Die besondere Persönlichkeit Wilhelm Buschs
Es gibt wenig zu berichten, weil Wilhelm Busch selbst gewünscht hat, dass keine Biografie oder kein Lebensbild über ihn erscheint. Zum anderen bin ich vielleicht zu nah dran, da ich sein Neffe bin. Wenn Wilhelm Busch für mich einer der ganz entscheidenden theologischen und geistlichen Väter war, fällt es einem nicht unbedingt leicht, darüber zu sprechen. Vieles ist schwer in Worte zu fassen.
Dennoch verdanken auch wir Schwaben Wilhelm Busch, dem großen Evangelisten der letzten Generation, so viel, dass es wichtig ist, auch einer nachfolgenden Generation etwas über ihn zu erzählen.
Wenn ich Wilhelm Busch jetzt vor meinem inneren Auge sehe, dann sehe ich einen kleinen Mann von Statur, der immer gern größer gewesen wäre. Um ihn herum war jedoch eine Aura von Vitalität. Wo er war, war es nie langweilig. Sein Christentum war weltgewandt, das strahlte er aus. Immer hatte er den Duft eines guten Herrenparfums, immer eine schicke Krawatte. Wenn er mal einen Overall anhatte, um mit seinen jungen Leuten auf ein Lager zu gehen, dann war dieser maßgeschneidert. Er hatte eine Liebe zu dieser Welt, auch zum Schönen. Und wo er war, da war es lebendig.
Ich erinnere mich, als ich ein ganz kleiner Bub war. Wir hatten Ferien und die ganze Familie durfte zusammenkommen. Meine Großmutter hatte über vierzig Enkel, und alle durften in die Ferien kommen. Man hatte kaum Platz in dem Haus, in dem sie lebte. Man aß unter den Buchen. Nur wenn es regnete, war es schlimm, denn dann fand man kaum noch einen Platz im Haus.
So waren wir eines Nachmittags hinaus an den beliebten Reihenkap, einer Anhöhe über dem Pfälzer Tal, über dem stillen, sonnigen Albtal. Offenbar war dem Onkel Wilhelm Busch der Lärm der vielen Nichten und Neffen auf die Nerven gegangen. Er sprang auf und sagte: „Wir rennen alle ins Tal runter. Wer der Erste ist, schreit Hurra!“ Und mit Gebrüll ist er selbst losgerannt, den Berg hinunter.
Wir natürlich alle, die überhaupt laufen konnten, rannten den Berg herunter. Nach zwölf Minuten im Pfälzer Tal riefen wir: „Hier, erster, zweiter!“ Da merkten wir, dass der Onkel wahrscheinlich oben geblieben war. Nach zehn Minuten war er stehen geblieben. Als bewährter Jugendführer hatte er sich so anderthalb Stunden vom Hals gehalten.
Aber es war nicht nur so, dass er sich junge Leute vom Hals hielt. Ich sehe mich noch, wie wir die große Tech-Tour machten. Das war ein Unternehmen: dann Hohenäufen, ganz herüber zum Brugger Fels, bis man unten in Auen war und dann den Gelbenfels hinauf. Wenn man von der Thek zurückkam, wieder ins Leningertal, war man rechtschaffen müde und dachte kaum, dass man den Berg irgendwo rechts weiter hinauf schafft.
Da ist er in eine Bäckerei hineingegangen und hat gesagt: „Sechzig Brezeln.“ Er kam mit dem Berg heraus, und jeder hat so seine Brezeln bekommen. Dann hat er den ganzen Berg hinauf Geschichten erzählt. Er konnte großartig erzählen, ob es biblische Geschichten waren oder Märchen.
Der Große und der Kleine Klaus – ich habe noch den Wortlaut im Ohr. Wenn ich meinen Kindern weitererzähle, habe ich die einzelnen Formulierungen vom Onkel im Ohr. Oder „Der Sturz aus dem Wolkenkratzer“ war eine fantastische Geschichte, wie einer aus einem Wolkenkratzer gefallen ist. Frei erfunden, nicht mit allen grotesken Dingen, aber wir haben es kaum gemerkt. Schon standen wir in Hülten wieder vor dem Haus.
So konnte er erzählen, dass man alle Müdigkeit vergessen hat.
Die Herausforderungen und Erfolge im Dienst
Oder ich denke an eine Monatsstunde in Hülten, an die Konferenz am letzten Samstag im Monat, immer in der alten Schulstube im Schulhaus in Hülten, im Haus der Väter. Der Onkel Wilhelm Busch war in Hülten, er hatte Reichsredeverbot. Außerhalb von Essen durfte er nicht sprechen.
Da ist der liebe Bruder von Neuhausen, der leitende Bruder, gekommen und hat gesagt: „Bruder Busch, Sie sagen uns doch auch noch Wörter.“ Wie der Onkel neben mir angefangen hat zu zittern, hat er gesagt: „Brüder, fragt mich nicht, ich darf nicht einen Satz sprechen.“
Wir machen uns heute so leicht, wie man doch den Narzissmus hätte besiegen müssen, indem einfach zweihunderttausende Demonstrationen gemacht worden wären oder so. Man ahnt gar nicht, welche Angst über Menschen lag, die dreimal im Gefängnis bei der Geheimen Staatspolizei waren. Ich habe ihn auch geknickt erlebt, nicht nur fröhlich, weil er das Wort nicht mehr sagen durfte, obwohl es ihn brannte, das Wort Gottes auszulegen.
