Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Povileit. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Vor allem in konservativen Gemeinden gibt es immer wieder Streit um einzelne Lehrfragen. Manche dieser Streitthemen sind berechtigt, über andere kann man eigentlich nur den Kopf schütteln. Aber wie soll man das eine vom anderen unterscheiden? Worüber muss man sich streiten und worüber sollte man sich auf keinen Fall streiten?
Thomas, kann man so einfach unterscheiden, worüber man sich streiten muss und worüber nicht?
Ich glaube, dass man bei den Positionen rechts und links außen eher erkennen kann, ob sich ein Streit lohnt oder nicht. Das ist jetzt mal meine eigene Wortschöpfung, die man nicht allzu ernst nehmen sollte.
Ja, ich verstehe auch nicht ganz, was rechts und links bedeutet, aber das werde ich wohl noch hören.
Genau. Ein rechter Streit ist ein sinnvoller Streit. Im Schwabenland sagt man: „Das ist recht so.“ Und ein linker Streit ist vielleicht unfair, wenn man ein Thema zum Streitthema macht. Also, wie gesagt, das ist meine eigene Wortschöpfung.
Ja, eine spannende Frage ist jetzt, wann ist es ein rechter Streit und wann ein linker Streit. Für mich wäre ein rechter Streit die Diskussion, ob Jesus wirklich von den Toten auferstanden ist oder nicht. Diese Diskussion gibt es ja in 1. Korinther 15, und Paulus diskutiert diese Frage sehr vehement. Es war ihm wert, darüber zu streiten.
Ein linker Streit wären vielleicht Diskussionen, bei denen es nur um Worte geht. So formuliert Paulus das auch mal in 2. Timotheus 2. Dort sagt er, man solle vor Gott beschwören, sich nicht auf Diskussionen einzulassen, bei denen nur um Worte gezankt wird. Das führt zu nichts und schadet den Zuhörenden, so steht es in einer neueren Übersetzung.
Die spannende Frage ist natürlich, ob es Kriterien gibt, um das eine vom anderen zu unterscheiden. Jeder wird das wohl anders definieren, würde ich jetzt mal als These in den Raum stellen.
Genau, das ist die Frage. Ich habe bei diesen beiden Beispielen immerhin Paulus zitiert. Aber die Frage ist: Welche Kriterien stellt man da jetzt auf?
Für mich persönlich war der Gedanke von Al Moller sehr hilfreich. Er hat schon vor einigen Jahren, also vor Corona-Zeiten, einen Begriff geprägt, der „theologische Triage“ heißt.
Triage bedeutet, dass man innerhalb kürzester Zeit den Schweregrad einer Verletzung erkennt. Ich weiß das noch aus meinem Dienst bei der Bundeswehr. Dort war ich im Grundwehrdienst bei den Sanitätern. Wenn viele Verletzte kamen, schrieb man Nummern auf ihre Oberschenkel. Ich erinnere mich nicht mehr genau an das System, wie es verwendet wurde, aber ich glaube, es lief folgendermaßen ab:
Eine Eins bedeutete, der Verletzte ist leicht verletzt. Wenn wir Zeit hatten, konnten wir uns um ihn kümmern, ansonsten gab man ihm Verbandszeug oder eine Schiene, damit er sich selbst helfen oder die anderen sich gegenseitig helfen konnten.
Die Zwei bedeutete, der Verletzte war schwerer verletzt und brauchte sofort eine Behandlung, um gerettet zu werden.
Die Drei hieß, die Verletzung war so schwer, dass eine Behandlung sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Man kümmerte sich nur um diese Personen, wenn keine Zwei mehr da waren.
Die Vier bedeutete, der Verletzte war sehr schwer verletzt. Wenn man sich um ihn kümmerte, starben in der gleichen Zeit mehrere Zweier. Deshalb musste man diese Personen liegen lassen, um zu sterben.
Die Verletzten selbst wussten nicht, was die Zahl auf ihrer Hose bedeutete. Heute wissen sie es genau.
Das klingt jetzt vielleicht brutal, diese Triage. Aber wenn du wirklich sechzig Verletzte hast, die bluten und schreien, ist es gut, ein Schema zu haben, an dem man sich orientieren kann. So kann man seine Prioritäten dort setzen, wo sie sinnvoll sind.
Wir haben dieses Prinzip jetzt auf theologische Fragen angewandt, mit einer Unterscheidung zwischen eins bis vier.
Das ist genau das, was die Bundeswehr gemacht hat. Es gibt so etwas aber auch im zivilen Bereich. In der Intensivmedizin zum Beispiel gibt es sechs Unterscheidungen, aber das Prinzip ist dasselbe: Wenn ich mehrere Patienten habe, muss ich schauen, wo ich meinen Schwerpunkt setze.
