Zwei Perspektiven auf das Leiden
Ja, die Frage nach dem Leiden ist einerseits eine, die unseren Intellekt herausfordert. Das heißt, wir stellen uns diese Frage als äußere Beobachter dessen, was um uns herum geschieht. Genau das wurde auch in dem Filmbeitrag angesprochen, den wir gerade gehört haben. Dort wurde die Frage gestellt: Warum lässt du dieses und jenes zu? Wir nehmen das Geschehen außerhalb von uns selbst wahr.
Andererseits gibt es die Frage des Leidens, die uns existenziell herausfordert. Das bedeutet, dass wir selbst unmittelbar von Leid betroffen sind. Das sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Dinge. Ich möchte heute Abend versuchen, auf beides einzugehen. Allerdings müssen wir diese beiden Aspekte voneinander getrennt betrachten.
Warum? Weil wir, wenn wir selbst von Leid betroffen sind, meistens gar keine Antwort darauf wollen, warum wir leiden. Ich kenne kaum einen Menschen, der in schwerem Leiden steckt und wirklich wissen möchte, warum das Leiden da ist. Manche stellen die Frage, aber nur wenige wollen wirklich eine Antwort darauf. Vielmehr wollen wir in dieser Situation, dass das Leiden aufhört.
Wenn ich zum Beispiel jemanden im Krankenhaus besuche, der sein Leben lang geraucht hat und nun an Lungenkrebs leidet, will dieser Mensch nicht von mir hören: „Ja, du hast Lungenkrebs, weil du so lange geraucht hast.“ Was er eigentlich möchte, ist, dass ich mit ihm bete oder ihm Medikamente gebe, und dann sagt er: „Jetzt soll das weg sein.“
Ähnlich ist es bei jemandem, der in einer Ehekrise steckt. Diese Person will nicht hören: „Ja, du hast versagt, du hast dich falsch verhalten in der Ehe, deshalb ist das passiert.“ Auch wenn das stimmt, möchte derjenige lieber, dass ich den Zauberstab schwinge und die Ehe wieder in Liebe verwandelt wird.
Das heißt, wir müssen ganz deutlich sehen: Wenn wir selbst im Leiden sind, dann ist die Frage „Warum?“ zwar manchmal da, aber sie erwartet meist keine echte Antwort. Vielmehr sucht sie nach einem Schuldigen. Sie sagt: „Da ist jemand außerhalb von mir, dem kann ich das vorwerfen. Du bist schuld, dass meine Ehe gescheitert ist. Du bist schuld, dass ich jetzt sterbe.“ Das ist etwas ganz anderes, und dafür braucht es auch eine andere Antwort.
Trotzdem möchte ich heute Abend versuchen, Antworten darauf zu geben, warum Leid eigentlich stattfindet. Das gilt vor allem für diejenigen, die sich nur gedanklich mit dem Leid auseinandersetzen, insbesondere mit dem Leid anderer Menschen. So wie es im Filmbeitrag angesprochen wurde: mit dem Tsunami, der Menschenleben mit sich reißt, mit dem Erdbeben, das Menschen trifft, mit Krankheiten, Kriegen oder Hunger.
Das sind Dinge, die uns oder die meisten von uns wahrscheinlich momentan nicht unmittelbar betreffen. Ich wüsste nicht, dass hier in den letzten Jahren ein Tsunami war. Auch gab es hier kein Erdbeben, soweit ich mich erinnere. Und in den letzten Jahren gab es hier auch keinen Krieg. Das heißt, mit diesen Katastrophen haben wir hier nichts zu tun.
Alltägliches Leiden und persönliche Betroffenheit
Das heißt nicht, dass wir nicht mit Leiden zu tun haben. Aber die Leiden, die häufig in Diskussionen um die Gerechtigkeit Gottes genannt werden, sind meistens nicht die alltäglichen Leiden, die uns am meisten betreffen.
Die meisten Leiden, die uns betreffen, sind eben Dinge, bei denen wir auch selbst mit einbezogen sind. Man kann dann gar nicht so genau zwischen unserer Verantwortung und einer möglichen Verantwortung Gottes unterscheiden.
Die Leiden, mit denen wir tagtäglich zu tun haben, sind beispielsweise die Gleichgültigkeit anderer Menschen. Andere Menschen interessieren sich gar nicht für uns. Wir merken: Ob wir leben oder sterben, das kümmert keinen. Und das kann Leiden verursachen.
Viele Menschen hier in Rostock leben allein in ihrer Wohnung. Manche tun das bewusst, manche tun das, obwohl sie eigentlich Gemeinschaft haben wollen. Einsamkeit kann ein Leiden sein.
Umgekehrt gibt es auch manche, die verheiratet sind und sagen: Wer ist denn da einsam? Das gibt es auch. Manche leiden eben an der Gemeinschaft mit einem Menschen, den sie nicht lieben oder bei dem Spannungen herrschen. Dann hat man das vor Augen.
Meistens ist es so, dass man das Leiden am intensivsten empfindet, von dem man selbst gerade betroffen ist. Ich weiß nicht, ob Ihnen das auch so geht. Wenn jemand anders von seinem Leiden erzählt, können wir uns das anhören, aber so richtig nachempfinden können wir es meistens nicht.
Wir denken dann häufig: Ja, das ist ja eine Kleinigkeit. Wenn ich so etwas hätte – also wenn der wüsste, was ich erlebe! Das liegt einfach daran, dass wir ja immer nur das Leiden erleben, das uns selbst betrifft. Von dem anderen hören wir. Wir können es mit unseren eigenen Erfahrungen vergleichen, aber wir spüren es eben nicht nach. Wir sind da nicht drin.
Das heißt: Das Leiden, das uns persönlich betrifft, erscheint häufig sehr intensiv.
Beispielsweise erinnere ich mich, dass ich mal mehrere Tage hintereinander Zahnschmerzen hatte. In dem Moment dachte ich: Zahnschmerzen sind das Schlimmste. Ich weiß nicht, ob Ihnen das auch schon so gegangen ist.
Falls Sie jemand sind, der regelmäßig Migräne hat, dann werden Sie wahrscheinlich sagen: Ja, wenn du wüsstest, Migräne ist ganz, ganz, ganz schlimm. Oder wenn Sie gerade in einer Ehekrise sind, dann würden Sie sich denken: Was erzählst du von dem Zeug? Die Ehekrise ist ja fürchterlich. Da wachst du mit Depressionen auf, kannst nachts nicht schlafen und so weiter.
Und es stimmt: All diese Sachen sind schlimm.
Oder wenn Sie gerade Kinder im Teeniealter haben, die alle möglichen Sachen machen, die sie nicht tun sollten, und die Dinge, die sie tun sollten, nicht tun, dann denken Sie: Das ist das Schlimmste.
Oder wenn Sie kleine Kinder haben, die Sie nicht durchschlafen lassen und jede Nacht schreien, dann denken Sie: Das ist das Schlimmste.
All das sind Formen des Leidens.
Jetzt will ich gar nicht schönreden und sagen: Ja, das ist doch alles nicht so schlimm. Natürlich leidet man darunter, wenn man nächtelang nicht schlafen kann. Klar leidet man darunter, wenn man in derselben Wohnung mit einem Ehepartner lebt, mit dem man eigentlich nichts mehr zu sagen hat, sondern sich gegenseitig das Leben schwer macht.
Klar ist das Leiden.
Manchmal ist das so schlimmes Leiden, dass sich Menschen aufgrund dessen das Leben nehmen. Das sind keine Kleinigkeiten.
Manchmal gibt es Schüler, die unter Mobbing leiden, weil andere sie fertig machen. Jedes Jahr gibt es in Deutschland sehr viele Schüler, die sich das Leben nehmen, weil sie so fertig gemacht werden.
Das wird heute sogar noch potenziert, weil das nicht nur auf dem Schulhof stattfindet, sondern auch virtuell im Internet, auf sozialen Medien. Plötzlich schreiben dir Tausende von Leuten, wie blöd du bist.
Viele Schüler gehen daran kaputt, weil sie keine Lebensperspektive mehr haben und ganz schlimmes Leiden empfinden.
Andere leiden an Krankheiten.
Wieder andere haben das Leiden, dass sie keinen neuen Job finden und den Eindruck haben, keiner ist mehr an ihnen interessiert. Sie sehen keine Zukunft mehr.
Andere Menschen leiden an der Sinnlosigkeit ihres Lebens: Was hat das alles für einen Sinn? Das bringt ja alles gar nichts. Ich lebe von einem Tag zum nächsten dahin.
Die Art und Weise des Leidens kann also sehr unterschiedlich sein.
Diejenigen, die eine der von mir beschriebenen Situationen schon mal erlebt haben, können das zumindest ein Stück weit nachvollziehen. Sie werden sich erinnern und sagen: Ja, so war das, das war schlimm.
Jeder von uns wird in seinem Leben sein Quantum Leiden abbekommen.
Manchmal haben wir den Eindruck, uns trifft das Leiden ganz besonders hart. Manchmal ist das auch so. Häufig ist es aber eine unausgewogene Wahrnehmung, weil wir eben nur unser eigenes Leiden wahrnehmen und nicht das der anderen.
Dann sagt mancher: Naja, siehst du, da sind ja Leute, die sind so reich und so glücklich und so weiter. Ja, wir stehen eben nicht in deren Schuhen.
Wir dürfen nicht denken, dass es demjenigen, der eine Villa und eine Yacht hat, immer gut geht. Das ist vielleicht im Hollywood-Film so, aber nicht in der Realität.
Ich habe genügend Leute kennengelernt, die superreich sind. Und ich kann Ihnen sagen: Die meisten von denen leiden auch.