Oder ich denke an die großen Jugendwochen, die wir nach 1945 in Stuttgart hatten, im zerstörten Stuttgart. Wir haben heute Mittag auf dem Fangelsbach-Friedhof in der Markuskirche Prälat Theophil Ascani beerdigt. Dort, in der Markuskirche, war im Jahr 1947 die erste große Jugendevangelisation im zerstörten Stuttgart. Wir hatten eingeladen, und Wilhelm Busch hat gesprochen.
Das war für uns als junge Leute etwas Neues. Da kamen sie von der sozialistischen Jugend, da kamen sie von den Falken, weil sie merkten, die Christen sind die einzigen, die etwas auf die Theke zu stellen haben. Und da konnte Wilhelm Busch so reden, dass junge Leute verstanden, wenn er etwa gesagt hat: „Wir haben in Essen ein Denkmal von Friedrich Krupp, dem Gründer der großen Waffenschmiede. Und darunter steht das Wort, das Friedrich Krupp sich als Leitwort gegeben hat: Arbeit ist Gebet.“
Und so halten sehr viele Leute es, nicht? „Ich gehe nicht in die Kirche, gehen ruhig die in die Kirche, die nicht mehr schaffen können. Aber schaffen ist für uns Gottesdienst. Arbeit ist Gebet.“
Dann hat Wilhelm Busch gesagt: „So blöde, kann ich grausam sagen, meine Großmutter ist ein Omnibus.“ Das hat uns geholfen, dass wir auf die Spur kamen, wo Menschen scheinbar Kluges aussprechen, aber völlig unbegründet Dummheiten sagen: Arbeit ist Arbeit und Gebet ist Gebet. Arbeit ist wichtig, Arbeit ist hilfreich, aber kein Gebet.
Er konnte so anschaulich erzählen aus seiner Arbeit unter jungen Leuten, in ganz bedürftigen Arbeiterbezirken in Essen, mitten im Ruhrgebiet. Aber wenn er davon erzählte, was Jesus am Kreuz getan hat, dann brauchte er keine Bilder mehr. Dann wurde es ruhig in der Kirche, und wir, die wir vorher gelacht hatten, haben plötzlich aufgemerkt.
Übrigens hatten die Witze in seiner Evangelisation auch eine Bedeutung. Er wollte alle fromme Schmusstimmung vertreiben, damit man sich nicht selbst einheizt und meint, Glaube zu haben. Deshalb ein kräftiger Witz dazwischen.
Aber dann hat er gesagt: „Und jetzt nehme ich euch mit an den Hügel Golgatha. Da stehen drei Kreuze. Die beiden anderen könnt ihr vergessen, aber in der Mitte hängt Jesus, und da hängt er für dich, für deine Sünde.“
Da war kein Bild und keine Erklärung mehr, weil Wilhelm Busch wusste: Das größte Geheimnis des Glaubens kann ich bloß noch bezeugen, aber der Heilige Geist muss jetzt das Wunder tun, dass der lebendige Jesus jedem einzelnen jungen Menschen sagt: „Du, da hing ich für dich.“
Wilhelm Busch – es war immer Leben, Spannung um ihn.
Herkunft und geistliches Erbe
Jetzt darf ich einige Stationen aus seinem Leben schildern und anschließend versuchen, einige Schwerpunkte, so wie ich sie sehe, darzustellen.
Zuerst einmal das Erbe: Der Vater war Doktor Wilhelm Busch, Gemeindepfarrer in Elberfeld und später in Frankfurt-Sachsenhausen. Die Mutter war Johanna Busch, geborene Kullen, aus dem Hülberner Schulhaus. Es handelte sich um eine Mischehe schwäbischen und rheinischen Pietismus.
Wenn man noch tiefer bohrt, stößt man auf eine ganz merkwürdige Geschichte, die mir bisher noch gar nicht bewusst war. Ich werde morgen früh, da ich gerade ein paar Urlaubstage habe, nach Basel fahren, um einige letzte Bilder zu schießen für eine Reihe über Christian Friedrich Spittler. Spittler wurde als junger Mann aus Schernbauhof nach Basel gerufen und hat dort die Christentumsgesellschaft aufgebaut sowie vierzig große Werke der äußeren und inneren Mission gegründet.
Dazu gehören Taubstummenanstalten, Diakonissen aus Riehen, die Basler Mission, Sankt Grischona, die Pilgermission, das Kinderkrankenhaus Basel, die Traktatanstalt, die Freunde Israels und die Griechenmission. Es ist unvorstellbar, was er geleistet hat. Viele dieser Einrichtungen existieren bis heute. Er war der große Gründer des letzten Jahrhunderts, einer, der bei uns aus dem Remstal kam und über Karl Friedrich Werner von Fell die große Liebe zur Mission und zur Diakonie wieder ins Remstal zurückspielte.
Wenn man bei Wilhelm Buschs Vorfahren mütterlicher- und väterlicherseits forscht, kommt man auf den ganzen Kreis um Basel und Lörrach – den großen missionarisch-diakonischen Aufbruch des letzten Jahrhunderts.
Die Mutter, also die Großmutter von Wilhelm Busch, die Mutter seines Vaters Doktor Wilhelm Busch, war Lydia Arnold. Der Vater Arnold war der Gründer des ersten Taubstummenheims, in dem man den Taubstummen das Sprechen wieder beibrachte. Dort stellte man fest, dass die Backenmuskeln vibrieren, und man konnte den Taubstummen das Sprechen beibringen, auch wenn sie es nicht hören.
Der Hausvater Busch, der Lydia Arnold heiratete, leitete das Rettungshaus in Elberfeld. Er kam aus dem Kreis von Lörrach und war von Spittler nach Elberfeld geschickt worden mit dem Auftrag: „Übernehme du dort das Rettungshaus.“ Es waren die Kreise, die im deutschen Südwesten Mission und Diakonie lebendig gemacht haben. Das ist das Erbe, aus dem Wilhelm Busch kam.
