Einführung in den Turmbau zu Babel
Wir haben heute als Predigttext 1. Mose 11.
Es hatte aber die ganze Welt einelei Zunge und Sprache. Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Sinear und wohnten dort.
Sie sprachen untereinander: „Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen!“ Sie nahmen Ziegel als Stein und Erzharz als Mörtel.
Dann sprachen sie: „Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, damit wir uns einen Namen machen, denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.“
Da fuhr der Herr hernieder, um die Stadt und den Turm zu sehen, die die Menschenkinder bauten.
Und der Herr sprach: „Siehe, es ist ein einheitliches Volk und eine einheitliche Sprache unter ihnen allen. Dies ist der Anfang ihres Tuns. Nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.
Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, damit keiner die Sprache des anderen versteht.“
So zerstreute der Herr sie von dort in alle Länder, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen.
Daher heißt ihr Name Babel, und das ist eine Wortdeutung, weil der Herr dort die Sprache aller Länder verwirrt hat und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.
Verbindung zur Berufung Abrahams
Und nun kann ich hier nicht aufhören, sondern ich muss einen biblischen Zusammenhang herstellen. Erlauben Sie mir, den Predigttext dieses Sonntags mit Versen zu erweitern, die einem Geschlechtsregister folgen. Denn das hängt jetzt zusammen. Nur so erhalten wir den richtigen Blick.
Der Herr sprach zu Abram: „Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will. Ich will dich zum großen Volk machen, dich segnen und dir einen großen Namen geben. Du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen. In dir sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“
Herr, wir dürfen nicht unter deinem Fluch stehen, sondern unter deinem Segen. Amen.
Die Bedeutung der Feste und die Kraft des Heiligen Geistes
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen, und wir stecken gerade mitten in großen Festen. Das ist manchen noch gar nicht richtig bewusst geworden. Am letzten Donnerstag war das große Fest Himmelfahrt Jesu. Ihm ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden übertragen worden, und es gibt überhaupt nichts, was ihm mehr im Wege stehen kann.
Wir gehen nun auf das Pfingstfest zu, das am nächsten Sonntag gefeiert wird. Wir freuen uns, dass der Herr sein Königreich auf Erden anfängt zu bauen. Wie mächtig wirkt er dabei! Durch seinen Geist bewirkt er, dass die schlichten und einfachen Worte, die seine Boten in dieser Welt sprechen, eine vielfache Wirkung haben. Tausende von Menschen kommen auf einmal zum Glauben.
Wie ist das nun? Eigentlich müssten wir doch Menschen sein, die von dieser Freude der Feste richtig angesteckt sind. Jeder von uns müsste erzählen können, wie sich das bei ihm wiederholt, sodass wir sagen: Ja, ja, das erleben wir wirklich. Wir gehen mutig in die kommende Woche hinein, denn wir wissen um diesen regierenden Jesus Christus, dem alle Gewalt übertragen ist. Wir wissen auch, dass Gottes Geist ohne Unterlass in unserem Leben tätig sein wird.
Wenn man aber Christen fragt oder wenn wir uns selbstkritisch betrachten, dann zeigt sich etwas ganz anderes. Oft fehlt uns diese Freude, diese Gewissheit, diese Zuversicht. Warum ist das so? Christen sagen oft, dass alles viel komplizierter ist. Wenn ich in meinem Beruf ein Zeugnis für meinen Herrn sein will, gelingt mir das nicht. In meiner Familie tauchen viele Probleme auf. Ich sehe die großen Schwierigkeiten, ich sehe, dass ich das selbst nicht richtig verwirklichen kann. Oder ich fühle mich nicht richtig ausgebildet für diesen Dienst.
Die Schwierigkeiten sind aber gar nicht das Besondere. Wie damals am ersten Pfingsttag gab es viel mehr Schwierigkeiten als die, die sich heute bei uns auftun. Der Unterschied lag doch darin, dass diese Leute erkannt hatten, worin sie stark sind. Sie hatten eine Glaubensverbindung mit ihrem Herrn Jesus Christus.
Thema der Predigt: Wo wir schwach und wo wir stark sind
Wenn ich heute Morgen ein Thema für meine Predigt formulieren möchte, dann kann es nur so lauten: Wo sind wir schwach, und wo sind wir stark? Wo sind wir schwach, und wo sind wir stark?
