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Geistliche Hintergründe von Depression - Teil 3/3

Geistliche Hintergründe von Depression, Teil 3/3
22.11.2014
SERIE - Teil 3 / 3Geistliche Hintergründe von Depression

Schwierigkeit der Konzentration nach dem Essen und Rückblick auf die Morgenrunde

Ja, jetzt, nach der Mittagspause und dem guten Essen, fällt es mir doppelt so schwer, euch zur Konzentration zu bringen. Meistens braucht der Körper nach einer guten Mahlzeit erst einmal eine kleine Ruhepause. Ich hoffe, dass es trotzdem klappt.

Falls ihr zwischendurch einschlafen solltet, dann bitte nicht zu laut! Nein, ich gehe davon aus, dass ihr konzentriert dabei bleibt.

Ich möchte daran erinnern, dass wir uns heute Morgen zuerst damit beschäftigt haben, wer depressiv werden kann und wer unter Entmutigung und Frustration leidet. Die Antwort ist eigentlich: jeder. Jeder kann in Gefahr sein. Es gibt bestimmte Situationen, körperliche Eigenschaften, Charaktereigenschaften und Lebensphasen, die begünstigend wirken können. Diese können dazu führen, dass eine Depression entsteht.

Geistliche Perspektiven auf Depression und okkulte Einflüsse

Ich habe gesagt, dass das, woran ein Christ im Normalfall nicht leiden wird, Depression, Niedergeschlagenheit und auch andere psychische Erkrankungen sind, die aus okkulter Quelle stammen.

Denn dort, wo wir zu Jesus Christus gehören, kann der Teufel nicht in uns Wohnung nehmen. In diesem Moment können wir nicht okkult besessen werden. Natürlich können wir, wie Hiob, unter der Anfechtung des Teufels stehen – das gibt es. Aber der Teufel kann nicht in uns Wohnung nehmen.

Das halte ich für eine wichtige seelsorgerliche Grundlage. Denn ich erlebe immer wieder depressive oder anderweitig psychisch kranke Menschen, die Christen sind und sich fragen: Bin ich jetzt besessen? Ist der Teufel in mir?

Ich glaube, hier können wir mit großer Freiheit sagen: Nein. Wenn jemand nicht gläubig ist, können wir das allerdings nicht generell ausschließen. Dann kann Depression auch eine Ursache in okkulter Besessenheit haben. Das gilt ebenso für andere psychische Erkrankungen.

Wir haben vorhin in der Pause unter anderem über Schizophrenie gesprochen. Das heißt, eine Persönlichkeitsspaltung, bei der Menschen mit zwei verschiedenen Stimmen sprechen oder andere Persönlichkeiten aus ihnen hervortreten.

Auch hier gibt es unterschiedliche Ursachen. Es gibt psychische Erkrankungen, die allein in der Persönlichkeit liegen. Sie können durch Drogenmissbrauch verursacht sein. Aber es kann auch okkulte Besessenheit dahinterstecken. Das lässt sich erst in der Seelsorge und Betreuung herausfinden.

Deshalb dürfen wir nicht pauschal sagen: Sobald eine fremde Stimme aus einer Person spricht, muss das okkult sein. Es kann, muss aber nicht so sein. Wir müssen also unterscheiden zwischen dem Symptom, also dem, was wir äußerlich sehen, und der Ursache, die dahintersteht.

Unterschiedliche Ursachen für ähnliche Symptome in der Bibel

Wir finden das auch in der Bibel: Dort gibt es Menschen, die blind sind, und Jesus treibt ihnen einen Dämon aus, sodass sie wieder sehen können. Andere sind ebenfalls blind, und Jesus schmiert ihnen eine Mischung aus Straßendreck und Spucke auf die Augen, wodurch sie wieder sehen können.

Das zeigt, dass die Ursachen für Blindheit unterschiedlich sein können. Genauso können auch die Ursachen für Depressionen verschieden sein. Bei Saul ist die Ursache ein böser Geist, bei David liegt sie in der Sünde, und bei Elia handelt es sich wahrscheinlich um eine Erschöpfungsdepression. Sein Blick auf Gott ist verstellt.

Die Ursachen können also unterschiedlich sein, auch wenn die äußeren Symptome oder Zeichen ähnlich erscheinen. Das müssen wir im Kopf behalten. Wenn wir einen Menschen begleiten und ihm helfen wollen, müssen wir ihm entsprechend den Ursachen seiner Depression helfen.

Das bedeutet: Habe ich jemanden, der mit schwerem Okkultismus zu tun hat, muss ich ihm helfen, aus diesen okkulten Bindungen frei zu werden. Hat jemand schwere Sünde begangen und fällt deshalb in eine Depression, muss ich ihm helfen, die Sünde als solche zu erkennen und Buße zu tun.

Hat jemand ein verschobenes theologisches Bild, weil er Gott nicht mehr als Gott erkennt, weil er Zweifel an der Bibel hat oder sich viel mit Bibelkritik beschäftigt hat und deshalb das Vertrauen auf Gott verloren hat, muss ich ihm helfen, neues Vertrauen in die Bibel zu gewinnen. Nur so kann er mit seinem geistlichen Problem zurechtkommen.

Um einem Menschen helfen zu können, auch einem Menschen mit Depressionen, ist es notwendig, nicht nur auf die äußeren Symptome zu achten – etwa Niedergeschlagenheit oder fehlende Perspektive. Vielmehr muss ich versuchen zu erkennen, welche geistlichen Begleiterscheinungen und Ursachen dahinterstehen. Dabei gilt es, beides im Blick zu behalten.

Vorsicht vor pauschalen Diagnosen und Umgang mit Sünde

Zu Beginn wurden einige Punkte genannt, die man bei der Betreuung von Menschen mit Depressionen vermeiden sollte. Vor allem sollte man bei depressiven Menschen nicht zu schnell ein pauschales Rezept anwenden. Es ist zu einfach zu sagen: „Jeder, der depressiv ist, hat eine Sünde in seinem Leben.“ Mit einer solchen Aussage würde man vielen Menschen schaden, weil das nicht auf jeden zutrifft.

Man muss sich von Gott Weisheit geben lassen und durch Gespräche versuchen zu klären, ob Vermutungen sich bestätigen oder nicht. Nur so kann man der betroffenen Person wirklich konkret weiterhelfen.