Deshalb hat er in seinem Leben immer die Weltmission und das Diakonische, die Fürsorge für den Menschen, und das Evangelistische zusammengehalten. Er hatte auch die große Gabe, die jene Väter hatten: dass sie erzählen konnten. Eine Gabe, die uns langsam abhandenkommt, weil man heute nur noch Bilder anschaut.
Wie konnten sie erzählen? So waren die alten Lehrer. Aus diesen Lehrergeschlechtern kamen seine Wurzeln.
Jugend und Prägung in Elberfeld und Frankfurt
Nun wird es Zeit, zum zweiten Punkt zu kommen: den eigentlichen Grundlagen seines Lebens in Elberfeld und Frankfurt. Wilhelm Busch wurde am 27. März 1897 in Elberfeld geboren. Seine Eltern waren junge Pfarrleute, die später neun Kinder bekamen. Acht von ihnen überlebten. Die ältere Schwester lebt heute noch im hohen Alter. Sie ist Frau Dekan Stöffler, früher in Kirchheim, jetzt in Leuzhausen auf der Alb.
Das Elberfeld der damaligen Zeit, Ende des 19. Jahrhunderts, war geprägt von der Mission. Wenn der große Marxist Friedrich Engels immer wieder von den Versagern im Wuppertal spricht, im frommen Wuppertal, so ist das nur eine Seite der Wahrheit. Auch wir als Christen sind immer wieder Versager. Aber die andere Seite war ein tätiges Leben für die Weltmission mit der Barmer Mission und vielen sozialen Einrichtungen für die Ärmsten der Armen.
Aus diesem Lebenskreis wurden die Buschkinder herausgerissen. Meine Mutter war die fünfte Tochter, das sechste Kind in diesem Elternhaus. Im Jahr 1905 zogen die Eltern um. Sie erhielten einen Ruf nach Frankfurt, und zwar nach Sachsenhausen, also auf die andere Seite des Mains, gegenüber dem Dom. Dort war ein altes Arbeiterviertel mit einer Armut, die man sich kaum vorstellen kann.
Daneben entstand an der Forsthausstraße eine ganz neue Siedlung. Man kann sich heute kaum vorstellen, dass es dort, wo es zum Frankfurter Stadion und Flugplatz hinausgeht, die reichen Frankfurter lebten. Der Baron Metzler, der einst Kaiser Friedrich versucht hatte, eine Halskanüle einzuschieben, hatte den Großvater berufen.
Es gab auf der einen Seite die stinkvornehmen Kreise von Frankfurt, die ihre Villen an der Forsthausstraße hatten, und auf der anderen Seite die armseligen Mietskasernen von Sachsenhausen. Dort entstand eine Kirche. Der Großvater hatte das Recht, alles in der Lukaskirche so zu gestalten, wie er wollte. Er beauftragte Professor Steinhausen, die Kirche auszumalen. Leider gingen die herrlichen Gemälde im Zweiten Weltkrieg beim Abbrennen der Kirche verloren.
Wilhelm Busch erlebte das als Gymnasiast am vornehmsten Gymnasium Frankfurts. Die humanistische Bildung bereitete ihm keine Schwierigkeiten. Er sprach fließend Altgriechisch, lernte Hebräisch in der Schule und Lateinisch. Frankfurt war die Stadt Goethes. Wie lebte er in der deutschen Dichtung? Zusammen mit vielen jüdischen Altersgenossen in seiner Klasse und vielen begabten Eliteleuten aus dem vornehmen Frankfurt.
In dieser Welt wuchs Wilhelm Busch auf, und dann kam der Erste Weltkrieg 1914. Zu Beginn war er gerade sechzehn Jahre alt. Ein Großteil seiner Klasse meldete sich sehr bald freiwillig, als sie gerade siebzehn waren – auch die jüdischen Mitschüler. Wir vergessen oft, wie viele Juden für das deutsche Vaterland ihr Leben ließen.
Wilhelm Busch brannte danach darauf, als Freiwilliger an die Front zu gehen. Kaum achtzehn Jahre alt, wurde er genommen. Er litt lange darunter, dass er als nicht ganz Hochgewachsener so lange brauchte, um Offizier zu werden. Doch der Großvater begegnete einem Generalfeldmarschall bei der Morgenandacht und dann in einem der Frankfurter Hotels. Plötzlich ging alles schnell, und Wilhelm Busch wurde Oberleutnant bei einer berittenen Artillerieeinheit.
Artillerie bedeutet Kanonen – das wissen junge Leute kaum noch. Er wurde in die Schrecken der Stellungskämpfe vor Verdun geworfen. Später machte er bei Evangelisationen immer wieder Andeutungen. Er sagte etwa: „Wir waren junge Offiziere und hatten den Tod vor Augen. Da haben wir eigentlich nur noch zwei Götter angebetet: Bacchus, den Gott des Weins, und Venus, die Göttin der Liebe.“
Dann eines Tages, der gar nicht gefährlich schien, war er mit einem Kameraden unterwegs, ebenfalls einem jungen Oberleutnant. Einige Schrapnells platzten. Sie warfen sich vom Pferd auf den Boden, machten Zoten und dreckige Witze. Plötzlich lachte der Kamerad nicht mehr. Wilhelm Busch ging zu ihm, schüttelte ihn, und bemerkte, dass ein Schrapnellstück ihm das Rückgrat zerschlagen hatte – am Hinterkopf.