Gut, sie leiden nicht, weil sie überlegen müssen, wie sie ihre Miete nächste Woche bezahlen. Das nicht. Aber sie haben eine andere Form von Leiden.
Beispielsweise kenne ich einen relativ reichen Mann, der vor ein paar Wochen seinen Sohn bei einem Motorradunfall verloren hat. Davon kann man betroffen werden, egal wie reich man ist.
Mit Geld kann man das Leben des Sohnes nicht zurückkaufen. Das ist vorbei, es ist zu Ende.
Eine andere wohlhabende Person, die ich kenne, hat eine Frau, die Brustkrebs bekam. Sie war knapp vierzig und starb ein paar Jahre später. Die beiden haben sich geliebt. Das kann man durch Geld nicht zurückkaufen.
Wir sollten also nicht den Eindruck haben, Menschen, denen es anders geht – die einen Job haben, einen Ehepartner oder Geld – denen geht es prinzipiell gut. Nein.
Ich bin eher der Überzeugung, nach vielen Jahren, in denen ich mit Menschen arbeite: Fast jeder Mensch, den ich kenne, hat in seinem Leben ein gehöriges Quantum Leiden.
Für diejenigen von uns, die noch zu jung dafür sind, kann ich sagen: Machen Sie sich keine Gedanken, das kommt ganz von selbst.
Warten Sie noch ein bisschen. Sprechen wir uns in zwanzig, dreißig Jahren wieder. Ich bin ziemlich überzeugt, Sie werden mir zustimmen und sagen: Ja, in meinem Leben gab es eine Portion Leiden.
Natürlich nimmt der eine das schwerer, der andere leichter. Das ist auch eine Frage der Persönlichkeit.
Manche Menschen leiden sehr unter Schmerzen, andere können mit Schmerzen einigermaßen gut leben.
Der von mir geschätzte Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal war ein überzeugter Christ. Er sagte selbst in seinem Rückblick auf sein Leben – er starb übrigens sehr früh – dass er sich an keinen Tag erinnern kann, an dem er nicht unerträgliche Kopfschmerzen hatte.
Man hat bei seiner Obduktion krankhafte Veränderungen im Gehirn gefunden. Niemand konnte ihm helfen.
Stellen Sie sich vor, jeden Tag Kopfschmerzen zu haben, und dann hat dieser Mann noch geniale Leistungen vollbracht, die bis heute bekannt sind.
Das ist für mich kaum vorstellbar. Und das ohne viele Schmerzmittel, die es damals gar nicht gab. Es war einfach so, dass er damit leben musste. Das ist für mich ziemlich schwer verständlich.
Aber er konnte irgendwie damit umgehen. Andere können das so nicht.
Deshalb empfinden wir Schmerzen und Leiden unterschiedlich – je nach unserer Lebenssituation, unserer Persönlichkeit, unserer Konstitution und auch dem Umfeld, das uns vielleicht hilft, Leid zu ertragen oder es uns schwer macht, Leid zu ertragen.
Auf jeden Fall ist Leid allgegenwärtig. Deshalb haben wir alle mit Leid und der Frage nach dem Leiden zu tun.
Die Frage nach dem Warum des Leidens und Gottes Rolle
Ich habe ja eingangs gesagt, dass die Frage nach dem Leiden, dem Sinn des Leidens und dem Grund des Leidens meistens von denjenigen, die darin stecken, nicht wirklich ehrlich gestellt wird. Deshalb sind die Antworten, die ich geben möchte, solche, die stimmen. Sie entsprechen dem, was ich selbst erfahren habe, sie entsprechen der Erfahrung anderer Menschen und sie entsprechen auch dem, was wir in der Bibel von Gott darüber lesen können, wie es mit dem Leid auf sich hat.
Die Frage dieses Abends lautet ja nicht nur: Welchen Sinn hat das Leid? Oder: Woher kommt das Leid? Sondern insbesondere die Frage im Zusammenhang mit Gott: Warum das Leid? Warum lässt Gott Leid zu? Manche Menschen formulieren es auch anders und sagen: Angesichts des Leides in der Welt kann es keinen Gott geben.
Vielleicht zuerst einmal eine Antwort auf diese Frage. Ich glaube, diese Frage geht eigentlich am Ziel vorbei. Sie ist stark aus der Emotion der Betroffenheit vom Leid oder aus dem Hass auf Gott geboren. Denn rein verständnismäßig ist diese Frage nicht richtig.
Die Frage „Warum lässt Gott das Leid zu?“ oder „Es kann keinen Gott geben, weil es so viel Leid gibt“ setzt voraus, dass Gott allmächtig ist und dass er Liebe ist. Und weil er den Menschen liebt und allmächtig ist, verhindert er um jeden Preis jedes Leiden, das uns betreffen kann. Das ist die Frage, die dahintersteht. Und hier müssen wir die Antwort darauf geben.
Diese Überlegung ist richtig, sie trifft aber ein Gottesbild, das nach meinem Wissensstand kaum ein Mensch vertritt. Also zumindest Christen nicht, Muslime auch nicht, Buddhisten auch nicht, Hindus auch nicht und Juden auch nicht. Sie vertreten nicht die Auffassung, dass Gott allmächtig ist und Liebe ist und dass das die einzigen Eigenschaften sind, die in seinem Handeln eine Rolle spielen.
Wenn das so wäre, dann müssten wir sagen: Ist das Leid in der Welt ein gutes Argument gegen die Existenz Gottes? Denn dann müssten wir sagen: Offensichtlich gibt es so viel Leid, also entweder ist Gott nicht so liebevoll, dass er uns das Leid abnimmt, oder er ist nicht so allmächtig, dass er es verhindern kann. Das wäre ja auch möglich. Da könnte es ja einen Gott geben, der eben nicht allmächtig ist, oder einen Gott geben, der eben nicht um jeden Preis Leid verhindert.
Der Gott, an den Christen glauben und der sich in der Bibel offenbart, ist absolute Liebe und allmächtig. Aber daneben hat er noch zwanzig andere Eigenschaften, die ebenfalls eine Rolle spielen. Und manchmal können wir das hier vielleicht übertragen auf das, wenn Sie jetzt Kinder haben oder sich zumindest vorstellen können, Kinder zu haben. Wobei das Vorstellen immer schwierig ist, wenn man das nicht selbst erfahren hat.
Aber dann werden Sie feststellen: Selbst wenn Sie liebevolle Eltern sind – und es geht jetzt gar nicht mehr um Allmacht – tun Sie manchmal bestimmte Dinge nicht, die Ihr Kind als Leiden interpretieren wird, obwohl Sie es anders tun könnten. Die Frage ist dann: Warum eigentlich?
Manchmal, weil Sie Ihr Kind so sehr lieben, dass Sie es leiden lassen, damit es ihm später besser geht. Das klingt jetzt absurd, nicht? Aber manchmal ist es genau so.
Wenn Sie zum Beispiel Ihr Kind dazu drängen, das Zimmer aufzuräumen, empfinden manche Kinder das als Leiden. Ich weiß nicht, ob Sie Ihr Kind so gut erzogen haben, dass es das automatisch macht und alles in Ordnung ist. Aber wenn das nicht ganz so ist, sagen manche Kinder: „Warum schon wieder, Mama? Das ist doch alles in Ordnung. Ich finde meine Sachen noch.“ Und dann empfindet das Kind das als Leiden.
Aber Sie tun das, weil Sie einen weiteren Blick haben und denken: Das ist auch gut für die Zukunft. Wenn du irgendwo arbeitest oder deinen Haushalt hast, brauchst du das. Du musst das lernen. Und dann muten wir dem Kind das zu.
Oder ich weiß jetzt bei unserem Sohn: Wir lassen ihn regelmäßig leiden. Es tut mir auch leid, aber immer wieder stellen wir bei ihm das Internet ab. Am liebsten würde er sagen: „Papa, wenn du mich so sehr liebst, dann melde mich am besten von der Schule ab, mache eine Breitband-Internetverbindung und dann darf ich den ganzen Tag in meinem Zimmer sein und im Internet surfen.“
Wenn ich ihm dann sage: „Nein, jetzt ist Schluss. Abends, zack, Uhrzeit, jetzt musst du abgeben, jetzt wird abgestellt“, dann empfindet er das als Leiden.
Aber warum tue ich das? Ich tue das nicht, weil ich mein Kind nicht liebe. Ich tue es, weil ich mein Kind liebe. Weil ich weiß, ich würde meinem Kind schaden, wenn ich diese Grenze nicht setze.
Hier merken wir schon: Ganz so einfach ist die Sache eben nicht mit Gott und dem Leiden. Wir können es nicht reduzieren auf absolute Leidensfreiheit und Allmacht. Sondern da spielen auch andere Dinge eine Rolle, wie es uns ergeht und was hier auf der Erde abläuft.
Wenn ich jetzt verschiedene Antworten auf die Gründe gebe, warum Gott Leid zulässt, obwohl er allmächtig ist und absolute Liebe ist, dann sind das Antworten – ich sage jetzt im Plural: Antworten, die nie immer auf jedes Leiden zutreffen. Denn es gibt nicht nur eine Ursache von Leiden hier auf der Erde aus der Sicht Gottes, sondern es gibt ganz verschiedene Ursachen, weil auch das Leid unterschiedlich ist.
Deshalb, wenn ich jetzt ein paar Beispiele nenne, dürfen Sie diese nicht unbedingt immer auf Ihre Situation oder die, die Sie gerade kennen, beziehen. Man muss abwägen und sehen: Vielleicht ist da die Antwort Nummer eins, vielleicht die Antwort Nummer zwei, vielleicht die Antwort Nummer drei, vielleicht die Antwort Nummer vier oder vielleicht die Antwort Nummer zehn.