Deshalb sollte man auch nicht bei jedem, der an Depression leidet, eine Dämonenaustreibung versuchen. Man sollte nicht zwanghaft nach einer Sünde suchen, wenn keine konkrete Sünde erkennbar ist. Immer wenn uns Gott Schweres zumutet, sollten wir auch fragen: „Gibt es eine Sünde im Hintergrund?“

Das war bei mir selbst immer wieder so in schweren Lebensphasen. Ich habe dann gefragt: „Gott, willst du mich auf eine Sünde aufmerksam machen? Gibt es etwas, das in meinem Leben falsch läuft?“ Zum Beispiel, als ich vor etwa zwölf oder dreizehn Jahren an Krebs erkrankte und lange Zeit im Krankenhaus war, stellte ich mir diese Frage. Denn das kann ja sein, aber es muss nicht sein.

Deshalb sollten wir danach fragen, und wenn wir ehrlich fragen, wird Gott es uns offenbaren, denn er will, dass wir Sünde einsehen. Wenn er es uns nicht offenbart, können wir davon ausgehen, dass eine andere Ursache für die Probleme vorliegt.

Daher sollte man nicht in jedem Fall eine Dämonenaustreibung durchführen und nicht krampfhaft nach Sünde suchen, wenn diese nicht von Gott offenbart und gezeigt wird.

Umgang mit depressiven Menschen und die Bedeutung von Verständnis

Was wir auf keinen Fall tun sollten, ist, jemanden, der an Depressionen leidet, einfach als jemanden anzusehen, der nicht will, nicht arbeiten oder nicht aufstehen möchte. Jemand, der eine solche Phase nie erlebt hat, kann das oft nicht verstehen. Zu schnell wird dann gesagt: „Komm, stell dich nicht so an, du bist doch nur ein Simulant, hier gibt es doch gar kein Problem.“

Dann versuchen die Leute, den Betroffenen zu drängen. Dabei merkt der Mensch schnell, dass sein Leiden nicht ernst genommen wird. Häufig kann er nicht einfach weitermachen wie bisher. Es gibt Menschen, die es wirklich nicht können. Wenn man sie dann weiter drängt, wird die geistliche Krise oft noch größer.

Wir müssen hier, und das möchte ich jetzt deutlich machen, verschiedene Phasen unterscheiden. Es geht nicht nur um die erste Frage: Woher kommt die Depression geistlich? Liegt der Ursprung daran, dass ich ein falsches Gottesbild habe? Erwarte ich von Gott, dass er mich immer gesund, heil und glücklich macht? Dann ist es ein falsches Gottesbild, eine Sünde und so weiter. Die Ursache ist also eine Sache.

Was wir aber auch beachten müssen, ist die Phase, in der sich ein Mensch befindet. Befindet sich jemand am Anfang einer Depression, können wir ganz anders damit umgehen als in der Endphase der Depression. Denn in der Endphase, das habe ich deutlich gemacht, ist ein Mensch für Argumente und Gespräche oft nicht mehr offen. Er hört nicht mehr zu und versteht manchmal gar nicht mehr, was wir sagen wollen. In dieser Phase müssen wir anders mit ihm umgehen.

Ist jemand noch nicht in der Depression, aber vielleicht anfällig dafür, weil er zum Beispiel sehr melancholisch oder perfektionistisch ist oder sich gerade in einer Lebensphase befindet, die anfällig für Depressionen ist – vielleicht hat er gerade seine Arbeit verloren oder erlebt eine Krise, weil die Kinder Probleme machen –, dann wissen wir, dass hier eine Gefährdung besteht. Es kann sein, dass die Person in eine Depression hineinkommt. In diesem Fall können wir aber noch vorbeugend wirken.

Bedeutung der Prävention und geistlichen Vorbereitung

Und das ist, glaube ich, das Wichtigste: So wie bei jeder Erkrankung Vorbeugen besser ist als Heilen, gilt das genauso auch bei Depressionen. Vorbeugen ist besser als Heilen. Denn wenn jemand erst einmal einen Tiefpunkt der Depression erreicht hat, dauert es sehr, sehr lange, bis diese Person wieder herauskommt und ihr Leben wieder geregelt bekommt.

Wenn wir es jedoch schaffen, dass jemand in einer Anfangsphase der Depression eine richtige Perspektive bekommt, neuen Lebensmut gewinnt, die Probleme mit den Augen Gottes sieht und versucht, diese Probleme zu lösen, ist das ein großer Gewinn.

Was machen wir, bevor jemand in Depressionen hineinkommt? Hier ist es wichtig, dass es eine ausgewogene geistliche Lehre und Prägung gibt. Ich habe an mehreren Punkten deutlich gemacht: Wie ist dein Bild von Jesus Christus? Siehst du ihn als ganzen Menschen und ganzen Gott, oder nur als himmlischen Richter oder nur als Freund an deiner Seite? Wenn du nur das eine oder das andere hast, bist du viel anfälliger, in einer schwierigen Lebensphase abzustürzen. Es kommt auf die Ausgewogenheit an.

Wie ist es mit der Sicht auf Krankheit? Ist Krankheit immer ein Gericht Gottes, oder kann es auch etwas sein, das Gott einfach zulässt? Wenn du in einer schwierigen Lebensphase bist und denkst, Gott müsse dir immer nur das Gute geben, dann kommt sofort der geistliche Absturz.

Ich habe das erlebt, gerade in vielen charismatischen Gemeinden, wo den Geschwistern immer wieder gesagt wird: Gott will ja nur das Gute, Gott will nur, dass du gesund wirst, dass es dir gut geht. Entweder steigern sich die Leute in einen Wahn hinein, dass alles gut sein muss, oder sie sind total abgestürzt, weil sie plötzlich merken: Jetzt habe ich eine Krankheit, und trotz vielem Beten nimmt Gott die Krankheit nicht weg.

Wenn ich aber schon den richtigen geistlichen Blick habe, nämlich dass Gott uns als Christen auch Krankheit und Leid zumutet, dann ist das eine andere Perspektive. Wie lesen wir im Neuen Testament: „Wenn der Vater liebt, den züchtigt er.“ Züchtigung ist manchmal Leiden und Krankheit. Denn Gott will, dass wir ihm ähnlicher werden und uns noch mehr an ihn klammern. Deshalb lässt er uns Schweres zu.

Im Psalm fragt der Psalmist oft: Warum geht es dem Ungläubigen so gut? Am Ende heißt es aber: Schau auf das Ende! Wer ist dann bei Gott und wer nicht? Im Leben kann es häufig so sein, dass dein ungläubiger Arbeitskollege, der den Betrieb betrügt, besser dasteht als du. Das kann passieren.