Almola unterscheidet drei Bereiche. Zum einen gibt es zentrale Glaubensaussagen, die für den persönlichen Glauben wichtig sind. Diese unterscheidet er von Themen, die nicht heilsentscheidend sind.
Die Themen, die nicht heilsentscheidend sind, können jedoch wie Mauern zwischen Christen stehen. Es gibt eine Position auf der einen Seite und eine andere Position auf der anderen Seite, und man findet schwer zusammen.
Der dritte Bereich, den Almola anspricht, umfasst Themen, bei denen Christen durchaus unterschiedlicher Meinung sein können. Diese Unterschiede haben jedoch keine Auswirkungen auf ihre Gemeinschaft. Sie können einander stehen lassen – vorausgesetzt, sie haben gelernt, miteinander zu reden. In manchen Gemeinden ist es nämlich so, dass Menschen kaum miteinander sprechen können, wenn man auch nur leicht abweicht. Das hängt ein Stück weit von der Gemeindekultur ab und davon, wie das gelebt wird.
Almola sagt, im ersten Bereich geht es wirklich um den Glauben. Wer diese grundlegenden Aussagen nicht glaubt, ist für ihn nicht gläubig. Das sind wesentliche Fundamente. Wenn es heilsentscheidend ist, dann ist jemand für ihn nicht gläubig.
Im zweiten Bereich, so Almola, kann man nicht in derselben Gemeinde zusammenleben. Die Unterschiede sind zwar nicht heilsentscheidend, aber so gravierend, dass man sagen muss: Wir akzeptieren uns als Geschwister, vielleicht arbeiten wir auf Konferenzen zusammen oder treffen uns im Himmel, aber in der Gemeinde sind wir zu weit voneinander entfernt.
Im dritten Bereich kann man sich nur arrangieren. Verstehe ich das richtig? Ja, so kann man das sagen.
Ich habe das für mich selbst einmal bildlich dargestellt, weil Almola das thematisch aufgeteilt hat. Ich habe mir ein Haus vorgestellt. Das habe ich nicht bei ihm gelesen, aber für mich war es hilfreich.
Die erste Frage betrifft das Fundament. Wenn ich am Fundament rüttle, bricht das Haus ein – egal, was ich darauf gebaut habe.
Der zweite Bereich ist der Rohbau. Ich kann dasselbe Fundament haben, aber einen ganz unterschiedlichen Rohbau daraufsetzen. Ich kann eine Halle, eine Klinik, ein Hotel oder ein pompöses Einzelhaus bauen. Dabei gibt es tragende Mauern, die man nicht einfach verrücken kann. Sie stehen fest, und um sie herum kann man bauen. Wenn ich aber eine Halle haben möchte, ist es ungünstig, wenn in der Mitte Mauern stehen, die den Raum teilen. Dann passt das nicht.
Der dritte Bereich ist der Ausbau. Der prägt natürlich auch die Atmosphäre. Beim Ausbau kann ich eine einfache Bretterdecke einbauen oder sie wieder herausreißen und etwas anderes anbringen. Das funktioniert.
Wenn man möchte, könnte man vielleicht noch von einer Einrichtung sprechen. Das wäre aber nicht mein Schwerpunkt, das ist eher dein Bereich. Man richtet Dinge ein.
Wobei wir dann bei vier Kategorien wären, die man noch definieren müsste. Du würdest praktisch die dritte Kategorie noch einmal unterteilen in Dinge, die fast nicht mehr trennen sind, wahrscheinlich.
Genau, das könnte man machen, wenn man wollte.
Ich habe noch ein Buch von Gavin Audland gelesen. Er greift im Wesentlichen das auf, was Almola gesagt hat, führt aber noch eine vierte Kategorie ein. Er sagt, das sind Fragen, die unwichtig für das Evangelium und den Dienst in der Gemeinde sind. So hat er das deutlich gemacht. Man muss das vielleicht nicht tun, und wir machen das auch nicht zum Gegenstand unseres Gesprächs hier. Aber man kann es mitdenken. Vielleicht gibt es Leute, die sagen: Doch, ich will da noch weiterdenken. Dann könnten sie eine vierte Kategorie haben.
Die Frage ist jetzt natürlich immer: Was betrifft zum Beispiel das Fundament, und was betrifft etwas andere Dinge? Kannst du da ein paar grundlegende Sachen sagen? Ich glaube, das fühlt jede Gemeinde ein bisschen anders.
