Das Gewicht des Leids und die Realität des Leidens
Wenn man Leid wiegen könnte, wie schwer wäre dann der Rucksack, den du gerade mit dir trägst? Ich habe hier eine Waage mitgebracht – das ist der Rucksack des Leidens.
Wenn ich in eure Gesichter schaue, sehe ich Menschen in diesen Reihen, von denen ich weiß, dass sie gerade durch Leid gehen. Es ist immer schwierig zu sagen, wie viel Gewicht an Leid man gerade mit sich trägt. Das Gewicht des Leids setzt sich aus mindestens drei Komponenten zusammen: einmal aus der Intensität des Leids, dann aus der Menge der Leiden, also wie viel auf einmal kommt, und schließlich aus der Dauer des Leids – wie lange hält dieses Leid an?
Dauer, Intensität und Menge machen das Gewicht des Rucksacks aus, den du mit dir trägst. Vielleicht sitzen heute einige hier, die sagen: „Ich trage 80 Kilo, ich zerbreche fast an diesem Leid.“ Es ist heftig. Sie kommen Sonntag für Sonntag hierher und wollen einfach nur ein Wort der Ermutigung, damit sie die nächste Woche überstehen können. Diese Leute sitzen heute im Raum und vielleicht auch vor dem Bildschirm im Livestream.
Dann gibt es Menschen, die sagen: „Nein, 80 Kilo sind es nicht. Es sind vielleicht 40 Kilo. Ich kann noch irgendwie gerade meinen Kopf über Wasser halten, ich gehe noch aufrecht, aber die Leichtigkeit ist weg in meinem Leben.“ Sie leben nicht mehr locker und unbekümmert als Herr, sondern haben etwas zu tragen, und sie merken es zunehmend.
Und dann gibt es sicherlich auch Leute, die sagen: „Andre, ich weiß nicht so genau, wovon du sprichst. Ich habe noch keine Leiderfahrung gemacht – preis dem Herrn, wenn das so ist.“
Ich möchte an den Anfang der Predigt einige Worte des kanadischen Theologen D. A. Carson stellen. Carson sagt: „Wenn du lange genug lebst, wirst du leiden. Wenn du lange genug lebst, wirst du leiden. Das Einzige, was dich vom Leiden abhält, ist, nicht lange genug zu leben.“
In diesem Fall führt das aber dazu, dass die Hinterbliebenen leiden. Eine ziemlich ernüchternde und nüchterne Feststellung, aber ich glaube, sie ist hundert Prozent wahr.
Das heißt, hier sitzen heute im Raum und auch vor dem Bildschirm zwei Personengruppen: Zum einen diejenigen, die schon Leiderfahrungen gemacht haben und vielleicht sogar richtig heftige oder gerade durch Leid gehen. Und zum anderen diejenigen, die noch durch Leid gehen werden. Diese beiden Personengruppen haben wir, und es gibt kaum etwas dazwischen.
Einführung in das Thema Hoffnung im Leiden
Mit meiner heutigen Predigt möchte ich das Thema Leid ansprechen. Es handelt sich dabei nicht um eine vollständige oder lückenlose Abhandlung dieses Themas, auch keine philosophische Betrachtung.
Der Predigttext, den wir heute betrachten, spricht über die Hoffnung in Zeiten des Leidens. Mein Predigtthema lautet: Hoffnung im Leiden der jetzigen Zeit. Der Text stammt aus Römer 8, Verse 18 bis 30. In unserer Römer-Serie sind wir mittlerweile bei diesem Kapitel angekommen.
Kapitel 8 ist ein wunderbares Kapitel, und mitten darin behandelt Paulus das Thema Leid. Vor allem spricht er über die Hoffnung, die wir persönlich im Leid haben können. Deshalb soll diese Predigt vor allem eine Ermutigung sein. Wenn du gerade durch Leid gehst, möchte ich dir etwas mitgeben, woran du dich festhalten kannst. Wenn du noch kein Leid erlebt hast, soll es dich darauf vorbereiten, falls das Leid kommt.
Es gibt Hoffnung im Leid für uns Gläubige. Worin besteht diese Hoffnung? Paulus nennt uns drei Gründe. Der erste ist die Hoffnung durch das Gewicht der Herrlichkeit.
Die Überlegenheit der zukünftigen Herrlichkeit
Kommt, wir steigen ein in den Text Römer 8. Ich lese zunächst Vers 18: Paulus sagt: „Denn ich denke, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.“
Paulus beginnt hier mit einer These, einer grundsätzlichen Aussage, die er als Feststellung macht. In den nächsten Versen wird er diese weiter erläutern und begründen.
Der Text beginnt in der Elberfelder Übersetzung mit den Worten „Denn ich denke“. Man könnte vielleicht zu dem Ergebnis kommen, dass dies nur eine persönliche Meinung von Paulus sei. Wichtig ist jedoch, dass im Griechischen das Wort „Logizomai“ verwendet wird. Daraus haben wir das Wort „Logik“ abgeleitet. Das bedeutet, Paulus sagt: Durch sorgfältiges Nachdenken folgere ich jetzt. Das ist mehr als nur „Ja, ich denke“. Es ist keine bloße Meinung, sondern Paulus ist zu einem Ergebnis gekommen, das er nun mitteilt.
Dieses Ergebnis lautet: Die Leiden der jetzigen Zeit fallen nicht ins Gewicht gegenüber der zukünftigen Herrlichkeit.