Mein erster Punkt ist der falsche und der richtige Neuanfang.
Der falsche und der richtige Neuanfang
Am 26. März 1899 begann der Archäologe Koldewey bei den Trümmerresten von Babel mit seinen Ausgrabungen. Bereits 14 Tage später entdeckte er eine solche Fülle von Ruinen, dass er begeisterte Briefe schrieb. Über 15 Jahre grub er mit mehr als 200 Arbeitern an dieser bedeutenden Stätte alter Vergangenheit und brachte viel ans Licht.
Schon bald erkannte er, dass er der größten Stadt auf der Spur war, die es je als ummauerte Stadt gab. Die Mauern von Babel waren so riesig, dass sich oben auf der Mauer vierspännige Pferdewagen begegnen konnten, die dort fuhren. Das ist nur ein kleiner Ausdruck für die gigantischen Ausmaße dieser Stadt.
Archäologen sprechen von der größten Stadt überhaupt, die wir als ummauerte Stadt kennen. Es war ein gewaltiger Anblick: Stadt und Turm. Die Ziegel dieser Stadt waren tiefblau glasiert. Koldewey rechnete aus, dass der Turm aus etwa 85 Millionen Ziegeln bestand.
Bei der Predigt an dieser Stelle habe ich ein wenig Sorge. Wir kennen den Turmbau zu Babel viel zu gut und machen es uns als Christen oft zu einfach. Wir sagen dann: Seht, das ist menschliche Überheblichkeit. Der Mensch benutzt Technik und meint, er könne damit die Welt verändern. Mit seinem Größenwahn verändert er alles. Dabei pfeifen es heute die Spatzen von den Dächern. Jede Bürgerinitiative erzählt es: Die Menschen dieser Welt haben längst das Vertrauen in den technischen Fortschritt verloren.
Ist das die ganze Botschaft des Turmbaus zu Babel? Man muss tiefer sehen. Den Gehalt der biblischen Aussagen erkennt man erst, wenn man tief in biblische Zusammenhänge eindringt.
Ganz am Ende der Bibel, im Neuen Testament, kommt das Wort Babel noch einmal vor. Ausgerechnet dort, wo Johannes in der großen Schau, die ihm geschenkt wird, in die Zukunft der Welt hineingezogen wird und den Weg der Christen in Bildern veranschaulicht bekommt. Er sieht nicht nur die leidende Christengemeinde, die den Martyriumsweg hinter Jesus geht, sondern auch eine große Weltmacht. An der Stirn dieser Weltmacht steht das Bekenntnis: das große Babylon.
Christen aller Generationen haben in dieser Offenbarungsschau des Johannes erkannt: Mit Babel ist nicht nur eine Weltmacht gemeint, sondern auch ein frommes Denken. Denn das, was in der Offenbarung vor uns steht, hat nicht nur weltmächtige Züge, sondern ist gleichzeitig das Bild einer frommen Weltmacht – einer verchristlichten Weltmacht.
Erlauben Sie mir deshalb, heute kein Wort über moderne Technik zu sagen. Wir sollten es uns nicht so leicht machen, mit dem Finger auf Ingenieure zu zeigen und zu sagen: „Das können die leicht sagen, die viel zu unbegabt sind, um Großes in der Welt zu schaffen.“ So tun, als ob Technik das Böse wäre.
In meiner Bibel sehe ich vielmehr eine Freude am Können des Menschen, der seinen Verstand gebraucht und schöpferisch tätig ist.
Etwas ganz anderes zeigt uns die Turmbaugeschichte: Dieser Turm war gekrönt von einem Tempel zu Ehren Marduks. Aus den Berichten der Geschichtsschreiber wissen wir, wie unvergleichlich der Anblick war, wenn die breiten Priesterprozessionen die hohen Treppen hinaufzogen. Oben befanden sich die goldenen Tempelheiligtümer, und dort brachten sie Gott ihre Opfer.
Das war die Erfüllung aller menschlichen Sehnsuchtsträume: Wir wollen für Gott etwas Großes, Schönes und Neues schaffen.
Babylon hat erkannt, dass in unserer Welt alles zerbricht und zerfällt, dass es nichts Gemeinsames, nichts Zusammenhängendes gibt. Dort gibt es lauter Einzelpersönlichkeiten, lauter Individuen, Gruppeninteressen; jeder geht seinen eigenen Weg.