Ja, das schon. Aber beim Fundament nicht, hoffe ich mal. Es kommt darauf an, aus welcher Gemeinderichtung du kommst. Reden wir doch mal über das Fundament, über Sachen, die den Glauben betreffen.
Was mir da wichtig ist, ist ein Vers, den Judas geschrieben hat – also der Bruder des Herrn Jesus. In seinem Brief sagt er: Kämpft für den heiligen, ein für alle Mal überlieferten Glauben. Er motiviert mich also, dafür zu kämpfen. Das sind ganz wesentliche Sachen.
Ich denke auch an Galater 2, wo Paulus dem Petrus widersteht, weil dieser durch sein Verhalten vermittelt, ich kann zu meinem Heil etwas hinzutun. Paulus sagt: Das geht gar nicht. Das sind Fragen, die damit zu tun haben.
Wenn ich mal ein paar Beispiele nenne: Für mich ist es eine Frage, ob Jesus Gott ist. Das ist eine ganz wesentliche Frage, die heute leider auch wieder diskutiert wird. Starb er für meine Sünde oder nicht? Das wird auch in Frage gestellt. Dann: Wie werde ich ein Kind Gottes? Muss ich etwas hinzufügen zu meinem Heil? Das wäre die Petrus-Thematik.
Ist der Heilige Geist eine Person oder eine Kraft? Das ist auch etwas Wesentliches. Interessanterweise würde ich das in zwei Einordnungen machen. Weil es um den Heiligen Geist geht, würde ich es hier mit dazunehmen.
Ich kenne zum Beispiel einen Christen, der das auf jeden Fall früher mal vertreten hat und der ist auf jeden Fall wiedergeboren. Wenn ich sagen würde, kann man gläubig sein, indem man da etwas Falsches denkt, würde ich das noch anders sehen. Aber vielleicht kommt es darauf an, wie man es im ganz genauen Sinne definiert.
Genau, das sind Fragen, die ich für sehr entscheidend halte.
Meine Frage war auch, wie kann ich denn diese Fragen auf dem Schirm behalten? Ich glaube, da ist es schon hilfreich, immer wieder mal Dogmatikbücher zu lesen. Ich mache das immer wieder, dass ich mich mit solchen wesentlichen Sachen auseinandersetze oder eben auch mit klassischen Bekenntnissen der Kirche.
Die Bekenntnisse sind ja oft erkämpft worden, es gibt eine lange Geschichte dazu. Ich denke da ans Apostolikum oder – ja, das klingt dann so kompliziert – das Nizäno-Konstantinopolitanum. Das ist das Ende eines Prozesses, der mit dem Nizänum begann. Oder ich denke an Chalcedon.
Wir haben das hier auch mal schon im Podcast besprochen. Gemeinsam für das Evangelium ist nicht auf dieser Ebene, greift aber auf diese Bekenntnisse zurück, damit wir einen Blick bekommen für solche Fragen.
Auch die Frage: Ist die Bibel Gottes Wort? Da gibt es die drei Chicago-Erklärungen, wo es hilfreich ist, immer wieder mal darin zu lesen und zu schauen, was den Geschwistern wichtig war, die im Kampf um diese Fragen standen.
Man muss zu diesem Bereich eins sagen: Das musst du glauben. Das sind wesentliche Fragen des Glaubens.
Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde zu sagen, wenn du eine Sache nicht glaubst – es kommt darauf an, welche – dann bist du kein Christ. Aber es ist schon etwas sehr Entscheidendes, das nicht wirklich passt.
Das ist eine Definitionssache. Ich habe es vorhin so verstanden, dass man da nicht gläubig ist, wenn das fehlt. Aber du würdest das nicht ganz so streng sehen. Das ist ja auch nicht künstlich.
Ich weiß nicht, ob es in der Bibel drei Kategorien gibt. Ich glaube, es gibt mindestens zwei. Es gibt schon Sachen, für die man kämpft und glaubt, und dann gibt es Dinge, um die man sich nicht kümmern muss.
Da wird schon eine Unterscheidung gemacht, und ich glaube, auch drei Kategorien sind sinnvoll, vor allem in der Praxis.
Es gibt auch Sachen, die ich gut finde, wo Paulus sagt: Das ist mir wichtig, aber ich ziehe es nicht bis ins Letzte durch. So wichtig ist es mir dann doch nicht.
Das Fundament lassen wir heute mal ein bisschen weg. Das sind Grundsatzfragen, die leider immer mehr kommen. Das hätte ich mir vor 20 Jahren nicht träumen lassen, dass man das im legalen Bereich wirklich mal diskutieren muss.