In den Versen 19 bis 22 erläutert Paulus dies weiter: „Denn das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes. Denn die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen worden, nicht freiwillig, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin, dass auch selbst die Schöpfung von der Knechtschaft der Vergänglichkeit freigemacht werden wird zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung zusammen seufzt und zusammen in Geburtswehen liegt bis jetzt.“
Paulus sagt, die ganze Schöpfung seufzt. Leid ist also nicht nur ein Thema, das uns Menschen betrifft. Mit Schöpfung meint Paulus hier auch die außer-menschliche Schöpfung. Er sagt, sie wartet, die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig. Sie seufzt, sie liegt in Geburtswehen. Und das wissen nicht nur Mütter: Wehen bedeuten Leiden. Das wissen sie besonders gut.
Paulus möchte hier jedoch nicht in erster Linie Mitgefühl für Tiere und Ähnliches erwecken, wenn er von der allgemeinen Schöpfung spricht. Sein Hauptanliegen ist es, das Thema Leid als ein universales Thema darzustellen. Die ganze Schöpfung als Gesamtheit leidet.
Die Frage ist: Warum leidet sie?
Vers 20 sagt: „Sie ist unterworfen der Nichtigkeit.“ Dieses Wort kommt vor allem im Alten Testament im Buch Prediger immer wieder vor. „Nichtigkeit“ bedeutet hier „Vergänglichkeit“. Die Schöpfung ist also der Vergänglichkeit unterworfen. Vers 21 ergänzt: „Sie befindet sich in der Knechtschaft der Vergänglichkeit.“
Das entspricht auch unserer Erfahrung. Egal, was wir anschauen: Der Herbst illustriert es uns besonders deutlich. Da ist etwas von Vergänglichkeit in der Natur, egal ob Pflanzen, Tiere oder Menschen. Man sieht überall das Gesetz der Vergänglichkeit. Man sieht es, wenn man in den Spiegel schaut: Die ersten Falten sind da, die grauen Haare kommen. Wir leben alle unter dem Gesetz der Vergänglichkeit.
Darüber erfahren wir mehr auf den ersten Seiten der Bibel. Denn, wie es im Römerbrief heißt: Die Schöpfung ist unterworfen im Gesetz der Vergänglichkeit durch den, der sie unterworfen hat – das ist Gott.
Aber warum kommt es dazu?
Jetzt müssen wir auf die ersten Seiten der Bibel schauen. Dort stellen wir fest, dass Gott diese Schöpfung ursprünglich nicht so geschaffen hat. Er hat sie sehr gut geschaffen, nicht vergänglich.
Doch der Mensch hat sich entschieden, gegen Gottes Gebot zu handeln – im Garten Eden. Gott hat den Menschen vorher gewarnt: Wenn ihr von der Frucht esst, werdet ihr sterben. Das heißt, dann kommt die Vergänglichkeit in diese Welt.
Der Mensch hat sich jedoch gegen Gott entschieden. Er will immer selbst Gott sein, er will nicht einen Gott über sich haben. Er will selbst bestimmen. Das ist bis heute so. Und er handelt gegen Gott.
Dieser Sündenfall in 1. Mose 3 ist sozusagen der Super-GAU, der die ganze Schöpfung in Mitleidenschaft zieht.
Ab 1. Mose 3 bekommen Schmerzen, Leid, Krankheiten, zwischenmenschliche Probleme und der Tod Einzug in diese Welt.
Das heißt, das ist das Leid einer gefallenen Welt. Und das ist das Leiden, das wir erleben, das Leiden, das das Leben in dieser Welt mit sich bringt.
Man sieht zwar noch etwas von der Schönheit und den ursprünglichen Gedanken der Schöpfung – wenn wir Sonnenuntergänge sehen oder im Urlaub die bemerkenswerte Natur bestaunen. Man sieht noch etwas von der Schönheit, und dennoch ist sie gefallen.
Das Bild der gefallenen Schöpfung und des Doms
Ich möchte das anhand einiger Bilder von unserem Dom veranschaulichen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde unsere geliebte Stadt Köln, wie viele andere Städte auch, von Luftangriffen heimgesucht. Dabei hat es auch den Dom getroffen. Er wurde schwer beschädigt, aber nicht vollständig zerstört.
Wenn wir uns diese Bilder anschauen, erkennen wir noch die wunderbare Architektur. Man sieht die ursprünglich guten Gedanken des Architekten. Gleichzeitig sind aber auch die vielen Trümmer sichtbar.
Genau dieser Zustand beschreibt die Schöpfung. Wir sehen noch etwas von der ursprünglichen Schönheit, aber es ist ein Gemisch aus Ordnung und Chaos. Es ist eine Mischung aus Schönheit und Hässlichkeit, aus Leiden und Freude, aus Liebe und Hass.
So ist der Zustand der Welt, in der wir leben. Paulus sagt, dass dies mit den Leiden der jetzigen Zeit zusammenhängt. Wir leben nicht mehr im Paradies, sondern in einer gefallenen Welt.
Das persönliche Leiden der Gläubigen und die Hoffnung
Das Leiden ist nicht nur universal, sondern auch persönlich. Schaut mal in Vers 23, dort geht es weiter: Nicht allein die Schöpfung, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes haben, seufzen in uns selbst und erwarten die Sohnschaft, die Erlösung des Leibes.
Paulus sagt, dass auch wir sehr persönlich leiden, selbst als Gläubige. Diese Lehre, dass es dir gut geht, wenn du nur genug glaubst, dass Gott dich dann materiell segnet, du gesund und reich sein wirst, ist eine falsche Lehre. Das ist das Wohlstandsevangelium.
Hier heißt es, dass auch wir als Kinder Gottes durch Leid gehen, weil wir in dieser Welt leben. Wir erleben Leiden. Aber der entscheidende Unterschied und die eigentliche Betonung in diesem Abschnitt ist: Wir haben Hoffnung. Wir haben Hoffnung trotz dieses Leids.
