichgültigkeit gegenüber unserem Schöpfer.
Paulus erinnert uns daran und sagt: Ihr wart nicht die Ersten. Er sagt „von Natur aus“ – ihr steht in einer Geschichte drin. Ihr seid einerseits hineingeboren worden, ohne dass ihr etwas dafür konntet, aber zugleich macht ihr jetzt kräftig mit. Darum ist es auch eure eigene Schuld, dass ihr Gott nicht liebt, dass ihr Gott nicht dient und dass ihr seine Gebote missachtet.
Die menschliche Selbstwahrnehmung und Gottes Realität
Und wissen Sie, diese Zustandsbeschreibung ist für uns humanistisch geprägte Menschen schwer zu akzeptieren. Sie steht im Gegensatz zu unserem humanistischen Traum: Der Mensch sei frei, könne sich für das Gute entscheiden, über sein Leben selbst bestimmen und sei niemandem unterworfen. Das Gute trage er doch eigentlich in sich, es müsse nur freigelegt werden, und wir müssten uns nur genügend anstrengen.
Wissen Sie, das ist unser Problem. Wir sehen uns besser, als wir sind. Wie jene Frau, die in einer Kabine irgendwo in der Markthalle ihr Passbild machte. Sie brauchte es für eine Reise. Sie setzte sich hin – das ist ja immer so eine Sache – und versuchte zu lächeln. Dann kam das Passbild langsam heraus. Sie saß da und sagte: „Das darf doch nicht sein, das kann doch nicht sein, ein schreckliches Bild.“
Während sie noch so da stand und ganz entsetzt war, kam eine Freundin am Türpübel vorbei und fragte: „Hallo, was hast du da gemacht?“ – „Ach, ich habe meine Passbilder gemacht.“ – „Ja, zeig doch mal her.“ Die Freundin schaute und sagte: „Menschens Kinder, das ist ja ganz genau getroffen.“
Das ist unser Problem. Wir sehen uns besser, als wir sind. Wir sehen uns nicht mit Gottes Augen, sondern mit unserem höchst mittelmäßigen Maßstab, den wir an uns anlegen. Das ist unser Problem.
In einem Manifest der Aufklärung heißt es: Die Menschen werden frei geboren und bleiben es. Die Bibel sagt dagegen: Das ist eine schlimme Illusion. Wir werden als Sklaven der Sünde geboren und bleiben es, wenn sich nichts daran ändert. Und wir Menschen sehen das nicht.
Die Notwendigkeit der Erlösung vor Gottes Gericht
Michael Schumacher, der Ferrari-Pilot, hat vor einiger Zeit in einem Interview gesagt, dass er nicht an Gott glaube. Er wurde gefragt, ob er an Gott glaube, und für jemanden, der so einen gefährlichen Sport betreibt, wäre das sicherlich besser. Doch er antwortete Nein, er gehe nicht in die Kirche und glaube auch nicht an ein Leben nach dem Tod.
Dann fügte Schumacher hinzu: „Wenn es vorbei ist, ist es vorbei.“ Er lasse sich aber gern angenehm überraschen. Die Frage ist nur, ob die Überraschung wirklich so angenehm sein wird, wenn er merkt: „Ich stehe vor einem lebendigen Gott, dem ich mein Leben schulde.“
In diesen Worten zeigt sich eine Naivität, in der wir Menschen uns normalerweise befinden. Wir denken: „Na ja, Gott ist schon nicht so ernst zu nehmen.“ Und wenn wir dann doch sehen, dass es ihn gibt, denken wir: „Na ja, das kann ja nur zu unserem Vorteil sein.“ Doch das ist unser großer Irrtum. Wir nehmen den heiligen Gott nicht ernst.
Schumacher ahnt nicht, dass er vor allem eines braucht: Erlösung. Paulus macht deutlich: Leute, das ist es, das ist es, was ihr braucht – vorher rechtzeitig freigekauft zu werden, rechtzeitig von eurer Sklaverei erlöst zu werden, bevor das Schiff zu sinken beginnt.