Dann kommt der große Wille: Lasst uns doch etwas Gemeinsames bauen und schaffen!
Die Bibel warnt uns, dass dies eine fromme Versuchung sein kann: Lasst uns doch etwas Großes, Gemeinsames für Gott bauen und schaffen, für Gott! Noch einmal alle Menschen zusammenbringen in dieser großen Aufgabe – ist das nicht fromm, auch wenn wir es nicht immer begreifen?
Hier setzt Gott einen Strich durch. Darunter leiden die Christen, die in lauter kleine Gruppen, Konfessionen, Kirchen und Bekenntnisse zerfallen.
Wir müssen wissen, dass dies nicht nur ein Menschenschicksal war. Gott hat die Herrlichkeit der Kirchentümer dieser Welt durchgestrichen und zerstört, so wie er den Turmbau von Babel zerstört hat. Selbst das fromme Mühen der Menschen ist auseinandergebrochen.
Wenn wir heute vor den Konfessionsgrenzen und verschiedenen Kirchen unserer Welt stehen, wollen wir dies als solche tun, die hier wach werden und wissen, dass Gott uns nicht erlaubt, dieses Große aufzurichten – dieses Machtvolle, das in den Augen der Welt imponieren und Eindruck schinden muss.
Dann fragen Sie vielleicht: „Streicht Gott nur durch?“ Nein, so sagt Gott das nicht!
Es gibt viele große Neuanfänge. Ich weiß, wie oft uns im Leben die Versuchung kommt: Ich will noch einmal mit meinem Leben Gott dienen. Ich will noch einmal mit meinem Leben etwas Großes auf die Beine stellen.
Aber Gott streicht durch! Du willst etwas Großes aufbauen? Ich habe dich nicht gerufen.
So manche Aktion verpufft im leeren Raum.
Der falsche und der richtige Neuanfang – wo ist der richtige?
Da steht ein schlichter Beduine in der Wüste, und Gott sagt zu ihm: Löse dich aus deiner Familie, aus deinem Vaterland, aus deiner Heimat und geh dorthin, wo ich dich führe.
Es gibt nur eine Geschichte, die Gott segnen kann: dass er einzelne Menschen loslöst und sie als seine Zeugen in dieser Welt gebraucht.
Der richtige Anfang geschieht da, wo Gott Menschen bei ihrem Namen ruft und sagt: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.
Die große Geschichte Gottes läuft nicht dort, wo man meint, man könne die Welt mit religiöser Christlichkeit einhüllen und einseifen, sondern dort, wo sein Ruf an die Herzen von Menschen kommt.
Wenn wir das weiterverfolgen durch die Bibel, dann lesen wir von einem jungen Mann, der im Tempeldienst steht, der eines Nachts aufwacht und hört, wie Gott ihn ruft: Samuel! Er springt vor sein Bett und sagt: Herr, rede, dein Knecht hört!
Von einem anderen jungen Mann, der damals nur an einem Tempelgottesdienst teilnahm und nicht damit rechnete, dass etwas Großes geschieht. Plötzlich versteht er, dass Gott ruft: Wer will mein Bote sein?
Dieser junge Mann sagt: Ich kann doch gar nicht Gott dienen, ich bin unreiner Lippen.
Doch Gott nimmt ihn in Dienst und sagt: Ich mache dich rein, aber sei mein Bote.
Jesaja, der gerufen wird in den Dienst...
Der richtige Neuanfang: Berufung Abrahams
Der falsche und der richtige Neuanfang besteht darin, dass Gott Menschen in seinen Dienst ruft. Er zerstört jeden Traum, bei dem wir meinen, dass Gemeinde Gottes auf andere Weise gebaut werden könnte – als durch den Ruf an einzelne Menschen, durch eine Glaubensentscheidung von Menschen, die sich Gott zu eigen geben.
Wenn Gott Sie heute in diesem Gottesdienst ruft und Sie das begreifen, dass er Sie ruft, dann können Sie nicht einfach in einer Kirche sitzen und denken, Sie würden irgendwie in der großen Zahl mitgeschwemmt – wie Treibholz, das im Fluss mitgezogen wird. Gott ruft Sie persönlich und fragt Sie nach Ihrer Stellung zu ihm, so wie er Abraham gerufen hat.