Da überfiel ihn die Frage: „Wo wäre ich jetzt, wenn ich tot wäre? Ich wäre in der Hölle.“ Das war der Punkt, an dem Gott ihn herumgerissen hat. Er sagte: „Ich möchte nicht verloren sein.“ Die großen, gesegneten Gotteszeugen, angefangen von Augustinus über Martin Luther, haben die Schrecken der Hölle erlebt. Deshalb mussten sie bei Evangelisationen nicht die Hölle „heiß machen“, sondern den Heiland groß machen, der vom ewigen Verlorensein rettet.
Sie wussten selbst, dass jeder Mensch viel zu wertvoll ist, um verloren zu gehen. Sie priesen die Herrlichkeit Gottes, weil sie die Schrecklichkeit des Abgrunds kannten. Sie warben mit Dringlichkeit – dazu gehörte auch Wilhelm Busch. Denn sie wussten, was es bedeutet: „So sehr hat Gott die Welt lieb, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit nicht einer verloren gehe.“
Das war der Bruch in Wilhelms Leben, das aus dem vornehmen Elberfeld und dem vornehmen Frankfurt kam.
Theologisches Studium und frühe Berufung
Als Wilhelm Busch als junger Offizier aus dem Krieg zurückkehrte, nach der Revolution von 1918, stand für ihn fest: Er wollte das Evangelium verkündigen und sich durch ein solides Theologiestudium dafür rüsten lassen.
Er studierte ein kurzes Semester in Erlangen, soweit ich weiß, aber vor allem in Tübingen. Es war eine bewegte Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die ehemaligen Soldaten wurden immer wieder gerufen, wenn die Regierung in Stuttgart in Not war. Einmal war sogar die Weimarer Reichsregierung in Gefahr und hatte sich im Turm des Hauptbahnhofs verschanzt. Die Studentenregimenter wurden aus Tübingen geholt, um die Reichsregierung während des Spartakusaufstands zu verteidigen.
Wilhelm Busch konnte uns immer die Stelle zeigen, wo er am Wilhelmsplatz in Cannstatt hinter seinem MG lag und sagte, dass er die Reichsregierung schützte. Diese waren bewegte Studienzeiten, in denen zugleich auch der Wandervogel aufbrach – die große Wandervogelbewegung, die durch Deutschland zog. Diese romantische Bewegung versuchte auch wieder, ihn in ihre Fänge zu ziehen. Doch das Studium bei Adolf Schlatter und Karl Heim half ihm, nüchtern im Glauben zu werden.
Vor allem aber war es das, was seine Mutter ihm gesagt hatte: „Wilhelm, es gibt nichts Wichtigeres als die Bibel. Du musst in der Bibel zu Hause sein.“ Während seiner Studienjahre hat er vor allem bei der deutsch-christlichen Studentenvereinigung in Tübingen die Bibel liebgewonnen und ist in sie hineingewachsen.
Dann kam er als junger Hilfsprediger von Tübingen weg. In Münster hatte er noch das Examen gemacht. Sein Vater, der 1921 jung an einer Lungenentzündung gestorben war – wie das nach dem Ersten Weltkrieg oft der Fall war –, hatte ihm noch geraten: „Geh in eine Heimatkirche. Entweder bist du in Elberfeld geboren, im Rheinland oder in Westfalen, oder bleib in Württemberg. Aber bleib in einer Kirche, in der man heimisch ist.“
So entschied er sich, in die westfälische Kirche zu gehen, und wurde Hilfsprediger in Bielefeld. Dort, in einem Vorort von Bielefeld, hatte er bereits eine Jugendgruppe aufgebaut. Doch das Entscheidende fand er in Bielefeld: seine liebe Frau Emmy, geborene Müller.
Das Entscheidende, was jeder braucht, der als ehrenamtlicher oder hauptamtlicher Mitarbeiter im Reich Gottes steht, ist eine Lebensgefährtin, die mit ihm den Weg geht und für ihn betet. Doch Emmy Busch tat weit mehr. Im Grunde genommen sind die drei großen Andachtsbücher – „Licht vom unerschöpften Lichte“, „Herr, lass deinen Heil uns schauen“ und „365 Mal eher“ – ihre Arbeit. Sie hat die Arbeit ihres Mannes nachgearbeitet, die übrigen Brocken, Predigtauszüge und Andachten gesammelt und zu Büchern zusammengestellt.
Eine Frau, die ganz hinter ihrem Mann stand, hatte er dort in Bielefeld gefunden. Sie war Lehrerin und eine große Stütze für ihn.
Dienst in Essen und soziale Herausforderungen
Im Jahr 1924, als sie gerade 27 Jahre alt war, kam der Ruf. Zu dieser Zeit fangen bei uns die Vikare langsam an, in den Vikarsdienst einzutreten. Was hatten sie hinter sich? Eine bewegte Jugend, den Krieg, die Nachkriegszeit, das Studium und Hilfsprediger-Tätigkeiten.
Uns erreichte der Ruf nach Essen, als er 27 Jahre alt war, in die vierte Stadtkirchengemeinde in Essen, Altstadt, Marktkirche. Das war damals noch das Essen, das keinen blauen Himmel kannte, das Essen, in dem ständig Staub und Trüskörner durch die Luft flogen.
Der große Seelsorger Wilhelm Weigle benutzte dazu ein Bild: Wenn junge Leute ihn fragten, ob es schlimm sei, wenn man als Christ sündigt, sagte er: "Denkt daran, dass uns alle paar Minuten im Ruhrgebiet ein Staubkorn ins Auge fliegt. Das Auge tränt und arbeitet so lange, bis es den Fremdkörper losgeworden ist. So ist es mit der Sünde. Es wäre unnatürlich, wenn ein Christ keine Sünde mehr hätte. Aber dann muss das Herz und das ganze Wesen des Christen anfangen zu arbeiten, vor seinem Gott zu stehen und zu weinen, bis die Sünde vor Jesus bereinigt ist."