Stellen Sie sich vor, ein Sklave ist an eine Galeere gekettet. Wenn das Schiff dann sinkt, hängt er daran. Wenn das ganze Schiff untergeht, wird er mit in die Tiefe gerissen. Er kann sich nicht ablösen.
Das heißt: Wenn Gottes Gericht kommt – und das kommt für jeden von uns spätestens in dem Augenblick, in dem wir diese sichtbare Welt verlassen – oder wenn Jesus vorher wiederkommt, dann haben diejenigen, die an ihrer Schuld festgekettet sind, keine Chance.
Die Sklaven der Sünde, sagt die Bibel, werden sich nicht retten können. Sie werden auf ewig Gott als ihren Richter haben, und sie werden verloren und verdammt sein. Deshalb brauchen wir nichts Dringenderes als Erlösung.
Die Erlösung durch das Blut Jesu und ihre Wirkung
Paulus sagt: „Leute, seht hin, das ist das große Vorrecht, das der lebendige Gott euch schenkt.“ In ihm haben wir die Erlösung. Das ist etwas Großes.
Dann beschreibt er weiter, wie Jesus die Erlösung durch sein Blut bewirkt hat. Sie verstehen: Sklaven müssen freigekauft werden. Das heißt, für Sklaven muss ein Preis gezahlt werden. Angesichts der Abgründlichkeit unserer Verdorbenheit und Schuld war ein besonders hoher Preis nötig.
Diesen Preis, sagt Paulus, hat Jesus durch sein Blut bezahlt. Er hat sein sündloses Leben für uns geopfert – durch sein Blut. Das bedeutet nicht, dass wir durch ein geheimnisvolles Blutserum gerettet werden, sondern dadurch, dass Jesus sein Blut vergossen hat. Das ist der entscheidende Punkt: durch sein Blut.
Das Blut steht hier für die Tatsache, dass Jesus sein sündloses Leben für uns hat sterben lassen. Damit hat Jesus erfüllt, was die Tieropfer im Alten Testament andeuteten. Diese zeigten: Wo Vergebung sein soll, muss es ein Opfer geben – ein Leben für ein Leben. Jesus hat das vollkommen erfüllt.
Erlösung bedeutet: „Einer kauft mich frei.“ Einer kauft mich frei, indem er vollständig für mich bezahlt. Das ist Erlösung.
Diese Erlösung verändert nun alles – und zwar um hundertachtzig Grad. Paulus beschreibt dann weiter, was diese Erlösung bewirkt. Und das ist der nächste Halbsatz: „In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden.“
Die Vergebung als Folge der Erlösung
Das bewirkt die Erlösung: Vergebung der Sünden. Dieser Begriff „Vergebung“ stammt im Griechischen aus der Rechtssprache und bedeutet wörtlich so viel wie „wegsenden“. Dabei geht es um das Freigeben einer Person, die man rechtlich belangen könnte.
Vergebung heißt also eigentlich „wegsenden“, „freilassen“ – jemanden, der eigentlich im Kerker bleiben müsste, aufschließen und sagen: „Du kannst raus.“ Wegsenden, freilassen – das ist Vergebung.
Paulus sagt nun: Gott gibt uns frei aus dem Klammergriff unserer Schuld. Er gewährt uns Pardon und verzichtet bei uns auf die Begleichung unserer Schulden. Diese Summe könnten wir ohnehin niemals aufbringen.
Aber – und das ist ganz wichtig – Gott lässt die Sünde nicht einfach stehen. Er bleibt heilig und das Böse wird gesühnt. Gott kann nicht einfach sagen: „Okay, schau mal drüber weg, Schwamm drüber, die Sache ist gegessen.“ Nein, Gott verzichtet auf die Begleichung der Schulden durch uns. Das ist Vergebung.
Warum? Weil er selbst, weil sein eigener Sohn das Lösegeld bezahlt, die Freikaufssumme hinblättert und die Schuldentilgung übernimmt. Das ist Erlösung.
So verstehen wir, wie Erlösung und Vergebung untrennbar zusammenhängen. Erlösung und Vergebung sind gewissermaßen zwei Seiten derselben Medaille.
