Wie es doch noch Weihnachten wurde.
Es war ein kalter Winterabend, und die Straßen waren von einer dicken Schneeschicht bedeckt. Die meisten Menschen waren bereits zu Hause und bereiteten sich auf das Weihnachtsfest vor. Doch in einem kleinen Haus am Rande der Stadt herrschte noch Hektik und Unruhe.
Die Familie Müller hatte in diesem Jahr viele Schwierigkeiten durchgemacht. Der Vater hatte seinen Job verloren, und die Mutter kämpfte mit einer schweren Krankheit. Die Kinder waren enttäuscht, weil sie dachten, dass Weihnachten diesmal ausfallen würde.
Trotz aller Widrigkeiten gab die Familie die Hoffnung nicht auf. Sie versammelten sich um den kleinen, schiefen Weihnachtsbaum, der kaum geschmückt war. Mit leuchtenden Augen erzählten sie sich Geschichten von vergangenen Weihnachten und sangen gemeinsam Weihnachtslieder.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Draußen standen Nachbarn mit Geschenken und selbstgebackenen Plätzchen. Sie hatten von der Not der Familie gehört und wollten helfen. Gemeinsam schmückten sie den Baum neu und bereiteten ein festliches Essen vor.
In dieser Nacht wurde die wahre Bedeutung von Weihnachten spürbar: Zusammenhalt, Liebe und Nächstenliebe. Die Familie Müller erlebte, dass Weihnachten nicht von materiellen Dingen abhängt, sondern von der Gemeinschaft und dem Miteinander.
So wurde es doch noch Weihnachten – ein Fest der Hoffnung und des Neubeginns.
Weihnachtssehnsucht und unerwartete Wache
Es ging auf Weihnachten zu. In der Kaserne sprach man eigentlich nur noch vom Weihnachtsurlaub.
„Freut euch nicht so früh“, sagte Paul, der bedächtige Bauernjunge aus Westfalen. „Wer weiß, ob wir noch wegkommen. Ein paar müssen ja doch hierbleiben und Wache schieben.“
Günther lachte: „Warum soll es denn gerade uns treffen? Etwa ausgerechnet mich? Nee, mein Lieber, was meiner Mutter Sohn ist, der ist am Heiligen Abend zu Hause.“
Und dann traf es ihn doch. Was war das für ein magerer Trost, als der Feldwebel ihm sagte, er dürfe über Neujahr nach Hause. So stand er denn am Heiligen Abend eisern auf Wache. Ist das nun ein Weihnachtsfest?
Am ersten Feiertag erhielt Günther früh eine Postkarte von seinem Stubengenossen Paul. Die Karte kam von einem Wirtshaustisch. Bierspritzer hatten die Schrift verwischt, und ein paar unleserliche Unterschriften zeigten, dass man schon reichlich Alkohol konsumiert hatte.
Blitzartig sah Günther vor seinem inneren Auge die lärmende, halb betrunkene Gesellschaft. „War das nun ein Weihnachtsfest?“, dachte er bei sich, während er langsam in der Frühe des zweiten Festtags durch das Kasernentor ging.
Die Suche nach Weihnachten in der Kirche
Heute hat er nach dem Wachdienst frei – wenigstens ein Feiertag. Aber wohin jetzt? Da fangen in der nahen Kirche die Glocken an zu läuten. Günther wundert sich selbst, dass er, wie von einer verborgenen Macht gezogen, dem Klang der Glocken folgt.
Er ist ja so allein, und er hat so viel freie Zeit. Jetzt am Morgen – wohin sollte man da gehen? Wenn er zuhause gewesen wäre, wäre er an den Festtagen gewiss auch mit den Eltern einmal in die Kirche gegangen. Nun sitzt er in dem hohen Kirchenraum. Am zweiten Feiertag sind heute nur wenige Leute da.
Günther ärgert sich ein bisschen über den dünnen Gesang. Deshalb fällt er lauter ein, als er eigentlich vorgehabt hat. Immer mehr nimmt ihn das Frohsingen gefangen: „Fröhlich soll mein Herze springen dieser Zeit, da vor Freud alle Engel singen, heute geht aus seiner Kammer Gottes Held, der die Welt reißt aus allem Jammer.“
Dann steht ein junger Vikar auf der Kanzel, dem man heute am zweiten Feiertag die Frühpredigt übertragen hat. Er ist nicht viel älter als Günther, denkt dieser. Deshalb fühlt er sich innerlich verpflichtet, den Altersgenossen ernst zu nehmen. Und der junge Prediger nimmt seine Sache auch ernst.