Das heißt, es gibt viele verschiedene Antworten auf Leiden. Ich möchte einfach verschiedene entfalten, von denen ich glaube, dass sie eine große Rolle in unserem Leben spielen. Und manchmal, obwohl wir es vielleicht nicht hören wollen, können uns diese Antworten doch weiterhelfen. Sie können ein besseres Verständnis geben und manchmal auch helfen, mit dem Leid anders umzugehen – obwohl das Eigentliche, was wir wollen, eher die Beendigung des Leides ist.
Menschliches Handeln als Ursache des Leidens
Nun, der erste Faktor ist einer, der uns ganz am Anfang der Bibel schon deutlich gemacht wird. Es ist auch ein Faktor, den wir, wenn wir ehrlich sind, bejahen müssen und den wir aus eigener Erfahrung kennen.
Wenn ich Ihnen nämlich hypothetisch die Frage stellen würde – ich beantworte sie gleich selbst –, wer denn das meiste Leiden quantitativ hier auf der Erde verursacht, wäre meine Antwort: Es ist nicht Gott, sondern die Menschen. Das meiste Leid auf der Erde wäre genauso da, wenn es keinen Gott gäbe. Für einen Atheisten, der sagt, es gibt keinen Gott, bedeutet das nicht, dass er arbeitslos wird. Wird man nur arbeitslos, wenn es Gott gibt? Wird man nur krank, wenn es Gott gibt? Geht die Ehe nur kaputt, wenn es Gott gibt? Wer macht denn die Ehen kaputt?
Wenn Sie eine Ehekrise erlebt haben, war es dann Gott, der eingegriffen hat, obwohl Sie alles richtig gemacht haben? Plötzlich, ohne dass etwas passiert ist, hat Gott dann zack eingegriffen, und die Ehe war kaputt? Das ist meistens nicht so. Vielmehr merken wir, wenn wir ehrlich sind, dass unser Egoismus, unsere Eigensucht, unsere Rücksichtslosigkeit, unsere Unaufmerksamkeit und unsere mangelnde Bereitschaft zur Vergebung das Leid verursachen.
Wer führt denn Kriege? Hat Gott Hitler oder sonst jemanden angewiesen, jetzt mal einen Krieg zu führen, weil es zu viel Ruhe gibt und ein bisschen Durcheinander her muss? Nein, es waren Menschen. Meistens handeln Menschen eben nicht so, wie Gott es gesagt hat, dass sie handeln sollen. Wenn wir in der Bibel lesen, steht da zum Beispiel: Sei bereit zur Vergebung. Wenn dir jemand auf die eine Wange schlägt, halte auch die andere hin. Solche Dinge finden wir in der Bibel. Jesus hat das praktiziert. Und selbst Jesus blieb das Leiden nicht erspart, obwohl er richtig gehandelt hat. Das meiste Leid, dem er ausgesetzt war, kam von anderen Menschen – Menschen, die neidisch auf ihn waren, wie die religiösen Führer seiner Zeit, die ihn als Konkurrenz betrachteten und ihn deshalb umbringen wollten. Leute, die einfach ein Ärgernis waren, weil er Aufmerksamkeit auf sich zog, die sie gerne selbst gehabt hätten.
Meine These ist: Das meiste Leiden, das wir hier auf der Erde haben, ist hausgemacht, menschengemacht. Vielleicht nicht immer von uns selbst, aber dann von anderen Menschen in unserer Umgebung. Es findet ganz ohne den Eingriff Gottes statt. Menschen verursachen oft Hungersnöte, Kriege, Mobbing, Scheidungen und viele Krankheiten. Diese sind oft selbstgemacht oder zumindest mitverursacht.
Das ist natürlich eine unangenehme Wahrheit, weil keiner von uns sie gerne hören will. Wir wollen lieber glauben, dass immer jemand anderes schuld ist, nur nicht wir selbst. Das ist unangenehm. Vielleicht kennen Sie das auch. Falls nicht, kann ich Ihnen sagen: Ich habe viel in der Eheseelsorge gearbeitet. Und ich kann Ihnen sagen, bei den ersten Gesprächen ist immer klar, dass der andere Ehepartner der Böse ist. Spreche ich zuerst mit der Frau, dann ist der Mann schuld. Spreche ich zuerst mit dem Mann, dann ist die Frau schuld. Die Wahrheit liegt meistens irgendwo dazwischen.
Deshalb ein guter Tipp: Wenn Sie mit einem Partner sprechen, glauben Sie nicht alles, was er sagt. Nicht, weil er lügt – ich glaube nicht, dass er lügt – sondern weil jeder nur seine Perspektive berichtet. Diese Perspektive ist aber nur ein Teil des Ganzen. Wenn Sie wirklich helfen wollen, müssen Sie auch die andere Perspektive hören. Denn da ist auch immer etwas Wahres drin.
Das ist auch nicht böse gemeint. Wir sehen immer nur unsere Seite und spüren nur unsere Verletzungen, nicht die des Anderen. Was mit der Ehe häufig passiert, ist, dass wir den Eindruck haben, immer müsse ich mich verändern, und der andere nicht. Warum? Weil wir merken, wie schwer Veränderung bei uns selbst ist. Es ist immer einfacher, beim Anderen Veränderung einzufordern als selbst welche zu praktizieren. Deshalb haben wir den Eindruck, wir müssen mehr tun als der Andere, und der Andere hat den Eindruck, er müsse mehr tun als wir.
Ich gehe hier von einer Ehe aus, in der sich beide einigermaßen bemühen und nicht aufeinander einschlagen. Es gibt ja noch andere Situationen. Deshalb ist es unangenehm, wenn uns jemand sagt: Du bist auch schuld am Leid in der Welt. Und selbst wenn es nicht das eigene Leid ist, sind wir, wenn wir genau hinschauen, auch mitschuldig am Leid anderer Menschen, das ausgelöst wird. Manchmal bewusst, manchmal nehmen wir es in Kauf, manchmal unbewusst – aber auch wir sind mitschuldig.
Natürlich gibt es die großen Schuldigen, wie Hitler, Stalin und andere, die Leid für Millionen von Menschen verursacht haben. Aber ein Grund für das Leiden auf der Erde hängt nicht mit Gott zusammen, sondern ist menschengemacht.
Man könnte fragen: Warum greift Gott da nicht ein? Warum setzt er dem nicht einfach ein Ende? Ich glaube, es gibt mehrere Antworten. Die Hauptantwort, die wir in der Bibel finden, ist, dass Gott den Menschen als freies Gegenüber geschaffen hat. Einen Menschen, der eigene Entscheidungen treffen kann und soll. Denn Gott möchte Gemeinschaft mit einem Menschen, der freiwillig Ja zu ihm sagt.
Wenn man die Möglichkeit gibt, freiwillig Ja zu sagen, gibt es automatisch auch die Möglichkeit, freiwillig Nein zu sagen. Und zwar Nein zu den Ordnungen Gottes, zur Gemeinschaft mit Gott. Ich habe gesagt, Gott hat uns eine Leitlinie an die Hand gegeben, und ich bin überzeugt, wenn alle Menschen danach leben würden, gäbe es einen großen Teil des Leidens auf der Erde nicht mehr.
Aber das Leiden entsteht, weil wir trotz Gewissen und Wissen um Gottes Willen nicht danach handeln. Wir finden dann Entschuldigungen, weil es schwer ist, einzugestehen, dass wir mit schuld sind an dem, was nicht in Ordnung läuft. Es ist immer leichter zu sagen, die anderen sind schuld – in der Gesellschaft, in der Politik, in der Familie, überall.
Aber es wird uns deutlich: Wir sind mit daran beteiligt. Gott hat uns einen freien Willen gegeben – den freien Willen, das Gute zu tun, und den freien Willen, genau das Gegenteil zu tun. Häufig nutzen wir – und wenn nicht wir, dann viele andere Menschen – diesen freien Willen, um das Falsche zu tun.
Ich hoffe, es ist verständlich, warum Gott diesen freien Willen dem Menschen gegeben hat. Diesen vollkommen freien Willen haben wir zum Beispiel bei Tieren nicht. Tiere sind überwiegend instinktgesteuert und nicht so stark darauf ausgerichtet, frei zu entscheiden.
Zum Beispiel haben wir zu Hause einen Hund. Bei diesem Hund weiß ich ungefähr, was er tut. Es ist immer ganz ähnlich. Wenn ich zum Beispiel esse, stellt er sich auf die Hinterbeine, so angewinkelt. Das heißt, er weiß, dass er irgendwann mal was zu fressen bekommen hat. Ich muss zugeben, ich war derjenige, der das mit verursacht hat und nicht ganz so gut in der Erziehung war. Nachdem er das einmal geschnallt hat, kommt er jedes Mal wieder. Manchmal finde ich das süß, meine Frau sagt dann: „Michael, warum machst du das?“ Tja, gut, aber ich hoffe, das ist nicht ganz so schlimm. Der Hund leidet nicht, ihm macht das Spaß und mir auch.
Aber Tiere haben keinen freien Willen. Der Hamster hat keinen freien Willen, ob er das eine frisst oder das andere nicht – er handelt instinktgeleitet. Menschen haben freien Willen, entsprechend ihrer Gefühle zu handeln oder auch dem entgegenzuwirken.
Was ist der Hauptgrund, dass Gott das will? Der Hauptgrund ist Liebe. Wir alle wissen, dass die Grundbedingung für Liebe Freiheit ist. Ohne Freiheit gibt es keine Liebe.
Sie können das gerne mal ausprobieren: Wie befriedigend ist es, wenn Sie Ihren Computer so programmieren, dass er Ihnen jeden Morgen beim Einschalten sagt: „Ich liebe dich“? Das wäre ja etwas. Sie bräuchten keinen Partner mehr, mit dem Computer hätten Sie weniger Ärger – zumindest meistens, wenn er funktioniert. Und dann kommt als Bildschirmschoner jedes Mal, wenn Sie ihn hochfahren, „Ich liebe dich“. Fühlen Sie sich dann auch emotional angenommen und akzeptiert?