Der ganze Abschnitt ist durchtränkt von Seufzen, Wehen und Erwartung, aber auch von Hoffnung. Immer wieder finden wir das Wort, dass die ganze Schöpfung auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes wartet. Das heißt, sie wartet auf den Moment, in dem Jesus wiederkommt, alles neu macht und offenbart, wer seine Kinder sind.
Die ganze Schöpfung wartet darauf, von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit zu werden. Das steht noch aus. Es wird den Tag geben, an dem diese Vergänglichkeit ein für alle Mal ein Ende hat. Jesus sagt: Ich mache einen neuen Himmel und eine neue Erde. Ich mache alles neu.
Das ist die Hoffnung, die wir haben. Das ist die Herrlichkeit, auf die wir sehnsüchtig warten – und mit uns die ganze Schöpfung. So wie das Leiden universell ist, so universell ist auch die sehnsüchtige Erwartung, dass Gott alles neu macht.
Die Gläubigen, die hier die Erstlingsgabe des Geistes haben, wissen, was das bedeutet? Das ist wie eine Anzahlung. Eine Anzahlung macht man nur, wenn der Kauf definitiv folgt, sonst würde man sie nicht leisten. So hat Gott uns mit dem Geist eine Anzahlung gegeben – eine Garantie, dass Schritt zwei auch kommt: Dass er uns zu sich nimmt und unsere Rettung dann vollständig abgeschlossen ist.
Das gibt uns Hoffnung. Diese Anzahlung ist uns garantiert. Gläubige leiden, aber sie leiden immer mit einer Erwartung. Sie erwarten die Sohnschaft, die Kindschaft. Hier ist mehr das Erbe gemeint als die Kindschaft an sich, denn wir sind ja schon Kinder.
Mit der Kindschaft kommt auch das Erbe. Wir erben die Herrlichkeit. Wir werden erlöst werden vom Leid. Das ist unsere Hoffnung, auf die wir schauen.
Hoffnung trotz Leid: Die Realität und der Trost der Bibel
Und darum geht es auch in den nächsten beiden Versen, in Vers 24 und 25. Paulus schreibt: „Denn auf Hoffnung hin sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die gesehen wird, ist keine Hoffnung, denn wer hofft, was er sieht?“ Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren.
Paulus sagt: Ja, momentan leiden wir noch, aber wir haben diese Hoffnung. Diese Hoffnung ist natürlich noch nicht eingetreten, denn wenn sie eingetreten wäre, würden wir jetzt nicht mehr leiden oder warten. Deswegen ist die Hoffnung noch nicht realisiert, aber wir haben sie dennoch.
Und schaut mal, ich finde es so wunderbar, wie realistisch die Bibel über das Leid spricht. Die Bibel macht das Leid auf keinen Fall klein. Das passiert uns leider manchmal, wenn wir trösten wollen. Wir sind bei einer Person, die durch schweres Leid geht, und wollen ihr irgendwie etwas sagen. Aber wir Menschen sind oft schlechte Tröster.
Dann sagen wir Dinge wie: „Ja, das wird schon wieder.“ Aber wer sagt, dass es wieder wird? Wer sagt, dass es hier auf dieser Erde wieder wird? Das sind so Floskeln, die wir benutzen. Im schlimmsten Fall sagen wir sogar: „Ach, stell dich jetzt nicht so an, komm, schau mal auf das Positive in deinem Leben, was du noch alles hast.“
Die Bibel redet das Leiden nicht klein. Und ich weiß nicht, was du gerade für ein Leiden konkret hast. Vielleicht ist es eine schwere Diagnose. Vielleicht steht bald die Chemotherapie an und du leidest auch an der Ungewissheit. Vielleicht sind es psychische Leiden, Depressionen, Angstprobleme. Ihr Lieben, das ist der 80-Kilo-Rucksack. Depressionen können so heftig sein, und einige leiden momentan darunter. Das wiegt schwer. Und das redet niemand klein, auch die Bibel nicht. Das sind die Leiden der jetzigen Zeit.
Vielleicht leidest du, weil es Beziehungsprobleme gibt, vielleicht in deiner Ehe. Du kommst nach Hause, und die Welt zuhause ist nicht heile. Du leidest da drin. Vielleicht leidest du an Einsamkeit. Du siehst die ganzen Paare, du siehst die ganzen Familien, und du gehst Sonntag nach Hause, und keiner ist da. Das ist Leiden, das ist nicht zu unterschätzen. Das ist das, was hier einige Geschwister auch mitnehmen in ihrem Rucksack.
Die Bibel redet das an dieser Stelle überhaupt nicht klein. Sie sagt, es sind die Leiden der jetzigen Zeit. Aber was die Bibel macht, ist, dass sie dem Leiden etwas gegenüberstellt: sie stellt dem Leiden die Herrlichkeit gegenüber. Paulus sagt in Vers 18: „Denn ich bin überzeugt, dass die Leiden der jetzigen Zeit, die da sind, aber die fallen nicht ins Gewicht gegenüber der zukünftigen Herrlichkeit, die auf uns wartet.“
Das ist der Punkt. Wir reden das Leiden nicht klein, aber die Herrlichkeit wiegt so viel mehr als das Leiden. Und das ist das, was Gott dir heute zusprechen möchte – nicht ich. Gott sagt dir: Halte durch, es kommt eine bessere Welt, wo ich alles neu mache.
Der Trost des Vaters und die Verheißung der Offenbarung
Ich habe als Vater viele Bibelverse besser verstanden. Unsere Kinder, immer wenn sie geweint haben – bis heute glaube ich zum Teil –, kommen sie zu mir mit Tränen in den Augen und sagen: „Papa, kannst du mir bitte meine Tränen wegwischen?“
Dabei könnten sie die Tränen eigentlich selbst wegwischen. Es geht aber gar nicht darum, die Tränen wegzuwischen. Es geht um den Trost, um die Hände des Vaters, der das Kind in den Arm nimmt und die Tränen wegwischt.