Aber vielleicht diese Rohbaufragen, wo einfach tragende Wände sind. Ich habe das letzte Mal gehört, da hat jemand gesagt, das liegt in der DNA dieses Gemeindebundes. Damit meinte er: Das kannst du da nicht verrücken. Wenn du da rangehst, geht das einfach nicht.
Das war jetzt nichts Heilsentscheidendes, aber das waren eben Mauern, wo man sagt: Da brauchst du dann einen Stahlträger, bevor du die Wand rausmachst. Da muss ein richtiger Umbau her. Ab und zu gibt es das mal, aber es ist sehr selten.
Was wären denn so Fragen? Die anderen sind relativ eindeutig. Jetzt kommen wir in einen Bereich, wo die Meinung wahrscheinlich schon immer mehr auseinandergehen wird.
Ja, das glaube ich auch. Also das sind vor allem natürlich vielleicht, um es grundsätzlich zu sagen, Fragen der Gemeindekultur und der Ausrichtung der Gemeinde. Die haben schon auch viel mit der Geschichte der Gemeinde zu tun. Und es sind Fragen – das haben wir schon ein bisschen herausgearbeitet –, die eben darüber entscheiden, ob hier eine Zusammenarbeit möglich ist oder nicht. Auf Gemeindeebene jetzt.
Auf Gemeindeebene. Das ist, was ich vorhin sagte: Baue ich eine Halle oder baue ich ein Hotel? Das ist schon ein Unterschied. Und da kann ich, wenn ich mich mal entschieden habe und die Wände stehen, nicht einfach durch Leichtbauwände verändern. Da stehen Sachen, und ich kann mit viel Phantasie vielleicht da rumbauen, aber ich werde merken, ich stoße immer wieder auf diesen Grundbau.
Ja, für mich gehört auf jeden Fall dazu die Tauchfrage. Also praktizieren wir als Gemeinde Glaubenstaufe oder Babytaufe? Ich glaube, das ist in der Praxis nicht gut zu harmonisieren, auch wenn es einen Gemeindeverband gibt, der sagt: Okay, wir machen beides. Aber gerade die Woche hat mir jemand erzählt, der sagte, er möchte sich auf den Glauben taufen lassen. Ein Gemeindeverband, der beides macht, und dann sagte der Pastor zu ihm: Das kann ich nicht, weil du als Kind getauft bist. Ich kann dich nicht auf deinen Glauben taufen. Ich kann nur Leute auf den Glauben taufen, die nicht als Kind getauft sind.
Das sind dann Abmachungen, die da im Hintergrund getroffen worden sind, an die der Pastor auch gebunden war, obwohl der Bruder sagte: Ich würde mich aber gern taufen lassen. Also da merkt man, da kommt man eben in gewisse Bereiche.
Was auch sicher heutzutage dazugehört, ist das Lehramt der Frau. Es gibt Gemeinden, für die ist das gar kein Problem. Die sagen: Wo ist das Problem, eine Pastorin zu haben oder eine Ältestin? Sehe ich überhaupt nicht. Für andere Gemeinden ist das ein No-Go. Die sagen: Geht gar nicht. Und wenn ich auf dieser Basis zusammenarbeiten soll, ist das sehr, sehr schwierig.
Vor kurzem hatte ich eine Anfrage, wo jemand sagte: Wie macht ihr das denn, wenn ihr in einer Kinderstundengruppe jemanden habt, der stärker charismatisch ausgerichtet ist, und jemand, der doch sehr, sehr konservativ ausgerichtet ist? Sie wollten das lösen in der Kinderstundengruppe, indem sie sagten: Okay, wir werden Jesusgeschichten erzählen, das ist gar kein Problem.
Die einen haben gesagt: Hey, super! Jesus, der Sündenheiland, so wie wir es auf der Schulung gelernt haben: Komm zu Jesus und bring ihm deine Sünde, der Herr Jesus vergibt. Die anderen haben auch gesagt: Super, dann können wir einfach mal deutlich machen, dass Jesus Dämonen austreibt und Wunder tut. Und da hat man einfach gemerkt: Ey, das geht nicht miteinander.
Das war für mich sehr praktisch, also Rohbau, dass eine Gemeinde wissen muss, in welche Richtung sie geht. Oder die Frage der Heilsunverlierbarkeit, also nicht der Heilsgewissheit, sondern der Heilsunverlierbarkeit, ist auch so ein Punkt.
Da habe ich auch schon mit Leuten telefoniert. Wir waren uns so einig, ob sie Leute zu uns schicken, und dann kam die Frage: Wie seht ihr es mit der Unverlierbarkeit? Ich habe dann gesagt: Ja, der Mainstream der Gemeinde hält es durchaus für möglich, dass ich auch von meinem Glauben abfallen kann. Muss man nicht können, glaube ich wirklich.
