Begrüßung und Einführung
Seien Sie herzlich willkommen zur Bibelstunde heute in Aitlingen. Wir sind alle noch etwas perplex über das Landschaftsbild seit gestern.
Ein besonderer Gruß gilt auch unseren Gästen aus Plauen. Familie Reinhard und Herr Bea Steger mit ihren vier Kindern sind heute bei uns zu Gast. Sie sind tapfer im Einsatz für Jesus in Plauen. Frau Tabea Steger ist eine Absolventin unserer Bibelschule. Wir freuen uns immer über solch ein Wiedersehen, wenn man nach einigen Jahren Bibelschule plötzlich gemeinsam im Dienst für Jesus steht und sich austauscht. Gottes Segen Ihnen auch für Ihren Dienst dort.
Wir freuen uns ganz besonders über die Zusage von Pfarrer Winrich Schäffbuch, diese Bibelstunde zu halten. Seien Sie und Ihre Frau Beate Schäffbuch ganz herzlich willkommen.
Schon beim Mittagessen kam das Thema auf. Frau Doktor Claus, unsere Schwester Gabriele, berichtete, dass Pfarrer Schäffbuch auch in Pakistan war, sogar bei uns in Kohistan. So könnte der Bericht weitergehen.
Pfarrer Winrich Schäffbuch hat durch seine Tätigkeit als Gründer und Leiter der Hilfswerke Christliche Fachkräfte International und Hilfe für Brüder und Co-Workers viele Verbindungen in alle Welt. Ich glaube, diese reichen nach Kuba, China, Äthiopien und in den Tschad. Es wäre sicher leicht, mehr als eine Stunde mit Berichten von Verbindungen, Gemeinschaft und gegenseitiger Hilfe mit Geschwistern aus aller Welt zu füllen.
Ich selbst habe eine sehr gute Erfahrung gemacht, die ich eigentlich jedem wünsche, der zum ersten Mal von zu Hause wegzieht. Ich bin mit 17 Jahren das erste Mal von zu Hause nach Stuttgart in die Großstadt gezogen und bin in eine große, lebendige Gemeinde gekommen, die Ludwig-Hofacker-Gemeinde. Dort war Pfarrer Schäffbuch 30 Jahre Pfarrer.
Ich bin sehr, sehr froh über diese Erfahrung, dass man als fremder Mensch einfach aufgenommen wird, Gemeinschaft findet, Bibelstudium erleben kann, gesunde Lehre erhält, gute Freunde findet und Hauskreise besucht. Ich schätze sehr diese Kombination aus Pfarrdienst und weltweitem Horizont.
Wir sind auch froh, dass Sie heute Ihr großes Anliegen mit uns teilen und das Wort Gottes uns groß machen. Vielen Dank!
Wir wollen anfangen mit dem Lied 285: Jesus, wir sehen auf Dich.
Schwestern begegnen – das ist für unser Leben so viel Reichtum und Beglückung gewesen. Aber am allerschönsten ist, dass der Blick auf Jesus ruht. Sie sah niemanden als Jesus allein.
So wollen wir beginnen und beten:
Lieber Herr, wir kommen her und uns bewegt viel. Wir sind umgetrieben und belastet, oft auch in Sorgen. Aber wir wollen dich sehen mit den Augen des Glaubens, den Herrn und Heiland, Verschöner und Erlöser. Wir danken dir, dass du unser stürmisches Leben zur Ruhe bringst, bei dir, in deinem Frieden.
Wir bitten dich, dass du zu uns redest, dass wir dich hören. Wir warten auf dich, auf dein Wort – das lebendige Wort, das wirksame Wort, das uns verändert und erneuert.
Amen!
Einführung in den Predigttext: 1. Petrus 5
Wenn Sie eine Bibel dabei haben, schlagen Sie bitte im ersten Petrusbrief nach! Im letzten Kapitel, Kapitel fünf, finden Sie eine wichtige Aussage: Verfolgungen sind kein Unglück, sondern ein Zeichen der Segenslinie Gottes mit seiner Gemeinde.
Lasst euch nicht befremden durch Verfolgung. Es ist erstaunlich, was alles in der Bibel, im Wort Gottes, darüber steht. Oft sind wir entsetzt über die schweren Wege, die Gott seine Gemeinde führen lässt. Doch er gebraucht diese Wege, um seine Herrlichkeit sichtbar zu machen.
Wir erleben selbst, dass sich die unangefochtene Gemeinde sehr weit von Jesus und seinem Wort entfernt hat. Nun kommt Kapitel 5: „Die Ältesten unter euch ermahne ich, ich der Michtälteste und Zeuge am Leiden Christi.“ Damit meint Petrus sich selbst. Er sagt weiter: „Ich habe auch teil an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll.“
Dann fordert er: „Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist, und achtet auf sie. Nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinnswillen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde.“
Er verspricht: „So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.“ Und schließlich richtet er sich auch an die Jüngeren: „Ordnet euch den Ältesten unter!“
Die Herausforderung des modernen Gemeindelebens
In unserer Gesellschaft ist es üblich, dass eine Kommission jedes Jahr ein Wort des Jahres wählt. Dieses Wort steht für ein typisches Phänomen der jeweiligen Zeit. So war zum Beispiel „Ellbogengesellschaft“ ein Wort, das eine bestimmte Zeit gut widerspiegelte. Auch „Abwrackprämie“ war ein solches Wort.
Wenn man mich fragt, welches Wort unser ganzes Jahrhundert am besten beschreibt, denke ich an das Wort „Manager“. Heute sind Manager die gefragten Personen. Alles wird gemanagt – in der Politik, selbst die Schulden werden gemanagt. Krisen, das Gesundheitswesen, die Wirtschaft – alles wird gemanagt. Dieses Denken hat auch auf Christen abgefärbt. Wir sind ja Kinder unserer Zeit.
Auch in der Gemeinde Jesu trifft man überall auf Manager. Mission wird gemanagt, Evangelisation wird gemanagt, Gemeinde wird gemanagt und gebaut. Ich habe große Sorge, dass wir dabei vergessen haben, wie Jesus eigentlich Gemeinde baut. Ich will meine Gemeinde bauen, aber das will Jesus selbst tun. Er ruft uns in seinen Dienst.