Mancher gerät dann in Frustration und Entmutigung. Oder du wirst entlassen, obwohl du ehrlich bist, und dein betrügender Kollege wird weiter beschäftigt. Das kann für manche zu einer richtigen Krise führen. Aber da müssen wir den Blick haben: Gott lässt so etwas manchmal zu.

Wenn wir diesen Blick haben, wird uns das nicht so stark erschüttern. Dann werfen wir nicht plötzlich unser Vertrauen auf Gott weg, weil wir merken: Gott ist ja trotzdem noch da. Er hat uns nicht verlassen, auch wenn er es zulässt.

Das heißt, im Vorfeld geht es darum, dass wir eine gute biblische Lehre haben und ein lebendiges Glaubensleben praktizieren. Ich habe vorgelesen aus dem 2. Korintherbrief, dass Paulus an einigen Stellen darauf aufmerksam macht: Nicht heucheln, kein Doppelleben führen, keine Intrigen spinnen, nicht das Wort Gottes verändern. Für ihn ist die richtige Verbindung mit Gott die beste Vorbereitung und der beste Schutz gegenüber schwierigen Lebensphasen und Depressionen.

Das bedeutet nicht, dass man nicht in eine Phase kommen kann, in der man stark angefochten wird. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass man darin abstürzt, ist geringer. Deshalb ist das Beste, was wir in der Gemeinde tun können, das geistliche Leben zu fördern – und zwar ein echtes geistliches Leben, bei uns und bei anderen.

Leute sollen motiviert werden, auf Jesus Christus zu vertrauen und mit ihm im Alltag zu leben. Dazu gehört das Bibellesen, das Singen, die Gemeinschaft und das gegenseitige Unterstützen.

Daneben ist es wichtig, dass wir lernen, ein offenes Auge für die Menschen an unserer Seite zu haben, denen es schlecht geht. Ich erlebe das immer wieder in christlichen Gemeinden, und ich verstehe es zum Teil auch.

Wenn jemand ein echtes Problem hat oder auch nur ein kleines, bittet die Gemeinde oft: „Bitte betet für mich.“ Zum Beispiel bei einer Bewerbung. Aber wenn jemand wirklich in einer tiefen Krise ist, dann erlebe ich, dass viele Geschwister es nicht benennen.

Warum? Sie benennen es häufig nicht, weil sie Angst vor einem Gesichtsverlust in der Gemeinde haben. Sie hoffen, dass es einfach vorbeigeht und keiner etwas davon erfährt. Dann bleibt die Anerkennung erhalten.

Warum? Weil es in vielen Gemeinden häufig so ist, dass, wenn jemand eine Ehekrise hat, man nicht sagt: „Ach, wir helfen ihm.“ Stattdessen denkt man: „Da muss etwas falsch sein, da ist Sünde, das ist schlecht.“ Niemand will als Sünder dastehen. Jetzt hast du schon eine Ehekrise, und dann kommen alle und sagen dir, was du falsch machst und was du richtig machen musst. Sie schauen auf dich herab. Das will keiner.

Deshalb erzählen wenige von ihrer Ehekrise. Manche leben in einer kaputten Ehe ihr Leben lang, und niemand kümmert sich. Oder plötzlich sind wir ganz überrascht: „Ach, die verlassen die Gemeinde, die gehen auseinander.“ Die Krise war aber schon jahrelang da, nur keiner hat es gemerkt.

Viele verheimlichen ihre wirklich tiefen Probleme und Zweifel. Ich spreche jede Woche mit Leuten aus Gemeinden, auch bibeltreuen und konservativen. Da sind Menschen, die plötzlich Zweifel haben: Ist Jesus der Erlöser? Ist die Bibel wahr? Sie wagen aber mit niemandem zu reden, weil sie wissen, dass sie in der Gemeinde sofort abgestempelt werden. Dann sind sie der Zweifler und der Böse. Sie dürfen nichts mehr tun, und alle schauen mitleidig auf sie herab. Deshalb redet niemand darüber.

Das heißt, was wir brauchen, ist, dass deutlich wird: Sünde ist Sünde, falsches Denken ist falsches Denken. Aber wir müssen damit rechnen, dass das normal ist und in der Gemeinde auftritt. Wir alle werden vom Teufel angefochten und haben schwierige Phasen. Das betrifft nicht nur den „bösen Sünder“ auf der letzten Bank, das betrifft jeden.

Wenn diese Sichtweise da ist, fällt es Menschen leichter, auch über ihre wirklichen Probleme zu sprechen – nicht nur über oberflächliche.

Die weniger schweren Probleme sind zum Beispiel: eine Stelle verlieren oder das Auto ist kaputt. Das ist zwar auch schwer, führt aber meist nicht zu Depressionen, weil es eine kurzzeitige Belastung ist.

Die wirklich schwierigen Sachen sind häufig die Beziehung zu Gott und die menschlichen Beziehungen – zum Partner, zu den Eltern, zu den Kindern, zu den Nachbarn oder an der Arbeit. Diese Dinge nehmen einen stark mit.

Schwere Erkrankungen oder der Tod eines Angehörigen sind ebenfalls große Belastungen. Ich erlebe es auch, dass jemand nach drei Wochen schon gefragt wird: „Warum bist du jetzt noch nicht darüber hinweg?“ Wenn jemand aber 30 oder 40 Jahre verheiratet war, ist es normal, dass er nach drei Wochen nicht darüber hinweg ist, dass sein Partner gestorben ist.

Wenn jemand so schnell darüber hinweg wäre, würde ich als Seelsorger sagen: Irgendetwas stimmt nicht. Entweder verdrängt er das oder die Ehe war schon schlecht, und er ist froh, den Partner loszuwerden.

Wir sind vielleicht noch nicht 40 Jahre verheiratet, aber wenn meine Frau sterben würde, wäre ich nach drei Wochen auch nicht darüber hinweg. Das Leben geht weiter, aber die Trauer bleibt.

Deshalb ist es normal, dass jemand darunter leidet und die Einsamkeit ihn erschlägt, wenn er alleine zu Hause sitzt. Dann müssen wir diese Person ein Stück weit begleiten und an ihrer Seite stehen. Das erleichtert das Leben.

Praktische Hilfe und Gemeinschaft in der Vorphase

Das ist jetzt alles, bevor die große Depression kommt. Wir sehen die Gefahr: Da hat jemand seinen Job verloren.

Es geht nicht nur darum, dass wir am Sonntag einmal dafür beten, sondern vielleicht auch öfter mal zu Hause bei der Person nachfragen. Wir sollten versuchen, öfter etwas mit der Person zu unternehmen, damit sie sieht, dass es auch noch andere Lebensbereiche gibt als nur den Job, der jetzt weg ist.