Dort war der Neuanfang, den Gott setzt. Das zweite Thema ist die falsche und die richtige Selbsteinschätzung.
Die falsche und die richtige Selbsteinschätzung
Es war eine riesige Baustelle in Babel. Was dort gebaut wurde, haben wir archäologisch nicht mehr ausgegraben. Das, was die Archäologen gefunden haben, sind die später wieder errichteten Türme.
Wir wissen, dass Alexander der Große den späteren Turm von Babel zerstörte. Lange Zeit ließ er, so erzählt es der Geschichtsschreiber Strabo, mit 600.000 Lohnarbeitern nur den Schutt wegräumen, der von diesem Turm übrig blieb. Es muss ein gewaltiges Bauwerk gewesen sein.
Nun machen wir aufgeklärten Zeitgenossen es uns sehr leicht: Die damaligen Leute waren ein bisschen primitiv, vielleicht sogar ein wenig verrückt. Sie hätten sich vorgestellt, man könne zu Gott hochklettern, wie auf einer Hühnerleiter. Wenn man nur einen Turm baut, sei man dem Himmel näher. Sie hatten ein primitives Verständnis davon, dass Gott oben sitzt.
Eine größere Verkennung der Menschen jener Zeit kann es kaum geben. Was die Archäologen jedoch zutage gefördert haben, zeugt von großer Weisheit dieser Menschen. Und es steht nirgendwo, dass sie meinten, sie könnten auf der Leiter zu Gott hochklettern.
Wir haben die Inschrift Nebukadnezars gefunden, eines Nachfolgers der Babylonier, der gerade von diesem Turm schrieb, den sie später wieder errichteten: „Wir wollen die Spitze auf diesen Turm setzen, damit er mit dem Himmel wetteifert.“
Was bedeutet Wetteifern? Es heißt, Konkurrenz mit Gott machen. Und genau an diesem Punkt stoßen sie an ihre Grenzen. „Ich will mit Gott wetteifern.“ Es gibt keinen Menschen, der in seinem Leben nicht schon einmal zu diesem Zweikampf angetreten ist: „Ich will selbst bestimmen. Ich lasse mich von Gott nicht mehr bevormunden. Ich will zeigen, dass ich etwas Gutes, Schönes und Rechtes schaffen kann.“
Diese Babylonier wollten ja nichts Negatives. Sie wollten etwas Bleibendes, etwas Gutes errichten. Sie wollten ein Zeichen in der Welt setzen. Wenn man die vorhergehende Geschichte betrachtet, sieht man, dass sie mit deprimiert waren vom Ablauf der Weltgeschichte, die geprägt ist vom Mord Kains an seinem Bruder Abel, von der Sintflut, wo Gott sein Zorngericht über die Welt schickt.
Ist es nicht an der Zeit, dass der Mensch einmal auf den Plan tritt? Nachdem alle bösen Mächte der Welt gezeigt haben, was sie können, sollen die gutgesinnten Menschen zusammenstehen und ein Zeichen des Guten, des religiösen Eifers und der Frömmigkeit aufrichten. Und ausgerechnet das streicht Gott durch.
Es ist wie ein großes Rufen dieser Menschen damals: „Wir sind doch besser als unser Ruf. Wir Menschen sind nicht so schlecht. Wir sind ein gutes, ein prächtiges Geschlecht. Lasst uns doch Taten tun!“ Und das misslingt.
Die Tragik eines jeden Menschenlebens ist, dass dies nie gelingt. Wenn uns die Älteren noch einmal aus der verhängnisvollen Geschichte des Dritten Reiches erzählen, sagen sie immer: „Wir wollten ja das Richtige, aber wir wurden missbraucht.“
Und genau das Gleiche könnte ich von jedem Leben und von meinem eigenen sagen: Dort, wo wir ohne Gott leben wollten, wollten wir doch das Rechte. Am Ende sitzt man da und versteht sein Leben nicht mehr, warum es so ausgehen musste. Wir wollten doch etwas Schönes und Großes – und dann ist alles auseinandergebrochen.