Wisst ihr, was in der Offenbarung steht? Dort heißt es, dass Gott selbst dir alle deine Tränen abwischen wird. Er wird es tun. Das ist das Gewicht der Herrlichkeit. Er schickt keinen Engel mit den Worten: „Hier, mach mal, wisch mal die Tränen von ihm.“ Nein, er selbst wird dir die Tränen abwischen.
Er sagt: „Halte durch!“ Ja, das Leiden ist schwer, aber das Gewicht der Herrlichkeit ist viel größer. Selbst wenn du hier jahrelang durch Leid gehst, was ist das im Vergleich zu den Millionen und Milliarden Jahren in der Ewigkeit – ohne Leid, ohne Schmerzen, ohne Tränen?
Das ist die Hoffnung, die ich dir heute mitgeben möchte: die Hoffnung in diesem Text. Paulus sagt, er ist überzeugt, durch logisches Nachdenken, dass das mehr wiegt. Nimm das mit für dich, wenn du im Leid bist: Es gibt Hoffnung.
Die Hilfe des Heiligen Geistes im Leid
Aber es gibt noch mehr Hoffnung. Wir kommen zum zweiten Punkt: Hoffnung durch die Hilfe des Heiligen Geistes. In den Versen 26 und 27 heißt es ebenfalls: „Ebenso nimmt auch der Geist sich unserer Schwachheit an, denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen, wie es sich gebührt. Aber der Geist selbst verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzen. Der aber die Herzen erforscht, weiß, was der Sinn des Geistes ist, denn er verwendet sich für Heilige gottgemäß.“
Diese Verse werden nicht selten losgelöst vom Kontext betrachtet. Man denkt, es sei eine allgemeine Gebetshilfe. Aber schaut mal, wie Vers 26 beginnt – mit dem Wort „ebenfalls“. Das heißt, hier geht es immer noch vor allem um Leid. Im Leid haben wir Hoffnung durch das Gewicht der Herrlichkeit, aber wir haben auch eine weitere Hoffnung: Ebenso kommt der Heilige Geist und hilft uns.
Beim Tragen dieses Rucksacks, dieses Gepäcks, nimmt er sich unser an. Wisst ihr, was das Wunderbare an diesem Wort ist? Das Wort im Griechischen – das Neue Testament ist ja ursprünglich auf Griechisch geschrieben worden – kommt nur noch an einer anderen Stelle im Neuen Testament vor: „sich unser annehmen“. Wisst ihr, wo das noch steht? In Lukas 10 bei Martha.
Martha ist überfordert in der Küche. Sie hat von jetzt auf gleich einen Haufen Männer zu Gast, die alle essen wollen und hungrig sind. Maria, ihre Helferin, hilft ihr nicht in der Küche, sondern sitzt im Wohnzimmer und hört Jesu Predigt. Martha ist überfordert. Sie geht und stört die Predigt und sagt zu Jesus: „Bitte schick Maria, dass sie sich meiner annimmt.“
Das ist dieses Wort. Hier geht es um praktische Hilfe. Und stellt euch vor, wie es für Martha eine echte Entlastung gewesen wäre, wenn Maria gekommen wäre und mit ihr zusammen die Teller gespült hätte. Genau in dieser Weise kommt der Heilige Geist im Leid an deine Seite und hilft dir, den Rucksack zu tragen.
Das ist eine wunderbare Hilfe, oder? Das ist eine konkrete Hilfe. Die Hilfe des Trösters – wie wunderbar der Heilige Geist auch ist: Er nimmt sich unserer Schwachheit an. Wir sind schwach, aber der Geist ist da und trägt mit uns diesen Rucksack.
Die Schwäche im Gebet und die Fürbitte des Geistes
Jetzt stellst du dir vielleicht die Frage: Wie sieht das konkret aus? Worin besteht die Schwäche, und worin besteht die Hilfe? Schauen wir einfach weiter in den Text. Dort heißt es: „Denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen, wie es sich gebührt.“
Das bedeutet, unsere Schwachheit zeigt sich oft auch im Gebet. Interessant ist, dass Paulus im Zusammenhang immer wieder sagt: „Wir wissen, ich bin überzeugt.“ Und plötzlich finden wir hier ein „Wir wissen nicht.“
Weißt du was? Es gibt Situationen in deinem Leben, da weißt du nicht mehr weiter. Sie machen dich völlig perplex, und du weißt nicht einmal mehr, was du beten sollst. Was ist jetzt richtig? Soll ich für Heilung beten oder für Durchhaltevermögen? Ich weiß es nicht mehr.
In diesem Moment kommt der Heilige Geist und verwendet sich für dich. Es heißt hier, er tut das „mit unaussprechlichen Seufzen“. Wie ist das zu verstehen?
Zunächst einmal möchte ich klarstellen: Hier geht es nicht um das Sprachengebet oder die Zungenrede, wie unsere Freunde aus den Pfingstgemeinden oft annehmen. Warum nicht? Bei 1. Korinther 12, wo die Zungenrede erwähnt wird, wird sie als Gabe genannt, die nur einige Gläubige haben.
Aber diese Gebetsunterstützung des Heiligen Geistes betrifft alle Gläubigen im Leid. Hier geht es nicht um die Zungenrede. Trotzdem müssen wir die Frage stellen: Sind es jetzt hörbare Seufzer oder stille Seufzer? Sind es Seufzer des Heiligen Geistes oder unsere Seufzer, bei denen der Heilige Geist irgendwie mitwirkt?