Es ist schön, dass in diesem Zusammenhang immer wieder ein bestimmtes Wort vorkommt: Er ist der Hirte, der ohnegleichen ist – der Erzhirte, also der Superhirte, von dem wir ausgehen. Dieses Bild geht schon zurück aufs Alte Testament und den Hirtendienst Gottes.
Jeder von uns hat wahrscheinlich Psalm 23 als Lieblingspsalm: „Der Herr ist mein Hirte.“ Der ewige Gott und sein Sohn Jesus leisten diesen wunderbaren Hirtendienst, indem sie sich um uns mühen und sorgen. Dieses Bild ist uns seit Kindertagen vertraut.
Jesus sagt in Johannes 10: „Ich bin der gute Hirte.“ Damit grenzt er sich von denen ab, die den Dienst nur als Beschäftigungsverhältnis sehen. Schon im Alten Testament klagt Gott darüber, dass die Hirten, die eigentlich in der Gemeinde eingesetzt sind, schrecklich versagen. Im Buch Ezechiel findet sich die Klage, dass die Hirten sich nur selbst weiden, nur an sich denken und die Herde verkümmern lassen.
Die Bedeutung und Herausforderung des Hirtendienstes
Jetzt ist es mir heute einfach wichtig. Ich habe darüber nachgedacht und denke, viele von Ihnen sind irgendwo im Hauskreis, im GWM oder in der Gemeinde, in einer Gemeinschaft tätig. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass der Hirtendienst der allerwichtigste Dienst ist? Natürlich ist Evangelisation auch wichtig, Leitung ist wichtig. Aber ich meine, der Hirtendienst ist in der letzten Zeit verkümmert und vernachlässigt worden, weil kaum darauf hingewiesen wurde.
Wo kommt denn in der Bibel ein typischer Hirte in der Gemeinde vor? Das war etwa der Barnabas. Er hatte schon diesen Namen, den Sohn des Trostes. Barnabas war ganz anders als Paulus. Paulus war der vorwärtsstürmende Missionar. Missionare haben immer etwas Bezwingendes an sich. Das finde ich schön, ich liebe das. Aber ich bewundere auch die Lehrer in der Gemeinde, die ganz ruhig erklären können. Sie sind nicht feuer- und wutschnaubend, sondern überlegt und erklärend, mit dem Kopf. Lehrer braucht man nicht nur in der Bibelschule, sondern auch in der Gemeinde.
Ich war immer dankbar, wenn ich in meiner Bibelstunde verhindert war und wir einen unserer geistlich Begabten, etwa Rolf Brune, bitten konnten zu kommen. Es war immer toll, wie er in Ruhe erklären konnte. Zu den Ämtern neben Evangelisten und Lehrern gehört auch der Hirte. Viele von ihnen haben von Jesus die große Gabe erhalten, Hirten zu sein – wie Barnabas, der Geduld hatte.
Ein Beispiel: Auf der ersten Missionsreise ist Johannes Markus weggelaufen. Das war gleich bei Antalya, da, wo die Schnäppchenreisen in der Türkei sind. Er bekam Muffensausen, als er hörte, was in den Taurusbergen mit Räubern passierte. Er wollte heim zu seiner Mama. Paulus sagte daraufhin, dass er Johannes Markus nie mehr mitnehmen würde. Wer die Rockshow wichtiger nimmt als den Herrn und sich blutig schlagen zu lassen, den kann er nicht gebrauchen. Doch Barnabas gab ihm eine zweite Chance.
Wissen Sie, was ein Hirte ist? Ein Hirte hat ein Herz, er kann mitfühlen und hat Geduld. Diese Leute fehlen heute in den Gemeinden. Ich bin überzeugt, viele von Ihnen haben diese Gabe. Ich möchte, dass Sie diese Gabe heute erwecken und sagen: „Ich sehe meine Aufgabe in der Fürbitte.“ So wie wir für unsere Enkel beten, auch wenn wir keine Frucht sehen.
Der Hirte lässt 99 Schafe zurück, um das eine Verlorene zu suchen. Totaleinsatz, und er gibt nie eins auf – das ist der Hirtendienst. In unseren Gemeinden gibt es so viele Menschen, die im Leben zu kurz gekommen sind. Sie sind einsam und warten auf ein Gespräch. Wo sind die Hirten, die sagen: „Ich habe Zeit für dich. Komm doch jetzt gleich nach der Versammlung mit mir, dann reden wir noch miteinander und machen einen Spaziergang.“ Die besten Seelsorger sind diejenigen, die zuhören können.
Heute wird das Wort Seelsorge oft mit Coaching übersetzt. Das ist aber etwas anderes – ganz abgesehen davon, dass Coaching sehr viel Geld kostet. Im Wikipedia-Eintrag steht eine Untersuchung eines amerikanischen Professors, die ich Ihnen empfehlen kann. Er sagt: Jeder Mensch mit gesundem Menschenverstand kann das Gleiche leisten. Die Leute sind nur so begeistert, weil es so viel Geld kostet.
Wenn Sie die Gabe haben, mit gesundem Menschenverstand für jemanden da zu sein, dann können Sie in einer Krise helfen. Sie können sagen: „Du hast ein Problem, komm zu mir, es kostet nichts, aber ich kann dir helfen.“ Petrus sagt: „Ich bin ein Mitältester in diesem Amt der Gemeindeleitung, als einer, der von Jesus in dieses Amt eingesetzt wurde.“ Und er sagt gleich im ersten Vers: „Ich bin ein Zeuge der Leiden von Jesus.“ Warum sagt er das?
Hirten müssen mittragen, was gelitten wird: Krankheitsnöte, Versagen, Schuld. Jede Beichte, die an Hirten herangetragen wird, ist eine Last, die man mitträgt und die einen auf den Boden beugt. Aber das Schöne an den Hirten ist, dass sie dazu da sind, die Schwachen zu tragen. Wir haben so viele Schwache. Darum ist es wunderbar, das Hirtenamt zu haben – das wichtigste Amt.
Pfarrer haben oft das Wort Pastor für sich gepachtet. Aber das Hirtenamt gilt für alle in der Gemeinde. Petrus unterschreibt auch die Gefahren unseres Hirtenamtes. Er sagt: „Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist.“ Das ist ein Auftrag an uns alle, so wie Petrus ihn weitergibt. Er selbst wurde von Jesus in dieses Hirtenamt eingesetzt. Pflege dein Hirtenamt.