Wenn Menschen einem begegnen und sagen: „Wir wollten doch eine schöne Ehe führen, und alles zerbrach. Wir wollten doch harmonisch mit unseren Kindern leben, und alles zerbrach.“ Dass Gott dort, wo der falsche Anfang ist, durchstreicht, und man erschrickt: Ist Gott denn der, der in der Welt alle positiven Ansätze durchstreicht? Der Miesmacher? Der Feind von uns?
Ja, weil er dort, wo nichts werden kann, rechtzeitig Zeichen setzt. Wenn er uns aus den Fingern schlägt, unser heiliger Gott so aus den Fingern schlägt, dass es uns wehtut und dass Dinge im Leben zerbrechen, dann sollen wir aufwachen und fragen: Was können wir denn überhaupt?
Vielleicht wachen wir eines Tages wieder auf – aus den heutigen großen Schicksalsschlägen, die Menschen in ihrem persönlichen Zusammenleben erleben. Dann begreifen wir wieder, was es heißt, wenn zwei junge Menschen vor den Altar treten, um eine Ehe zu beginnen: Das ist ein unmögliches Unterfangen, wenn Gott nicht segnet und wenn Gott kein Wunder tut.
Alle Dinge, die wir planen, sind so irrsinnig. Sie können gar nie klappen, weil wir uns ganz falsch einschätzen. Wir sind diesen Leuten von Babel gleich, die so in die Welt hineingehen: „Das werden wir schon schaffen.“ Und sie wachen nicht einmal auf, wie alles misslingt.
Gott will nicht zerstören, sondern Gott will Großes. Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen: Gott will Technik, Gott will große Leistungen. Sagen Sie nicht, Gott sei gegen Hochhäuser. Machen Sie es sich nicht einfach.
Unser Gott will eine schöne Welt haben. Er will, dass Menschen denken. Gerade aus seinem Wort können wir viel darüber hören, was unser Auftrag in dieser Welt ist. Er gibt uns große Möglichkeiten in die Hand, aber er wehrt uns die falsche Selbsteinschätzung ab, als ob wir einfach so an die Arbeit gehen könnten und alles gelingen müsste.
Wenn wir heute nicht stutzig werden über die großen Errungenschaften unserer Zeit, über die Tatsache, dass uns all das nicht glücklicher, nicht reicher, nicht erfüllter gemacht hat, dann erzählt die Bibel einfach weiter. Der Herr sprach, und die Geschichte geht weiter.
Da, wo er zerschlägt, redet er zu einem einsamen Menschen, zu einem Mann namens Abraham, ruft ihn und gibt ihm genau den gleichen Auftrag: Nicht, dass er ein kümmerliches Leben fristet oder sich zurückzieht in irgendein abgelegenes Dorf, sondern er soll ein Licht für die Welt sein. Von ihm sollen weite und große Ausstrahlungen ausgehen.
Wir sehen diesen Abraham kurz darauf, wie er sogar in die Weltpolitik eingreift. Wir finden ihn auf einem Schlachtfeld, wir finden ihn fürbittend für die verlorene Stadt Sodom. Wir sehen ihn unterwegs, wie er selbst den Ungläubigen seiner Zeit so viel geben kann, dass er zum Segen für viele wird.
Das war Gottes Plan: Dass unser Leben weit und groß wird. Ich hatte große Bangigkeit vor dieser Predigt, weil ich dachte, das könnte zu Missverständnissen führen. Manche könnten sagen: Welch ein Glück, dass ich keinen Turmbau zu Babel baue.
Gott will, dass wir Großes tun, aber auf dem richtigen Boden bauen und uns nicht falsch einschätzen. Denn viele Dinge, die wir begonnen haben, sind in großen Schwierigkeiten oft geendet.
Wenn Sie in großen Berufsschwierigkeiten oder Familienschwierigkeiten stecken und sagen: „Ich weiß nicht mehr weiter“, dann wissen Sie, wo die Wendung liegt: Dort, wo Sie sich anders einschätzen. Dann sagen Sie nicht: „Ich kann eben doch nichts tun, ich tauge nichts.“ Nein, gerade das nicht.