Das ist nur ein Beispiel dafür, wie es damals im Ruhrgebiet aussah. Früher bekamen wir Staubkörner ins Auge, wenn man im Zug das Fenster öffnete und hinausschaute. So bekam man im Ruhrgebiet ständig Staub ins Auge – ein schmutziges, armes Ruhrgebiet.
Wir wissen es zum Teil noch von Fußballspielen von Schalke, dass viele polnische Namen dabei sind. Viele Polen waren ins Ruhrgebiet eingewandert, die frühen Erntearbeiter aus Ostpreußen, die sich plötzlich im Ruhrgebiet angesiedelt hatten.
Wilhelm Busch erzählte immer wieder, wie eine Familie mit zwölf Kindern in einem Zimmer wohnte, ohne Verputz an den Wänden. Es herrschten furchtbare soziale Zustände. Hier kam Wilhelm Busch in eine ganz brutal arme Gemeinde!
Wenn wir jetzt in dem Sammelband „Verkündigung im Angriff“ lesen, welche Aufsätze er als junger Pfarrer verfasst hat – zum Beispiel „Der Christ und die soziale Frage“, „Die Verkündigung beim Arbeiter“ oder „Die Liebe des Pfarrers zur Gemeinde“ – dann ist alles auf diesen Ton abgestimmt.
Wir können viel an Hilfe geben: Geld, Nahrung. Aber die erste Hilfe ist, dass wir dem Arbeiter helfen gegen die Verdummung, gegen die brutale Verdummung durch die Gottlosenbewegung.
Das Zweite ist, dass wir ihm die Liebe Gottes spüren lassen. Nicht nur, dass ich ihn als Pfarrer lieb habe, sondern dass der ewige Gott ihn kennt und ihn in Gemeinschaft mit sich rufen will.
Wilhelm Busch sagte immer wieder: „Die Pfarrer müssen Hausbesuche machen, Hausbesuche machen, Hausbesuche machen.“ Viele blasierte Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter haben später gesagt: „Ach, die vielen Geschichten, die Wilhelm Busch erlebt hat, ob er sie wirklich erlebt hat oder bloß erfunden?“ Nein, er hat sie erlebt, weil er Besuche gemacht hat, Treppauf, Treppab, fast den ganzen Tag.
Daraus ist seine Predigt entstanden, weil er gemerkt hat: Mit dem Arbeiter kann man nicht theoretisch reden. Man kann dem Arbeiter nicht sagen: „Die Not unserer Zeit bringt uns dazu, dass wir nach ewigen Gütern fragen.“ Man muss sagen: „Ich treffe neulich den Kumpel Erwin. Der Erwin sagt mir: Ich bin K.o.“ – „Ja, warum bist du K.o.?“ – „Ich sehe nicht mehr raus.“
Man darf nicht abstrakt von der Not der Zeit sprechen, sondern muss das in Gespräche auftröseln. So kann der einfache Mensch denken. So hat er gesprochen als Verkündiger, biblisch verantwortet, aber so, dass der Mensch das von heute verstehen kann.
Dazu hat ihm seine Arbeitergemeinde geholfen, in der großen sozialen Not der Arbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise.
Nachfolge von Wilhelm Weigle und Jugendseelsorge
Im Jahr 1930 erhielt er den Ruf, der Nachfolger des befähigten großen deutschen Jugendseelsorgers Wilhelm Weigle zu werden. Wilhelm Weigle hatte ebenfalls Wurzeln in Württemberg. Wenn man nach Echterdingen kommt, findet man die Orgelfabrik Weigle. Dabei handelt es sich im Grunde genommen um dieselbe Familie wie Maria Weigle, die später in Stein bei Nürnberg das Gemeindehelferinnenseminar leitete.
Wilhelm Weigle hatte schwäbische Wurzeln, baute aber in Essen mitten in der großen Not junger Menschen ein Jugendhaus auf. So wie Christen es immer getan haben, entdeckte er die Not der Menschen. Er bemerkte, wie viele junge Leute im Ruhrgebiet in Essen herumlungerten, und sagte: „Das Beste ist gut genug für den jungen Menschen.“ Sie sollten die schönsten Billardtische haben. Er wollte ein Haus für junge Leute schaffen, in dem sie Jesus liebgewinnen können.
Aus der Arbeit von Wilhelm Weigle gingen viele Seelsorger und pfarrkirchliche Mitarbeiter hervor. Auch Professor Ernst Käsemann aus Tübingen war einer der bedeutenden Mitarbeiter Weigles. Es herrschte die Erwartung, wer wohl sein Nachfolger werden würde, nachdem Weigle ein zittriger alter Mann geworden war.
Wilhelm Busch wurde schließlich berufen. Er spürte die große Ehre und sagte zu. Doch bald merkte er den Neid und den Hass derjenigen, die selbst Nachfolger Weigles werden wollten. Man fragte sich: „Wo kommt der Busch her? Er spricht noch halb schwäbisch, kennt die Arbeit Weigles doch gar nicht.“
Wilhelm Busch beschrieb, wie er damals zu den Brüdern nach Bad Liebenzell ging – ich weiß nicht mehr genau, ob es Körper oder Buddeberg war – und ihnen sagte: „Leute, ich habe ohne Jesus zu fragen meinen eigenen Weg gewählt.“ Die Brüder antworteten ihm: „Lieber Bruder Wilhelm Busch, es kann sein, dass wir oft vermessen einen falschen Weg wählen, ohne den Herrn zu fragen. Aber unser großer Gott kann auch einen falsch eingeschlagenen Weg hinterher noch segnen. Bitte ihn darum.“ Das tat er.