Aber dann war für ihn klar: Ich kann keine Leute zu euch schicken. Das war für ihn eine Frage, die gar nicht geht. Umgekehrt, wenn du in eine konservative russlanddeutsche Gemeinde gehst und sagst, das Heil ist nicht verlierbar, glaube ich, hast du dort einen schweren Stand. Einfach kulturell geprägt.
Ich weiß nicht, wie der ganze Überblick ist, aber das ist da doch recht stark. Dann umgekehrt. Also das ist dann schon eine Rohbausache, aber ja, eigentlich schon, oder?
Auf jeden Fall. Also auch die Frage, die ich jetzt angesprochen habe mit der Heilsunverlierbarkeit, ist schon auch eine Rohbausache. Und da muss man dann schon sagen: Was glauben wir und was glauben wir nicht? Wir glauben auf jeden Fall, dass du deines Heils gewiss sein musst, ja, auf jeden Fall.
Aber es ist eher auch ein theoretischer Gedankengang, wenn ich sage: Okay, wäre das dann möglich, dass ich mein Heil verliere? Also um das ins Konjunktiv zu nehmen. Allerdings, wenn jemand natürlich in eine schwere psychische Phase kommt, kann das für ihn auch etwas ganz Wesentliches sein, an dem er sich dann eben festhält.
Also vielschichtig ist das jetzt auch nicht unser Thema, aber da merkt man, da gibt es eben diese Rohbausachen auf jeden Fall.
Was vielleicht auch noch ein wesentlicher Punkt ist im Blick auf Rohbau, ist zum Beispiel das Abendmahl. Nimmt man das als Wein oder als Saft?
Echt?
Ja, also wo Leute sagen...
Ja, das kommt vielleicht auf die Prägung an.
Genau.
Ich würde es jetzt nicht in die Rohbauphase tun, wobei ich da auch deutlich Überzeugungen habe. Aber da würde ich mich ja... Aber gut, es gibt Leute, die würden sich da nicht anpassen, dann wäre für sie das Rohbau.
Ja, das stimmt, wenn sie sich nicht anpassen würden. Aber du hast natürlich Recht, die dritte Phase ist so die Ausbauphase, sage ich mal. Bei uns wäre das auf jeden Fall die Ausbauphase, also dass man sagt: Du siehst es so, ich sehe es so, wir werden uns deswegen aber auf keinen Fall streiten.
So haben wir es auch zum Beispiel noch mal gemacht, um es aufzugreifen, bei diesem Thema Heilsunverlierbarkeit. Wir haben gesagt: Du kannst beides in der Gemeinde vertreten. Du musst den anderen jetzt nicht versuchen, zu deiner Seite irgendwie rüberzuziehen. Aber wenn beide von Herzen Jesus nachfolgen, dann dürfte es kein Problem geben. Er sieht es aber jeder ein bisschen anders.
Ich erinnere mich an die Ursprungsgemeinde, wo ich herkomme. Das war auch ein Gemeindeverbund in größerem Amerika. Da gab es eine Spaltung, wo sich ein Drittel der Gemeinden abgespalten hat aufgrund der Tauffrage.
Und zwar jetzt nicht Säugling oder Erwachsenen, sondern wie oft untergetaucht wird. Ein Drittel der Gemeinden bestand darauf, dass dreimal untergetaucht wird und nicht einmal. Und zwar nach vorne und nicht gerade runter oder nach hinten.
Sie haben wirklich gesagt: Wenn du anders getauft wurdest, musst du nochmal getauft werden, weil das keine richtige Taufe ist. Deswegen haben sie sich abgespalten. Ich würde sagen: Also dreimal Vater und Sohn und Heiliger Geist als trennend gesehen. Aber sie haben gesagt: Nein, das ist so wichtig, das ist auf jeden Fall keine Sache, die man stehen lassen könnte.
Ich hätte das Gegenteil gesagt. Ich hätte gesagt, darüber eine Spaltung zu machen, finde ich viel zu kleinlich. Aber so ist das natürlich in Gemeinden, das wird verschieden beurteilt.
Wenn wir gerade vom Ausbau sprechen, könnte man auch sagen, dass das ein spannendes Thema ist: Tragen Frauen ein Kopftuch oder nicht? Das ist bei uns ebenfalls eine Frage des Ausbaus. Beides darf nebeneinander bestehen bleiben, und man versucht nicht, den einen zum anderen zu bekehren.