Es ist nicht ganz einfach, diese Frage zu beantworten. Wenn man den Text aber so nimmt, wie er ist, ist der Heilige Geist das handelnde Subjekt. Das heißt, es sind eigentlich seine Seufzer.
Das Wort „unaussprechlich“ heißt im Griechischen einfach „wortlos“. Die Zürcher Übersetzung bringt das gut: „Der Geist selber jedoch tritt für uns ein mit wortlosen Seufzern.“ Das bedeutet, während wir beten, geschieht etwas im Stillen, in unseren Herzen.
Der Heilige Geist verwendet sich für uns, er tritt für uns vor Gott ein. Gott schaut in unser Herz, und der Heilige Geist macht in unserem Herzen Gott deutlich, was wir meinen. Er stellt vielleicht sogar Dinge klar, die wir vielleicht nicht ganz auf dem Schirm haben.
Man kann das vielleicht ein wenig so vergleichen – wobei jeder Vergleich ja ein bisschen hinkt – wie mit einer Mutter, die sich für ihr kleines Kind einsetzt, das noch nicht richtig sprechen kann. So sorgt sie dafür, dass die Botschaft des Kindes rüberkommt.
Hast du vielleicht auch schon erlebt, dass ein kleines Kind auf dich zukommt mit einem Spielzeug in der Hand und sagt: „Hutas, Hutas!“ Du stellst dir die Frage: Was ist „Hutas“? Wer ist „Hutas“? Dann kommt die Mutter und sagt: „Er meint Flugzeug.“ Ach ja, klar, Flugzeug, Hutas.
In dieser Weise ist uns das vielleicht eine gewisse Illustration, wie der Heilige Geist an unsere Seite kommt und Gott deutlich macht, was wir meinen. Aber er geht eigentlich noch einen Schritt weiter. Vielleicht, wenn wir nicht so beten, wie es sich Gott geziemt, setzt der Heilige Geist sich für uns ein, damit es so rüberkommt.
Douglas Moo fasst das in seinem Römerbriefkommentar gut zusammen: Paulus sagt, dass unser Unvermögen, Gottes Willen zu kennen, und die daraus resultierende Unfähigkeit, Gott spezifisch und mit Sicherheit um etwas zu bitten, von Gottes Geist begegnet wird.
Wenn wir nicht wissen, wofür wir beten sollen, ja, selbst wenn wir für Dinge beten, die nicht das Beste für uns sind, brauchen wir nicht zu verzweifeln. Denn wir können uns auf den Dienst der vollkommenen Fürbitte des Geistes für uns verlassen.
Was für eine Hoffnung! Immer ist jemand da, der sich für uns einsetzt.
Der Wirbelsturm im Kopf und die Ruhe des Heiligen Geistes
Ich habe euch ein Bild von einem Wirbelsturm mitgebracht, genauer gesagt von einem Tornado. Diese Tornados kommen vor allem in Amerika sehr häufig vor, aber immer wieder auch in Europa. Dieses Jahr gab es einen heftigen Tornado in Tschechien, vielleicht erinnert ihr euch an die Nachrichten. Experten sagen, dass die Gefahr auch in Deutschland steigt und wir zunehmend Tornados hier haben werden.
Aber wisst ihr was? Die Gefahr eines Tornados steigt nicht nur draußen in der Natur, sondern auch an einem anderen Ort: in unserem Kopf. In Leitsituationen kann es sein, dass du einen Tornado in deinem Kopf hast – einen Wirbelsturm in deinen Gedanken, der plötzlich alles durcheinanderwirbelt. Plötzlich weißt du nicht mehr, wo oben und unten ist.
Ich selbst hatte vor einigen Jahren so eine Situation. Du stellst fest, dass du fällst, fällst und fällst und dich nicht mehr halten kannst. Das sind Wirbelstürme im Kopf, die vor allem in schwierigen Lebenslagen auftreten. Du weißt nicht, an welche Verheißungen du dich jetzt klammern kannst. Wenn du dich an eine klammern willst, kommt schon eine Stimme, die sagt: „Nein, die gilt nicht für dich.“ Und so fällst du weiter, und der Wirbelsturm in deinem Kopf geht weiter.
Das sind die Situationen, in denen wir nicht wissen, wie wir beten sollen. Wir sind völlig perplex, wollen aber beten, wollen zu Gott, wissen aber nicht, was gerade das Richtige ist. Diese Situation kann einen fertig machen. Vielleicht weißt du ganz genau, wovon ich spreche: Wirbelstürme im Kopf.
In dieser Zeit der Wirbelstürme gibt es einen, der die Ruhe im Sturm ist: der Heilige Geist. Er macht dir deutlich, wie es dir geht, und setzt sich aktiv für dich ein. Jesus sagt das an einer Stelle zu Petrus: „Petrus, der Satan hat dich versucht zu sichten wie den Weizen, aber ich habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhört.“ (Lukas 22,31-32)
Gott setzt sich für uns ein! Und das ist die zweite Hoffnung, die ich dir mitgeben möchte: Deinen Leidensrucksack trägst du nicht allein. Ja, Christen leiden auch, aber Christen leiden niemals allein – niemand leidet allein. Das ist der entscheidende Unterschied. Sie leiden niemals allein.
Das ist die Hoffnung, die wir im Leid haben können: Wir sind nie allein. Der Heilige Geist ist an unserer Seite.
Gottes Plan mit dem Leiden: Hoffnung durch seinen Plan
Es gibt einen dritten und weiteren Grund, warum wir Hoffnung haben können: Hoffnung durch Gottes unumstößlichen Plan.