Bei der Erlösung liegt das Augenmerk auf dem, was Jesus tut: Er bezahlt die Schulden für mich, er kauft mich frei. Vergebung richtet den Blick auf die Folgen: Dadurch kann ich freigelassen werden aus meiner Schuld. Ich darf rauskommen aus meinem Gefängnis der Gottlosigkeit. Mir werden die Sünden nicht angerechnet, sondern erlassen.
Diese Vergebung greift durch und verwandelt mein ganzes Leben von Grund auf. Sie hat eine durchgreifende Wirkung: Frieden mit Gott.
Ohne Erlösung bleibe ich als Mensch ein Leben lang umgetrieben. Ohne Erlösung komme ich nie wirklich zur Ruhe. So sagt es König Richard der Dritte in Shakespeares Drama: „Mein Gewissen kennt tausend verschiedene Sprachen, und jede Sprache erzählt eine besondere Geschichte. Und jede Geschichte verdammt mich als Schurken.“
Wenn der Mensch gründlich genug nachdenkt und ehrlich genug ist, ahnt er etwas, dämmert ihm, dass er ein Gewissen hat, das ihn anklagt. Dieses Gewissen wird ihn eigentlich als Schurken verdammen.
Aber wer von uns kann schon damit leben? Deshalb wird das oft verdrängt, übertönt, verharmlost oder beiseitegeschoben, damit man nicht mehr daran denken muss.
Doch das ist auf Dauer keine Lösung. Eine Lösung gibt es nur durch Vergebung.
Der unerschöpfliche Reichtum von Gottes Gnade
Und dann wird unser Zustand wirklich umfassend und schlagend verändert. Das ist das Nächste, was Paulus schreibt: die Vergebung der Sünden.
Sehen Sie genau hin, nach dem Reichtum seiner Gnade, nach dem Reichtum – verstehen Sie, das ist der Umfang dieser Vergebung. Es gibt keine Sünde, so groß sie auch sein mag, die Gottes Gnade überfordern würde. Paulus sagt hier, dass ein unendlicher Reichtum zur Verfügung steht.
Er beschreibt das im Römerbrief Kapitel 5, Vers 20, ganz drastisch: „Wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade noch mächtiger geworden.“ Aus dem Reichtum seiner Gnade – Gottes Gnade reicht aus, auch für deine Schuld. Gottes Gnade reicht aus, selbst für die Dinge, die du dir vielleicht selbst nicht vergeben kannst, weil du innerlich rot wirst, wenn du nur daran denkst. Und es gehört zu deinem Leben.
Paulus sagt: „Er aber hat uns geschenkt die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade.“ Wenn man das wörtlich übersetzt, kann man die Fortsetzung in Vers 8, die er uns reichlich hat widerfahren lassen, auch so übersetzen: „die er überreichlich hat überströmen lassen.“
Und wissen Sie, darum ist diese Gnade so durchschlagskräftig. Darum hat sie die Kraft, wirklich deine und meine schlimmste Sünde zu vergeben. Darum ist Gott so souverän darin, wie er uns Erlösung schenkt, weil diese Gnade überströmt. Sie hat eine total durchschlagende Wirkung.
So steht es dann in Psalm 103, Vers 12: „Sofern der Morgen ist vom Abend, der Osten vom Westen.“ Das bedeutete für einen Juden eine unendliche, undenkbare Entfernung. „Sofern der Osten ist vom Westen, so fern lässt er unsere Übertretungen von uns sein.“
Er vergibt ganz und rottet alles aus, was da noch sein könnte an Schuld. Das schafft Gottes Gnade.
Die radikale Vollständigkeit der Vergebung
Ein Landwirt, der lyrisch begabt war, wurde einmal gefragt: „Wie würdest du den Ertrag deines Lebens auf den Punkt bringen? Wenn du in wenigen Sätzen sagen müsstest, was das Wichtigste in deinem Leben ist, was bleibt unter dem Strich?“
Dieser Bauer hat Folgendes geschrieben: Er sagt, er wisse sonst nichts zu sagen, außer dass ein Bürger für ihn eingetreten sei – ein Bürger, der seine Schuld getragen hat, die Rechnung auf sich nahm und sie so völlig hingezählt hat, dass von der ganzen Menge nicht einmal ein Stäublein fehlt.