Was bei uns natürlich auch eine Frage des Ausbaus ist, betrifft die Wundergaben. Sind diese nach der Fertigstellung der Bibel beendet? Haben sie aufgehört? Das ist der Streit zwischen John MacArthur und Piper, die das sehr unterschiedlich sehen. Aber es muss nicht trennen. Beide sprechen auf denselben Konferenzen, wobei es wahrscheinlich keine zwei Konferenzen speziell über den Heiligen Geist gibt. Nein, das ist eher selten.
Das ist spannend. Wir hatten gerade diese Woche eine Konferenz über den Heiligen Geist. Um ins Gespräch zu kommen, habe ich nach ein paar Tagen Konferenz meine Standardfrage gestellt: Was war für dich so ein Aha-Moment? Was war wichtig?
Dann hat ein Bruder etwas Positives gesagt, aber gleich danach auch etwas Negatives, was ich gar nicht hören wollte. Ich wollte eigentlich nur wissen, was er gut fand. Doch er regte sich über das Konzert am Abend davor auf. Er sagte, der Sänger sei aus einer Pfingstgemeinde gewesen, was ich nicht wusste.
Er berichtete, dass am Morgen Helge Stademann verkündigt habe, die Sprachengabe sei immer eine Fremdsprache gewesen und habe nach einer bestimmten Zeit aufgehört. Außerdem seien heutzutage unzusammenhängende Silben, also unverständliche Laute, keine biblische Sprachenrede. Und am Abend werde dann ein Pfingstler zu einem Konzert eingeladen. Das fand er sehr unpassend.
Darüber haben wir auch über dieses Konzept gesprochen. Ich hatte ein ähnliches Konzept, doch das hat ihn nicht zufriedengestellt. Inzwischen muss ich sagen, dass ich es bei einer Konferenz über den Heiligen Geist doch schwierig fand, vor allem mit etwas zeitlichem Abstand.
Ich konnte seine Sichtweise nachvollziehen, auch wenn ich nicht genau einschätzen kann, wie die Unterschiede zwischen den Pfingstlern und den konservativen Gemeinden in diesem Bereich sind. Da kenne ich mich nicht genug aus. Der Hintergrund war russlanddeutsch. Das ist nicht so einfach zu beurteilen.
Für ihn war das auf jeden Fall eine Rohbaufrage. Auf dem Konferenzfeld ist es auch recht unpassend, wenn morgens das eine gesagt wird und abends etwas anderes. Das finde ich etwas heikel. Allerdings wurde ja nicht gesagt, dass das absichtlich so sei. Ich habe es zum Beispiel gar nicht gemerkt, weil ich es nicht wusste.
Die Frage ist auch, ob derjenige das wirklich lebt. Man muss aufpassen, dass man nicht mit Labels arbeitet, sondern schaut, wie der Einzelne tatsächlich praktiziert. Manche Dinge sind da wirklich gefährlich.
Es gibt Leute, die haben einen Fragenkatalog im Kopf, und den arbeiten sie ab. Dann fragen sie dich nach Etiketten: Was glaubt ihr da? Was glaubt ihr dort? Ich kann mich gut an einen Fall erinnern, bei dem ich versucht habe, die Praxis zu erklären. Es gab eine Vorstellung im Kopf, dass, wenn man etwas glaubt, das auch in der Praxis folgen müsse. Das war aber gar nicht der Fall, weil derjenige in der Praxis ganz anders lebte, nur konnte sich der andere das nicht vorstellen.
Wir haben ja auch in bestimmten Bereichen unterschiedliche Auffassungen. Aber manchmal sind wir in der Praxis vor genau derselben Fragestellung. Denn ich kann ja von außen nicht in jemanden hineinschauen.
In der Praxis macht es Unterschiede, ja. Aber in bestimmten Bereichen macht es keine Unterschiede mehr. Das finde ich manchmal ein bisschen Wortglauberei, wenn Leute sich an Worten festhalten und nicht sehen, wie etwas tatsächlich gelebt wird.
Ich glaube, das ist im Podcast klar geworden: Mir sind Lehre und Theologie wichtig, aber sie völlig losgelöst von der Praxis zu betrachten, finde ich problematisch. Den Bezug zur Praxis muss ich einfach haben.
Nur weil jemand das falsche Etikett trägt, sollte man ihm nicht vorschnell etwas unterstellen. Das ist aber nochmal ein eigenes Thema.
Es geht jetzt darum, wie ich Dinge einordnen kann. Für mich war es hilfreich, zu sagen: Es geht ums Fundament, es geht um den Rohbau, es geht um den Ausbau sozusagen.