Ich muss sagen, ich nicht. Genau, weil ich weiß, dass er das nicht freiwillig sagt, sondern weil ich ihn dazu gezwungen habe – ich habe es einfach einprogrammiert.
Stellen Sie sich vor, Sie programmieren den Computer auf „Ich liebe dich“, und am nächsten Morgen, wenn Sie ihn einschalten, steht da plötzlich: „Ich hasse dich.“ Was ist mit dem Computer los? Dann würde ich zuerst denken, dass jemand anders daran rumgeschrieben hat, weil der Computer ja keinen freien Willen hat.
Das merken wir genauso bei einem Partner. Wenn Sie einen Partner gewählt haben und fragen: „Liebst du mich?“ – ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, falls Sie verheiratet sind, für die anderen steht das ja noch bevor – dann ist das Besondere daran, dass wir nicht genau wissen, wie er antwortet. Wir hoffen natürlich, und wir wissen, er könnte auch „Nein“ sagen.
Wenn er dann „Ja, ich liebe dich“ sagt, ist das etwas ganz Besonderes. So empfinden wir das auch.
Sie könnten auch die Alternative wählen: Sie gehen zu der Frau, die Sie heiraten wollen, besorgen sich vorher eine Pistole und sagen: „Sag ,Ich liebe dich‘, sonst Ende.“ Vielleicht sagt sie dann „Ja“, aber das ist nicht so befriedigend. Sobald die Pistole weg ist, kann es auch seine Haut schnell ab, und dann war das mit der Liebe nichts.
Liebe hat nur Bedeutung, weil wir frei sind, zu entscheiden: Ja oder Nein. Deshalb schätzen und mögen wir das. Gezwungene Aussagen schätzt keiner von uns, weil wir wissen, dass sie nicht ernst gemeint sind und nichts dahintersteckt.
Genauso ist es bei Gott. Gott will eine Liebesbeziehung zum Menschen – also auch zu uns – und lässt uns die Freiheit, zu seiner Ordnung Ja zu sagen oder nicht.
Ich habe schon mit einigen Menschen gesprochen, die sagen: „Ja, Michael, das sehe ich ein, aber Gott könnte das ja klug machen. Er lässt die Freiheit, Ja oder Nein zu sagen, aber er verhindert die negativen Auswirkungen dieser Entscheidung.“ Also er lässt die Freiheit zu lügen, aber verhindert die negativen Auswirkungen. Er lässt die Entscheidung, einen Krieg zu führen, aber verhindert die negativen Auswirkungen.
Nur: Wie soll das funktionieren? Stellen Sie sich vor, Sie wollen lügen. Lügen schadet jemandem – nämlich dem, der die Lüge hört oder liest. Sobald Sie die Lüge aussprechen wollen, bleibt Ihnen das Wort im Hals stecken, weil Gott verhindert, dass das ausgesprochen wird.
Oder Sie wollen jemanden beschimpfen. Sobald Sie den anderen beschimpfen wollen, bleibt Ihnen der Spruch im Hals stecken. Sie reißen den Mund auf, der andere lächelt zurück, und Sie stehen da. Wer würde denn noch versuchen, auf den anderen zu schimpfen? Keiner.
Das wäre ja ein Witz, wenn Sie wüssten, das geht gar nicht.
Das wäre so ähnlich, als wenn ich Sie frage: Wann haben Sie das letzte Mal versucht zu fliegen? Also so einfach mit den Händen. Sie würden mich wahrscheinlich dumm anschauen und sagen: „Wieso? Das geht doch gar nicht.“
Genau das ist das Problem. Ich sage Ihnen: Sie haben vollkommen freie Entscheidung, mit den Händen zu fliegen oder nicht. Da würde man sagen: „Was für ein Blödsinn! Wenn ich das nicht kann, wieso soll ich mich dafür entscheiden?“
Genauso ist es mit allen anderen Entscheidungen, die Gott offenlässt. Wenn Gott eine Entscheidung offenlässt – tu das, was ich dir sage, oder tu es nicht – und wir nicht die Möglichkeit haben, es zu tun, dann erübrigt sich die Entscheidung. Das ist gar keine Entscheidung.
Das wäre so ähnlich, als wenn ich jemanden im Gefängnis besuche, den Katalog für Urlaubsreisen mitbringe und sage: „Du kannst ganz frei aussuchen, wo du hinfahren willst.“ Aber das Gitter bleibt geschlossen.
Dann würde er wahrscheinlich sagen: „Vielen Dank, ich kann mich zwar frei entscheiden, ob ich nach Mallorca oder auf die Nordseeinseln will, aber ich bleibe drin, weil ich es nicht machen kann.“
Dann merkt man: Das ist Unsinn. Wirkliche Freiheit gibt es nur, wenn wir auch tun können, was wir wählen. Und was wir tun können, hat Konsequenzen für uns und andere Menschen.
Weil Gott es ernst nimmt mit der Freiheit, die er uns gegeben hat, lässt er uns auch die Möglichkeit, das Böse zu tun – für andere Menschen und für uns selbst.
Gott lässt das zu, weil er das hohe Gut einer Liebesgemeinschaft, eines Ja zu Gott, gelten lassen will.
Das ist eine Antwort auf das Leiden – aber nicht die einzige.
Ehrlichkeit im Umgang mit Gott und dem Leid
Wenn Sie jetzt sagen: „Ja, aber da gibt es doch das und das und das Leiden“, dann stimme ich Ihnen zu, das ist noch nicht die ganze Antwort. Ich habe Ihnen ja gesagt, ich werde verschiedene Antworten geben, und alle sind eine Teilantwort. Manche sind dann auch eine überwiegende Antwort auf bestimmte Formen des Leidens.
Bei den Menschen, die Gott sehr schnell das Leid unterschieben und ihm Vorwürfe machen, möchte ich noch zwei Dinge dazu sagen, und zwar zumindest zur Ehrlichkeit mahnen. Zur Ehrlichkeit mahnen auf der Einsicht: Wenn man Gott zu schnell die Vorwürfe für das eigene Leid gibt, dann würde ich auffordern – wenn man ehrlich ist –, das nur dann zu tun, wenn man vorher Gott auch ordentlich Danke gesagt hat für das, was er einem im eigenen Leben alles geschenkt hat.
Das ist doch klar, oder? Denn wenn es einen Gott gibt, kann ich doch schlecht alles, was gut gelaufen ist in meinem Leben, auf mein Konto schreiben und alles, was schlecht gelaufen ist, auf das Konto Gottes. Das ist doch ungerecht, oder? Denn wenn es einen Gott gibt und ich ihn für das Böse verantwortlich mache, dann muss ich ihn auch verantwortlich machen für das Gute, das mir in meinem Leben geschehen ist.
Deshalb würde ich jeden auffordern, der zu schnell Gott Vorwürfe macht für das Böse, wenigstens ehrlich zu sein, auch Gott gegenüber ehrlich. Wenn ich ihm Vorwürfe mache, muss ich ihm auch all das anlasten, was in meinem Leben am Guten geschehen ist. Also ich hoffe, die Sache ist klar. Für mich ist sie klar: Es ist nicht richtig, immer nur das Böse zu sehen.
Das wäre ja wie beim Ehepartner, wenn ich wieder das Beispiel nehme: Wenn Sie Ihrem Ehepartner immer nur vorwerfen, was er falsch gemacht hat, also „Das bist du, alles machst du falsch“, dann ist das auch ungerecht, oder? Wenn Sie gerecht sein müssten, dann müssten Sie auch sagen: „Okay, das hast du super gemacht, und das ist auch gut.“ Das ist ja häufig eine Sache, wo viele schieflaufen, weil wir nur noch das Negative nennen und das Positive als selbstverständlich nehmen. Dann hat der andere den Eindruck: „Alles mache ich falsch, immer hast du etwas gegen mich.“ Und manchmal stimmt das ja sogar, weil wir uns an das Gute gewöhnt haben.
Das ist falsch bei der Ehe und das ist auch falsch bei Gott. Wenn wir Gott Vorwürfe machen – was wir ja tun können bei manchen Sachen, zumindest die wir nicht selbst verantwortet haben –, dann sollten wir das nur tun, wenn wir gleichzeitig auch Gott Danke sagen für das, was wir Positives erlebt haben.
Es ist keine gerechte Rechnung, dem anderen nur das Böse anzulasten und alles Gute auf unsere eigene Rechnung zu nehmen. Auch das ist ein Teil der Antwort, die wir brauchen, wenn wir über das Leid nachdenken.
Wenn wir Gott nach dem Leid beurteilen oder ihm das Leid vorwerfen, dann müssen wir uns auch eine andere unangenehme Frage stellen, nämlich die Frage, ob sich Gott je für das Leid oder für das Glück in unserem Leben verpflichtet hat. Also: Welches Anrecht haben wir denn darauf, von Gott Glück einzuklagen?
Viele Menschen haben den Eindruck, das sei doch vollkommen selbstverständlich, Gottes Job. Dafür ist er ja da. Wofür ist Gott denn sonst da, wenn nicht dafür, mein Leben in geraden Bahnen verlaufen zu lassen und glücklich zu machen? Man kann diese Auffassung vertreten, aber das ist dann nicht der Glaube an den Gott, der in der Bibel beschrieben wird, auch nicht der des Islam, des Buddhismus, Hinduismus oder anderer Religionen. Denn Gott ist Gott.