Was hat es mit Gottes Plan auf sich? Gottes Plan mit dem Leiden beinhaltet etwas Gutes. Das ist ein Teil von Gottes Plan. Kommen wir zu Römer 8,28, dem nächsten Vers:
„Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind.“
Dieser Vers ist vielen Christen bekannt. In der Seelsorge muss man manchmal aufpassen, dass man nicht zu schnell, ohne erst Mitgefühl gezeigt zu haben, direkt mit so einem Vers kommt. Da müssen wir sensibel sein. Dennoch ist das die befreiende Wahrheit im Leid.
Personen, die durch schweres Leid gegangen sind, haben gesagt: Das, was uns im Leid weitergeholfen hat, war nicht nur Mitgefühl. Vor allem brauchten wir Wahrheit. Paulus gibt hier nicht nur eine Meinung weiter, keine Vermutung und auch keinen Vorschlag. Paulus sagt: „Wir wissen!“ Das ist die Wahrheit. Wir können es wissen, auch wenn wir vieles im Leid nicht mehr verstehen. Das wissen wir, das können wir wissen: Dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken.
Diese Wahrheit bezieht sich nur auf Christen, denn hier heißt es „denen, die Gott lieben, denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind“. Das sind die, die Gott zu sich gerufen hat und die mit Liebe geantwortet haben. Für sie gilt diese Verheißung.
Und wenn Paulus von „allen Dingen“ spricht, wisst ihr, was damit gemeint ist? Alle Dinge, also auch Leid, zumal es im Kontext hier um Leid geht.
Jetzt müssen wir aber an einer Stelle vorsichtig sein. Der Text sagt nicht, dass alle Dinge, die einem Christen widerfahren, an sich gut sind. Das sagt der Text nicht. Christen erleben Unrecht. Ich glaube, es ist nächsten Sonntag, wenn wir für verfolgte Christen beten wollen. Sie erleben Unrecht. Es ist nicht gut, was sie durch ihre Verfolger erleben. Gott nennt das nie gut. Der Text sagt auch nicht, dass alles, was uns passiert, gut ist. Der Text sagt: Alles, was auf uns zukommt, hat das Potenzial, dass Gott daraus etwas Gutes macht.
Ich habe euch mal ein Uhrwerk mitgebracht. Wenn man sich so ein Uhrwerk anschaut, ist man erstaunt zu sehen, dass es Zahnräder gibt, die gegen den Uhrzeigersinn laufen. Wenn du nur dieses eine Zahnrad betrachtest, musst du eigentlich zu dem Ergebnis kommen: Es läuft doch falsch! Wie kann im Uhrwerk etwas gegen den Uhrzeigersinn laufen? Das passt doch nicht zusammen!
Aber wenn man das ganze Bild anschaut, sieht man, dass genau dieses Zahnrad, das gegen den Uhrzeigersinn läuft, in ein anderes Zahnrad greift, das deswegen gerade im Uhrzeigersinn läuft.
Genau das ist häufig die Situation in unserem Leid. Vielleicht gehst du gerade durch Leid, trägst einen schweren Rucksack und schaust dir nur dieses eine Zahnrad an. Du sagst: Da läuft etwas in die verkehrte Richtung in meinem Leben. Warum kommt das gerade jetzt? Das kann doch nicht wahr sein! Ich wäre doch so viel brauchbarer für Gott, wenn ich gesund wäre, wenn alles super wäre. Es läuft doch etwas falsch in meinem Leben.
Weißt du was? Das hängt damit zusammen, dass du nur eine begrenzte Sicht hast. Wir Menschen haben oft nur eine begrenzte Sicht. Wir sehen nur dieses eine Zahnrad, aber das Gesamtbild ist größer. Gott sieht das Gesamtbild.
Und irgendwann, wenn du vor Gott stehst – es muss nicht in diesem Leben sein, dass Gott dir schon die Antwort gibt – wirst du feststellen: Im November 2021 musste es in deinem Leben in diese Richtung gehen, damit dein Gesamtleben in die richtige Richtung geht.
Und diese Hoffnung kannst du haben, das kannst du wissen.
Gottes Plan zielt auf unsere Veränderung
Besonders eindringlich habe ich diese Wahrheit einmal in Thailand erlebt. Dort war ich auf einem Missionseinsatz. Während unseres Besuchs bei einem Missionar geschah etwas Schreckliches: Seine Frau verlor plötzlich ihr Kind. Sie war im neunten Monat schwanger. Auf dem Weg ins Krankenhaus starb sowohl seine Frau als auch das Kind im Mutterleib. Ganz plötzlich – wir waren alle perplex.
Ein paar Stunden später saßen wir diesem Mann, Raimund Homberg, gegenüber. Er klammerte sich mit aufgeschlagener Bibel an Römer 8,28 und sagte: „Ich kann vieles nicht einordnen, aber ich weiß, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken. Gott wird irgendwie etwas Gutes daraus machen.“
Wichtiger als das, was du um das Leid fühlst, ist das, was du um das Leid wissen kannst. Und du kannst wissen, dass Gott alle Dinge in deinem Leben so lenkt, dass er etwas Gutes daraus machen kann.
Der zweite Aspekt ist: Gottes Plan mit dem Leiden zielt auf deine Veränderung. Das steht in Vers 29, und es beschreibt eigentlich, worin das Gute besteht. Was ist am Leiden gut? Denn „die er vorher erkannt hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein.“ Das ist Gottes Anliegen: Er möchte uns Christus ähnlicher machen, er möchte uns verändern.