Ja, und wie würdest du sagen, da das ja in jeder Gemeinde ein bisschen unterschiedlich beurteilt wird? Also in der einen wäre das eine Rohbausache, in der anderen eine Ausbausache.
Was macht man jetzt in der Gemeinde, wenn zum Beispiel eine Umbruchphase ist, ein neuer Pastor kommt? Ich denke jetzt gar nicht an uns, sondern allgemein. Oder bei anderen Situationen: Wie einigt man sich da darauf? Wohl kaum mit Handabstimmung oder so etwas, oder?
Ich glaube, man muss sich schlussendlich einigen. Jede Gemeinde hat ein gewisses Gremium. Und der Leitungskreis, die Ältesten oder was immer dieses Gremium ist, bestimmt das. Eine Gemeinde stellt sich selbst die Fragen und macht sich deutlich, ob das für sie eine Rohbaufrage oder eine Ausbaufrage ist. Und das wird, wie du es auch gesagt hast, in manchen Gemeinden sicher unterschiedlich gehandhabt.
Es gibt Leute, die sagen: Das ist für uns so wichtig, wie du es am Anfang gesagt hast, das gehört zur DNA der Gemeinde. Da würden wir das Erbe der Väter verraten, das geht für uns gar nicht. Und dann ist es ja gut, wenn das so benannt ist.
Wir machen ja auch als Gemeinde so einen Kompasskurs. Das bedeutet, man kommt bei uns in die Gemeinde und hat dann sechs Treffen, in denen wir deutlich machen, was uns sehr wichtig ist. Im Rahmen dieses Kompasskurses werden auch Dinge angesprochen, die uns wichtig sind. Aber ich erwähne dort auch Sachen, bei denen ich sage: Da streiten wir nicht darüber.
Wir streiten nicht über die Erwählung, wir streiten nicht darüber, welche Bibelübersetzung wir lesen müssen. Wir motivieren zu einer wörtlichen Übersetzung, aber ob es Schlachter, Luther oder Elberfelder ist, das ist einfach nicht wirklich relevant. Das wäre eine Ausbaufrage.
Bei uns muss man dazu sagen: Es wird vorher klar kommuniziert, was Sache ist, damit man weiß, worauf man sich einlässt. Ich finde das eine sehr gute Einrichtung, weil man aus bestimmten Predigten, wenn ein bestimmter Brief dran ist oder andere Themen, manche Dinge nie herausbekommt.
Durch den Kompasskurs setzt man die Themen einmal, wir kennen die Knackpunkte, die da sein können, und diese werden angesprochen. Man kann auch selber Fragen stellen und weiß dann, worauf man sich einlässt.
Ich weiß auch von einem Fall, da wurde etwas einfach nicht besprochen. Es ging um die Allversöhnung. Jemand, der daran glaubte, kam in die Gemeinde, die Gemeinde glaubte das nicht. Später gab es dann unglaublich viele Probleme, ohne Ende, weil man am Anfang einfach nicht darüber geredet hatte und vieles als selbstverständlich angenommen wurde.
Selbst kleine Sachen sind hochgekocht worden. Früher, in der Kassettenzeit, wurde eine Kassette weitergegeben, in der ein Abschnitt war. Derjenige sagte: „Oh, ich wusste das gar nicht.“ Und dann gab es Probleme ohne Ende, weil man es nicht definiert hatte.
Ich denke, es wäre schön, wenn alle dieselbe Meinung hätten, aber in der Realität ist es anders.
Was mir auch noch wichtig ist: Wir haben jetzt natürlich über die Klassifizierung oder Priorisierung der verschiedenen Fragen gesprochen. Jesus betet dafür, dass seine Gemeinde eins sein soll. Und in dieser Spannung stehen wir bei jeder Frage: Ist es wert, unsere Einheit aufs Spiel zu setzen?
Manchmal ist es das wert, ja, und manchmal, oder sehr oft, muss man sagen, ist es das nicht. Wir stehen immer auf der einen Seite mit der Einheit, und auf der anderen Seite mit Klarheit oder so etwas in der Richtung, um die man kämpft.
Ich glaube, in dieser Spannung muss man immer wieder stehen. Und man darf bei all dem Aufteilen dieser Fragen nicht übersehen, dass Jesus Einheit wichtig ist.
Vielleicht sagt er mir dann: Thomas, sei einfach derjenige, der Einheit lebt, und kümmere dich nicht um Fragen, um die ich mich nicht kümmern würde.