Mach jetzt mal eine kurze Pause und frage dich: Welche Menschen hat Jesus mir zur Pflege und Betreuung anvertraut? Das kann schon in der Nachbarschaft beginnen. Es können Leute sein, die einmal bei uns dabei waren und dann wieder weggelaufen sind, Schafe, die sich verlaufen haben, andere, für die wir Verantwortung tragen.
Dann nennt Petrus die Gefahren. Was ist das? Es ist nicht Zwang in der Gemeinde Jesu. Wo Zwang herrscht, ist das immer tödlich. Das Gesetz richtet nur Zorn an, nie Zwang. Es ist ganz furchtbar, wenn man sagt: „Ich muss im Chor mitsingen.“ Es gibt kein Muss. Es ist ein Privileg. Wenn du es nicht gern tust, lass die Finger davon. Es kommt nichts dabei heraus, wenn du es nicht gern machst. Tu es gern, aus Freude, damit unser Leben brauchbar wird für unseren Herrn. Nicht gezwungen, sondern freiwillig, gerne und fröhlich das Hirtenamt wahrnehmen.
Petrus schreibt auch von einer schönen Stille, die interessant ist. Als Tabea gestorben war, sagten die Apostel in Jerusalem, es müsse ein Apostel zur Beerdigung gehen, sonst sähe es blöd aus. Sie sagten: „Petrus, geh doch du zur Beerdigung der Tabea“ (Apostelgeschichte 9). Der alte Luthertext hat das toll getroffen. Im neuen Luthertext heißt es „Säume nicht“, was mir gar nichts sagt. Im Altluther hieß es „Lass dich nicht verdrießen.“ Kennen Sie das?
Wenn du einen Auftrag in der Gemeinde hast, gerade im Hirtendienst, dann musst du hingehen. Da braucht man dich. Lass dich nicht verdrießen. Es gibt in der Gemeinde Jesu so viele verdrossene Leute, und das hat keinen Wert. Tue es gerne und frei. Dann geschieht etwas Wunderbares. Petrus durfte sogar Tabea vom Tod erwecken, und dieses wunderbare Zeichen fand dort statt.
Die Losung und der Dienst in der Gemeinde
Wir haben heute eine herrliche Losung. Ich habe ein wenig gerungen, denn ich hätte so gerne heute auch die Bibelstunde über die Losung gehalten. So er spricht, so geschieht es; so er gebietet, so steht es da – es ist wunderbar.
Aber das gilt auch für unser Hirtenamt: Wenn der Herr uns einen Befehl gibt, dann ist es möglich. Dann werden wir die Kraft und die Zeit haben. Natürlich denken wir immer: Kann ich das? Doch so er spricht, so geschieht es; so er gebietet, er hat es ihr geboten, so steht es da. Er wird das Wirken auch schenken. Darum wollen wir es nicht gezwungen tun und nicht unter Druck, sondern so, wie es Gott gefällt. So steht es da: freiwillig, wie es Gott gefällt. Herr, gebrauche mich, Herr, gebrauche mich.
Ich habe ja immer wieder viel mit jungen Leuten zu tun gehabt, die gefragt haben: Was ist die Berufung Gottes für mein Leben? Und sie hatten immer eine sehr exakte Vorstellung davon, wie die Berufung geschehen muss. Einmal sagten sie: Ich weiß gar nicht, ob ich berufen bin. Jeder Christ ist berufen – nämlich zur Totalhingabe seines Lebens. Herr, ich will mir nicht mehr selbst dienen, ich möchte dich als Herrn anerkennen.
Dann kommt die zweite Sache: Gebrauche mich, wie es wird. Und da herrscht große Flexibilität. Ich bin ganz sicher, dass Gott mich in die Mission gerufen hat. Durch die vielen verschlossenen Türen war klar, dass ich dann auf einmal sehr widerwillig am Anfang in die Gemeinde gegangen bin. Trotzdem war es der Segensweg, und trotzdem kam die Mission wieder. So wird es Ihnen auch gehen: Herr, wo du mich gebrauchen willst, das hängt von den Berufungen ab.
Livingston wollte immer als Missionar nach China gehen. Doch weil die Türen verschlossen waren, hat Gott ihn nach Afrika geschickt. Gab es einen größeren Afrikamissionar als Livingston? Man muss bereit sein, sich führen zu lassen. Hauptsache, ich diene dir, Herr, wo und wie du willst. Ich bin bereit, dir zu dienen. Dabei kann sich manches verschieben, aber egal bei welchem Dienst – das spielt keine Rolle. Ich bin bereit, dir zu dienen, Herr, wie es dir gefällt.
Im Vers 2 steht noch eine weitere Gefahr: das Gezwungene ist eine große Gefahr. Niemand soll gezwungen den Dienst tun, sondern immer aus Freude. Herr, ich mache das gerne für dich. Ich muss gestehen: Wenn meine Frau am Sonntagmittag nach verschiedenen Diensten – wir hatten immer zwei Gottesdienste, die sehr anstrengend waren – gesagt hat: „Jetzt gehen wir noch ins Altenheim“, dann habe ich gesagt: „Mein Bedarf ist gedeckt.“ Aber meine Frau will auch nichts abschlagen. Und ich kann Ihnen sagen, es war der Himmel.
Haben Sie das auch schon erlebt, wenn man sagt: „Wir machen das“? Wie war es bei unseren Straßeneinsätzen? Wir wollten doch nicht auf die Königstraße. Ich dachte: „Ich bin doch blöd, ich kann doch nicht auf der Straße reden, ich kann doch keine Witze machen, ich bin doch kein Komiker.“ Ich habe immer gesagt: „Wir haben gebetet, dass es regnet, dann muss man nicht gehen.“ Aber wenn wir gegangen sind, war es toll. Wenn man im Dienst ist, geht man immer beglückt nach Hause. Wenn man es nicht gezwungen tut, so ist unser Herz. Wenn man sagt: Herr, für dich gehe ich gerne.
Das große Manko heute in unserer Gemeinde ist, dass die Hausbesuche fehlen. Das ist so furchtbar. So viele Menschen warten darauf, dass irgendjemand Anteil nimmt und ihre Last mitträgt. Der beste Seelsorger ist der, der einfach zuhört. Dann kann man irgendwo noch sagen: „Jetzt will ich noch mit Ihnen beten.“ Das ist so gewaltig und so groß.