Verstehen Sie, Gott vergibt nicht einfach so nebenbei. Gott vergibt nicht „na ja, mal gerade noch“. Gott vergibt nicht im Großen und Ganzen, sondern seine Vergebung ist überströmend, komplett, völlig und radikal. Seine Vergebung ist so umfassend, dass sie die Erlösung ein für allemal sicherstellt.
Natürlich brauchen wir auch als Christen jeden Tag noch Vergebung für die einzelnen Dinge, die uns geschehen und die wir falsch machen. Natürlich beten wir zu Recht im Vaterunser, so hat Jesus uns gelehrt: „Vergib uns unsere Schuld“, genauso wie wir täglich um das Brot bitten.
Gott arbeitet an uns, erzieht uns, und wir brauchen diese ständige Vergebung. Doch für einen Christen hat diese ständige Vergebung nichts mehr mit der Erlösung zu tun, nichts mehr damit, dass er Gottes Kind ist.
Bist du Gottes Kind, dann gilt die Erlösung, dann gilt die Vergebung, und sie reicht aus. Dann arbeitet Gott an uns und zieht uns Tag für Tag.
Für Tobias wird es in seinem Leben, in dem er hoffentlich und bestimmt vieles lernen wird, entscheidend darauf ankommen, dass er Vers 7 versteht – und zwar wirklich mit seinem Leben ergreift.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade (Epheser 1,7).
Die Gabe von Weisheit und Klugheit durch Gottes Gnade
Aber diese überströmende Gnade bewirkt noch mehr, und darauf müssen wir noch kurz eingehen. Sie erschöpft sich nicht darin, dass sie uns Erlösung und Vergebung schenkt. Das ist nur ein Teil des Werkes Gottes mit dem Menschen.
Sie tut noch mehr, und das macht Paulus durch die Satzstellung deutlich. Ich habe versucht, das in dieser Skizze zu zeigen. Das Bindeglied, das zwischen diesen beiden Versen scharniert, ist die Gnade. Es heißt: „nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns überreichlich hat erfahren lassen“.
Von der griechischen Grammatik her ist dieses Bindeglied sowohl nach vorne als auch nach hinten offen. Das bedeutet, die Gnade bewirkt sowohl, was in Vers 7 steht, als auch, was in Vers 8 steht. So ist das vom Text her ganz deutlich zu erkennen.
Gott schenkt uns also aus dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat erfahren lassen, einmal Erlösung und Vergebung, wie wir es gerade beschrieben haben. Christen sind Erlöste. Aber er schenkt uns auch noch ein zweites: Er schenkt uns Weisheit und Klugheit.
Das ist erstaunlich. Auch das wird uns von der Gnade noch geschenkt. Im Griechischen stehen hier zwei interessante Begriffe: Weisheit und Klugheit. Weisheit bezieht sich auf die großen Themen, die letzten Fragen, die tiefen Zusammenhänge der Weltgeschichte.
Es geht um Leben und Tod, um Gott und Mensch, um Gerechtigkeit und Sünde, um Himmel und Hölle, um Zeit und Ewigkeit. Gott gibt uns in seiner Gnade Weisheit, damit wir dieses Verstehen aus seinem Wort lernen.
In gewisser Weise kann man sagen, ein Christ wird so auch ein Philosoph. Er fängt an, die Welt zu begreifen, wie sie im Innersten zusammenhängt. Er wird jemand, der Durchblick bekommt – Weisheit. Die Bibel hilft uns, die großen Themen wie Gott und Mensch, Zeit und Ewigkeit, Anfang und Ende zu verstehen.
Das zweite Wort, Klugheit, kann man auch mit Einsicht übersetzen. In diesem Zusammenhang steht es mehr für die praktischen Entscheidungen im täglichen Leben.