Ich denke da an Paulus zum Beispiel, der, als er über das Kopftuch diskutierte, am Schluss sagt: „Wir haben nicht die Gewohnheit, streitsüchtig zu sein.“
Ja, das würde ich anders auslegen. Ich würde sagen: Wir haben nicht die Gewohnheit, Kopftuch zu tragen. Das wird unterschiedlich ausgelegt, je nachdem, wie man es versteht.
Aber ich lege es jetzt mal so aus, um deutlich zu machen: Ich ziehe es nicht bis ins Letzte durch. Ich sage meine Meinung hier, wie ich sie darstelle, aber ich weiß sehr wohl zu unterscheiden, wo ich die Einheit unnötigerweise aufs Spiel setze.
Das sehe ich in konservativen Kreisen vor allem sehr oft verletzt, dass man seinen Part hat und alles andere quasi nicht geht.
Ich denke, man muss zwei Sachen unterscheiden: Das eine ist die Gemeindeebene, und da würde ich sagen, da gibt es Älteste. Es gibt nun mal Punkte, da sind Christen verschiedener Auffassung. Es ist legitim, dass die Ältesten das auch bestimmen. Bei uns läuft das so, und dann soll man sich denen unterordnen.
Das andere ist die persönliche Ebene als Christ. Ich habe zum Beispiel überlegt: Du hast ja erzählt, früher in Schleswig-Holstein, ich glaube, du bist 90 Kilometer zur Gemeinde gefahren. Wenn ich in so einer Gegend wohne, würde ich mir zum Beispiel überlegen, auch in eine Gemeinde zu gehen mit einem lutherischen Pfarrer, wo die Säuglingstaufe praktiziert wird.
Ich habe mir das mal so durchgespielt: Wenn ich in so einem Umfeld bin, und im Nebenort ein gläubiger Pfarrer ist, wenn das akzeptiert wird, und ich meine Kinder dann auch taufen darf – also wenn es nicht akzeptiert wird, wäre mir das zu viel.
Aber in so einer Situation würde ich es wieder anders sehen als hier, wo ich im Großraum Stuttgart wohne.
Je nachdem, wie die Situation ist, würde ich persönlich auf der persönlichen Ebene, nicht auf der Gemeindeebene, sagen: Okay, das akzeptiere ich jetzt, weil mir die Gemeinschaft vor Ort auch wichtig ist.
Da gehe ich dann persönlich Kompromisse ein. Ich gehe auch hier in der Gemeinde bestimmte Kompromisse ein, bei denen ich gesagt habe: Okay, die kann ich vor mir und vor Gott verantworten, aus den und den Gründen.
Das habe ich mir genau überlegt, als wir in die Gemeinde kamen.
Und da gibt es dann auch Punkte, wo ich sage, und das ist ganz wichtig, dass ich meine Überzeugungen habe. Ich denke nicht, egal, es ist eh alles egal. Nein, es ist nicht egal, ich soll meine Überzeugungen haben.
Aber ich kann mich an manchen Punkten auch zurücknehmen und sagen: Gut, ich weiß, da gibt es auch andere Überzeugungen, ich muss das nicht durchboxen.
Und es gibt andere Punkte, bei denen ich sage: Das ist so fundamental, das gehört zum Fundament, das können wir gar nicht diskutieren.
Gut, also haben wir uns heute ein bisschen mit dem Hausbau beschäftigt. Fundamente mit unverrückbaren Mauern gefallen mir sehr gut, weil sie deutlich zeigen, wie fest diese tragenden Wände sind – nicht die Leichtbauwände und dann der Innenausbau als Bild einfach.
Persönlich muss man natürlich entscheiden, in welches Haus man einzieht. Aber wenn man in ein bereits gebautes Haus geht und nicht selbst neu baut, dann hat man eben auch gewisse Gegebenheiten.
Ich glaube, es ist auch schlecht, dann mit dem Vorschlaghammer zu kommen und nachträglich alles ändern zu wollen. Das wird wahrscheinlich nicht viel bringen.
Ach, jetzt bin ich in eine falsche Richtung geraten. Eigentlich wollte ich positiv enden, aber es ist okay. Ihr wisst, wie es gemeint ist.
Wir hoffen auf jeden Fall, dass diese Unterscheidung der verschiedenen Überzeugungen euch geholfen hat, zu erkennen, wo man kämpfen muss und wo nicht. Ob auf Gemeindeebene oder auf persönlicher Ebene, das ist, glaube ich, unterschiedlich zu beantworten.
Allgemein gilt: Wenn ihr Ergänzungen dazu habt oder Fragen, die wir besprechen sollen, schreibt uns gern unter podcast@efa-stuttgart.de.
Das war der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir wünschen euch Gottes Segen.