Das war die eine Gefahr. Jetzt kommt die zweite Gefahr: nicht um schändlichen Gewinn. Wir sind heute alle finanziell so ausgestattet, dass ich glaube, ich habe es mit meiner Frau nur besprochen – kaum, dass es irgendwo einen Hintergrund gibt, dass jemand auf eine Geldzahlung wartet. Früher, in Zeiten, in denen man viel ärmer war, war das sicher anders. Da wartete man auf eine Bezahlung.
Heute sind wir rundum versorgt – selbst der, der keine Arbeit hat. Geld ist nicht mehr das Problem. Aber schändlichen Gewinn gibt es heute bei uns viel schlimmer: um der eigenen Anerkennung willen, um meines Ruhmes willen. Wie viele leiden eine Jugendgruppe bloß um des Ansehens willen. Ich möchte auch einen Job in der Gemeinde haben. Das wirkt so wie mit Außenmitarbeitern – das ist eine ganz gefährliche Versuchung.
Ich möchte vorne stehen als Moderator. Ach, das ist ein Gedränge. In der Küche trinkt man meist nicht so viel, und wenn geputzt wird, sind auch nicht mehr so viele da, wie wenn es darum geht, vorne zu sein. Petrus sagt: Das ist nicht die Aufgabe. Wenn uns der Herr etwas aufträgt, und wir es um unserer eigenen Anerkennung willen tun, dann müssen wir unsere Motive prüfen.
Bei der Süddeutschen Gemeinschaft gab es mal so ein Büchlein zum hundertjährigen Jubiläum, und darin waren schöne Geschichten. Im Remstal war ein Stundenleiter, der im Dorf einen Mann kannte, der ganz weit von Gott weg war. Der hätte so gern an der Evangelisation in Schondorf teilgenommen, aber es hätte keinen Wert gehabt, ihn einzuladen. Er sagte: „Könntest du mich mit deinen Pferden in der Kutsche nach Schondorf fahren? Ich zahle dir’s gut.“ Er antwortete: „Das fahre ich gern.“ Und so fuhr er ihn nach Schondorf. Dann sagte er: „Noch eine Bitte: Jetzt kommt der Herr mit rein und sitzt mit, du musst mich nachher wieder mit heimfahren.“ Da hat er die Kutsche bezahlt – nur um einen anderen zur Evangelisation mitzunehmen.
Verstehen Sie? Das ist der Hirtendienst: mitfühlen können, wie kriege ich den da überhaupt hin? Wie kann ich das machen aus lauter Liebe? Da steht nicht „um des schändlichen Gewinns willen“, also um meiner selbst willen, um meiner Anerkennung willen, sondern aus Herzensgrund, weil wir Menschen so lieb haben und nicht wollen, dass sie verloren gehen. Darum auch die zweite Meile mit jemandem gehen und versuchen, wie ich jemanden dorthin bringen kann – als ein Hirte, der den Verlorenen nachgeht und sie sucht.
Wie können wir überhaupt auf andere Menschen Einfluss gewinnen? Mir hat mal eine Frau angerufen, die irgendwo im Norden Stuttgarts wohnte. Sie sagte: „Können Sie mir nicht helfen? Mein Nachbar beschwert sich immer, wenn ich ihm Traktate in den Briefkasten stecke.“ Da sagte ich: „Was ist jetzt das Problem? Es muss doch sicher ein Recht geben in Deutschland, dass ich das weiter tun darf.“ Sie sagte: „Sie werden doch hoffentlich nicht so einen Unsinn machen, dass sie jemandem, der es sich verbietet, Traktate in den Briefkasten stecken.“
Verstehen Sie? Das kann doch nicht wahr sein. Wenn einer sagt: Ich will davon nichts wissen, dann müssen wir das respektieren. Das sind doch freie Menschen. Wir wollen doch niemandem auf die Nerven fallen. Also so geht das nicht, sondern von Herzensgrund, dass wir mit unserem Herzen Menschen erreichen.
Unser Herz ist ja so wunderbar geschickt. Wir können auf einmal so handeln. Wir sind ja auch vor fünf Jahren umgezogen, und meine Frau hat Ideen, wie man hinkommt. Sie merkt, wenn ein Nachbar ins Krankenhaus muss. Dann hat sie zu einer Nachbarin gesagt: „Bevor die zur großen Operation darf, darf ich nur mit ihm mit, aber doch nicht im Treppenhaus.“ Da sagte sie: „Dann gehen wir doch in ihre Wohnung rein, es ist doch schön.“
Mit dem Herzen erahnen, wo ein Mensch bereit ist und darauf wartet, dass wir auf ihn zugehen – von Herzensgrund. Wie hat es denn der Herr Jesus mit uns gemacht? Er hat uns nicht bombardiert, sondern von frühester Kindheit an haben wir etwas geahnt von der Jesusliebe, von einer Liebe, die so selbstlos war.
Das soll auch bei uns so sein, dass wir nicht Funktionäre werden, sondern mit Liebe Menschen erreichen. Es gibt viele Beispiele, wo das so war. Paulus sagt im 1. Thessalonicherbrief von der Gemeinde in Thessaloniki: Ihr wart willig, das Evangelium mitzuteilen – sogar bis zu eurem eigenen Leben, bis zur Hingabe eurer Seelen. Ihr habt das mit einer solchen Liebe und mit einer solchen Freude getan.
Dazu möge uns der Herr immer die Weisheit schenken: Wie kommen wir an jemanden heran? Wie können wir überhaupt das Herz eines Menschen gewinnen?
Vorbilder und Gefahren im Hirtenamt
Und dann heißt es im nächsten Vers, im Vers drei: „Werdet Vorbilder der Herde.“ Im Griechischen steht dort das Wort „Typen“. So wie beim Auto, wo ein Typ eine bestimmte Modellreihe bezeichnet.
Gerade war ich bei Männerfeschbach in Rutesheim, und dort war ein ehemaliger Konfirmand von mir. Er sagte, er sei Chefeinkäufer für den Spyder von Porsche. Er meinte, man müsse helfen, denn er weiß nicht genau, was der Spyder sagt, aber den Typen müsse man sich mal anschauen. Man müsse ihn im Internet angucken. Der Spyder kostet nur 800 Euro, bloß der Wagen verbraucht nur drei Liter Benzin. Das ist ein toller Porsche. Also, den Typen muss man sich anschauen. So muss es bei uns sein: ein Hirtentyp, ein Hirtentyp, der begeistert.