Man kann also sagen: Gott hilft uns nicht nur, die großen Themen mit Weisheit zu verstehen, sondern er gibt uns auch Leitlinien für die Kindererziehung, für den Umgang mit Geld, für unsere Sexualität und für unser Verhalten als Christen im Beruf. Er hilft uns, täglich durchzukommen.
Auch das schenkt uns seine Gnade – Weisheit und Klugheit, Weisheit und Einsicht. So verändert sie auch unser Alltagsleben zutiefst.
Zeugnis eines Lebenswandels durch Gottes Gnade
Einer, der vorhin schon genannt wurde, soll hier kurz zitiert werden: Seroberto. Er berichtet in seiner kleinen Schrift „Traumpass ins Leben, wie er selbst Christ wurde“, wie er selbst Christ wurde.
Für ihn war ganz entscheidend, dass Gott das Leben seiner Mutter verwandelt hat. Er erzählt, sein Vater sei ein schwerer Trinker gewesen, der der Familie viele Sorgen bereitet und sie irgendwann verlassen habe. Doch darunter sei seine Mutter nicht zusammengebrochen, nicht zusammengebrochen.
Dann schreibt Seroberto: „Danach begann meine Mutter, eine Kirche zu besuchen. Sie sprach auf einmal von Gott und erzählte uns, dass wir Jesus vertrauen sollten. Vielleicht hat sie einen frommen Tick bekommen, dachte ich erst, aber ich stellte fest, dass die Veränderungen von Dauer waren. Trotz allem Leid wurde meine Mutter zu einem glücklichen und fröhlichen Menschen.“
Seroberto hat verstanden: Wenn Gott ein Leben in die Hand bekommt, dann verändert das dieses Leben wirklich bis in die Tiefen des täglichen Alltags. Und seine Mutter kann trotzdem getrost und fröhlich mit uns Kindern klarkommen. Sie kann auch getrost und fröhlich mit den Finanzproblemen, die sie damals noch hatte, klarkommen – weil sie Jesus kennt und weil er ihr hilft.
Die praktische Weisheit im Alltag als Geschenk Gottes
Weisheit und Klugheit sind notwendig, um mit dem Leben fertig zu werden. Gottes Gnade ist so groß und reich, dass sie uns mit ausreichender Weisheit und Einsicht ausrüsten kann. So lernen wir Tag für Tag, Gottes Willen zu tun.
Dabei geht es auch um die ganz kleinen, praktischen Fragen unseres Alltags. Auch hier gilt: Der Christ lebt aus einer Quelle, die allem menschlichen Vermögen haushoch überlegen ist. Deshalb werden wir als Christen im Leben letztlich ganz anders fertig. Denn ohne Gott kann der Mensch nicht einmal den Sinn seines Lebens wirklich erkennen.
Nochmal Shakespeare, Macbeth: Die Geschichte ist wie die Erzählung eines Idioten, voller Lärm und Raserei, ohne einen tieferen Sinn. Und André Maurois, der französische Philosoph, hat es so ausgedrückt: „Das Universum ist gleichgültig. Wer machte es? Warum sind wir auf diesem kümmerlichen Lehmhügel namens Erde, der durchs Welteis schwirrt? Ich habe nicht die leiseste Ahnung, und ich bin überzeugt, es gibt niemanden, der eine Antwort hat.“
Das ist die Perspektive des Menschen ohne Gott. Wir wollen uns von der kleinen da oben jetzt gar nicht ablenken lassen. Es gibt niemanden, der eine Ahnung hat, sagt Maurois.
Die wirkliche Antwort, die wirkliche Weisheit und Erkenntnis über die entscheidenden Fragen gibt es nur in Gottes Offenbarung. Diese findet sich nur in der Bibel. Und sie kann man nur wirklich verstehen, wenn Jesus sie einem aufschließt und es uns verstehen lässt.
Viele Menschen, auch solche, die nicht an Jesus Christus glauben, können die Bibel lesen und daraus eine ganze Menge entnehmen – zum Beispiel über Kindererziehung und viele nützliche Dinge. Aber ohne Jesus verstehe ich nicht den tieferen Sinn meines Lebens.