Oder in der Ehe: Wir sollten es so schaffen, dass es möglich ist, auch in der Gemeinde offen über Eheprobleme zu sprechen, ohne dass jemand gleich das Gesicht verliert oder Angst haben muss, dass alle in der Gemeinde darüber reden und sich schlecht über ihn äußern. Sonst führen wir nur dazu, dass Leute heucheln.

Eheprobleme sind normal. Wenn jemand sagt, es geht immer alles gut, dann argwöhne ich, dass da irgendetwas nicht stimmt und die Person etwas vormacht. Der Normalfall ist, dass es auch Probleme in der Ehe gibt. Oder man lebt gleichgültig nebeneinander her – das ist doch ganz normal.

Wenn zwei unterschiedliche Menschen zusammenleben müssen, dann reiben sie sich, weil sie nicht immer gleicher Meinung sind und nicht immer dieselben Erwartungen haben. Das heißt, es ist total normal, dass es Reibungen gibt.

Nenn mir mal eine Ehe in der Bibel, in der immer nur alles gut war und alle sich immer liebten. Die meisten Ehen in der Bibel, soweit wir einen Einblick haben – von Abraham bis zum Neuen Testament – waren geprägt von Krisen und Problemen.

Und glaubt mir, auch Petrus hatte Probleme in seiner Ehe. Stellt euch mal vor: Petrus reist mit Jesus drei Jahre lang durch die Welt, während seine Frau und die Kinder zu Hause allein sind. So war das damals. Petrus war verheiratet und in einem Alter, in dem er kleine Kinder zu Hause hatte. Was ist denn mit denen?

Ich weiß nicht, was eure Frau sagen würde, wenn ihr drei Jahre lang mit dem Prediger durch die Gegend reist und sie allein zu Hause bleiben muss. Meine Frau wäre nicht so glücklich darüber. Und dann gibt es Probleme.

Bei Abraham können wir sogar lesen, welche Auseinandersetzungen er mit Sarai hatte. Und bei vielen anderen Beispielen sehen wir das auch.

Ich will das nicht schlechtreden, sondern einfach nur sagen, dass Spannungen unter Menschen normal sind. Das muss auch in der Gemeinde normal sein. Aber wir müssen dann natürlich Heilung und Lösungen anbieten.

Wenn ein Mensch jedoch nicht bereit ist, darüber zu sprechen, weil er Angst hat, fertiggemacht zu werden oder sich, wie junge Leute heute sagen würden, „gedisst“ fühlt – also schlecht behandelt oder bloßgestellt –, dann werden Leute nicht darüber sprechen.

Dann werden wir immer mehr erleben, dass Ehen scheitern, dass Leute auseinandergehen oder nur noch gleichgültig nebeneinander leben.

Deshalb müssen wir lernen, auch über wirkliche Probleme offen reden zu können, ohne dass jemand im Vorfeld sein Gesicht verliert. Daneben braucht es gute geistliche Lehre und regelmäßige Ermutigung im Glauben.

Wir sollten uns gegenseitig auch mal ermutigen – nicht nur im Gottesdienst oder in der Bibelstunde, sondern auch während der Woche.

Denn wir müssen damit rechnen, dass jeder Christ auch mal eine Phase hat, in der die stille Zeit nicht so intensiv ist und er die Nähe Gottes nicht so stark spürt.

Wir alle merken doch, wie gut es tut, wenn ein Bruder anruft, es ehrlich meint und sagt: „Ach, heute bete ich für dich und wünsche dir einen richtig schönen Tag.“ Oder wenn man einander eine ermutigende SMS mit einem tollen Bibelvers oder einem guten Wunsch schreibt.

Wozu dient das? Es dient nicht dazu, dass es keine Depressionen gibt, sondern dazu, dass unsere Beziehung zu Jesus und zueinander stabil bleibt und wir freudig als Christen leben.

Das ist die beste Vorbereitung für eine schwierige Lebensphase. Wenn dann eine schwierige Lebensphase kommt, werden wir leichter damit fertig, als wenn wir meinen, auf uns alleine gestellt zu sein.

Wenn ich den Blick auf Jesus verloren habe, aber fünf andere Brüder mir helfen, diesen Blick wiederzufinden, ist die Gefahr geringer, dass ich abstürze und meine Probleme über den Kopf wachsen.

Das ist alles Vorbereitung in der Vorphase – bevor eine richtige Depression beginnt. Es ist die Phase, in der es im Leben einfach mal auf und ab geht, wie normal.

Wir müssen uns gegenseitig helfen, mit richtiger Lehre, damit wir kein falsches Bild von der Bibel, von Gott und von Jesus haben. Wir brauchen Ermutigung in kleinen Dingen im Alltag – und das immer wieder.

Wir müssen die Möglichkeit haben, über echte Probleme zu reden, ohne Angst zu haben, dadurch schlecht dazustehen. Und wir sollten uns untereinander Ratschläge geben.

Die beste Seelsorge ist die, die unter Geschwistern stattfindet. Dafür brauchen wir gar nicht unbedingt Älteste oder Mitarbeiter.

Nach dem Gottesdienst gehst du zusammen mit jemandem und sagst ein ermutigendes Wort. Am Montag Nachmittag oder Abend denkst du: „Ach, mein Bruder, von dem habe ich da und da gehört, den rufe ich mal an.“ Und dann redest du mit ihm.

Im Idealfall ist das etwas, was jeder in der Gemeinde tut. Jeder betreibt Seelsorge durch das, was er sagt, durch seine Begegnung mit anderen und wie er Hilfe anbietet.

Das kann manchmal eine richtige Hilfe sein, bevor eine schwere Krise kommt.

Beispiel aus der Gemeinde: Praktische Hilfe und Gemeinschaft

Da habe ich neulich etwas ganz Schönes erlebt, was ich auch sehr ermutigend fand – bei uns in der Gemeinde. Die Geschwister in der Gemeinde wissen, dass ich häufiger unterwegs bin. Meine Frau weiß es ja sowieso, das ist ja klar.

Da gab es eine Sache: Wir haben einen alten Schornstein bei uns am Haus, der schon seit einigen Jahren nicht mehr benutzt wird. Das ist für euch jetzt vielleicht nicht wahnsinnig interessant, aber was passiert da? Ein Schornstein, den man nicht benutzt, fängt an zu stinken. Plötzlich riecht es in der Wohnung, weil sich Feuchtigkeit absetzt. Dann zieht der Geruch durch die Wände. Kein riesiges Problem, aber ich merkte, dass das meiner Frau zu schaffen machte.