Gott ist nicht unser Dienstleister, der dafür da ist, dass in unserem Leben alles glattläuft. Solche Götter gibt es nicht. Auch in der Bibel hat sich Gott nie verpflichtet, all unser Leiden wegzunehmen oder zu neutralisieren. Von daher ist auch unser Anrecht, das einzufordern oder beleidigt zu sein, wenn es nicht stattfindet, auf tönernen Füßen.
Übrigens gilt das irdisch genauso: Sie würden ja auch nicht zu Ihrem Nachbarn gehen und sagen: „Warum bin ich so unglücklich, warum geht es mir so schlecht? Du bist daran schuld.“ Der würde ja auch komisch schauen, nicht? Im Grunde genommen ist es derselbe Gedanke.
Das Wieso, warum mache ich dann Gott Vorwürfe? Das kann ich ja nur tun, wenn ich ein Anrecht darauf habe, dass Gott mir Glück schenkt, weil er es mir versprochen hat oder aus irgendeinem anderen Grund. Aber dieses Anrecht gibt es zumindest nach all den Religionen, die es auf der Erde gibt, nicht. Und in der Realität ja offensichtlich auch nicht.
Ich kenne keinen, der je mit einem Gott aus irgendeiner anderen Religion gestritten hätte und der Gott dann gesagt hätte: „Okay, jetzt habe ich mich verpflichtet, es geht alles gut.“ Das gibt es nicht.
Der Gott, an den wir glauben, ist ein Gott, der in unser Leben eingreift, aber der uns kein Recht gegeben hat, ewige Glückseligkeit einzuklagen. Das nicht.
Es gibt sogar manche Menschen, die sagen: „Ja gut, das ist ein Recht, auf das wir sehr vorsichtig sein sollten: Gott, ich fordere ein, dass du mich so behandelst, wie ich selbst bin, was ich wert bin, was mir zusteht.“ Manche tun das. Manche haben eben von sich selbst einen etwas verschobenen Eindruck.
Ich muss sagen, ich bin manchmal wirklich sehr stark beeindruckt oder weiß manchmal gar nicht, was ich sagen soll. Ab und zu in meinem Leben habe ich Menschen getroffen, die mir gesagt haben: „Also Michael oder Herr Kotsch, ich habe in meinem Leben noch nie etwas falsch gemacht.“ Ja, und die sagen dann: „Eben deshalb ist ja klar, ich habe alles richtig gemacht, deshalb muss Gott mich segnen und es gut mit mir meinen.“
Ich bin dann immer etwas sprachlos im ersten Moment, weil mir geht es gar nicht so. Mir fallen sofort einige Sachen ein, die ich falsch gemacht habe. Aus der Sicht Gottes – zumindest des biblischen Gottes – ist es ganz eindeutig: Da sind wir alle schuldig. Keiner von uns hat wirklich alles richtig gemacht.
Und es ist nicht nur so, dass es um Kleinigkeiten geht. Wenn wir meinen, wir haben alles richtig gemacht, dann meistens nur, weil wir selbst einen Katalog von richtig und falsch zusammengestellt haben, der meistens sehr kurz und klein ist. Und zumeist betrifft er nur die Dinge, die uns keine große Mühe machen.
Zum Beispiel, wenn ich jetzt einen Katalog aufstellen würde, dann würde ich da vielleicht reinnehmen: Niemanden ermordet. Dann kann ich ehrlich sagen, ich habe bisher in meinem Leben niemanden ermordet. Also bin ich ein guter Mensch. Oder ich könnte sagen: Kein Banküberfall, ich habe bisher noch keinen Banküberfall begangen. Keinen Terroranschlag gemacht, habe ich bisher auch nicht.
Und dann kann ich zu Gott kommen und sagen: „Siehst du, Gott, ich bin ein guter Mensch, ich habe bisher noch nie etwas falsch gemacht.“ Wenn ich allerdings die Maßstäbe der Bibel sehe – und die sind absolut, was gut und böse angeht –, dann sehen wir alle schlecht aus.
Deshalb lesen wir auch in der Bibel, im Römerbrief, im Neuen Testament, dass es keinen Menschen gibt, der gerecht ist, auch nicht einen.
Häufig beruht das lediglich auf der Auffassung, dass wir meinen, wir sind ja nicht schlechter als der Durchschnitt oder manchmal vielleicht etwas besser als der Durchschnitt. Manchmal sind wir gnädiger mit uns selbst als mit anderen Menschen und mit unseren Fehlern gnädiger als mit den Fehlern der anderen.
Wenn wirklich jemand darum bittet: „Gott, ich möchte so behandelt werden, wie es mir zusteht“, dann seien Sie vorsichtig. Denn wenn Sie das fordern, dann werden Sie sehr viel Leid auf sich herunterbitten. Denn das, was uns zusteht, ist eher noch viel mehr Leid als das, was wir haben – und zwar egal wer von uns.
Denn in der Bibel lesen wir ganz deutlich: Eigentlich dadurch, dass wir gegen Gott opponieren, dass wir seine Gebote überschreiten – wenn Sie mal eine ganze Liste bekommen würden von den Dingen, die Sie falsch gemacht haben im Leben –, dann wären wir eher erschüttert, niedergeschmettert.
Wenn Gott uns für all diese Sachen bestrafen würde, weil wir es verdienen, dann sähen wir ganz schön schlecht aus.
Und für das Gute muss es ja nicht gleich eine Belohnung geben. Das ist im Leben ja nirgends so. Oder machen Sie das etwa? Oder macht das beispielsweise die Polizei, die Sie kennen?
Ich weiß nicht, ob Sie heute bei Rot an der Ampel stehen geblieben sind. Stand da ein Polizist, der gleich zehn Euro verteilt hat mit den Worten: „Danke, dass Sie bei Rot stehen geblieben sind.“ Das wäre ja etwas, ich würde dadurch reich werden.
Denn meistens bleibe ich bei Rot stehen. Nächste Frage: Ja, meistens. Und dann? Ja, also ich hoffe, ich versuche es immer zu tun.
Aber wenn man bei Rot rüberfährt und dann erwischt einen einer, dann muss man bezahlen. Da könnten Sie auch dem Polizisten sagen: „Polizist, das ist aber ungerecht. Gut, wenn ich hier stehen bleibe, will ich zehn Euro, dann bezahle ich auch Geld, wenn ich da drüber fahre.“
Manche denken, das, was auf der Erde nicht funktioniert, bei der Polizei nicht funktioniert, das funktioniert bei Gott. Also bei Gott: „Okay, dadurch, dass ich etwas Böses nicht tue, werde ich schon belohnt.“ Nein.
Viele Sachen sind aus Gottes Sicht selbstverständlich, und trotzdem gibt es aus Gottes Sicht eine Strafe für das, was wir falsch gemacht haben. Und das ist in unserem täglichen Leben genauso.
Das ist immer so: Wir machen einen Fehler und es geht schief. Das ist bei ganz vielen Dingen im Leben so.
Wir können zehnmal zu einem Menschen nett sein und beim elften Mal verletzen wir ihn – das ist schlimm, dieses Radikale. Aber genauso geht es auch, den anderen verbal zu verletzen oder sonst irgendwas.
Also diese Bitte: „Gott, gib mir das, was ich verdiene“, da sollte man sich doppelt und dreifach überlegen. Denn ich glaube, in der Realität geht Gott – egal wie viel Leiden wir erleben – mit uns noch viel gnädiger um, als das, was wir aus seiner Sicht eigentlich verdienen.
Wenn wir ehrlich sind, wenn wir uns selbst etwas vormachen und uns für wahnsinnig lieb und nett halten und unsere eigenen Fehler ausblenden, dann mag das dazu führen, dass wir sagen, wir sind ungerecht behandelt.
Aber wenn wir sehen, dass da viele Fehler sind, dann müssten wir eigentlich manchmal die Frage stellen: „Gott, warum geht es mir eigentlich so gut?“
Und damit meine ich jetzt nicht, dass es keine Probleme gibt. Ich habe in meinem Leben schon zahlreiche Probleme gehabt, und zwar von allen: zwischenmenschliche Probleme, gesundheitliche Probleme, finanzielle Probleme usw.
Bei vielen von uns wird es ja nicht anders gehen. Wenn wir uns hier alle so lieb und nett und gestriegelt sehen, dann sieht das ja alles in Ordnung aus.
Aber wenn ich mit vielen Einzelnen spreche, dann erzählen mir manche von ihrem Unglück und Leiden, das sie schon erlebt haben. Natürlich!
Ich weiß nicht, ob Sie mit mir tauschen wollen. Beispielsweise war ich mit Krebs im Krankenhaus, ein Dreivierteljahr, mehrere Operationen, drei durchgängige Chemotherapien, die Angst davor, vielleicht sterben zu müssen. Das war nicht angenehm.
Ich kann Ihnen noch von anderen Sachen erzählen, die ich in meinem Leben erfahren habe. Das ist Leiden, und das kann bis ans Ende der eigenen Kraft führen, sodass man nicht mehr weiter weiß in solchen Situationen.
Solches Leiden kann uns zustoßen.
Und trotzdem ist es so, dass ich in meinem Leben auch vieles erlebt habe, wofür Gott mich beschenkt hat. Mein Leben war nicht nur Leiden, trotz vielem Leiden, das da und dort gewesen ist, von Kindheit an bis in die Gegenwart hinein.
Ich hätte gar kein Problem, wenn es darum geht, hier so einen Wettbewerb des Leidens auszuschreiben, ihn in eine ganze Latte zu nennen und möglicherweise Leute mit noch mehr Leiden zu finden – das kann schon sein. Aber ich glaube, ich hätte schon einiges zu erzählen.
Nur darum geht es hier gar nicht.
Sondern es geht darum, die andere Seite zu sehen. Ich muss sagen: Trotz all dem Leiden, das ich erlebt habe, gab es auch vieles, vieles, wofür ich eingestehen muss: Da bin ich beschenkt, da ist es gut gelaufen.