Verstehen Sie: Wenn zwei dasselbe sehen, müssen sie noch lange nicht dasselbe erkennen. Zum Beispiel stünde hier ein modernes Formel-1-Auto. Wir würden die Motorhaube öffnen, und davor stünden Schumi und ich – oder auch Herr Engel und ich. Herr Engel könnte das wahrscheinlich ähnlich verstehen wie Schumi. Wir sehen beide dieselben Drähte, Kabel, Schrauben und Gewinde. Für mich wäre das ein verwirrendes Bild, wie ein expressionistisches Gemälde ohne jeglichen Sinn. Aber Schumi und Herr Engel wüssten ganz klar, welches Kabel wohin gehört, welche Funktion es hat und wo der Sinn und Zusammenhang ist.
Wir sehen dasselbe Bild, verstehen es aber in ganz unterschiedlicher Weise und Tiefe.
Andersherum nehmen wir mal einen griechischen Bibeltext: Schumi und ich würden dieselben griechischen Buchstaben, Striche und Punkte sehen. Für Schumi wäre das wahrscheinlich wie chinesische Schriftzeichen oder Fliegendreck auf dem Papier. Ich könnte immerhin einiges verstehen und erkennen. Derselbe Text – der eine versteht ihn, der andere nicht oder nur oberflächlich.
So ist es mit Gottes Weisheit, Gottes Offenbarung und der Bibel. Sie liegt in jedermanns Schrank. Auch ein Nichtchrist kann manches daraus erkennen und sollte sie lesen. Gott kann das Wunder bewirken, dass jemand beim Bibellesen plötzlich kapiert, dass ihm die Schuppen von den Augen fallen und er den tiefen, inneren Sinn begreift. Aber solange er ohne Jesus die Bibel liest, wird er sie im tiefsten Grunde nicht verstehen.
Darum ist es nur logisch, dass eine gläubige Großmutter, die vielleicht nicht mal die Volksschule abgeschlossen hat, ihr ganzes Leben mit Jesus verbracht und in ihm wirklich verankert war, die Bibel besser versteht. Diese Großmutter besitzt mehr Weisheit und Klugheit als ein berühmter Theologieprofessor, der vielleicht meterweise Bücher veröffentlicht hat, aber niemals Jesus als seinen persönlichen Retter angerufen hat.
In diesem Fall – ich sage das ganz deutlich – wird die Oma auch geschichtsphilosophisch klüger sein als der Wissenschaftler, selbst wenn die Oma das Wort Geschichtsphilosophie nie gehört hat oder nicht weiß, wer Plato, Hegel, Nietzsche oder Spengler ist. Das macht gar nichts.
Durch Jesus Christus hat die Großmutter Zugang und Vertrauen zur Bibel. Deshalb weiß sie, was mit der Weltgeschichte los ist: Dass sie einen perfekten Anfang hat und ein perfektes Ende bekommen wird. Dass ein persönlicher Gott die ganze Geschichte in Gang gesetzt hat. Dass die Vernichtungskraft der Geschichte die Sünde ist, dass dahinter der Teufel steht, aber dass Jesus wiederkommen wird. Jesus wird die Sache zu seinem guten Ziel führen.
Es wird einen doppelten Ausgang geben: Himmel oder Hölle, eine ewige Trennung zwischen Gerettet und Verloren. Alles entscheidet sich daran, ob wir in ihm sind. Das alles weiß die gläubige Großmutter.
Die Geschichte ist eben nicht die irrsinnige Erzählung eines Idioten, wie es Macbeth sagt. Ja, es gibt Irrsinn. Wir Christen wissen auch, woher der Irrsinn kommt: vom Teufel, von der Sünde und von unserer Schuld. Aber nicht der Irrsinn hat das letzte Wort der Geschichte, sondern der heilige und persönliche Gott, der durch Jesus Christus retten will.