Sie haben sich übernommen – so wie wir uns dauernd übernehmen in der Einschätzung dessen, was wir können. Dort ist Abraham, der weiß: Ich habe kein Geld, keinen Ruhm, keine Macht, keine Freunde, keine guten Beziehungen, niemanden, der mich unterstützt. Aber ich habe den Herrn, der neben mir steht und sagt: „Ich will Abraham.“
Du kannst dich auf meinen Willen verlassen. Und dann geht Abraham los und weiß: Ich werde in der Welt etwas Großes vollbringen.
Falsche und richtige Selbsteinschätzung – werden Sie doch kein Mauerblümchen irgendwo. Gott will Großes durch Sie wirken. Sie sollen in die Welt hinausgehen in seinem Namen, aber er sagt Ihnen dabei: „Ich will.“
Damals sagten die Leute: „Wir wollen.“ Das ist der Unterschied: falsche und richtige Selbsteinschätzung.
Noch ein Letztes: falscher und richtiger Stolz.
Falscher und richtiger Stolz
Haben Sie ein Verhältnis zum Stolz? Viele sagen, es wäre schlimm, wenn sie stolz wären. Schade, wenn Sie nicht stolz sind. Sie müssen nur richtig stolz sein.
Wissen Sie, wenn man das nicht zugibt, schleicht sich falscher Stolz ein. Damals bei Babel war das der Wunsch und das Ziel: Wir wollen uns einen Namen machen. Sagen Sie: „Ach, ich brauche das gar nicht.“ Doch wenn einer uns das Lob entzieht, bricht bei uns schon alles auseinander. Wenn jemand uns kritisiert oder unseren Ruf zerstört, sind wir alle sehr empfindsam. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der nicht vom Urteil der anderen abhängig war.
Das ist unsere menschliche Not: Wir brauchen einen Namen. Wir brauchen jemanden, der uns bestätigt. Wenn uns keiner bestätigt, werden wir verunsichert. Dann verkümmern wir zu Menschen ohne Mut und Selbstvertrauen. Einen Namen wollen wir uns machen – und das ist Babel gelungen. Sie haben sich einen Namen gemacht, der größer ist als alles, was wir uns vorstellen können: die ungeheure Weltmacht Babel.
Ausgerechnet dieses Babel hat Israel später in die Deportation und Zwangsarbeit verschleppt. Dort leuchtete diese Feuerschrift an der Wand bei Belsazars Gastmahl – das war Babels Macht. Und dieses Babel hat Jerusalem zum Trümmerhaufen gemacht. Das war ein Name, unter dem man leiden konnte. Man merkte, wir haben nichts entgegenzusetzen. Eine Weltmacht, der gegenüber alle unsere Weltmächte nur Abbild sind.
Nun sagt Gott: Ich gebe euch einen noch größeren Namen. Ihr dürft viel stolzer sein als die Babylonier. Was die Babylonier machen, ist doch lächerlich. Was die Welt an Großem aufbaut – und das wird von der Bibel mit einer einfachen Bemerkung so weggeschoben – ist doch alles gar nicht groß. Es ist alles schon ein von Gott zerstörtes Werk.
Wieder wird unser Blick auf Abraham gelenkt. Die Babel-Geschichte kann man nur verstehen im Gegenüber von Babel und Abraham. Dann sagt Gott: Ich will dir einen neuen Namen geben, einen großen Namen. Dieser Name ist nicht stolz, denn er wurde noch gar nie entdeckt.
Wir sind nicht dauernd nur die Alten, die von ihrem Versagen und ihrer Schuld sprechen. Wir haben einen neuen Namen, seit Jesus uns angenommen und die Schuld ausgelöscht hat. Seitdem ist etwas Großes geschehen. Ich darf den Namen Jesu Christi auf mein Leben schreiben und sagen: Ich bin sein Eigentum, weil er für mich starb. Das gilt, und ich bin stolz darauf.
Ich bin nicht bloß ein versagender Mensch, sondern angenommen, Eigentum dieses Herrn, ein Gotteskind. Ich gehe auf die Heimat zu, wo er auf mich wartet.
Jetzt müssten Sie das eigentlich mal durch die Bibel hindurch verfolgen, wie Menschen in ihrem Leben immer wieder so gehandelt haben. Ich denke an den Propheten Jeremia, der für Gott ein Zeuge sein wollte. Dann wird er in großer Enttäuschung geführt. Er hat keinen Mut mehr zum Leben, verzagt an seinem Amt – so wie es Ihnen sicher geht – und sagt: „Ich tauge nicht. Ich bin kein Rechter. Ich weiß gar nicht, wie es weitergehen soll. Ich versage in allen Stücken. Wenn ich nur nicht geboren wäre.“ Er hat keinen Mut mehr, weiterzumachen.
