
POV: Paulus – das wird heute wichtig. Aber wir fangen mal an mit „No Front“. Je nachdem, was für ein Kommunikationstyp oder Charaktertyp du bist, sagst du das vielleicht unterschiedlich.
Die Harmonizer, wie ich einer bin, sagen das vielleicht ein bisschen zu oft. Wir sagen es auch, wenn es vielleicht gar keine Konfrontation gibt. Dann sagen wir schon mal „No Front“, also: Ich meine es nicht persönlich, reg dich nicht auf. Ich meine das jetzt nicht böse, was ich sage, auch wenn es vielleicht ein bisschen irritierend ist.
Die Provokateure unter euch sagen das vielleicht, obwohl sie genau wissen, dass das, was sie gleich sagen werden, eigentlich schon ganz schön konfrontierend ist. Sie sagen es einfach schon mal „No Front“, damit der andere sich nicht aufregen kann.
Ihr könnt euch schon mal überlegen, welchem dieser beiden Typen ihr euch wie sehr zuordnen würdet. Denn je nachdem, wie ihr vom Typ her unterwegs seid, werdet ihr heute wahrscheinlich auch unterschiedlich zuhören.
Das Ziel ist ja, Evangelium und Jugendliche zusammenzubringen. Da wollen wir hin. Und dafür müssen wir uns ganz kurz überlegen, was dieses Evangelium eigentlich ist. Ich würde mal versuchen, das ganz kurz zu formulieren: Die gute Botschaft von Jesus Christus.
Gott hat sich uns in Jesus gezeigt – durch sein Leben, durch seine Auferstehung, durch seinen Tod. Er hat alles aus dem Weg geräumt, was uns von Gott trennt. Wenn wir an Jesus glauben, wenn wir das glauben, können wir eine ewige Liebesbeziehung mit Gott haben.
Das ist das Evangelium. Und das wäre mein Wunsch und wahrscheinlich auch eurer, deshalb seid ihr vielleicht hier: dass dieses Evangelium viele Jugendliche erreicht, dass es ihr Leben verändert und dass sie ihr Leben darauf aufbauen.
Also, „No Front“ ist jetzt ein gutes Motto, wenn wir über das Evangelium reden – mit Jugendlichen oder sonst wem.
Dazu erst mal eine Frage: Welcher Typ bist du? Schnappt mal euer Handy, wenn ihr eins dabei habt, und scannt entweder diesen Code oder geht auf menti.com und gebt dort die entsprechenden Zahlen ein.
Ihr könnt euch da entscheiden, wie sehr ihr Harmonizer oder Provokateur seid. Ihr könnt jeweils eine Zahl eingeben, wie sehr das für euch zutrifft. Dann können wir gleich mal sehen, wie wir im Saal so verteilt sind.
Ich kann euch schon mal sagen, während ihr das noch macht: Ich bin, wie gesagt, relativ harmonisch. Ich würde mich da relativ weit bei den Harmonizern einordnen. Ein bisschen Provokateur steckt vielleicht auch in mir.
Dann schaue ich mir jetzt mal die Ergebnisse an. Also, wir haben ziemlich viele Harmonizer hier unter uns, das habe ich mir auch schon gedacht. Aber wir bewegen uns so im oberen Drittel unseres Vierecks. Wir haben relativ viele Harmonizer, aber nicht hundert Prozent.
Das Wichtige für euch ist, dass ihr wisst, wer ihr seid. Denn je nachdem hört ihr ein bisschen anders zu, wenn wir heute sprechen. Brauchen wir eine klare Haltung, um vom Evangelium zu reden?
Die Harmonizer unter euch werden vielleicht sagen: Ja, natürlich. Denn wir wollen ja niemanden verletzen. Das Evangelium ist eine gute Nachricht, also können wir es auch so vermitteln, dass niemand verletzt wird. Wir wollen ja einladend sein.
Diejenigen, die vielleicht mehr die Rolle des Provokateurs eingenommen haben, könnten sagen: Moment mal, das Evangelium ist manchmal auch unbequem. Wir müssen die Wahrheit verkünden, und die ist manchmal schwierig. Da werden nicht immer alle Leute zustimmen.
Und ich als wahrer Harmonizer sage jetzt: Ihr habt alle Recht. Denn ich glaube, diese beiden Perspektiven zeigen, dass wir immer, wenn wir vom Evangelium reden, in einer bestimmten Spannung stehen.
Auf der einen Seite haben wir das Evangelium. Es ist eine ewige, unumstößliche Wahrheit, die für alle gültig und immer wichtig ist. Auf der anderen Seite sind wir als Empfänger oder auch die, mit denen wir reden, nicht ewig und auch nicht zeitlos. Wir leben in einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Kultur und sind von bestimmten Vorstellungen und Gedanken geprägt.
Daraus entsteht diese Spannung.
Tatsächlich habe ich eine Erfahrung in einer fremden Kultur gemacht. Ich war einmal mit einer Gruppe von Studierenden in Indien unterwegs, und wir haben dort fremde Gemeinden besucht. Dabei ist mir ein Unterschied aufgefallen.
In unserer Kultur betonen wir sehr stark, dass Gott uns als einzelne Menschen beruft, dass wir Kinder Gottes sind und dass wir jetzt mit Gott in einer engen Beziehung stehen. Außerdem sind wir für unseren eigenen Glauben selbst verantwortlich.
In Indien hingegen wurden die Pastoren in den Gemeinden viel stärker in der Verantwortung gesehen, für ihre Gemeindemitglieder zu sorgen. Es wurde viel deutlicher wahrgenommen, dass man als Christ in eine Familie hineingeboren wird, in der man füreinander Verantwortung trägt.