Ich habe euch das mal anhand eines Hauses illustriert. Das sind unterschiedliche Aspekte unserer Errettung. Wir haben uns im Römerbrief schon mit der Rechtfertigung beschäftigt. Bei der Rechtfertigung sagt Gott: Ich erkläre dich für gerecht aufgrund deines Glaubens. Bei der Kindschaft sagt Gott: Ich nehme dich an als mein Kind. Aber ein dritter Aspekt – und der kommt jetzt hier – ist die Heiligung. Gott sagt: Jetzt verändere ich dich auch, nachdem ich dich angenommen habe. Und dazu verwendet Gott häufig Leid.
Ich muss an Joni Eriksson-Tade denken, eine Frau, die viele von uns kennen. Joni Eriksson-Tade wurde mit 17 Jahren bei einem Badeunfall querschnittsgelähmt. Seitdem ist sie an den Rollstuhl gebunden – mittlerweile seit 54 Jahren. 2010 wurde bei ihr Krebs diagnostiziert. Während der Chemotherapie bekam sie eine Lungenentzündung. Vor einigen Jahren kam der Krebs zurück.
Diese Frau ist das personifizierte Leid. Und wisst ihr, was sie zum Thema Leid sagt? Sie sagt: „Leid ist wohl Gottes bestes Werkzeug, um den Charakter Christi in uns zu formen.“ Gott benutzt Leid in deinem Leben, um dich Christusähnlicher zu machen. Das ist das Gute, das in Römer 8,28 gemeint ist.
Schaut mal: Geduld lernen wir doch nur, wenn wir geduldig warten müssen. Durchhaltevermögen lernen wir nur, wenn wir durchhalten müssen. Demut lernen wir nur, wenn wir erkennen, dass Gott alles ist, was wir brauchen. Wir haben nur ihn, aber wir können uns auf ihn verlassen. Wir sind abhängig von ihm.
Diamanten werden unter Druck geschliffen, und so wird auch unser Charakter durch Leid veredelt. Das möchte ich dir mitgeben: Wenn du gerade durch Leid gehst, möchte Gott dieses Leid in deinem Leben gebrauchen. Er setzt es sehr gezielt ein, um dich Christusähnlicher zu machen. Denn Gott liegt mehr daran, dass du verändert wirst, als dass du problemlos durchs Leben gehst.
Die Vollendung von Gottes Plan
Wir kommen zu einem letzten Aspekt: Gottes Plan mit deinem Leben kommt zum Abschluss. Ich lese jetzt die Verse 29 und 30:
Denn die er vorher erkannt hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, diese hat er auch berufen; die er aber berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; die er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht.
Hier wird eine Kette erwähnt, eine Abfolge von verschiedenen Verben, die eine Reihenfolge darstellen. Gott ist dabei immer der Handelnde: vorher erkannt, vorherbestimmt, berufen, gerechtfertigt, verherrlicht.
In der Theologie wird besonders über die ersten beiden Glieder viel diskutiert: vorherbestimmt – was bedeutet das? Leider schlagen sich Theologen dabei manchmal fast die Köpfe ein. Wir lesen diese Verse und fragen uns: In welchem Lager bist du jetzt – bei den Calvinisten oder bei den Armenianern? Dabei vergessen wir oft, die Schönheit dieser Texte für uns persönlich zu erkennen.
In der Diskussion geht es vor allem um die ersten beiden Glieder „vorhererkannt“ und „vorherbestimmt“. Was bedeutet das? Das erste Verb „vorhererkannt“ kann an einigen Stellen ein Vorherwissen Gottes meinen, also dass Gott vorher wusste, wer sich entscheiden wird. Es ist sicherlich auch immer mit Gottes Allwissenheit verbunden. Aber es kann an manchen Stellen auch eine Entscheidung Gottes bedeuten, eine Erwählung, wie er das Volk Israel aus Liebe und Gnade erwählt hat.
So wird dieses Wort im Kontext verwendet, zum Beispiel in Römer 11,2, wo es die Erwählung beschreibt. Deswegen denke ich persönlich, hier geht es wahrscheinlich um die Erwählung, dass Gott sich für dich entschieden hat, bevor du dich für ihn entscheiden konntest. Das ist eigentlich eine wunderbare Wahrheit: Gott hat sich schon vorher für dich entschieden, bevor du dich für ihn entscheiden konntest.
Jetzt sagen einige: „Ja, okay, aber dann macht das zweite Glied ja nicht so viel Sinn. Vorherbestimmung wäre dann ja doppelte Erwählung, wenn das erste ‚Erwählung‘ heißt.“ Ich hoffe, ihr könnt mir folgen. Wichtig ist hier zu sehen, dass „Vorherbestimmung“ nicht im luftleeren Raum steht. In Vers 29 heißt es ja: Gott hat uns vorherbestimmt, damit wir Christus ähnlicher werden. Das heißt, es ist unsere Bestimmung, Christus ähnlich zu werden.
Dann heißt es weiter: Er hat uns berufen, er hat uns zu sich gerufen, und wir sind im Glauben gefolgt. Dann hat er uns gerechtfertigt, und am Ende wird er uns verherrlichen.
Lass mich noch ein paar Worte zum Thema Erwählung sagen. Das Thema Erwählung, dass Gott sich entschieden hat, steht nicht im Widerspruch zur menschlichen Verantwortung. Das will ich ganz deutlich sagen. In der Bibel gibt es Verse, die die menschliche Verantwortung betonen, und es gibt Verse, die Gottes souveränes Handeln betonen. Beides widerspricht sich nicht.
Schaut mal: Die Bibel lehrt, dass ein Mensch sich nur für Gott entscheiden kann, wenn Gott sich zuvor für ihn entschieden hat. Aber die Bibel lehrt genauso, dass niemand in die Hölle kommt, wenn er nicht erwählt ist. Die Bibel sagt vielmehr, diejenigen werden verdammt, die nicht glauben. Das heißt: Die Verantwortung liegt auch beim Menschen, bei seinem Willen, sich für Gott zu entscheiden.