Aus dieser Entscheidung entstand eine gesegnete Arbeit: Von 1930 bis 1962, also 32 Jahre lang, war er Jugendpfarrer. So etwas hat es in Deutschland noch nie gegeben, und es wird auch nicht wieder vorkommen, dass jemand bis zum 65. Lebensjahr Jugendpfarrer bleibt. Menschlich betrachtet könnte man sagen, der Oberkirchenrat in Düsseldorf habe ihn schlichtweg vergessen. Alle anderen, die im Kirchenkampf den Kopf hingehalten hatten, wurden Oberkonsistorialräte oder Professoren – ihn aber hat man schlicht vergessen. Er erhielt nie einen Ruf auf eine andere Position.
Doch aus göttlicher Perspektive sieht es anders aus. Gott hatte einen Auftrag für ihn, der bis zum 65. Lebensjahr vital war, während manche andere schon nicht mehr mitreisten. Wenn wir heute in das heutige Deutschland und die evangelische Kirche schauen, erkennen wir, dass ganz große Impulse durch das Weikehaus und durch die Arbeit von Wilhelm Busch gegangen sind, die Gott gesegnet hat.
Das Wichtigste für ihn war, in Verbindung mit seinem Weikehaus in Essen Evangelisation zu betreiben. So war es wahrscheinlich auch in seiner Heimat. Er brachte immer wieder eine Jugendgruppe mit und sagte, das Allerwichtigste an den Abenden – an denen es bei den Freizeiten oft langweilig wurde oder die Jugendlichen sagten, sie gingen ins Wirtshaus – sei, dass sie einen Auftrag haben, im Dorf einzuladen. Dann seien sie am Abend unter der Verkündigung.
Das war bei ihm ein Jugendarbeitsprinzip: Wir wollen junge Leute unter die Verkündigung bringen und nehmen sie so auf die Freizeiten mit.
Die Terstegen-Konferenz und geistliche Leitung
Aber es wird Zeit, dass ich zur nächsten Stufe komme. Man kann doch nicht alles erzählen über den rheinischen Pietismus.
Wilhelm Busch erhielt von einem der geistlichen Väter im Rheinland den Auftrag, sich um die Terstegener Ruhkonferenz zu kümmern. Es war eine kleine Glaubenskonferenz, in die das Pfingstlertum eingebrochen war. Wilhelm Busch sollte sie wieder auf nüchternen Boden stellen. Aus dieser Arbeit ist die Terstegener Konferenz gewachsen – am Frohen Leichnamstag, der Mutter unserer Ludwig-Hofacker-Konferenzen. Dort haben wir die Idee geholt, die Mutter aller großen Glaubenskonferenzen, die es inzwischen am Frohen Leichnamstag in Hessen, in Mainz, im Rheinland, in Westfalen und in Hannover gibt.
Wenn sich am Frohen Leichnamstag quer durch die Bundesrepublik etwa hunderttausend Menschen treffen, dann ist die Terstegener Konferenz die Keimzelle.
Wilhelm Busch hatte die Begabung, die Leute kurz reden zu lassen, nicht länger als zwanzig Minuten. Danach sollten noch ein paar andere ein Zeugnis sagen. Ich sehe noch, wie er gesagt hat: „Kurt Heimbucher, sage uns ein Wort.“ Man wusste immer, wenn man nach Essen kam, dass man bei der österreichischen Konferenz bereit sein musste, irgendeine Geschichte oder Gedanken parat zu haben. Denn man konnte mir nichts, dir nichts vom guten Onkel Wilhelm Busch aufgerufen werden.
Ich erinnere mich noch, wie Kurt Heimbucher sagte: „Ich will euch heute drei Gedanken weitergeben.“ Wilhelm Busch erwiderte: „Ein Gedanke, nicht lang, kurz, zack.“ Er war gegen jede Stimmung, auch bei diesen Konferenzen. Wenn eine Gebetsgemeinschaft in der großen Halle des Saalbaus war und plötzlich einer der ostpreußischen Brüder, die es in ihrer Geschichte so haben, beim Gebet weinte und sagte: „Herr, ich danke dir, dass du mir das geschenkt hast“, dann sagte Wilhelm Busch: „Amen, der Bruder Bauer betet mit uns weiter.“
Er wollte keine Stimmung aufkommen lassen, sondern betonte: „Wir müssen nüchtern vor Gott sein.“
Wilhelm Busch war auch Schriftsteller. Ich habe einige seiner Schriften aufgelegt: biblische Schriften, evangelistische Schriften, die großen Andachtsbücher, die in unserem Land etwas bedeutet haben, und dann die kleinen Erzählungen, Variationen über ein Thema – man muss doch darüber sprechen. Die „Plaudereien aus meinem Studierzimmer“, eine moderne Kirchengeschichte, „Jesus unser Schicksal“, die Vorgläge – Sie können sie sich nachher ansehen.
Er war einer der großen evangelischen Schriftsteller in unserem Land. Ich darf es gar nicht laut sagen, mit wie vielen Auflagen die Andachtsbücher, die kleinen Erzählungen und die „Plaudereien aus meinem Studierzimmer“ erschienen sind.
Die theologischen Grundlagen und Verkündigung
Aber wenn man nach dem Geheimnis dieses Lebens fragt, dann möchte ich es, vergeben Sie mir, in einigen Punkten zusammenfassen.