Das alles weiß die gläubige Großmutter, die zu Jesus gehört. Das alles weiß der ungläubige Professor nicht. Und wenn es andersherum gilt, dann stimmt das auch: Der gläubige Theologieprofessor weiß es, und die ungläubige Großmutter nicht. Mag sie noch so lebenserfahren, alltagsklug und erdverbunden sein – wenn die Großmutter nicht an Christus hängt, dann weiß sie es nicht.
Weisheit und Erkenntnis sind also nicht in erster Linie eine Frage unserer Bildung an der Schule, Universität oder wo auch immer. Es ist in erster Linie eine Frage unserer Jesusbindung. Sind wir in ihm, kennen wir ihn?
Schließlich hat er aus dem Reichtum seiner Gnade, wie es hier heißt, überreichlich ausgegossen Erlösung und Vergebung, aber auch alle Weisheit und Klugheit. Und nun will er, dass wir davon Gebrauch machen.
Ausblick und Aufforderung zur Entscheidung
Und wir werden am nächsten Sonntag sehen, dass Paulus ein weiteres ganz spezielles Thema anspricht. Es ist ein sehr wichtiges Thema in unserer Zeit, für das Jesus uns Weisheit und Klugheit schenkt. Diese Weisheit und Klugheit wird uns am nächsten Sonntag näher erläutert.
Sie kennen wahrscheinlich den sprichwörtlichen Ausdruck: „Du bildest dir wohl ein, du hättest die Weisheit mit Löffeln gefressen.“ Das bedeutet so viel wie: „Du hältst dich wohl für super schlau.“ Christen, die nach Epheser 1 leben, können sich diesen Ausdruck ruhig zu eigen machen. Schließlich hat Jesus uns allen Weisheit und Einsicht versprochen – und zwar nicht nur löffelweise, sondern eimerweise, überströmend nach dem Reichtum seiner Gnade.
Wenn jemand uns fragt: „Du hast die Weisheit wohl mit Löffeln gefressen?“, dann antworte ich nicht mit „Löffeln“, sondern mit „Eimern“. Und dann würde ich ihm Epheser 1 erklären. Es kommt nämlich ganz darauf an, und daran hängt alles, dass wir in ihm sind.
Damit schließt sich der Kreis – auch der Kreis dieser Predigt. Und das ist die wichtigste Frage für jeden von uns, der heute Morgen hier sitzt: Sind Sie in ihm? Bist du in ihm? Bist du erlöst? Hast du Vergebung deiner Sünden?
Vielleicht fragen Sie: „Wie kann ich das wissen?“ Schauen Sie, was Paulus schreibt. Er sagt: Du kannst es wissen. In ihm, in Christus, hast du es. Wie geschieht das, dass du in ihm bist, dass du zu ihm gehörst und das sagen kannst? Du rufst ihn an, er hört dein Gebet. Er lädt dich ein – auch durch diesen Bibeltext, den wir heute Morgen gemeinsam studiert haben.
Er sagt: Alles ist für dich bereit – Erlösung. Ich habe mein Leben geopfert, ich habe gelitten, ich habe den Kreuzestod auf mich genommen. Ich habe die Schulden vollständig bezahlt. Es steht alles bereit. Ich will dir vergeben. Ich will dein Leben unter meine guten Fittiche nehmen.
Sei bereit, mich als deinen König und Retter anzurufen. Sei bereit, dich vertrauensvoll meiner Herrschaft zu unterstellen. Ich bringe dich durch, ich bringe dich durch diese Zeit, und ich bringe dich sicher an in der Ewigkeit. Deine Zukunft soll nicht in der Hölle sein, sondern im Himmel. Aber dafür brauchst du jetzt Erlösung und Vergebung deiner Schuld.
Das wünsche ich Ihnen am allermeisten: Wenn der Tag kommt, an dem Sie nach der Bilanz Ihres Lebens gefragt werden, dass Sie dann genauso antworten können wie dieser Bauer: „Ich weiß sonst nichts zu sagen, als dass ein Bürger kam, der meine Schuld getragen, die Rechnung auf sich nahm und sie so völlig hingezählt hat, dass von der ganzen Menge auch nicht ein Stäublein fehlt.“ Amen.