Dann besinnt er sich plötzlich in Kapitel 15 und sagt: „Dein Wort war meines Herzens Freude und Trost, dein Wort, so wie es zu Abraham sprach. Ich habe nichts von dir her als dein Wort, und darauf baue ich. Du hast mich angenommen, denn ich bin ja nach deinem Namen genannt.“ Das ist seine Freude, darauf ist er stolz.
Ihm ist alles andere längst zerbrochen, so wie es Abraham auch zerbrochen ist. Selbst von einem frommen Glanz bleibt am Ende bei Abraham nichts mehr übrig. Er ist nicht der Mann, der in allen Lagen das Richtige tut. In seinem Leben finden sich Ungehorsam und Schuld. Aber er ist einer, der nach dem Namen Gottes genannt ist.
Abschluss und Gebet
Und nun stehen wir zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Wir sollten stolz darauf sein, diesem Herrn zu gehören! Wir sind Menschen, die Feste feiern können, weil ihm alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden. Sein Heiliger Geist will unser Leben ganz verändern und bei uns kräftig wirken. So können wir von hier wegziehen und sagen: Ich weiß, wo ich schwach bin und wo ich stark bin – von der richtigen und falschen Stärke.
Darauf wollen wir uns einlassen. Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht: Christus. Darauf führt uns die Babel-Geschichte hin – nicht zur Flucht aus der Welt, sondern zum Dienst an der Welt in voller Stärke und Kraft. Amen.
Herr Jesus Christus, wir haben uns so oft falsch eingeschätzt und auf Menschenkraft und Menschenweisheit gebaut. Unser ganzes Denken kreist immer wieder um unsere eigene Stärke, ebenso unsere Glaubenszweifel und all die Fragen, die wir deinem Wort gegenüber haben. Vergib uns diese Schuld und zerschlage du uns alles Eigengemachte! Auch alles selbstgemachte Fromme, das vor dir nicht bestehen kann.
Wir danken dir, dass du uns dieses Wort gegeben hast, dass du uns erwählst und bei unserem Namen rufst. Du hebst uns so hoch hinaus und krönst uns, indem du uns zu deinen Tischgenossen machst. Du willst unser irdisches Leben gebrauchen, um hier schon einen Glanz aus deiner Ewigkeit hineinzulegen.
Herr, lass uns diesen Ruf immer größer werden, damit wir ihn immer besser verstehen. Lass uns deine Zeugen in der Welt sein und erkennen, dass du Großes willst – Neues, Wichtiges, Zeichen deiner Macht, Zeichen deiner Liebe, Zeichen deines Helfens und Zeichen deiner Gerechtigkeit.
Hier bringen wir unsere Aufgaben, in denen wir stehen, unsere Verpflichtungen. Ja, du hast uns auch vieles zerschlagen, und wir beugen uns darunter. Aber zeige uns nun den Weg, wie du alles wieder neu machen kannst – im Gehorsam vor dir und mit dir.
Wir bringen dir unsere Familien, unsere Verhältnisse, in denen wir leben, und unsere Gemeinschaften, in denen wir stehen. Lass uns erkennen, wo wir Frieden stiften können. Hier bringen wir unsere Kinder und alle Schwierigkeiten, die wir haben – unser Zusammenleben zwischen den Generationen, mit Nachbarn und Freunden.
Unsere Berufsaufgaben legen wir dir hin. Herr, setze uns zum Segen, damit wir anderen ein Segen sein können, weil du uns segnest.
Wir bitten dich auch für deine Christenheit: Bewahre uns vor dem falschen Bild Babels, der Machtkirche. Lass uns einfältig dir allein dienen, dir gehorsam werden und deinem Wort glauben. So kannst du deine Schar aus allen Gruppen und Kirchen sammeln, damit wir heute schon Gemeinschaft darstellen können – über alle Grenzen hinweg, weil du uns zusammenführst zur großen neuen Gemeinschaft deiner Kinder.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.