Günther stößt sich nicht an der etwas unbeholfenen und ängstlichen Art des jungen Predigers. Es geht ihm durch und durch, als der junge Pfarrer dort oben sagt, wie ernst es Gott doch um unsere Errettung sein muss, dass er seinen eingeborenen Sohn gab.
Darüber hat Günther eigentlich noch nie nachgedacht – wirklich noch nie, dass man überhaupt eine Errettung braucht. Aber jetzt ist ihm alles ganz klar. Sein Gewissen sagt ihm, dass der da oben Recht hat. So lässt er sich gern und willig mitführen zu dem Kind von Bethlehem, in dem Gott uns die Errettung geschenkt hat.
Begegnung mit dem jungen Prediger und neues Verständnis
Ja, alles, was er gehört hat, wird ihm so wichtig, dass er sich ein Herz fasst und nach dem Gottesdienst in die Sakristei geht. Der junge Prediger ist fast erschrocken, dass sein Wort wirklich solch eine Wirkung gehabt hat, dass es sogar ein stolzes Soldatenherz erschüttern konnte.
Nun freut er sich. Gern nimmt er den Suchenden auf und lädt ihn für den Nachmittag in seine kleine Bude ein. An diesem Nachmittag geschieht es, dass ein junger Mann den anderen zum Heiland führen kann.
Als Günther am Abend durchs Kasernentor geht, lächelt er still vor sich hin. Merkwürdig, kein Heimaturlaub – aber jetzt ist doch wirklich auch für mich Weihnachten geworden, wie einer das Eigentliche begreifen lernte.
Heimkehr in veränderte Verhältnisse
Donnont fuhr der Zug in die Bahnhofshalle ein. Langsam packte der junge Student sein Köfferchen und stieg aus. Gemächlich ging er zum Ausgang. Einen kurzen Augenblick sah er sich um, dann schlenderte er langsam in die Stadt hinein. Nein, er hatte es nicht eilig, obwohl zu Hause die Mutter und die Schwestern auf ihn warteten.
Seine Gedanken wanderten zurück. Wie anders war es in den früheren Jahren gewesen! Damals konnte er gar nicht schnell genug aus dem Bahnhof herauskommen, um in die Droschke zu steigen, die ihn in den schönen Stadtteil brachte, wo die Eltern wohnten. Dort stand die hübsche Villa, das Elternhaus. Noch ehe die Droschke richtig hielt, war man schon herausgesprungen und hatte stürmisch am Tor geläutet. Dann kamen jubelnd die Schwestern, die Mutter und der Vater – dieser herrliche Vater. Und dann kam Weihnachten mit all seinem Glanz und seiner Freude. Ja, so war es früher.
Gedankenvoll schritt er dahin. Es war ein weiter Weg, und er hatte nicht einmal die paar Pfennige für die Straßenbahn. Das heißt, Pfennige ist falsch gesagt. Es war ja die schlimme Zeit der Inflation, in der selbst eine Straßenbahnfahrt ein paar Tausend Mark kostete. Ach, es war alles anders geworden.
Bedrückt ging unser Student weiter in den Norden der Stadt. Dort wartete nun ein hohes, graues Haus auf ihn. In diesem Haus wohnte die Mutter unter entsetzlich elenden Verhältnissen. Wie rasch hatte sich alles verändert! Der Vater war plötzlich gestorben, die Inflation hatte das Vermögen verzehrt, und ihr hübsches Haus hatten sie verlassen müssen.
Es wäre alles zu ertragen, wenn der Vater noch lebte, unser starker, froher Vater, dachte der Student, während er durch immer grauere, trostlosere Straßen ging. Aber so kann man doch nicht Weihnachten feiern. So doch nicht – ohne den Vater, ohne Geld, ohne einen Weihnachtsbaum und ohne Geschenke. Nein, so kann man nicht Weihnachten feiern!
Die überraschende Weihnachtsfreude trotz aller Not
Er geht langsam, er hat es nicht eilig, aber schließlich steht er doch vor dem großen grauen Haus. Hier wundert er sich zum ersten Mal, dass ihn niemand abgeholt hat. Nun ja, denkt er, die haben keinen Mut zum Leben mehr. Dann steigt er die dunklen Treppen hinauf.
„Ganz oben wohnt die Mutter, meine liebe arme Mutter“, denkt er im ersten Stock. Dann steigt er weiter. „Ich hätte gar nicht kommen sollen, man macht sich nur das Herz schwer“, denkt er beim zweiten Stock.