Es ist so schön, dass es in der Gemeinde Hirten gibt. Das sind Leute, die nicht vorne stehen, sondern irgendwo dazwischen. Aber sie haben Zeit. Beim Eberhard von Rothkirch im CVdM in Berlin, als der gegründet wurde, war er aus dem Siebzigerkrieg zurückgekommen mit einem abgeschossenen Bein. Er hat immer darunter gelitten, dass er ein Invalide war. Er sagte: „Ich bin ja nicht mehr ganz gesund.“ Aber eins hatte er: Wenn er mit einem jungen Mann gesprochen hat, war nach zwei Minuten klar, dass es ein Seelsorgegespräch war.
Vielleicht haben Sie auch schon eine solche Gabe: Ich kann mit jemandem sprechen. Friedrich Hensel hat es so schön erzählt, wie der Doktor Alfred Sechnal ihn nach dem Krieg in dem Opel P4 mitgenommen hat und gefragt hat: „Friedrich, wie stehst du zu Jesus?“ Es wurde gar nicht viel gesprochen. Friedrich Hensel schreibt in seinem Buch: „Das war die Wende meines Lebens.“ Er kam aus einem christlichen Haus, aber das fehlt bei so vielen. „Wie stehst du zu Jesus?“ Du, aber so unter vier Augen, in großer Liebe, ohne dass man einen Menschen irgendwo quetschen will. Einfach diesen Hirtendienst. Werde Typen der Herde, werde Typen der Herde – ein Dienst in unserer Gemeinde, der so dringend nötig ist.
Und das nennt Petrus als weitere Gefahr, und das ist so wichtig, dass wir das alles erkennen: den Hochmut. „Ach, wir sind ja alle nicht hochmütig.“ Doch, wir alle haben eine sehr feste Meinung von uns. Das merkt man erst, wenn wir einmal scheitern oder Misserfolg haben. Dann werden wir unruhig und sinnverletzt. Tatsächlich ist das eine gefährliche Klippe, ganz besonders bei uns Predigern und Gemeindeleitern. Aber das ist bei den Jugendleitern nicht besser, und bei den Missionsleitern und Missionaren auch nicht.
Wir wollen doch für den Herrn Jesus etwas gewinnen, wir wollen wirken, Erfolg haben, etwas erreichen. Aber Petrus sagt: Hochmut ist etwas ganz Gefährliches, weil Gott dem Hochmütigen den Fuß stellt, sodass er auf den Boden fällt. Gott widersteht den Hochmütigen. Gott lässt die Hochmütigen absichtlich stolpern. Das ist Gott selbst, nicht widrige Erlebnisse, denn Gott will die Hochmütigen nicht in seiner Gemeinde haben.
Wir sind alle sehr überzeugt von unserer Güte und Größe. Wenn Sie heute einmal das sehen: Unsere Gemeinde, die ist toll, und die andere auch, und wir sind noch besser, und wir machen das alles. Neulich kam sogar im EHF in einem Gottesdienst die Aussage: „Wir sind eine Gemeinde, so viele Akademiker wie dorthin gehen, gibt es sonst nirgendwo.“ Ganz toll, wir sind die super Gemeinde. Und heute, mit den wachsenden Gemeinden, ist das auch so ein Wettstreit. Da hat man sogar eine Hitliste gemacht, um zu taxieren, welche Gemeinde größer ist. Das ist ein Virus. Ein Virus, gegen den es kein Heilmittel gibt, außer dass man ihn mit Rumpf und Stiel ausrottet. Das macht alles kaputt. Es ist, als wenn ein Schiff auf einen Felsen aufläuft und leckschlägt.
In der Jesusgemeinde ist Hochmut ganz furchtbar. Da müssen wir wissen: Ehrgeiz ist in unserem Leben schon gut. Wenn ein junger Schüler zur Mutter sagt: „Ach Mutter, ist doch egal, ob ich fünf Sechser habe im Zeugnis oder acht Sechser, da kommt es auch nicht drauf an.“ Ehrgeiz zu haben, wenn du im Leben etwas erreichen willst, ist richtig. In der Welt kommt man nur weiter, wenn man Ehrgeiz hat. „Ich will was schaffen, ich will was tun.“
Bei Jesus, in der Jesusgemeinde, ist es gefährlich. Für Hirten ist es ganz gefährlich, wenn sie auch nur den Anschein erwecken, sie seien mehr oder besser als andere. Ich kann das auch nicht verstehen, wenn wir immer noch meinen, wir müssten den anderen etwas vorleben, als ob wir makellose Leute wären. Wir können doch nur vom Heiland erzählen. Und wenn Leute zu uns kommen und ihr Herz ausschütten, auch mit allem Schmutz ihres Lebens, dann beugt uns das ja und sagt: „Das ist ja wie bei mir.“ Wir sind doch auch solche Leute. Da ist für Ehrgeiz kein Platz.
Wir müssen heute aufpassen, weil in der Welt so viel geprahlt wird. Die Christen haben das auch übernommen, nicht nur das Managen, sondern auch das Prahlen. Wir geben an, was wir alles tun und können. Aber Jesus hat klar gesagt: „Was Stolz ist in der Welt, das ist dem Herrn ein Gräuel.“ Was hoch ist in der Welt, das ist dem Herrn ein Gräuel, sagt Jesus so hart.
Oder bei Hesekiel kommt es so schön, wie die Stadt sich rühmt: „Ich bin so schön, wir sind so eine tolle Handelsstadt.“ Und dann sagt Gott: „Weil du so schön bist und dein Herz sich überhebt, werde ich dich zu Boden stürzen.“
Petrus sagt, dass Hochmut die Ursünde in der Gemeinde ist (Vers 5): „Gott widersteht den Hochmütigen.“ Also, aufpassen mit dem Hochmut! Schon bei Salomo steht: „Ein stolzes Herz ist dem Herrn ein Gräuel und wird gewiss nicht ungestraft bleiben.“ So viel Rühmen brauchen wir doch gar nicht. Meinen wir, wir seien so erfolgreich, wenn wir vor der gottlosen Welt sagen: Unsere Gemeinde ist toll und super? Nein! Wir wollen uns vor der Gemeinde rühmen, dass wir von Jesus reden dürfen, dass Jesus sich finden lässt, dass Jesus uns gefunden hat, dass er uns alle Schuld vergeben hat und sich mit uns verbindet. Das ist unser Ruhm, sonst nichts.