Leiden als Mittel zur Charakterbildung und Umkehr
Nun, es gibt auch ganz andere Antworten auf das Leiden. Manchmal – und ich habe das vorhin schon mit dem Beispiel der Kinder gesagt – ist Leiden nämlich dafür da, um etwas bei uns zu erreichen, etwas Positives. Wenn Gott tatsächlich hinter dem Leiden steht, dann hat es eine gute Absicht, weil er etwas Gutes in uns bewirken will. Leider gibt es manchmal nur diesen Weg über das Leiden.
Was meine ich damit? Damit meine ich beispielsweise, dass bestimmte Charaktereigenschaften, die Gott und wir selbst als sehr wertvoll ansehen, eben nicht anders zu erreichen sind als durch Leiden. Wie wollen Sie beispielsweise Geduld lernen? Ich lerne Geduld in den letzten Jahren sehr intensiv durch meine Kinder in der Pubertät und jetzt langsam darüber hinaus. Manchmal lerne ich jeden Tag Geduld, manchmal würde ich gern aus der Haut fahren. So geht das ja gar nicht, und dann muss ich Geduld lernen.
Vielleicht gibt es jemanden, der Ihnen im Weg steht oder Probleme bereitet. Haben Sie schon einmal aus der Perspektive betrachtet, dass es möglicherweise ein Weg ist, dass Gott in Ihrem Leben wertvolle Charakterzüge formen und erreichen will – und diese leider nur auf diesem Weg erreichbar sind?
Die Leute, die sich für am geduldigsten halten, deren Geduld aber noch nie erprobt wurde, haben meistens gar keine Ahnung, was Geduld überhaupt ist. Natürlich, wenn sie alleine leben und mit wenigen Leuten Konflikte haben, ist es leicht, geduldig zu sein. Geduld lernen wir erst, wenn uns Leute wirklich auf die Nerven fallen. Dann können wir sie entwickeln.
Friedfertigkeit erreichen wir ebenfalls nur, wenn wir mit Unfrieden zu tun haben. Genauso ist es bei Liebe, Hoffnung, Langmut und so weiter. Vergebungsbereitschaft ist etwas Positives. Wo zeigt sich Vergebungsbereitschaft? Dort, wo wir vergeben müssen. Demut ist aus der Sicht Gottes ebenfalls etwas Positives – als Gegensatz zu Stolz und Hochmut. Aber Demut müssen wir auch lernen, sie ist uns meistens nicht angeboren.
All diese Eigenschaften will Gott dauerhaft in unserem Leben erreichen, nicht nur kurzfristig. Deshalb mutet er uns manchmal eine gewisse Form des Leidens zu, ein gewisses Quantum, obwohl es ihm Leid tut. Er hofft, dass wir auf diesem Weg in unserer Persönlichkeit weiterkommen.
Um das deutlich zu machen: Wir machen es ja ähnlich mit unseren Kindern. An der Schule wird es ähnlich gemacht. Gerade Schüler in der Pubertät empfinden die Zumutung, eine Schule besuchen zu müssen, häufig als Leiden. Zumindest ging es unseren Kindern manchmal so. Warum muss ich Englisch lernen? Ich brauche nie im Leben Englisch. Englisch ist so mühsam, warum ist das so kompliziert?
Wir können jetzt sagen: Englischkenntnisse sind etwas Positives. Die meisten von uns Erwachsenen würden wahrscheinlich sagen: Ja klar, habe ich schon häufig gebraucht. Aber bei den meisten Kindern geht Englischlernen nicht ohne eine gewisse Form des Leidens. Das müssen wir gar nicht besonders schwierig machen, denn Lernen ist häufig Leiden. Lernen ist meistens schwieriger als Computerspielen, oder?
Deshalb sagt man ja, wenn man Computerspielen und Englischlernen vergleicht, dann ist das, was einem weniger Probleme bereitet, das, was gut ist. Das andere empfindet man als Leiden. Sie sagen vielleicht: Für diese Kleinigkeit? So ist es bei vielen anderen Sachen auch.
Wollen Sie beispielsweise bei der Olympiade im Marathonlauf mitlaufen? Dann würde ich Sie fragen: Meinen Sie, das funktioniert ohne Leiden? Probieren Sie mal den ersten Lauf über zehn Kilometer. Es müssen nicht gleich dreißig sein. Wenn Sie ein normaler Mensch sind, also nicht schon vollkommen durchtrainiert, werden Sie danach leiden. Manche leiden schon nach zwei Kilometern. Die Seitenstiche fangen an, der Atem geht nur noch rasselnd, man muss sich überwinden. Abends liegt man im Bett, und alles tut weh.
Wenn Sie das Ziel erreichen wollen, gibt es keinen anderen Weg als das Training, das Üben, das Lernen und Ausprobieren. Manchmal ist das Leiden für uns ein notwendiger Zwischenschritt, um ein positives Ziel zu erreichen, das Gott möchte, dass wir es erreichen können.
Noch eine andere Antwort – ich sage ja, es gibt verschiedene Antworten, nicht jede trifft auf jede Form des Leidens zu. Eine andere Antwort, die auf manche Form des Leidens zutrifft, ist, dass Gott uns durch Leiden zum Nachdenken bringt und uns von einem falschen Weg abhält, auf dem wir uns befinden.
Manchmal ist das so. Ein Beispiel, das mir aus frühester Kindheit in Erinnerung ist: Wir waren als Kinder zu Hause, es war Sonntagmorgen, und wir wollten unseren Eltern eine Freude machen und das Frühstück vorbereiten. Ich war unter anderem für das Brotschneiden verantwortlich. Die Eltern waren noch im Bett. Meine Eltern hatten damals eine Brotmaschine, die man mit der Hand bediente. Man kurbelte nicht, sondern sägte mit einer Säge.
Ich sägte, bis ich plötzlich merkte, dass mein Daumen weh tat. Warum? Ich hatte mich angesägt. Das war zunächst Leiden – kein schweres Leiden, aber doch unangenehm. Meine Eltern waren nicht ganz so froh, denn überall im Flur war Blut verteilt. Es blutete, aber es war nicht so schlimm. Der Daumen war noch dran.
Was ich damit sagen will: Warum habe ich aufgehört zu sägen? Weil es wehgetan hat. Es gibt Krankheiten, bei denen Menschen keine Schmerzen empfinden können – das ist ganz schlimm, denn daran stirbt man. Manchmal ist Schmerz und Leid ein Warnsignal: Vorsicht, hier nicht weiter, pass auf, das wird gefährlich.
Genauso ist es, dass Gott manchmal Leid in unserem Leben zulässt, sei es durch körperliche Schmerzen oder durch Eingriffe in unsere Lebensführung. Er will uns hindern, unser Leben ganz an die Wand zu fahren und kaputt zu machen.
Ich habe Menschen erlebt, die erst nach einem solchen Haltesignal neu darüber nachgedacht haben, wo ihr Platz im Leben ist. Sie haben erkannt, dass sie in der Ehe etwas verändern müssen, bevor sie ganz am Ende war und dem Bach abgegangen ist. Oder dass sie am Arbeitsplatz etwas verändern müssen, ehe es zu spät ist. Dort war der Schmerz ein Haltesignal.
Ich erinnere mich an einen Manager, mit dem ich gesprochen habe. Er sagte mir: „Michael, ich war richtig dankbar für meinen Burnout. Ich hatte nicht mehr gesehen, in welche Richtung ich laufe, und ich habe nicht mehr gesehen, wie ich meine Familie kaputt mache. Durch den Burnout bin ich zum Nachdenken gekommen.“
Ich habe Leute getroffen, die dankbar waren für den Herzinfarkt. Das war auch keine Freude, aber sie sagten: „Jetzt habe ich noch einmal ganz neu angefangen. Ich habe neue Prioritäten gesetzt. Ich habe gemerkt, wie mein Beruf mich so gefangen genommen hat, dass ich für alles andere keinen Blick mehr hatte.“
Ich habe Leute erlebt, die erst begonnen haben, nach Gott zu fragen, nachdem in ihrem Leben alles schiefgelaufen war. Warum? Weil wir als Menschen dazu tendieren, solange alles gut läuft, zu denken: Dann muss sich ja nichts verändern, dann ist alles in Ordnung. Aber vielleicht ist es eben nicht in Ordnung.
Weil Gott uns liebt, setzt er uns Schmerzsignale. Ich erinnere mich an einen jungen Mann, mit dem ich Anfang des Monats in Israel war. Er erzählte mir, wie es in seinem Leben war: Er war jung aufgewachsen, relativ erfolgreich, arbeitete in einer eigenen Firma und verdiente gut. Er heiratete, alles lief gut, Party jedes Wochenende und so weiter. Dann fing plötzlich gesundheitliches Leiden an.
Er sagte zu mir: „Michael, du glaubst es nicht, ich bin dankbar zu Gott für das Leiden. Hätte er mir das nicht gezeigt, und ich hätte mein Leben weitergeführt, hätte ich mich selbst kaputt gemacht.“ Er hat gesundheitliche Einschränkungen von seinem Partyleben und seinem häufig sehr oberflächlichen Leben. Die Ehe hatte darunter gelitten.
Er sagte: „Ich bin dankbar, dass Gott mir dieses Leiden gegeben hat.“ Es war mehrjähriges Leiden, teils hat er noch damit zu tun, aber es hat ihn zum Nachdenken und zum Umsteuern in seinem Leben geführt.
Auch das ist ein Aspekt des Leidens: Wenn wir nach dem Leiden fragen, sollten wir nicht nur fragen, wie es möglichst schnell zu Ende geht. Manchmal sollten wir auch danach suchen, ob es einen Anlass gibt, den Schmerz als Signal zu verstehen, etwas umzusteuern oder zu verändern.