Wilhelm Busch konnte zentrale Jesuswahrheiten anschaulich und erwecklich predigen. Es ging ihm immer ums Kreuz Jesu Christi. In der großen Festschrift für Kurt Scharf hat er geschrieben: Lebenslang hat mich die Aufgabe nicht losgelassen, wie man Römer 3,21 und folgende erwecklich und anschaulich predigen kann. Gott hat seinen Sohn hingestellt zum Gnadenstein, zum Stuhl in seinem Blut, auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da glaubt an Jesus.
Er konnte berichten, wie das war in Essen im Feuersturm, also 1942/43, als die ganze Innenstadt im Phosphorregen niedergebrannt ist. Wie sich die Menschen geflüchtet haben, einen Platz suchten, wo sie überhaupt noch Luft bekommen, Sauerstoff. Wie sie sich alle zusammengefunden haben, die durchs Flammenmeer gefunden haben – in der niedergebrannten Ruine der Synagoge, die im Jahr 1938 durch die Nazis verbrannt war. Dort konnte das Feuer nicht mehr brennen, weil es schon gebrannt hatte. Das Feuer fand keine Nahrung mehr.
Da hat Wilhelm Busch gesagt: So ist es mit dem Kreuz Jesu. Wenn du zu Jesus kommst, der Zorn Gottes, der heilige Zorn Gottes hat dort schon gebrannt. Da bist du gerettet, da brennt nichts mehr. So konnte er zentrale Jesuswahrheiten anschaulich und erwecklich predigen.
Er konnte zentrale Jesuswahrheiten auch theologisch verantwortet weitergeben. Nach seinem Tod schrieb das evangelische Sonntagsblatt von Hamburg: Ob er ein großer Theologe war, mag dahingestellt bleiben, aber er konnte anschaulich reden – auch zu den „dummen Kerlen“. Ich habe bei keinem theologischen Lehrer so viel Theologie gelernt wie bei Wilhelm Busch. Er hatte eine große theologische Literatur gelesen, konnte sie aber verständlich ummünzen.
Als er einmal im Gestapo-Gefängnis von SS-Wachleuten gefragt wurde, ob er als Pastor eigentlich den Unterschied zwischen Christentum und den Weltreligionen sowie großen Ideologien kenne, sagte er die große Sache:
Erstens: Alle Religionen und Ideologien meinen, Gott sei etwas aus unserer Erde, ein Götze, die Nation oder mein Blut. Nur das Christentum sagt: Gott ist der Schöpfer der Welt, er ist Gegenüber der Welt und der Richter der Welt.
Zweitens: In allen Religionen und Ideologien geht man davon aus, dass der Mensch ganz tief in seinem Herzen einen guten Kern hat. Jesus aber sagt: Aus dem Herzen des Menschen kommen arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei. Es war Wilhelm Busch immer wichtig, mir zu sagen: „Oh, ich bin ein feiner Kerl.“ Ich habe es in der Kirche einmal erlebt, bei einer Evangelisation, wie er das gesagt hat: „Aus dem Herzen kommen arge Gedanken, Mord, Ehebruch.“ Da saß unten eine ältere Dame, die schon den Kopf schüttelte, so ganz fromm: „Ich doch nicht.“ Und sie sagte: „Oma, Mord?“ Weil er es ganz ernst meinte, dass wir einander oft im Zorn umbringen können, wenn Gott uns nicht bewahrt. Nicht der gute Kern, sondern wir sind zutiefst vergiftet.
Drittens: Alle Religionen und Ideologien meinen, wenn wir uns am Riemen reißen, wird die Welt besser. Jesus aber sagt: Wenn Gott seine neue Welt bringt, dann wird es anders. Und alle Religionen und Ideologien meinen, man könne vor Gott bestehen, wenn man sagt: „Ich habe mich doch angestrengt.“ Nur Jesus sagt: „Wenn ihr mit mir kommt, mit mir kommt ihr zum Vater. Ohne mich nicht.“
Wenn Sie das zusammennehmen, so anschaulich gesagt, ersetzt das drei große Bücher der Dogmatik. Das sind Schneisen, das ist verarbeitete Theologie, verständliche Theologie. Wilhelm Busch konnte große Theologie verständlich weitergeben.
Er hat drittens immer an vorderster Front gekämpft, ob das bei den Arbeitern war, bei der jungen Generation oder gegen die Nazis. Und wenn er nach dem Krieg sein Weichlehaus aufgebaut hat und zu den Industriellen ging, kamen diese zu ihm und sagten: „Pastor Busch, Sie brauchen Ihren Scheck, wie viel brauchen Sie?“ Da hat er gesagt: „Ich möchte Ihren Scheck nicht, ich möchte mit Ihnen über Jesus reden.“ Denn er wusste, jetzt sind die Industriellen dran, dass wir mit denen über Jesus reden.
Ich sehe noch bei der letzten Evangelisation im Cannstatter Kursaal, er hatte schon einen schweren Herzinfarkt hinter sich. Ich habe versucht, ihn herauszulotsen, dass wieder so eine Gruppe junger Kerle, so siebzehn Jahre alt, aus dem Zugang, heute würde man sie Halbstarke nennen, sagen: „Habt ihr Jesus lieb? Merkt ihr, wie er euch lieb hat?“ Ihm ging es um Menschen, dass sie zu Jesus finden. Er war fröhlich, vital und wollte deutlich machen, dass Christentum keine verstaubte Sache ist.
Das habe ich vorher schon gesagt. Es war vielleicht das Entscheidende bei ihm, dass ein Christ ein fröhlicher Mensch ist.