Petrus hat darunter gelitten, dass schon in der Urchristengemeinde dieses Hochseinwollen alles zerstört hat. Im ersten Johannesbrief steht: „Diotrephes will hochgehalten sein.“ Da war einer in der Gemeinde, der meinte, das sei etwas Besonderes. Das geht nicht gut. Es war eine Last, daran hat sich alles gespalten, und das war nicht gut und nicht brauchbar.
Es gibt rassistischen Hochmut, wo man denkt, wir Weißen seien besser als die Schwarzen. Es gibt Klassenhochmut, wo man sagt, wir sind die Arbeiterklasse oder die Akademiker sind mehr als die anderen. Aber was ganz schlimm ist, ist der geistliche Hochmut. Da meint man, wir seien mehr als andere, obwohl doch alles eine Gnadengabe ist. Das ist herrlich!
Darum hat Paulus dieses Thema vom Hochmut am schönsten abgehandelt. Er war ja ein ehemaliger Pharisäer, der das Gesetz toll befolgt hat, unsträflich. Das muss schon toll gewesen sein, was für eine Ethik er hatte und wie sein Lebensverhalten war. Trotzdem hat er sein ganzes Leben gesagt, dass er immer Probleme mit dem Rühmen hatte. Das Rühmen ist für uns alle ein schwieriges Problem.
Gott hat ihm viel geschenkt, offene Türen. Aber er hat gesagt: Damit ich mich nicht überhebe, hat Gott mir einen Pfahl ins Fleisch gegeben, damit ich mich nicht überhebe – Satans Engel, der mich mit Fäusten schlägt. Und Paulus sagt, er wolle sich am liebsten seiner Schwachheiten rühmen. Er rühmt sich seiner Schwachheiten.
Denn „seine Gnade offenbart sich nicht in den Schwachen“ – das ist falsch übersetzt. Es heißt: „In den Schwachheiten meines Lebens kommt die Gnade von Jesus zum Zug.“ Das ist doch ganz normal, dass wir sagen: Ich weiß gar nicht, was ich bei einem Besuch sagen soll. Ich habe neulich in der Bibelstunde gesagt: Wenn ich zum Krankenbesuch ins Krankenhaus gehe, ringe ich mit dem Herrn: „Herr, welches Wort soll ich sagen?“ Der Herr muss uns geben. Das kann man nicht lernen.
Herr, ich brauche dich. Ohne dich kann ich es nicht. Du musst mir helfen. Und ich darf in meinen Schwachheiten immer wieder wissen, dass der Herr uns seine Gnade versprochen hat. Darum wollen wir den Dienst tun, auch den Hirtendienst, ebenso im Wissen, dass wir nicht prahlen, wir sind nicht die Macher, wir können nicht alles. Sondern: Herr, du musst mir mit deiner Gnade helfen.
Wie sagt Paulus: Mit Furcht und Zittern tut er seinen Dienst. Und tüchtig wäre er dazu nur, wenn der Herr ihm die Kraft dazu gibt, dass er es tun kann.
Die Gefahr des Machtanspruchs
Ja, Macht kann zu einer schweren Bedrohung werden. Das kennen Sie aus den Gemeinden. Unsere Gemeinden werden massenweise von uns Pastoren zerstört – durch den Machtanspruch des Pfarrers. Viele treue, gläubige Menschen werden an den Rand gedrängt, weil der Pfarrer sagt: „Nein, ich mache das allein.“ Dann folgt das Motto: „Alle hören auf mein Kommando.“ Das kennen Sie.
Doch es ist nicht nur eine Pastorenkrankheit, die Sie aus Ihren Orden schon kennen, bei der die Gemeinde Jesu absterben kann. Auch in evangelikalen Werken und Missionen passiert das. Es gibt Menschen, die daran zerbrechen. Sie kommen höflich zu einem Komitee, werden aber überfahren und kaputt gemacht. Sie können sich nicht äußern, weil ein ungeistlicher Machtanspruch herrscht und die Dinge nicht brüderlich und geistlich besprochen werden.
Seien Sie bitte anders dort, wo der Herr Ihnen Verantwortung übertragen hat. Das war schon ein Problem in der gesamten Kirchengeschichte. Denken Sie an Papst Gregor VII., der sagte, alle weltliche Macht komme nur durch den Papst. Stellen Sie sich vor, heute ist das nicht mehr ganz so schlimm, aber es gibt das noch. Andere meinen, alles müsse durch ihre Kontrolle laufen. Nur das, was sie kontrollieren, sei richtig kirchlich.
Gott sei Lob und Dank, wissen wir in unserer Tradition, dass wir sagen: in der Kirche und wenn möglich mit der Kirche, aber nie unter der Kirche. Nie unter dem Kommando. Wir wollen dem Herrn gehören und ihm mit unserem Leben dienen.
Ich bin dankbar für die Freiheit, die ich auch in unserer württembergischen Landeskirche genossen habe. Diese geistliche Freiheit wollen wir bewahren: dass wir die Dinge geistlich vor dem Herrn Jesus entscheiden. Und dass wir keine irrweggehende Hierarchie akzeptieren, die sagt: „Die mit Doktortitel sind mehr wert“ oder „Die, die Theologie studiert haben, sind mehr.“ Jeder Christ mit der Bibel in der Hand ist mündig – so hat es Manfred Hausmann ausgedrückt.
Dort wollen wir die Dinge geistlich entscheiden und wirken lassen. Wem gehört die Macht in der Gemeinde? Wem gehört die Macht im Hauskreis? Wem gehört die Macht in den Missionswerken? Nur dem Herrn Jesus, niemand anderem. Die anderen sind in Ämtern eingesetzt, aber immer mit der Frage, was der Herr von uns gemeinsam will. Darüber sollen wir uns plagen und miteinander beraten.