Ich wollte immer nur lüften und den Geruch loswerden, das war alles mühsam. Sie wurde schon unzufrieden damit. Ich wusste aber, dass ich keine Zeit habe, den Schornstein abzureißen.

Dann haben einige Geschwister aus der Gemeinde das mitbekommen. Ohne dass ich sie darum gebeten hätte, sagten sie plötzlich: „Michael, komm, lass uns doch hingehen, wir wollen dir den Schornstein abreißen.“ Das fand ich eine tolle Sache.

Das war für mich auch eine Art geistliche Vorbereitung. Wenn sie es nicht getan hätten, wäre meine Frau vielleicht immer unzufriedener geworden. Irgendwann hätte es vielleicht einen richtigen Streit gegeben. So war das im Vorfeld eine große Erleichterung.

Das zeigt, dass manchmal Schwierigkeiten oder sogar Depressionen durch Sachfragen ausgelöst werden – aber nicht immer. Manchmal steckt das Problem in uns selbst, manchmal ist es ein äußeres Problem, das wir lösen können und müssen.

So kann es auch eine Lösung sein, die Augen offen zu haben und zu sehen, wo jemand in einer schwierigen Lage ist – nicht unbedingt selbst verschuldet. Wo ich durch eine relativ kleine Hilfe mitwirken kann und dadurch die Gefahr eines größeren Problems gebannt wird. Das wäre eine Möglichkeit.

Umgang mit beginnender Depression: Intensivere Seelsorge und Begleitung

Nun, wenn jemand am Anfang einer Depression steht oder schon etwas tiefer drin ist, braucht es intensivere Seelsorge. In solchen Fällen sollte man sich auch längerfristig mit der Person zusammensetzen, um zu klären, wo die eigentlichen Schwierigkeiten liegen und wo geistliche Unausgewogenheit besteht.

Häufig führen äußere Probleme, wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit, besonders im fortgeschrittenen Alter, zu einer solchen Situation. Man denkt dann oft: „Ich bekomme keinen Job mehr“ oder „Ich werde keinen mehr bekommen“. Das kann zu einer seelischen Belastung führen.

Hier sollte man die Person nicht allein mit ihren Problemen lassen. Es ist wichtig, regelmäßig nachzufragen, nicht nur am Sonntag, wie es ihr geht. Auch alternative Beschäftigungen sollten angeboten werden. Geistlich kann man versuchen, der Person zu vermitteln, dass sie von Gott gebraucht wird und ihr Leben sinnvoll ist – auch ohne Job.

Im Beruf erhalten wir oft Bestätigung: Der Arbeitgeber braucht uns. Auch wenn er es nicht immer sagt, wissen wir, dass ohne uns die Arbeit nicht läuft. Das wirkt sich positiv auf unsere Psyche aus. Wenn diese Bestätigung fehlt, genießen viele Menschen die ersten zwei Wochen der Arbeitslosigkeit. Doch dann kommt langsam das Gefühl, sinnlos zu sein, keine Aufgabe mehr zu haben und die Familie nicht versorgen zu können.

In solchen Situationen braucht es intensivere Seelsorge. Älteste Gemeindemitarbeiter sollten sich solchen Personen annehmen, bevor sie ganz unten sind. Wenn die Stimmung schlecht ist und die Person sich nicht mehr an ihrem Leben freut, wenn sie langsam die Perspektive verliert, merkt man das oft in Gesprächen. Diese drehen sich immer nur noch um den Job und die Tatsache, dass sie keinen haben.

Dann erkennt man, dass etwas schief läuft. Der Job ist wichtig, aber nicht das ganze Leben. Auch die Gesundheit ist wichtig, aber nicht alles. Trifft man jemanden, der bei jedem Gespräch nur über seine Gesundheit redet, ist intensive Seelsorge notwendig. Denn hier bahnt sich oft eine Depression oder eine tiefere Niedergeschlagenheit an.

Wer ständig nur an seine schlechte Gesundheit denkt, wird mit der Zeit depressiv. Wenn man den ganzen Tag denkt: „Mir geht es so schlecht, ich habe so viele Schmerzen“, werden die Schmerzen nicht weniger, sondern eher mehr. Die Situation verschlechtert sich.

Genau hier muss man der Person geistlich helfen und Korrektur geben, solange das noch möglich ist. Es geht nicht darum zu versprechen, dass alle Schmerzen weggehen, sondern eher darum, die Augen zu öffnen: Gott will dich gebrauchen, auch so, wie du bist.

Man kann biblische Beispiele nennen, Beispiele aus dem eigenen Leben oder Dinge vorschlagen, die in dieser Phase helfen können.

Zum Beispiel gibt es in unserer Gemeinde gerade einen Bruder, der arbeitslos geworden ist. Er war über zwanzig Jahre in einem Betrieb tätig, der dann abgebaut wurde. Er hatte sich darauf vorbereitet und im Gespräch mit der Gemeindeleitung übernimmt er nun Aufgaben in der Gemeinde. Nebenbei sucht er weiterhin einen Job.

Ich habe mit ihm gesprochen und fand es richtig gut, dass er die Situation als Chance sieht. Er ist nicht faul, sondern will dringend wieder arbeiten. Aber solange er keinen Job hat, kann er bestimmte Dinge in der Gemeinde tun, die sonst nicht möglich wären und die niemand sonst übernehmen kann.

Er ist bereit, diese Aufgaben anzupacken. Es gibt noch ein paar andere Geschwister, die mitmachen. So füllt er seine Zeit sehr sinnvoll und gut aus.

Wenn jemand krank ist und nicht mehr zur Gemeinde kommen kann, sollte man überlegen, was diese Person tun kann. Es geht darum, dass sie nicht nur vor dem Fernseher sitzt, Romane liest oder am Telefon hängt, sondern sinnvolle Dinge tut.

Dafür braucht man von außen Hilfe, Mut zum Gespräch und gemeinsames Gebet. Man muss sehen, wo geistliche Unausgewogenheit besteht. Genau das muss man in solchen Fällen tun.

Umgang mit fortgeschrittener Depression und Klinikaufenthalt

Häufig haben wir erst dann mit Menschen in Depressionen zu tun, wenn die Erkrankung bereits sehr weit fortgeschritten ist. Denn irgendwann lässt sich das nicht mehr verbergen. Sie kommen nicht mehr in die Gemeinde, wir fragen nach, und so bekommen wir ein bisschen davon mit. Manche melden sich sogar aus der Gemeinde ab, andere werden in eine Klinik eingeliefert.

