Lebensanfang und frühe Prägungen
Es steht auf dem Programm, kurze Einführungen in das Leben Oetingers zu geben. Wenn man es nur kurz machen könnte: Er wurde 1702 in Göppingen geboren. Die entscheidenden Lebensjahre verbrachte er jedoch in Schorndorf. Die ersten fünf Lebensjahre müssen wir als Schorndorfer besonders betonen.
Wichtig war dann sein Verbleiben im evangelisch-theologischen Seminar in Blaubeuren. Dort lernte er die gesamte Philosophie seiner Zeit kennen, die Gott eigentlich auf einen fernen Schöpferthron verbannt hatte. Gott hat die Welt geschaffen, aber jetzt läuft die große Maschinerie: Die Bausteine sind da, das eine Rädchen greift ins andere.
Oettinger sah seinen Auftrag darin, im Namen der Heiligen Schrift und im Namen der Ehre Gottes gegen diese Auffassung zu protestieren, die er damals schon in den Seminaren kennengelernt hatte. Von 1722 bis 1738 war er eigentlich immer mit Tübingen verbunden, also fünfzehn Jahre lang. Auch wenn nach dem Studium zwei große Reisen quer durch Europa folgten.
Reisen und geistliche Begegnungen
Es war eine lange Zeit, in der er mit der Landesuniversität verbunden blieb. Nach dem Studium unternahm er jedoch zwei Reisen. Die erste Reise wurde stark von Johann Albrecht Bengel beraten. Sie führte ihn zu den Erweckungszentren, die es damals in Europa gab, wie Berleburg und zu Zinzendorf. Überall dort, wo sich Menschen um das Wort Gottes sammelten und tiefer in den Glauben eindringen wollten, begegnet man auch dem jungen Oetinger.
Die zweite Reise führte ihn quer durch Europa. Dabei studierte er unter anderem neun Monate lang Medizin. Auf dieser Reise hatte er auch Begegnungen mit Menschen, die gnostisch geprägt waren und sich mehr in der Geheimwissenschaft mit dem Wesen Gottes beschäftigen wollten.
Oetinger ging es darum, die ganze Fülle dessen kennenzulernen, was Gott in unserer Welt wirkt. Obwohl die damalige Philosophie und Naturwissenschaft nicht mehr damit rechneten, dass Gott heute noch eingreift, wollte er den Spuren Gottes nachgehen.
Theologische Schriften und zentrale Anliegen
Im Jahr 1738 veröffentlicht er die Schrift „Abriss der evangelischen Ordnung zur Wiedergeburt“. Der vollständige Titel lautet: „Vorgelegt von einem ermüdeten Weltwaisen, der auf seine eigene Wiedergeburt wartet“.
Er selbst hat sich danach gesehnt, dass Gott entscheidend in sein Leben eingreift, da ihn die Weltwissenschaft ermüdet hat. In dieser Schrift wird bereits deutlich, was später die drei Säulen seines gesamten Forschens bilden.
In einem Stahlstich ist er dargestellt als ein Mann, der in der rechten Hand die Bibel hält und mit seinem Auge auf den Globus schaut. Im Hintergrund sind alchemistische Kolben zu sehen.
Sein Anliegen gilt der Heiligen Schrift, den Führungen Gottes in der Welt und den Geheimnissen Gottes in der Natur.
Pfarramt und Gemeindearbeit
1746 wurde er Pfarrer in Walldorf, nachdem er zuvor seine erste Pfarrei in Hirsau gehabt hatte und anschließend in Schneidheim bei Heidenheim tätig war. Es war ihm wichtig, in der Nähe von Bengel zu sein, der damals Prälat von Herrn Brechtingen war.
Allerdings wurde es Bengel beinahe zu viel mit den vielen Besuchen von Oetinger. Deshalb bewarb sich Oetinger hierher nach Walldorf. Pfarrer Martin Eberle hat uns mit großer Liebe eine Ausstellung zusammengestellt sowie eine Festschrift, die wir später erhalten können.
Für Oetinger waren die Walldorfer Jahre die glücklichsten, da er dort an einer Gemeinde arbeiten konnte. Er war wie ein Knecht oder eine Magd, weil er Mitleid mit den Menschen hatte und erkannte, dass die Kirche krank ist. Die Menschen trugen keine Schuld an ihrem mangelnden Hunger nach etwas Festem.
Es gibt ähnliche Zeugnisse aus Walldorf und später aus Weinsberg. Wenn ich Besuche in den Häusern mache, wird mir oft ein Glas Wein angeboten. Die Menschen freuen sich und fühlen sich geehrt, dass ich da bin. Wenn ich jedoch darauf bestehe, dass etwas Festes ins Leben der Menschen kommen soll, wollen sie das nicht hören.
Oetinger hat nicht von bösen oder gottlosen Leuten gesprochen, sondern von einer kranken Kirche, in der die Menschen keinen Hunger mehr nach Gottes Wort haben.
Weitere Ämter und theologische Reife
Er wurde 1752 zunächst Dekan in Weinsberg, 1759 Dekan in Herrenberg und schließlich 1766 Prälat in Mohart.
In dieser Zeit reifte seine himmlische Theologie heran, durch die er eine Ahnung von der Kraft Jesu gewann. Diese Kraft wird eines Tages alle Feindschaft und Gewalt aufheben. Später werden wir noch mehr darüber hören.
Nach seiner Tätigkeit in Mohart wurde er müde und altersschwach. Am 10. Februar 1782 ist er verstorben.
Doch das, was er uns hinterlassen hat – den Gemeinschaften in Württemberg, der Kirche in Württemberg und in ganz Deutschland – können wir nur wirklich erfassen, wenn wir all die Zeugen beachten, die ihm gefolgt sind.
Vermächtnis und Hoffnung
Dass ein Johann Christoph Blumhardt undenkbar ist ohne den Klang der Hoffnung, der mit Oetinger begonnen hat: die Hoffnung, dass Gott noch einmal Großartiges und Neues mit seiner Welt vorhat. Mit seiner Kirche, mit dem Einzelnen, der auf Gott vertraut.
Deshalb sind wir heute Mittag zusammengekommen, um diese Hoffnung aufzunehmen. Wir rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.