Jesus hat ein Modell gegeben: Wer der Größte bei euch sein will, der sei euer Diener. Er hat den Schurz genommen und die Füße gewaschen. Das muss immer wieder klar sein. Man muss immer wieder daran erinnert werden. Darum zerstört sich die Gemeinde Jesu so oft selbst – durch ungeistlichen Machtanspruch. Das ist eine große Gefahr.
Nach 30 Jahren in der Hofhacker Gemeinde habe ich natürlich auch eine gewisse Bindung. Das ist meine Heimatgemeinde. Aber man muss wissen: Das ist nicht meine Gemeinde, sondern die Gemeinde des Herrn Jesus allein. Das Personal kann ausgewechselt werden, dann geht es mit anderen Leuten anders weiter. Das ist schwer, aber im Reich Gottes normal. Denn es ist nicht meine Herde, sondern seine Herde. Es gibt nur eine Gemeinde Gottes, die ihm gehört.
Es gibt einen schönen Spruch: „Herr, behüte alle, die mich lieben, vor mir selbst, vor meinem ungeistlichen Machtanspruch, dass ich nicht über andere herrschen will.“ Darum glaube ich, dass viele von Ihnen, die schon darunter gelitten haben, zum Hirtenamt berufen sind.
Ich habe Geduld mit einem Menschen, nicht um meine Gedanken durchzusetzen, sondern um zuzuhören, ein Werkzeug für Jesus zu sein und brauchbar zu werden. Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
Die Bedeutung der Demut im Dienst
Das ist ganz arg schwierig mit der Demut. Es ist ja interessant, dass Jesus von sich selbst sagt: Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. Das hat er auch vorgelebt.
Nun können Sie alle Literatur der Welt durchforsten, alle Zeitungen lesen, was Sie wollen, alle Bücher in allen Bibliotheken. Das Wort Demut hat in der Welt keine Bedeutung – es ist nur ein Wort, das für Christen einen Sinn hat, weil Jesus uns dieses geoffenbart hat.
Heinrich Heine, der ein Jugendfreund von Philipp Spitta war, dem Liederdichter, war bis zum Studium noch mit ihm vereint. Dann gingen die beiden Wege auseinander. Heine, der große Hasser des Christentums und des Evangeliums, hat tatsächlich gesagt, dass die Demut eine Hundetugend sei – wie, wie, komm her, das ist die Demut des Hundes. Nein, die Demut der Jesusleute ist etwas anderes. Wenn du mich demütigst, machst du mich groß, auch wenn der Herr Jesus uns unsere äußere Ehre und Macht beraubt.
Es ist ganz wunderbar. Jetzt darf ich das als uralter Mann, ich bin inzwischen Urgroßvater geworden, Ihnen sagen. Ich hoffe, dass noch ein bisschen Fitness dabei ist. Aber ich darf sagen: Ich habe in meinem Leben manche Demütigung erfahren. Die haben mich mit meinem alten Menschen geschmerzt, so dass man sich oft wehren wollte und eitler Ehre nachgegangen wäre. Ich muss heute sagen: Gott sei Lob und Dank, hat Gott mich damals gedemütigt.
Es gibt ja Situationen, in denen der Herr einen auch tief hindurchführt – durch Lüge und falsche Gerüchte. Herr, dann darf ich dir alles überlassen. Wenn du mich demütigst, machst du mich groß. Die Demut ist nie schlimm.
Auch Petrus selbst wurde gedemütigt und wieder gedemütigt. Er war ja ein Superjünger, solche Leute hätten wir uns gewünscht. Er hat gesagt: Herr Jesus, für dich gebe ich mein Leben hin, ich gehe ins Martyrium für dich. Und Jesus sagt: Ehe der Hahn dreimal kräht, wirst du mich verleugnen. Was? Ich dich verleugnen? Niemals! Und dann ist es passiert.
An einer harmlosen Stelle, wo es gar nichts gekostet hat, bei der Magd, verleugnet er, zu Jesus zu gehören. Und dann weint er wie ein Schluchzender. Er ging hinaus und weinte bitterlich. Gott kann uns tief demütigen.
Denken Sie mal daran: Das sind dieselben Stunden, wenn der Herr uns demütigt. Es geht nicht nach unserer Natur. Der Herr Jesus konnte ihn erst als Hirten einsetzen nach diesen Tränen, nachdem er wusste: Ich bin ein labiler Mensch. Jeder von uns trägt diese Labilität in sich.
Es ist keiner unter uns, auch nicht unter den lieben, frommen Schwestern, die so viel Gutes tun, der nicht ohne die Gnade Gottes in die tiefsten Sünden fallen könnte. Jeder von uns lebt von der Gnade. Und das ist das größte Wunder: dass der Herr sich unser erbarmt.
Das ist so wichtig für unser Hirtenamt, dass wir ein Hirtenherz haben für gefallene Leute, für Leute, die in großer Not sind. Das Armsein ist in der Welt eine große Schande. Ehrlos zu sein, Schande zu tragen, ist für die Welt schlimm. Beim Heiland ist das nie eine Schande. Weil der Herr sagt: Weide meine Schafe.
Das war gerade so schön in Johannes 21, nach der Auferstehung, als Jesus zu Petrus sagt: Dir will ich es anvertrauen. Hast du mich lieb? Ganz so eine schöne Freizeit auf der Tannenhöhe, die ganze Sommerwoche.
Jesus lieb haben ist besser als viel Wissen. Manchmal möchte ich euch auch sagen: All die Glaubensgeheimnisse, die man heute in Glaubenskursen ergründen will, die kriegt man gar nicht in seinen Kopf rein. Ich habe im Glauben auch viel noch nicht verstanden, wie die Dreieinigkeit funktioniert oder die ewige Erwählung. Aber es stimmt, sie ist so. Ich glaube es, aber ich kann es mit meinem Kopf nicht begreifen. Aber Jesus will ich lieb haben.
Und das Liebhaben von Jesus ist der Schlüssel zu allem, erst recht zu unserem Dienst, dem Hirtendienst. Das kommt so oft vor bei der großen Sünderin: Sie hat viel geliebt.
Gott über alles lieb haben – du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele. Du sollst ihn lieb haben. Und dann weißt du immer um deine Bedürftigkeit und um deine Schwachheit.
Als du jung warst, sagt Jesus zu Petrus, gingst du, wohin du wolltest. Aber wenn du älter wirst, kommt ein anderer, der wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst. Aber du wirst deine starke Hand erfahren, die bei dir ist.