Das sind verschiedene Versuche einer Antwort. Ich sage nur Versuche. Das erklärt nicht alles, und manchmal können wir auch gar nicht genau sagen, welcher Grund der eigentliche ist.
Der Gegenspieler Gottes und das Leiden in der Welt
Ich möchte nun auf ganz andersartige Antworten eingehen, nämlich auf die Antwort, dass ich grundsätzlich davon ausgehe, dass Gott in vielen Fällen das Leiden, das wir erleben oder das andere erleben, eigentlich gar nicht will.
In der Bibel wird uns berichtet, dass nicht nur Gott existiert, der Entscheidungen trifft, sondern dass Gott auch einen Gegenspieler hat, den die Bibel den Teufel nennt. Vieles von dem, was uns in der Bibel berichtet wird und was wir heute erleben, steht nicht unter Gottes Kontrolle, sondern wird vom Gegenspieler Gottes, dem Teufel, verursacht. Dieser will Menschen zerstören und kaputtmachen.
Wir sehen das häufig: Menschen begegnen Jesus, und Jesus befreit sie von Leiden und Krankheit. Dann wird uns beschrieben, dass dieses Leiden und diese Krankheit gerade aus der gegengöttlichen Macht des Teufels entstanden sind. Der Teufel wird in der Bibel als großer Durcheinanderbringer beschrieben. Er erscheint jedoch nicht als jemand mit Hörnern auf dem Kopf und Schwefeldampf aus dem Mund, sondern eher als jemand, der ähnlich wie Gott auftritt. An einigen Stellen wird er sogar als Engel des Lichts beschrieben, zumindest tritt er so auf.
Er ist eher jemand, der den Menschen verspricht, es ihnen gutzumachen, aber zugleich gegen Gott und seine Maßstäbe ist. Er will die Menschen verführen und kaputtmachen. Manchmal merken wir das ja in unserem eigenen Inneren: Da sind verschiedene Stimmen. Einmal die Stimme, die wir als Gottes Stimme bezeichnen könnten, die uns ermahnt, das Richtige und Gute zu tun. Und dann hören wir eine andere Stimme, die sagt: „Nein, brauchst du doch nicht machen, alle anderen machen es doch genauso“ oder die unseren Hass anstachelt.
Wir müssen erkennen, dass dies eine Realität ist, die die Bibel beschreibt. Vieles des Leidens auf der Erde wird dadurch verursacht, dass der Gegenspieler Gottes die Menschen zerstören und quälen will. Gott hat dort einen gewissen Freiraum eingeräumt, aber er ist nicht derjenige, der dafür verantwortlich ist.
Wir müssen auch sehen, dass Gott gesagt hat, er werde alles Unrecht und alles Leiden, das wir hier erleben, einmal wiedergutmachen. Er wird die Menschen zur Rechenschaft ziehen, die andere leiden ließen. Das müssen wir vor Augen haben. Die Bibel sagt uns deutlich: Mit dem momentanen Leiden ist nicht alles zu Ende. Dort, wo Menschen Leiden verursacht haben, werden sie zur Rechenschaft gezogen. Das kann zumindest ein innerlicher Trost sein.
Wenn wir uns solche Massenmörder wie Mao Zedong oder Hitler vor Augen führen, die, soweit Historiker uns sagen, jeweils für sechzig bis siebzig Millionen Tote verantwortlich sind und viel mehr Leid verursacht haben, dann müssen wir sagen: Das ist schlimm. Aber vielleicht kann es eine kleine Hilfe sein zu wissen, dass das nicht ungesühnt bleiben wird. Gott greift ein. Manchmal greift er sogar hier auf Erden ein und beendet ein Unrechtsregime.
Es ist ja auch so, dass selbst irdische Diktatoren und solche Leute nicht ewig regieren und ihre Morde fortführen können. Gott setzt manchmal dem ein Ende und beendet auch Leiden. Ich habe in anderen Situationen erlebt, wie Gott auf Gebet geantwortet und Krankheit beendet hat. Es ist nicht so, dass Gott nur zuschaut. Gott wird am Ende diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die für viel Leid verantwortlich sind. Und er greift häufig auch hier auf der Erde schon ein, um Leiden zu beenden.
Nicht immer, das stimmt. Und manchmal denken wir vielleicht viel zu selten darüber nach, und vielleicht stimmt das auch zumindest aus unserer Perspektive. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Gott häufig eingreift. Es gibt viele Beispiele, die ich selbst kenne, aus meinem Leben und aus dem Leben der Menschen, mit denen ich zu tun habe, wo Gott auf Gebet antwortet, Leiden verhindert, beendet, ausgleicht und Kraft im Leiden gibt. Auch das sollten wir im Blick behalten.
Wir sollten auch bedenken, dass Gott nicht jemand ist, der sich zurücklehnt im Himmel und ihm gleichgültig ist, wie es uns geht. Sondern er ist einer, der selbst Leiden erlebt hat. Das beschreibt uns die Bibel. Gott war nicht zu schade, Mensch zu werden und so viel Leid zu erleben, wie wahrscheinlich wenige von uns in unserem Leben erleben werden.
Das lesen wir im Neuen Testament: Gott wurde Mensch und wohnte hier. Diesen Menschen nennen wir Jesus Christus. Wenn wir sein Leben anschauen, sehen wir, dass es relativ viel mit Leiden verbunden war. Schon kurz nach seiner Geburt sollte er umgebracht werden. Seine Eltern mussten als Asylbewerber ins Ausland fliehen. Wir wissen, dass Asyl im Ausland nicht die angenehmste Art zu leben ist.
In späteren Jahren gehörte er zu den Ärmsten in Israel. Wir wissen, dass er in einer armen Region lebte. Als Maria und Joseph ein Opfer im Tempel bringen sollten, brachten sie ein Armenopfer, weil sie nicht mehr Geld für ein anderes Opfer hatten.
Als Jesus dann erwachsen wurde und den Menschen nur Gutes tat, erlebte er am Ende seines Lebens, dass man keinen einzigen Zeugen fand, der ihm Böses vorwerfen konnte. Er tat den Menschen nur Gutes. Trotzdem wurde er verachtet, geschlagen, belogen, verraten, gefoltert und am Ende unschuldig ans Kreuz geschlagen und grausam getötet.
Das ist Gott, der da leidet. Wir dürfen nicht den Eindruck haben, Gott sei jemand, der aus der Entfernung zuschaut und dem das gleichgültig ist. Gott weiß, was Leiden bedeutet, und er leidet mit. Er ist an unserer Seite und leidet mit uns. Manchmal ist das schon eine Perspektive, die weiterhilft: Wir sind nicht ganz alleine, sondern da ist einer an unserer Seite, der weiß, wie es uns geht, zu dem wir kommen können, mit dem wir das teilen können, und der mitleidet.
Nun fragen manche: Warum greift er denn nicht ein? Hier wäre wahrscheinlich die Antwort Gottes in manchen Fällen, nicht in allen: „Ich greife noch ein, aber noch nicht.“ Die Gründe können verschieden sein, warum er nicht sofort eingreift. Wir wissen sie nicht immer, weil wir nicht Gottes Perspektive haben.
Genauso wie wir manchmal unseren Kindern Dinge zumuten, die sie nicht verstehen und fragen: „Warum noch so lange? Warum nicht jetzt?“ so sind wir manchmal wie Kinder Gott gegenüber. Wir verstehen nicht, warum ein Leid noch länger dauert, als wir es erleben.
Ein Grund kann sein, dass wir Gott im Leiden oft stärker erleben als ohne Leid. Wir haben meist eher den Blick auf die Dinge, die uns glücklich machen, wenn wir eine Phase des Leidens haben, aber sie gerade nicht haben. Das ist das Fatale, das Komische in unserem Leben: Wir freuen uns oft nicht über die guten Dinge, weil wir uns zu sehr daran gewöhnt haben.
Ich weiß nicht, wie dankbar Sie wirklich sind, wenn Sie einen reich gedeckten Essenstisch vor sich haben. Formal bin ich auch dankbar, aber real nehme ich es oft als ganz gewöhnlich und selbstverständlich hin. Wie dankbar bin ich jeden Tag, dass ich keine Zahnschmerzen habe? So gut wie nie, außer ich hatte gerade welche und war beim Zahnarzt, und sie waren weg.
Ich könnte viele weitere Beispiele nennen. Ich war schon in einigen armen Ländern der Welt, im letzten Jahr für einige Wochen in Indien. Nachdem ich dort gewesen bin, habe ich manche Dinge in Deutschland mit anderen Augen gesehen, weil ich dort Menschen getroffen habe, denen es deutlich schlechter geht als den meisten von uns.
Manchmal ist es vielleicht so, dass Gott uns noch eine Zeit lang leidend zumutet, damit wir einen realistischeren Blick für unser Leben bekommen und für das, was wir alles Positives erleben und haben. Das tut uns gut.
Ich weiß nicht, ob Sie auch schon mal bei Ihren Kindern überlegt haben – ich weiß nicht, ob nur bei meinen Kindern ab und zu mal Diskussionen auftreten. Ich erinnere mich, als sie klein waren, hat es mich manchmal so geärgert, dass ich ihnen eine Woche lang nur Reis verordnet habe, weil sie immer so viel gemäkelt haben: „Das mag ich nicht“, „das mag ich nicht“. Ich wollte sehen, was passiert, wenn sie jeden Tag nur Reis bekommen.
Nach einer Woche waren sie richtig glücklich, als der Reis zu Ende war. Ich habe sie ja nicht hungern lassen, sie haben so viel Reis gegessen, wie sie wollten. Tatsächlich führte das zumindest kurzzeitig zu einem Umdenken und zu neuer Dankbarkeit.