Die Zerbrochenheit und das Geheimnis des Lebens
Aber all das wäre nur vordergründig. Das Entscheidende besteht in zwei Punkten. Wilhelm Busch war ein durch und durch zerbrochener Mensch. Die großen Zeugen unseres Gottes sind immer zerschlagene Leute gewesen, die aus der Kraft Gottes gelebt haben.
Er war als Siebzehnjähriger vor Verdun verschüttet worden, zwei Tage lang, bis man ihn ausgebuddelt hatte. Er hatte immer eine verkrüppelte rechte Hand und quälende Kopfschmerzen, wahrscheinlich auch dadurch, dass er sich verdorben hatte. Immer wieder hatte er Anfälle von Ischias, bei denen er nicht mehr wusste, ob er stehen oder liegen konnte. Diese Anfälle raubten ihm fast die Besinnung. Es waren körperliche Schmerzen.
Als Folge dieses Verschüttetseins vor Verdun litt er unter einer wahnsinnigen Nervosität. Die Eltern unter uns wissen es vielleicht noch von Jungmännertagen: Wenn wir auf dem Esslinger Burghof waren und Tausende dort standen, konnte Wilhelm Busch sagen: „Soll man da hinten endlich stehen bleiben?“ Dann hatte gar kein Mensch etwas bemerkt, erst in dem Augenblick drehte sich jeder um und die Unruhe begann. Aber es hat ihn aufgeregt. Er hatte eine grenzenlose Nervosität von diesen Kriegsvolk.
Er war vergessen und verstoßen von den Kirchenleuten, die lächerlich sagten: „Willy Busch, na ja, der kann mir die Jugend nicht kicken.“ Er war vergessen und verstoßen von den Nazis, ebenso von der deutschen Wehrmacht. Er wurde noch einmal 1940 als Offizier eingezogen, doch nach wenigen Wochen stellte man fest, dass er dreimal in Haft gewesen war wegen seines Kampfes gegen den Nazismus. Daraufhin wurde er als Oberleutnant wehrunwürdig entlassen.
Das kann eine junge Generation heute gar nicht mehr ermessen, was das bedeutet, wenn man einem Mann die Ehre nimmt: Wehrunwürdig! So viele Wunden waren in diesem Leben drin. Er hat als junger Mann immer gesagt, er wünsche sich einmal – so war es bei der Hochzeit gesagt – vier Söhne, mit denen er zusammen einen Posaunenchor aufbauen könne.
Er hatte zwei Söhne: Einen hochbegabten jungen Wilhelm Busch, einen Musiker, der mit achtzehn, neunzehn Jahren in Russland geblieben ist, und den kleinen Eberhard, der mit zwei, drei Jahren im Bett unerklärlich erstickt ist. Viel Freude hatte er an seinen Töchtern und Schwiegerkindern. Doch das war die Wunde seines Lebens: „Meine Buben, die mir Gott genommen hat.“ Ein zerschlagener Mann.
Ich habe ihn besuchen dürfen, als er seinen Herzinfarkt hatte. In Schweinfurt war er während einer Evangelisation überfallen worden, etwa 1961. Er hat mir gesagt: „Rolf, mich bewegt bloß eines. Ich habe so oft jungen Menschen die Bibel ausgelegt, damit sie den rechten Weg vor Gott finden. Aber ob ich den rechten Weg gegangen bin?“
Damals ist mir klar geworden, was das Geheimnis im Leben dieses gesegneten Evangelisten ist. Unser Gott spricht: „Ich sehe aber an den Elenden und der zerbrochenen Herzens ist, der sich fürchtet vor meinem Wort.“ Wilhelm Busch hat nie das Evangelium in der Tasche gehabt, nie in der Gewissheit. Das können wir jetzt weitersagen, auch wenn es so gewirkt haben sollte.
Gott sieht an den Zerbrochenen: einen Ludwig Hofacker, einen Hennhöfer, einen zerbrochenen Hebich. Sie können jetzt die großen Gotteszeugen aufzählen, Martin Luther. Gott sagt: „Ich sehe an den Elenden, der zerbrochenen Herzens ist und der sich fürchtet vor meinem Wort.“
Deshalb sagte Wilhelm Busch bei der Abschiedspredigt, die er im Jahr 1962 in seinem Weitlihaus gehalten hat: Der König Salomo konnte von der Usop an der Wand reden und von Zedern auf dem Libanon, von tausend Themen. Ich habe immer bloß ein Thema gehabt, nur eine Trompete geblasen: „Ich will mich rühmen des Herrn, dass es Elende hören und sich freuen.“
Das war das Geheimnis dieses Lebens, dass viele reich gemacht wurden. „Ich will mich rühmen des Herrn, nicht meines eigenen Glaubens, nicht meines Pietismus, damit andere Elende hören, die auf dem Weg der Verlorenheit sind, und sich freuen und wieder Mut gewinnen.“
Schlussgebet
Wir wollen beten.
Herr Jesus, wir danken dir, dass du uns in die große Gemeinschaft deines Volkes hineingestellt hast – von den Tagen der Apostel bis heute. Wir danken dir für alle Mütter und Väter im Glauben, für die Lehrer der Christenheit, für die Evangelisten und die Seelsorger.
Wir danken dir für alle, die uns begleitet haben, die uns gestärkt und unterwiesen haben und die uns gezeigt haben, was ein Leben mit dir bedeutet.
Gib uns jetzt, dass wir ihnen nachfolgen und ein Vorbild für andere werden können. Lass unseren Glauben nicht untätig und armselig bleiben, sondern ansteckend werden.
Amen!