Beim dritten Stock bleibt er wieder stehen. „Das ist nun Heiliger Abend“, denkt er bitter. Er steigt weiter, ein paar Stufen, dann aber bleibt er stehen. Über ihm hebt ein Gesang an, jubelnd, hell, himmlisch. Da oben steht die Mutter mit den Schwestern, und sie singen ihm entgegen:
„Warum sollt ich mich denn grämen, hab ich doch Christum noch, wer will mir den nehmen, wer will mir den Himmel rauben, den mir schon Gottes Sohn beigelegt im Glauben?“
Regungslos steht der junge Student. Er ist ein harter Kerl; den Weltkrieg hat er mitgemacht, fast als Knabe im Freikorps hat er gekämpft nach dem Krieg. Aber nun laufen ihm die Tränen herunter, Freudentränen.
Es geht ihm wie den Hirten auf Bethlehems Feld, und er hört die Engelbotschaft: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Er begreift, diese Botschaft gehört zu Weihnachten. Alles andere mag vergehen und fehlen. Wenn der Heiland da ist, dann ist Weihnachten – Glanz und Freude und Herrlichkeit.
Jubelnd eilt er der Mutter in die Arme.
Weihnachten an der Front im Ersten Weltkrieg
Welt ging verloren. Es war im Januar 1915. Als junger Kriegsfreiwilliger stand ich an der Front. Wir lagen am Kanonberg in der Champagne, in einer trostlos zerstörten Gegend.
Am Tag vor Weihnachten kam Post, und ich erhielt auch ein Päckchen. Unter allerlei Liebesgaben war ein gelber Wachsstock. „Kinder, wir machen uns einen Weihnachtsbaum“, hieß es, als man den Wachsstock in meiner Hand sah.
Am Morgen des Heiligen Abends zog ich mit meinen Kameraden los, um den Weihnachtsbaum zu suchen. Wie glücklich waren wir, ein kleines grünes Sträuchlein zu finden. Mit großer Liebe pflanzten wir es in eine Konservenbüchse. Mit mehr Geduld als Geschick wurde der Wachsstock zerschnitten, und jedes Lichtlein wurde mit einer Stecknadel an einen Zweig gesteckt.
Dann kam der Heilige Abend. Draußen war es ruhig, nur hier und da bellte ein verlorener Schuss durch die Nacht. Jetzt sollte unsere Feier losgehen. Ach, sie missriet völlig.
Am Nachmittag war uns eine große Korbflasche Schnaps geliefert worden. Diesem Gift hatten die Männer schon kräftig zugesprochen, sodass ein böser Geist herrschte. Ich versuchte zu retten, was zu retten war. Die Kerzen wurden angesteckt, und ich bat: „Lasst uns ein Lied singen.“
Da war nun einer, der wollte uns mit dem Lichterbäumlein knipsen. Bis der endlich alles aufgebaut hatte, waren die kleinen Kerzen ausgebrannt. Dafür war der Unterstand voll beißenden Qualms vom Blitzlicht. Ach, es missriet alles.
Warum? Ich denke heute, wir waren alle heimwehkrank an dem Abend. Kurz: Es war trostlos, und ich lief schließlich in Zorn und Schmerz aus dem Unterstand.
Draußen umfing mich sternenhelle Nacht. Weiß leuchtete die aufgewühlte, zerschossene Kalkerde. Armes Land! Hier waren einst reiche Felder und Gärten. Dort unten in der Mulde hatte ein Dorf gelegen. Jetzt zeugten nur noch einige kahle Obstbäume davon, selbst die Trümmer waren verschwunden, zum Straßenbau verwendet.
Vor zwei Jahren hatten dort fröhliche Menschen Weihnachten gefeiert. Und wo sind sie nun, die Heimatlosen?
Das Horn in der Nacht und die wahre Bedeutung von Weihnachten
Da höre ich ein Geräusch. Aus dem Offiziersunterstand, der nur wenige Schritte nebenan liegt, kommt jemand heraus. Er sieht mich nicht, weil ich im Schatten stehe. Doch ich kann ihn deutlich erkennen: Es ist ein Oberleutnant, der mir immer mächtig imponiert hat.
Lange steht er da und schaut in die trostlose Nacht. Sieh an, denke ich, ihm geht es wohl wie mir. Im Offiziersunterstand sind sie wohl auch alle betrunken. Und jetzt wird ihm der ganze Jammer des Krieges bewusst, so sehr, dass er ihn fast nicht mehr ertragen kann.