Was machen wir dann? Hier braucht es mehrere Stufen. Die erste Stufe möchte ich biblisch ableiten, nach dem, was wir von Elija gelesen haben. Diese erste Stufe ist meistens eine körperliche Stabilisierung.

Menschen, die sich sehr schlecht fühlen und in einer schweren Depression sind, haben häufig nicht nur geistliche Defizite, sondern es geht ihnen auch körperlich schlecht. Es treten verschiedene Formen von Schmerzen und Erkrankungen auf, wenn es einem psychisch schlecht geht. Dafür braucht es zunächst eine Phase der Ruhe.

Wenn es gar nicht anders geht, muss man eine Person auch in eine psychiatrische Klinik einweisen. Vor allem dann, wenn man zu Hause nicht die Zeit hat, sich um sie zu kümmern, sie zu pflegen oder zu füttern. In der Klinik kann sie sich zunächst körperlich stabilisieren.

Die Klinik hilft den Menschen nicht bei geistlichen Problemen oder bei der Lösung der realen Schwierigkeiten. Sie hilft nur, den Körper wieder zu stabilisieren, normales Essen zu ermöglichen, sich wieder zu bewegen und einen normalen Tagesablauf stückweise anzunehmen. Manchmal werden auch Psychopharmaka verabreicht, was in manchen Fällen angemessen sein kann.

Menschen, die sich in einer starken Angst- oder Problemspirale befinden, kommen oft nicht allein heraus. Gespräche prallen ab und dringen nicht durch. Dann müssen sie erst einmal auf ein Normalmaß herunterkommen und erkennen, dass es auch noch anderes gibt außer ihrem Problem und ihrer jetzigen Situation. Psychopharmaka können dabei helfen, kurzzeitig und punktuell, um herunterzukommen und sich wieder auf normales Denken einzustellen.

Diese Phase sollte jedoch von vornherein zeitlich begrenzt sein. Es gibt Menschen, die in dieser Phase bleiben wollen, weil sie dort keine Probleme lösen müssen. Manche genießen es sogar, in einer psychiatrischen Klinik zu sein. Das sagen sie zwar nie offen, sondern klagen immer über die Schwere der Situation, aber in Wirklichkeit wollen sie es gerne.

Warum? Weil sie in der Klinik für nichts mehr verantwortlich sind. Zu Hause müssen sie sich um Job, Familie, Haus und vieles mehr kümmern. In der Klinik wird ihnen alles abgenommen. Sie müssen nur nett jemanden haben, der ihnen das Essen gibt, ab und zu die Hand hält oder ein nettes Gespräch führt. Sie müssen nichts machen.

Deshalb sollte man vorsichtig sein, Menschen in psychiatrische Kliniken zu schicken. Manchmal ist es notwendig, aber ich habe auch erlebt, dass es manchen dadurch noch schlechter geht – selbst in christlichen Kliniken wie der "Hohen Magd".

Zum Beispiel hatte ich Seelsorge mit einem Ehepaar, das drei Kinder hatte. Die Frau wurde psychisch krank, depressiv, und kam in die Klinik. Seitdem wurde es immer schlimmer, und am Ende trennte sie sich von ihrem Mann. Für sie war der Klinikaufenthalt falsch.

Zu Hause hatte sie den Mann mit seinen Ansprüchen und die drei Kinder mit ihren Bedürfnissen. In der Klinik jedoch musste sie keine Hausaufgaben machen, keine Kinder morgens wecken, nicht putzen, nicht waschen, nicht einkaufen – alles wurde ihr abgenommen. Es gab auch keine Konflikte mehr mit ihrem Mann.

Ich rede hier von bibeltreuen Christen, die ernsthaft Christ sein wollten. Doch die Situation wurde nur schlimmer, denn in der Klinik waren viele andere Menschen mit ähnlichen Problemen. Dort lernte sie einen anderen depressiven Mann kennen, der sie genau verstand. Die beiden hatten den ganzen Tag nichts zu tun und freuten sich aneinander.

Schließlich verließ sie ihren Mann und zog unverheiratet mit dem depressiven Mann zusammen. Die Frau ist bis heute depressiv und kam nie heraus. Hier sehen wir deutlich, dass es falsch ist, Menschen alle Herausforderungen ihres Lebens wegzunehmen.

Psychiatrische Kliniken sind eine Sondersituation, eine künstliche Welt. Manche fliehen dort aus ihren Problemen und betrachten den Aufenthalt als Lösung. Doch das ist keine Lösung. Es kann höchstens eine zeitlich befristete Ruhepause sein, wie Elija in der Wüste, um Kraft zu sammeln. Danach müssen die Probleme und die eigene Persönlichkeit angegangen werden, um sie weitgehend zu lösen und damit umgehen zu können.

Die psychiatrische Klinik als Lösung der Depression zu betrachten, ist eine Illusion. In den wenigsten Fällen funktioniert das. Die meisten werden danach chronisch depressiv, dauerhaft depressiv oder noch schlimmer – sie werden lebensunfähig. Das darf nicht sein.

Manche Menschen nutzen die Depression auch, um aus der Verantwortung herauszufliegen, ohne in einer Klinik zu sein. In manchen Gemeinden gibt es Schwestern und Brüder, die die halbe Gemeinde beschäftigen, um den Haushalt zu regeln. Das kann kurzfristig notwendig sein, aber langfristig darf das nicht zur Regel werden. Das fördert die Depression der Person.

Denn ein Depressiver muss lernen, auch mit begrenzten Mitteln sein Leben und seine Probleme zu bewältigen. Es ist oft viel bequemer, zu jammern und zu sagen, wie schlecht es einem geht, während andere die Arbeit übernehmen. Man bekommt dafür sogar noch viel mehr Zuwendung.

Jemand, der geschickt darin ist, depressiv zu sein und das zu genießen, erhält oft mehr Zuneigung von der Gemeinde als andere. Wenn man arbeitet, wird man kritisiert. Wenn man leidet, wird man bemitleidet und unterstützt. Das ist gut für eine Zeit in der Krise, aber keine Dauerlösung.

Wenn jemand in einer tiefen Krise steckt, Mann oder Frau, und alles zusammenbricht, muss die Gemeinde natürlich helfen – kochen, waschen, unterstützen. Aber das darf nie zur Dauerregelung werden. Auch wenn sich die Person daran gewöhnt, nichts mehr zu schaffen, darf man nicht darauf hören.