Und das ist so wunderbar, dass wir das erleben: dass wir uns nicht prahlend anbieten müssen, sondern sagen: Herr, gebrauche mich!
Es war so schön bei der Jugendkonferenz für Weltmissionen, wie Hermann Hofsche seinen Weingärtner aus Neustadt an der Pfalz, Neustadt an der Weinstraße, immer wieder dieses Wort zitiert hat, das ihm in seinem Leben zum Schlüssel geworden ist. Es geht auf Friedrich von Bodelschwing zurück. Ich habe es bloß noch nicht in seinen Schriften gefunden. Aber es ist so ein herrliches Wort:
Wo Gnade ein Herz nicht demütig, nicht klein, arm und dankbar macht, da wird es frech, stolz, hart und sicher.
Wir leben doch von dieser Gnade Gottes. Und jetzt, dass Sie es wissen: Sie stehen unter der Gnade. Das ist Jesus so wichtig. Er will Ihr Leben überschütten mit seiner Liebe. Er gibt Ihnen alle Verheißungen mit, wie er Sie in Ihrem Leben verherrlichen will.
Er gibt Ihnen heute die Losung mit, und dass sein Wort wahre Stunde erfüllt, das dürfen Sie in den nächsten Tagen erleben. Und es macht ihm gar nichts aus, dass wir immer kleiner werden und Jesus immer größer.
Alles du und gar nichts ich. Und darum will ich etwas tun. Herr, dann sind die Dienste, die du mir anvertraust, ganz wichtig. Ich bin überzeugt, schon heute oder morgen dürfen Sie ganz wunderbare Erfahrungen machen in diesem Hirten-Dienst der Liebe von Herzensgrund, für Jesus in der Spur, weil er Ihr Herz aufgeweicht und lebendig gemacht hat.
Die Gnade Gottes, diese wunderbare Gnade, die niemand hinausstößt, aber so mächtig und stark ist, dass sie niemand bezwingen kann.
Schlussgebet und Ausblick
Wir wollen noch beten.
Lieber Herr, vielen Dank, dass du uns gebrauchen kannst, auch mit all unseren Schwächen und Gebrechen. Vor dir ist alles offenbar. Oft ist es doch nur ein unnützes Prahlen, ein Geizen um Ehre und Anerkennung – auch bei uns, auch dort, wo wir in der Gemeinde sind. Dort gibt es so viel Zank, Neid und Geiz um diese Anerkennung.
Herr, mach uns ganz frei davon, dass wir dem Lob der Welt abgestorben sind und nur noch von deinem Lob leben – von deiner Liebe, von deiner Anerkennung und von deinen herrlichen Zusagen.
Herr, wir wollen jetzt auch für die Menschen bitten, die du uns anvertraut hast, die in unserer Nähe sind. Oft haben wir sie allein gelassen, haben gesagt, wir hätten keine Zeit, keine Geduld, und sie oft weggestoßen. Auch andere, die schon irgendwo hingelaufen sind, die einmal bei uns dabei waren.
Herr, gib uns die Freude, das Verlorene wiederzufinden und mit deinem herrlichen Evangelium, deiner herrlichen Freudenbotschaft zu dir zurückzubringen.
Wir bitten dich auch für dieses Mutterhaus. Segne alle, die hier tätig sind, und segne an allen Stationen auch die lieben Schwestern drüben im Feierabendheim. Gib ihnen deinen Frieden, damit sie auch in dem Schwachen, was sie tun, dich verherrlichen dürfen – gerade in der fürbittenden Liebe für andere.
Ganz herzlichen Dank, dass wir in deinem Dienst stehen. Amen!
Jetzt gibt es ein schönes Lied: „Der Herr ist gut, in dessen Dienst wir stehen.“ Das ist so schön, Nummer 440. Es wurde von einem Schreinermeister, Herrn Rambach, gedichtet, der später Professor bei August Hermann Francke in Halle an der Saale wurde.
Wir singen trotzdem nicht alle sechs Verse, sondern die Verse eins, drei sowie fünf und sechs, also 440, eins, drei, fünf und sechs.
Wir danken Ihnen ganz herzlich, Herr Pfarrchef Buch, für diese Hilfe, mit der neuen Woche zu beginnen. Wir sind gespannt auf die Erfahrungen, die Jesus uns allen schenken wird.
Wir laden Sie wieder ein zur nächsten Bibelstunde am kommenden Sonntag.
Ich habe noch zwei Termine zum Ankündigen:
Am kommenden Mittwoch sind Schulferien, deshalb findet kein Mittwochsbibelkreis statt. Dafür aber wieder am 7. November um 19:39 Uhr das Bibelstudium im Sonnenbergmutterhaus in der Sonnenbergstraße 23. Ich glaube, das ist auch der Geburtstag von Billy Graham, oder?
Wir laden Sie auch sehr herzlich ein zum Donnerstag, den 15. November. Diese Karte haben Sie vielleicht schon am Eingang gesehen: Der Bundestagsabgeordnete Volker Kauder wird hier im Saal um 19:30 Uhr zum Thema „Einsatz für verfolgte Christen, damit die Hoffnung wächst“ sprechen.
Das ist ein Termin zum Aufhorchen, und wir laden Sie herzlich ein, auch in der Umgebung davon zu erzählen.
Deshalb findet am Mittwoch, den 14. November, kein Mittwochsbibelkreis statt, aber am Donnerstag, dem 15. November, ist der Vortrag hier im Saal.
Außerdem möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass am 25. November keine Bibelstunde stattfindet, weil wir hier unseren Mutterhaustag feiern. Das ist zwar erst in ein paar Wochen, aber wir sagen es jetzt schon, damit Sie es weitergeben können.
Am Ausgang finden Sie unseren neuen Rundbrief mit Informationen zum Gebet. Außerdem gibt es ein kleines Blatt, das speziell für junge Frauen von 16 bis 27 Jahren gedacht ist. Es informiert über eine Silvesterfreizeit – Silvester mit der Bibel hier in Eidlingen.
Vielleicht suchen schon manche nach einem Programm zum Jahresabschluss und zum Jahresanfang mit der Bibel.
Weitere Urlaubsideen finden Sie in unserem Urlaubsprospekt 2013.
Jetzt wünschen wir Gottes Segen für diese Woche. Bis zum Wiedersehen!