Doch was hat er da? Er zieht unter seinem Umhang ein blitzendes Horn hervor, setzt es an die Lippen, und nun klingt es unendlich weich und seltsam über das zerschossene, zerstörte Tal: „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit.“
Sein Blasen zwingt mich fast, den Text leise mitzusprechen. Doch alles in mir empört sich. Nein, nein, schreit mein Herz, es ist nicht wahr! Hier liegt ein zerstörtes Dorf, jedes verwüstete Haus ist ein Strom von Herzeleid. Dort sind die trunkenen, heimwehkranken Männer. Zu Hause weinen Frauen und Kinder, die nach ihren Vätern rufen. Blut, Sterben, Jammer – wie kannst du so blasen, „O du fröhliche“?
Aber er bläst ruhig weiter, und es klingt klagend: „Welt ging verloren.“ Ja, denke ich, das ist nun ganz und gar wahr. So habe ich das noch nie empfunden und gesehen.
„Christ ist geboren“, bläst er in meine Gedanken hinein, so hell, so jubelnd, so schmetternd, dass ich aufhorche. „Christ ist geboren, freue dich, o Christenheit!“
Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Das ist Weihnachten, das und nichts anderes! „Welt ging verloren, Christ ist geboren, freue dich, o Christenheit!“
Der Gesang im Chaos.
Der Gesang im Chaos und die Geschichte eines jungen Soldaten
Mein Herz krampft sich zusammen, wenn ich an den Jungen denke. Er war noch fast ein Kind, als man ihn zu den Soldaten holte. Irgendwo in Russland, bei Leningrad, haben die Russen ihn totgeschossen. Was bedeutete damals schon ein Menschenleben für die Mächtigen? Wie ein Weizenkorn, das zwischen harten Mühlsteinen zerrieben wird, erscheint mir der Ausgang seines Lebens.
Dabei war er gar nicht für den harten Krieg geschaffen. Er wollte Musiker werden. Seine Seele lebte in der Musik. Wenn man mit ihm sprach, hatte man oft den Eindruck, sein Geist sei weit weg und lausche irgendwelchen Klängen, die wir nicht hörten.
Kurz nach Weihnachten im Jahr 1949 kam die Nachricht, dass er gefallen sei. Eine kalte, herzlose und mit Floskeln gefüllte Mitteilung. Wenige Tage zuvor jedoch schrieb er einen Brief, in dem er erzählte, wie er Weihnachten erlebt hatte.
Dieser Bericht zeigt so charakteristisch den rohen Geist der Zeit, die Einsamkeit der jungen Menschen und die Herrlichkeit des Evangeliums, dass ich ihn weitergeben muss. Ich überwinde damit meine inneren Widerstände, die mich bisher davon abhielten, diese Geschichte zu erzählen.
Weihnachtsfeier im Krieg und die Kraft der Musik
Hören Sie mal, sagte der Hauptmann kurz vor Weihnachten zu den blutjungen Soldaten: Wir werden das Fest hier in diesem russischen Städtchen verbringen. Da könnten wir doch eine nette Weihnachtsfeier für die Kompanie arrangieren, meinen Sie nicht auch?
Jawohl, Herr Hauptmann! Ich habe gehört, dass Sie Musikus sind. Ein komischer Beruf, aber egal – da sind Sie jedenfalls der richtige Mann, so etwas in die Hand zu nehmen, nicht wahr?
Jawohl, Herr Hauptmann! Sie können das ganz machen, wie Sie wollen. Wir haben einen Saal zur Verfügung mit einem Klavier. Stellen Sie einen Chor zusammen und üben Sie etwas Nettes, etwas Weihnachtliches – na, Sie verstehen schon. Ich verlasse mich ganz auf Sie. Haben Sie verstanden?
Jawohl, Herr Hauptmann.
Der Junge war restlos glücklich. Welch eine schöne Aufgabe in der grauenvollen Monotonie dieses Etappendaseins! Seine Freude riss die stumpfen Kameraden mit. Ihre Seelen, die erstickt waren im tönenden Kreislauf von Drill, unzüchtigen Männergesprächen und Alkohol, begannen sich zu regen.