Stattdessen muss man Stück für Stück mit der Person üben, dass sie immer mehr Teile ihres Lebens selbst übernimmt. Die Person wird das nicht allein schaffen. Man kann nicht einfach sagen: „Mach es allein.“ Das geht nicht.

Man muss zum Beispiel mit der Person einen genauen Tagesplan erstellen und diesen auch einüben. Sonst funktioniert das nicht. Das ist bei allen Menschen so, deren Leben zusammenbricht. Sie können das häufig nicht mehr alleine aufbauen. Man muss sie an die Hand nehmen, wie ein Kind, und den Tag genau einteilen.

Morgens muss man vielleicht auch um sieben Uhr klingeln und sagen: „Jetzt aufstehen! Raus aus dem Bett!“ Dann gemeinsam abwaschen, die Spülmaschine ausräumen, die Wäsche aufhängen. Die Menschen müssen das lernen.

Das Abnehmen der Arbeit führt in allen Bereichen zu weniger Selbständigkeit. In der Altenpflege ist das bekannt: Wenn man einem alten Menschen alles abnimmt, kann er nach wenigen Monaten nichts mehr selbst.

In unserem Dorf gibt es eine Bäuerin, Mitte achtzig, die trotz ihres Alters und ihrer Krankheit fast alles selbst macht. Würde man sie ins Krankenhaus oder in eine Pflegeeinrichtung geben, könnte sie innerhalb von wenigen Monaten nichts mehr.

Gott hat uns so geschaffen, dass wir an Herausforderungen wachsen. Herausforderungen wegzunehmen ist gut für eine Phase der Erholung, aber danach müssen wir wieder an die Arbeit des Alltags herangeführt werden, um sie bewältigen zu können.

Ein depressiver Mensch mit weniger Leistungsfähigkeit wird später weniger schaffen können. Jemand, der sehr depressiv ist, sollte vielleicht keine eigenes Haus haben, sondern eine Wohnung. Er sollte keinen stressigen Job ausüben, sondern einen einfachen. Solche Dinge kann man regeln.

Aber jeder Mensch kann einen Großteil seines Lebens selbst gestalten, und das tut ihm gut. Auf Dauer tut es keinem Menschen gut, wenn man ihm alle Verantwortung wegnimmt.

Die erste Phase ist also eine Ruhepause für die Person. Hat sie sich etwas erholt, müssen wir ihr konkret helfen, ihren Alltag wieder zu bewältigen. Obwohl es mühsam ist und die Person vielleicht denkt, sie schafft es nicht – und es in dem Moment vielleicht auch nicht kann – müssen wir für sie Hoffnung haben.

Wir müssen für sie glauben: Du kannst es! Und ihr helfen, es zu tun. Das wird ein Kampf sein und Mühe kosten. Aber wenn es erreicht ist, wird die Person froh und glücklich sein, wieder einen Teil ihres Lebens selbst gestalten zu können. Es wird besser in der Familie, im Beruf oder an anderen Stellen.

Das sind die Schritte, die wir gehen müssen: nicht zu viel abnehmen, sondern immer nur punktuell und mit dem Ziel, dass es aufhört. Dabei darf man nicht zu sehr auf die Person hören, die depressiv ist. Sie wird immer sagen: „Ich schaffe es nicht.“ Das ist Teil ihres Problems.

Man muss Stück für Stück herausfordern, aber nicht allein lassen. Nicht einfach sagen: „Mach es!“ Sondern an der Seite stehen, ermutigen, Hilfestellung geben, Pläne machen und Dinge vereinfachen.

Jetzt geht es auch darum, die Probleme, die zur Depression geführt haben, anzugehen. Liegt es an der Ehe, am Beruf oder an Mobbing, versuchen wir gemeinsam mit der Person, die Ursachen soweit möglich abzustellen.

Hat jemand eine tödliche Krankheit, können wir sie nicht abstellen. Aber bei Konflikten mit Nachbarn, die die Person allein nicht lösen kann, kann man versuchen, mit dem Nachbarn zu sprechen, zu schlichten oder Wege zu finden, wie der Betroffene dem Nachbarn aus dem Weg gehen kann.

Manchmal muss man auch empfehlen, den Job zu kündigen, wenn er die Person kaputt macht. Wenn sie nach der Erholung wieder in den Job zurückkehrt, wird sie in einem halben Jahr wieder in der gleichen Situation sein.

Manche trauen sich nicht, den Job zu wechseln, weil sie keinen neuen haben. Aber sie merken, der Job macht sie so fertig, dass sie keine Kraft mehr für Gemeinde, Gott oder Familie haben.

Dann muss man ihnen Mut machen und sagen: „Du musst kündigen, sonst gehst du kaputt, ebenso deine Familie und dein geistliches Leben.“

Das heißt, wir helfen bei Entscheidungen und suchen Lösungen für schwierige Lebenssituationen, in denen die Betroffenen stecken.

Seelsorgerliche Hilfe: Den Blick auf Jesus richten

Parallel dazu kommt die eigentliche seelsorgerliche Hilfe ins Spiel. Diese besteht darin, demjenigen, der in einer Depression steckt, immer wieder den Blick auf Jesus, auf Gott, zu eröffnen.

Besonders eindrücklich finde ich – auch wenn es keine gründliche Exegese ist – den Satz, als Jesus mit seinen Jüngern auf dem Berg der Verklärung ist. Dort erscheinen die beiden Propheten Elija und Mose. Die Jünger knien nieder, doch dann steht es geschrieben: „Sie standen auf und sahen niemanden als Jesus allein.“ Damit ist gemeint, dass Elija und Mose wieder verschwunden sind. Ich finde diesen Satz schön, denn genau das braucht derjenige, der in Depression ist: den Blick auf Jesus allein.

Das meine ich nicht nur abstrakt-theologisch. Je stärker du den Blick auf Jesus richtest und darauf, was er tun kann, desto kleiner und realistischer werden deine eigenen Probleme und Schwierigkeiten. Du brauchst immer wieder den Blick auf Jesus.

Wie kannst du diesen Blick bekommen? Zum Beispiel, indem dir jemand Zuspruch gibt. Oder indem du der betroffenen Person hilfst, ein Plakat zu Hause aufzuhängen, auf dem steht: „Ich bin bei dir bis ans Ende der Welt“ oder etwas Ähnliches, sodass sie es immer wieder sieht. Gib der Person ermutigende Predigten, eine CD oder einen MP3-Player mit geistlichen Liedern, die sie tagsüber hören kann. Auch das kann die Stimmung aufhellen.