Die Bibel sagt, Gott will, dass jeder Mensch gerettet wird. Beide Wahrheiten müssen wir zusammen sehen und uns nicht ein theologisches System bauen, das in sich vielleicht logisch ist, aber gegen deutliche andere Bibelverse verstößt.
Ich will es mal etwas einfacher sagen: Spergen, der bekannte Baptistenprediger, illustriert das sehr gut anhand einer Tür. Er sagt, das ist wie bei einer Tür: Auf der einen Seite der Tür steht der Aufruf „Komm und glaube“. Du gehst da rein, du folgst dem Ruf des Evangeliums, „Komm und glaube“, und du sagst: Ja, ich glaube, ich entscheide mich für ein Leben mit Jesus. Du gehst durch diese Tür.
Dann schaust du auf der anderen Seite der Tür, da steht: „Er wählt vor Grundlegung der Welt.“ Und beides ist wahr. Beides müssen wir so stehen lassen: Gottes souveränes Handeln in der Errettung und ebenso die Verantwortung des Menschen.
Wenn wir jetzt noch einmal zurückzoomen und uns das Ganze anschauen, geht es ja nicht nur um einzelne Elemente, sondern um die Gesamtaussage dieser Verse. Denn sie stehen im Kontext von Leid. Diese Verse möchten doch eigentlich aussagen: Gott ist der, der alles initiiert, und Gott ist der, der auch alles zum Abschluss bringt.
Das ist die Wahrheit von Philipper 1,6. Dort sagt Paulus: „Ich bin ebenso guter Zuversicht, dass der, der ein gutes Werk in euch begonnen hat, es auch vollenden wird bis an den Tag Christi.“
Ich glaube, das ist der Grund, warum gerade in dieser Kette das Verherrlicht so dargestellt wird, als ob es schon abgeschlossen wäre. Für Gott ist es abgeschlossen, Gott zieht seinen Plan durch.
Wir werden ja immer wieder in unserem Leben mit Beispielen konfrontiert, wo etwas begonnen wurde und nicht abgeschlossen wurde. Ich habe euch mal den Kaiserbau mitgebracht, der an der A59 in Troisdorf steht. Vielleicht können sich einige von euch noch an den Kaiserbau erinnern. Es sollte mal ein Hotel mit 1200 Betten werden. Der Rohbau wurde 1975 fertiggestellt, aber dann nie weiter ausgeführt.
Drei Jahrzehnte lang stand dieser Kaiserbau leer, und dann wurde er gesprengt. Das heißt, da wurde etwas angefangen, aber es wurde nicht zum Abschluss gebracht.
Soll ich dir mal was sagen? So etwas gibt es bei Gott nicht. So etwas gibt es bei Gott nicht. Gott ist der Architekt deiner Errettung. Er hat deine Errettung geplant – ganz persönlich. Er hat sie durchgeführt, und er bringt sie auch zum Ende.
Das ist das, was diese Verse deutlich machen, und das ist das, was einer hören muss, der im Leid ist.
Was für eine wunderbare Wahrheit! Denn im Leid, wenn die Tornados im Kopf sind, dann stellst du dir manchmal die Frage: Kann ich noch an Gott festhalten? Da kommen plötzlich Zweifel, dein Glaube wird so erschüttert, dass du manchmal nicht mehr weißt, was du eigentlich noch glaubst.
Und in dieser Situation sagt Gott dir: Weißt du was? Selbst wenn du mich nicht mehr halten kannst, halte ich immer noch dich im Leid. Ich trage dich da durch. Ich habe das gute Werk in dir begonnen, ich vollende es. Verlass dich darauf, dass ich das Werk in dir vollende.
Zusammenfassung und Einladung
Wenn du lange genug lebst, wirst du leiden. Das stimmt. Aber wir Christen leiden nie ohne Hoffnung.
Fassen wir noch einmal zusammen: Unsere Hoffnung beruht auf drei ganz wichtigen Aspekten. Zum einen haben wir Hoffnung durch das Gewicht der Herrlichkeit. Zum anderen haben wir Hoffnung durch den Heiligen Geist, der diesen Rucksack mit uns trägt, der an unserer Seite ist und sich aktiv für uns einsetzt. Und schließlich haben wir Hoffnung darin, dass Gott seinen Plan in unserem Leben durchzieht – selbst wenn wir nicht mehr weiterwissen. Er ist am Werk, er hat es begonnen und er wird es vollenden. Das kann dich mitten im Leid ruhig stimmen.
Vielleicht sitzt du heute Morgen hier oder vor dem Livestream und musst ganz ehrlich sagen: „Ich habe diese Hoffnung nicht. Ich gehe gerade durch Leid, aber wovon sprichst du da? Ich habe keinen Heiligen Geist in meinem Leben.“ Weißt du was? Jesus lässt vielleicht gerade das Leid in deinem Leben zu, um dich zu ihm zu ziehen.
Vielleicht leidest du gerade, weil Jesus dir dadurch deutlich machen will: „Komm zu mir, du brauchst nicht allein zu sein. Ich möchte dein Leben neu machen, ich möchte dir deine Sünden vergeben.“ Das ist auch die Botschaft des Abendmahls, zu der wir gleich kommen.
Wenn du heute eine Entscheidung für Jesus treffen möchtest, dann lade ich dich ein, einfach zurückzubleiben. Oder wenn du im Livestream bist, kannst du uns gerne anschreiben. Uns ist es sehr wichtig, dass du Hoffnung haben kannst – gerade in den Leiden der jetzigen Zeit.
Amen.