Als der Heilige Abend kam, erlebte die Kompanie eine wunderschöne Feier. Das liebliche Evangelium von dem Gottessohn, der arm in der Krippe lag, von den Engeln, die auf Bethlehems Feld sangen, und von den Hirten, die erschrocken und selig der Botschaft lauschten, stand im Mittelpunkt. Selbst die rohesten Burschen wurden still und bewegt. Es war, als wenn die Seelen, die wie verschüttet gewesen waren, leise zum Licht drängten.
Dann war die Feier zu Ende. Eine tiefe, lebendige Stille lag über dem Saal. Doch plötzlich wurde sie unterbrochen von einem Ruf des Hauptmanns. Die Türen flogen auf, Ordonanzen erschienen, bepackt mit Schnaps- und Weinflaschen.
Da war es, als wenn sich das Geröll wieder prasselnd über die Seelen stürzte: ein johlendes Geschrei, die erste Zote knallte in den Saal, Gelächter, und dann begann ein Saufgelage, in dem die Männer all ihren Jammer, ihre Sehnsucht und ihr Heimweh ertränkten.
Traurig schleicht sich der Junge fort. Heiliger Abend – vor seiner Seele ersteht das Bild der Heimat, der Eltern, der Geschwister. Wie schön, wie himmlisch schön war es, wenn man dort Weihnachten feierte.
Er verkriecht sich wie ein krankes Tier zwischen die Decken seines harten Lagers und schläft dort ein.
Einsamkeit und Trost durch den Glauben
Ein graues Morgenlicht sickert in den Schlafsaal, als er erwacht. Die Kameraden kehren zurück, betrunken, taumelnd, blöde lachend. Schmutzige Reden verpesten die Luft. Der Junge wirft seine Decken zurück und geht schweigend hinaus. In seinem Herzen ist ein zerreißendes Heimweh. Oh, wie gemein, wie schmutzig, wie niedrig ist das alles – und das ist Weihnachten.
Ohne zu überlegen landet er wieder in dem Saal, wo die Feier stattgefunden hat. Wie sieht der aus? Die Stühle sind zerbrochen, die Tische umgeworfen, die Fensterscheiben zerschlagen. Überall ist der Fußboden bedeckt mit abscheulichem Lachen, alkoholischen Getränken und Gespienem. Aber dort steht ja noch das Klavier, unbeschädigt.
Erst einige Tage später, bei der Neujahrsfeier, haben ein paar Betrunkene es zum Fenster hinausgeworfen. Aber an jenem Weihnachtsmorgen stand es noch da. Der junge Soldat stürzt darauf zu, und ja, nun hielt er seine Weihnachtsfeier.
Da saß der einsame Junge in dem verwüsteten Saal, spielte und sang: Gelobet seist du, Jesu Christ, dass du Mensch geboren bist, von einer Jungfrau, das ist wahr, des freut sich der Engelsschar. Ein Lied nach dem anderen fiel ihm ein. Wie gut, dass man zuhause all die schönen Lieder auswendig gelernt hatte. Er bringt euch alle Seligkeit, die Gott, der Vater, hat bereit.
Schließlich zog er sein kleines Testamentchen heraus und las still und gesammelt noch einmal die wunderschöne Geschichte, wie sie im zweiten Kapitel des Lukasevangeliums berichtet wird: Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Darüber wurde sein Herz so froh, dass er nur anbeten und loben konnte. Und so ging er wieder an sein geliebtes Klavier und sang noch einmal alle Weihnachtslieder durch. Da klang es durch den kalten russischen Morgen. Mancher russische Bauer mag erstaunt unter dem Fenster stehen geblieben sein: Sehet, was hat Gott gegeben, seinen Sohn zum ewigen Leben. Dieser kann und will uns heben aus dem Leid zur Himmelsfreud.
Ob er es ahnte, dass das wenige Wochen später geschah – aus dem Leid zur Himmelsfreud? So saß er allein, verlassen, getröstet im fremden Land, in einem bestialisch zerstörten Saal und sang das Lob des Kindes in der Krippe.
Die Gemeinde singt trotz allem Leid
Und auf einmal musste er mitten im Spiel abbrechen, denn da ging ihm ein großes Licht auf. Davon schrieb er nach Hause.
Ist das nicht die Lage der Gemeinde Jesu Christi zu allen Zeiten?
Inmitten des Chaos dieser gefallenen Welt singt sie fröhlich und unbekümmert die Loblieder ihrem Erlöser und Heiland. Nun war er nicht mehr allein. In der großen Gemeinde stand er, die dem Teufel zum Trotz singt und lobt – Freude, Freude über Freude, Christus – während allem Leide.