Ich habe gesagt, bei Saul war es ähnlich: Er litt unter einer depressiven Stimmung. Was hilft da? Musik. Musik spricht unsere Seele an. Wenn die Musik außerdem geistlichen Inhalt hat, also eine gute geistliche Botschaft weitergibt, ist das umso besser. Musik kann uns ermutigen, aufbauen und weiterhelfen.

Predigten im Alltag, Ermutigung durch andere Geschwister, die vorbeikommen – das können geistliche Hilfen sein. Wichtig ist, danach zu suchen, wo möglicherweise ein geistliches Defizit vorliegt. Ich habe gesagt: Wo ist vielleicht zu viel Selbstmitleid? „Ich denke immer nur an mich.“ Das kann ein Ursprung sein, der angegangen werden muss, sobald man wieder etwas stabiler ist.

Wo ist Sünde im Leben, die bereinigt werden muss? Wo gibt es ein unausgewogenes geistliches Leben? Vielleicht nimmst du dir gar keine Zeit zum Beten und Bibellesen. Das musst du intensiver tun, um besser vorbereitet zu sein für eine nächste schwierige Phase in deinem Leben. Das heißt, geistliche Probleme anzugehen.

Oder wenn es um die Ehe geht: Du kannst immer davon ausgehen, dass in einer Ehe, wo Schwierigkeiten sind, auch Fehler auf beiden Seiten liegen. Sprichst du nur mit einem Ehepartner, wird der meist erzählen, wie schlimm der andere ist. Sprichst du mit dem anderen, merkst du plötzlich, dass auch dieser vieles nicht erwähnt hat. Das ist oft nicht böse gemeint, sondern der andere merkt gar nicht, was er beim Partner auslöst. Diese Dinge müssen angesprochen werden.

Es hilft dir nicht, nur denjenigen zu bemitleiden. Wenn jemand sagt: „Alle im Betrieb sind so böse“ oder „meine Frau ist so böse“, „mein Mann ist so böse“, ist Mitgefühl wichtig. Aber dabei stehenzubleiben, ist falsch und sogar Sünde. Denn das ist immer nur eine Perspektive, die dem anderen nicht weiterhilft. Das Mitleid ist gut und wird gebraucht, aber meistens braucht der andere auch eine Korrektur: „Da bist du auch, du machst auch Fehler.“ In den meisten Fällen ist das so.

Aus meiner Seelsorge und eigenen Erfahrung weiß ich: Meist sind mehrere Personen beteiligt, auch Menschen mit Depressionen sind nicht sündlos oder machen alles richtig. Es gibt Belastungen von außen, da können wir helfen. Aber es gibt auch Dinge, die du selbst verändern musst. Dafür müssen wir Hilfestellung geben.

Wir sollten einer Person nicht versprechen, dass sie nie mehr depressiv wird oder dass alles in ihrem Leben gut läuft. Das wird sehr wahrscheinlich nicht passieren, weil Menschen, die zu Depressionen neigen, oft mit Problemen zu tun haben, die nicht verschwinden. Es hängt auch mit der Persönlichkeit zusammen, die sich nicht grundsätzlich verändert.

Ich habe einige wenige Fälle erlebt, in denen Gott durch Gebet und Seelsorge Depressionen vollkommen weggenommen hat. Häufiger habe ich aber erlebt, dass jemand durch seelsorgerliche Begleitung und praktische Lösungsangebote im Alltag besser mit seinen Depressionen umgehen konnte. Die Depressionen traten nicht mehr so häufig auf und waren nicht mehr so tief. Sie konnten leichter abgefedert werden.

Das ist, glaube ich, ein realistisches geistliches Ziel, das wir jedem in Aussicht stellen können. Zu hohe Ziele zu vermitteln führt oft zu Enttäuschungen – sowohl bei dem, der Seelsorge gibt, als auch bei dem, der die Probleme hat.

Ein realistisches Ziel ist: Mit der Hilfe Gottes wirst du besser mit deinem Problem umgehen können. Gott kann dir helfen, deine Gedankenspirale zu durchbrechen, in der du nur noch negative Gedanken hast. Du kannst irgendwann sagen: „Nein, ich will das nicht mehr!“ In der Anfangsphase der Depression ist das noch möglich.

Wenn du in der Spirale drin bist, weißt du genau, wo sie endet. Du kannst sagen: „Nein, ich will das nicht denken!“ Wenn du dann noch Kraft hast, geh draußen spazieren, ruf jemanden an, lies in der Bibel oder sing ein Lied, um die Gedankenspirale zu unterbrechen. Dann ist die Chance relativ groß, dass es nicht noch weiter nach unten geht.

Wenn du nichts tust, kommt irgendwann eine Phase, in der du selbst nicht mehr aus der negativen Gedankenspirale herauskommst. Dann müssen dir andere helfen.

Solche Fähigkeiten kann man lernen: Wie man damit umgeht, wie man starkes Vertrauen auf Gott gewinnt, wie man schneller zu Gott kommt, um mit ihm über die Probleme zu sprechen, wie man Trost und Nähe Gottes in schwierigen Lebenslagen erfährt. Das alles hilft, auf Jesus zu sehen, statt nur auf sich selbst, die eigenen Möglichkeiten oder die Schwierigkeiten und Probleme.

Wie gesagt, das alles gibt keine Garantie, nie mehr mit Niedergeschlagenheit oder Depression zu tun zu haben. Aber es hilft, besser vorbereitet zu sein, weniger tief abzustürzen und schneller wieder herauszukommen. So kannst du deine Verantwortung im Umfeld normal übernehmen.

Abschluss und Ausblick auf den weiteren Austausch

Ja, jetzt ist die Zeit, die ich nach der Uhr habe, um euch diesen Impuls weiterzugeben, abgelaufen.

Wir werden jetzt wieder fünf Minuten Pause machen. Danach kommen wir noch einmal zusammen, um hier Fragen zu klären, Ergänzungen zu besprechen, Widersprüche zu diskutieren und einzelne Nachfragen zu stellen.

Ich bin gerne dazu bereit und auch gespannt auf die Erfahrungen, die ihr gemacht habt. Diese können uns hier bereichern. Denn bei dieser Frage gibt es nicht nur eine Antwort für alles. Ich glaube, es gibt viele Erfahrungen, die uns helfen können.

Das ist ja unser Ziel: Es geht nicht darum, dass einer Recht hat und der andere nicht. Sondern darum, uns gegenseitig zu ermutigen und Hilfe zu geben, richtig damit umzugehen.