Ich dachte, den Gefallen muss ich meiner Frau auch tun, damit sie mal dankbarer erlebt, wie viel Mühe sie sich immer gibt und was sie alles macht. Manchmal sind es solche Erfahrungen, die erklären, warum Gott uns das Leid zumutet.
Manchmal ist es auch so, und das lesen wir beim Apostel Paulus, dass Gott uns Leiden zumutet, damit wir anderen besser helfen können. Wenn ich jetzt Menschen im Krankenhaus besuche, die unter Krebs leiden, kann ich ganz anders mit ihnen sprechen als vorher.
Ich erinnere mich, ich hatte früher auch schon Besuche im Krankenhaus gemacht, als Besucher. Das ist etwas ganz anderes. Wenn Sie noch nie längere Zeit im Krankenhaus waren, können Sie nicht nachempfinden, wie es wirklich ist.
Ich kann Ihnen sagen, wenn man wochenlang im Krankenhaus liegt, ist das Einzige, was man sieht, die nächste Untersuchung und die Unsicherheit, wann sie stattfindet. Dazu kommen Schmerzen und die Chemotherapie. Als ich sie hatte, war das sehr unangenehm: ständige Übelkeit, alle Haare sind ausgefallen. Das war ziemlich mühsam und nicht schön.
Wenn ich jetzt mit Menschen zu tun habe, die Ähnliches erleben, glaube ich, dass ich sie besser verstehe und ihnen anders helfen kann als jemand, der das nie erlebt hat. Auch das ist ein weiterer Mosaikstein, der uns zeigt, dass Leiden nicht nur einseitig zugeordnet werden kann, sondern verschiedene Aspekte hat.
Die Hoffnung auf ein Ende des Leidens
Schlussendlich möchte ich darauf hinweisen, dass Gott uns das Versprechen gegeben hat, dass er eines Tages in der Zukunft alles Leiden beenden wird. Wir lesen das in der Offenbarung, dem letzten Buch der Bibel. Dort wird ganz deutlich gesagt, dass das Leiden nicht das letzte Wort hat. Gott wird eine Zeit schaffen, in der wirklich alles Leiden beendet sein wird.
Das wird sehr schön ausgedrückt: Es heißt, alle Tränen werden abgewischt, es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid mehr, kein Geschrei. Dann wird Gott dem Leiden ein Ende bereiten. Darauf hoffen Christen und wissen, dass das Leid nicht das letzte Wort hat, sondern Gott und seine Liebe. Auch wenn zwischenzeitlich Leid da ist, wird es ein Ende finden.
Wenn wir mit Leid zu tun haben, verspricht der biblische Gott nicht, dass er jedes Leid sofort beenden wird. Übrigens verspricht das auch kein anderer Gott, falls es sie denn gäbe. Was Gott uns verspricht, ist, dass er auf uns hört und uns nicht mehr zumutet, als wir tragen können. Ich glaube, das ist das Wichtigste: dass er zuhört, wenn wir zu ihm kommen, und uns Kraft geben will. Das ist oft das, was wir noch viel mehr brauchen.
Manchmal kann er auf unsere Bitte hin eingreifen und Leid beenden. Manchmal greift er ein, indem er uns Kraft gibt, um mit der schwierigen Situation, in der wir leben, umgehen zu können. Oft ist es ja das, was das Leiden am schwierigsten macht: dass wir nicht damit zurechtkommen, dass wir es nicht einordnen können, dass wir allein zu schwach sind und darunter zerbrechen.
Dann ist gerade jemand, der uns Kraft, Beistand und Trost geben kann, sehr wertvoll. Das ist nicht wenig, sondern schon sehr viel. Und das ist das, was Gott uns auch hier anbietet, wenn wir mit Leid zu tun haben.
Eine Antwort auf jedes Leiden in der Welt werden wir nie bekommen. Gott ist auch nicht verpflichtet, uns das zu geben. Manchmal müssen wir vielleicht auch sagen, dass es uns überfordern würde. Wir können ja oft unser eigenes Leben gar nicht richtig verstehen, geschweige denn das Leben der ganzen Welt und jedes einzelne Leiden, das stattfindet.
Auf manches Leiden werde ich keine Antwort geben können. Gott wahrscheinlich schon, aber er tut es nicht. Er sagt: Vertrau mir, ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Du bist nicht derjenige, der bestimmen oder fordern kann, was richtig oder falsch ist. Das ist ja auch irdisch so: Vieles geschieht hier, und wir wissen nicht genau warum und wie.
Gott möchte von uns, dass wir ihm vertrauen, dass wir mit unseren Sorgen und unserem Leiden zu ihm kommen und ihm das nennen. Er bietet an, uns Leiden abzunehmen, manchmal sogar zu verhindern oder zu heilen – so wie er es getan hat, als er auf der Erde war. Oder er hilft uns, Lasten zu tragen und tröstet uns.
Auch das sollten wir nicht verachten. Ich würde sagen, es ist allemal besser, mit der Hilfe und dem Trost Gottes zu leiden, als ohne ihn. Das ist manchmal nur eine Entscheidung. Denn ohne ihn geraten wir viel schneller in Verzweiflung, Frustration und Verbitterung. Mit der Unterstützung Gottes und seinem Trost wird es manchmal leichter, mit Leiden umzugehen.
In meiner Krankheitsphase waren nach einem Gebet die Schmerzen nicht plötzlich alle weg. In den ersten Tagen war ich nach der Krebsdiagnose für gar nichts offen. Doch nach diesen ersten Tagen habe ich plötzlich gemerkt, dass ich trotz der Ungewissheit, ob ich vielleicht im Krankenhaus sterben werde oder noch eine Chance habe, weiterzuleben, eine Ruhe bei Gott finden kann.
Das war viel, viel mehr, als irgendein Mensch mir geben konnte. Die Ärzte kamen nach den ersten Untersuchungen und sagten, so viel Prozent überleben, so viel Prozent sterben. War das ein Trost? Nein, denn wer sagt mir, zu welchem Prozent ich gehöre? Ich kann nicht zu dreißig Prozent sterben und zu siebzig Prozent überleben. Entweder gehöre ich zu den dreißig oder zu den siebzig Prozent. Und wenn ich sterbe, ist es mir egal, ob siebzig Prozent überleben. Dann bin ich tot.
Diese Zahlen halfen mir nicht, dieser Trost half mir nicht. Ich bin dankbar für das, was die Ärzte getan haben, zweifellos. Aber den Trost, die Unterstützung und die Hilfe habe ich von Gott bekommen. Deshalb kann ich sagen: Auch im Leiden ist es besser, die Hilfe bei Gott zu suchen, als in Verbitterung Gott nur Vorwürfe zu machen.
Eine Antwort auf alles Leiden wird uns kein Mensch geben können. Ich hoffe, dass zumindest einige der möglichen Antworten, die uns intellektuell befriedigen können, jetzt genannt worden sind. Ich sage einige, nicht alle – es gibt noch mehr.
Ich hoffe auch, dass deutlich wird, dass wir es uns nicht zu einfach machen sollten, indem wir nur einen Schuldigen für all das suchen, was in der Welt schiefläuft. Wenn, dann sollten wir auch mit Gott ehrlich umgehen.
Ich habe einige Dinge genannt, die sowohl unsere Verantwortung für das Leid in der Welt als auch die Freiheit des Menschen betreffen. Außerdem habe ich verschiedene Gründe genannt, warum Leiden nicht nur negativ ist, sondern durchaus auch positive Aspekte im Leben auslösen kann – bei uns selbst oder bei anderen Menschen.
Beendet wird das Leid dadurch nicht. Aber ich kenne keinen Weg und keinen Menschen, der Leiden von heute auf morgen ausschalten oder beenden kann.
Das war nicht das Ziel des Vortrags heute Abend. Das Ziel war, den Zusammenhang zwischen Leiden und Gott, zwischen Gerechtigkeit, Liebe, Allmacht, der Existenz Gottes und dem konkreten Leiden, das wir oder andere Menschen erleben, herzustellen und ein wenig zu verdeutlichen. Ich hoffe, das ist gelungen und dass Sie etwas davon mitnehmen können.
Wenn Sie konkrete Fragen haben, können Sie sich gerne an mich wenden. Ich bleibe hier und beantworte sie, solange es nötig ist.
Wenn aber nicht die intellektuellen Fragen das Problem sind, sondern Sie selbst unter Leid zu tun haben oder es einfach schlimm finden, dass Menschen in Ihrer Umgebung leiden, dann würde ich sagen: Gehen Sie nicht einfach so nach Hause. Wir können uns hier irgendwo hinsetzen und gemeinsam beten. So können wir diese Last zu Gott abgeben.
Ich bin überzeugt, es wird Ihnen danach besser gehen. Gott hat uns aufgefordert: „Alle eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“ Ich kann Ihnen nicht das Versprechen geben, dass danach alle Leiden vorbei sind. Aber ich kann Ihnen das geben, was Gott selbst versprochen hat: Wenn wir zu ihm kommen und ihn darum bitten, nimmt er uns Lasten ab und hilft uns, sie zu tragen.
Das ist immerhin ein ganz konkretes Angebot. So müssen Sie nicht mit Ihren Gedanken und Ihrem Leiden einfach so nach Hause gehen. Sie haben die Möglichkeit, sich an Gott zu wenden und bei ihm manches loszuwerden.
Dieses Angebot möchte ich Ihnen gerne machen. Sie können natürlich auch zu Hause einfach mit Gott sprechen. Aber wenn es Ihnen hilft, biete ich Ihnen auch an, dass wir uns hier hinsetzen oder hinstellen und gemeinsam zu Gott kommen. Dann können wir ihm das nennen, was uns auf dem Herzen liegt und uns Probleme bereitet.