Wenn wir als Studierende oder Gäste eine Andacht oder Predigt gehalten haben, musste immer hinterher der Hauptpastor der Gemeinde noch einmal eine Predigt halten. In dieser bestätigte er dann, dass alles, was wir gesagt hatten, gestimmt hat. Das ist eine ganz andere Art und Weise, wie dieses gleiche Evangelium gelebt wird.
Aber das gilt nicht nur für fremde Kulturen, sondern auch in unserem eigenen Land und unserer Gesellschaft gibt es ganz unterschiedliche Kulturen und Vorstellungswelten. Deshalb sieht auch das Evangelium in verschiedenen Kontexten unterschiedlich aus.
Ein weiterer Aspekt dieser Spannung ist, dass wir als Menschen alle Ebenbilder und Geschöpfe Gottes sind. Das bedeutet, dass jeder Mensch in gewisser Weise fähig ist, Wahrheit von Gott zu erkennen. Jede Kultur und jede Vorstellungswelt enthält wahre Aspekte, in denen Wahrheit von Gott enthalten ist.
Dies ist ein Geschenk Gottes an uns Menschen. Gleichzeitig sind wir jedoch auch von der Sünde beeinflusst. Alles, was wir denken und erkennen, kann uns in die Irre führen. Oft führt es uns sogar von Gott weg.
Auch dies stellt eine Spannung dar.
Was machen wir jetzt damit? Es gibt einen amerikanischen Pastor namens Tim Keller, von dem einige vielleicht schon gehört haben. Er hat sich ebenfalls Gedanken darüber gemacht und viele Beispiele aus der Bibel untersucht, auch von Paulus. Dabei wollte er herausfinden, wie die Menschen damals mit dieser Spannung umgegangen sind.
Das, was er dabei herausgefunden hat, bezeichnet er mit dem Begriff Kontextualisierung.
Ein kurzer Theorieexkurs: Was ist damit gemeint? Jeder Mensch lebt in einer bestimmten Vorstellungswelt, in einem bestimmten Kontext. Dieser Kontext bestimmt seine Art zu denken.
Wenn ich jemandem das Evangelium weitergeben möchte, muss ich seinen Kontext und seine Denkweise verstehen. Außerdem muss ich so sprechen und mich so verhalten, dass es für diese Person angemessen und verständlich ist.
Dabei möchte ich jedoch nicht stehenbleiben. Mein Ziel ist, dass das Evangelium das Leben verändert und etwas bewirkt. Tim Keller verwendet dafür ein Bild, um zu erklären, wie das funktionieren kann.
Er sagt, das ist ein bisschen so, als wolle man einen Tunnel bohren. Das geht sehr gut mit Dynamit. Man bohrt Löcher in den Felsen, legt das Dynamit hinein und zündet es an. So wird der Felsen aufgebrochen.
Wenn man das Dynamit jedoch einfach nur vor die Felswand legt und anzündet, passiert nicht viel. Das bedeutet: Man muss zunächst Löcher in den Felsen bohren, dann das Dynamit hineinlegen und anzünden. Erst dann geschieht etwas, der Felsen wird durchbrochen.
Dieses Bild nutzt er, um zu erklären, was Kontextualisierung bedeutet und wie wir das Evangelium weitergeben können.
Um ausgewogen zu kontextualisieren und erfolgreich Menschen in einer bestimmten Kultur zu erreichen, müssen wir sowohl freundlich und respektvoll in die Kultur eindringen als auch die Kultur an den Stellen, an denen sie der biblischen Wahrheit widerspricht, mit dieser konfrontieren – also „sprengen“.
Diese Grundlage hat Tim Keller formuliert, basierend auf dem, was er in der Bibel und bei Paulus, zum Beispiel in 1. Korinther 9,19-23, gefunden hat.
Das war jetzt ein bisschen Theorie. Schauen wir uns nun konkret an, wie Paulus das gemacht hat. Wir reisen mit Paulus in die berühmteste Stadt Griechenlands: nach Athen, ins antike Athen. Diese Stadt war immer noch ein wichtiges kulturelles Zentrum. Dort gab es zum Beispiel viele Tempel für die griechischen Götter.
Ihr kennt bestimmt einige davon: Zeus zum Beispiel, Hera, die Jagdgöttin Artemis oder den Kriegsgott Ares. Für diese Götter gab es Altäre, Tempel und ähnliche Heiligtümer. Der Volksglaube, also der Glaube des Athener Otto Normalbürgers, bestand darin, diese Götter zu verehren und die Heiligtümer zu nutzen.
Was aber gerade der intellektuelle Modetrend war, war etwas anderes: philosophische Richtungen. Eine davon geht auf Epikur zurück, die Epikureer. Ihr Motto war vor allem: „Genieße das Leben.“ Das bedeutet nicht, einfach zu tun, was man will, sondern herauszufinden, was im Leben wirklich Glück und Genuss bringt. Dann tut man genau das und vermeidet alles, was dieses Glück zerstören kann.
Mit den Göttern hatten die Epikureer es nicht so. Es gab vielleicht Götter, das kann sein, aber diese müssten dann die glücklichsten Wesen überhaupt sein. Deshalb müssten sie auch weit weg von der Erde sein, denn hier gibt es ständig Probleme und Leid. Wenn Gott existiert, dann also weit weg.
Dann gab es noch die Stoiker, die auf Zenon zurückgehen. Ihr Motto lautete: „Lebe nach den Regeln der Vernunft.“ Sie gingen davon aus, dass alles in der Welt von vernünftigen Ordnungen durchzogen ist. Alles hat Regeln, zum Beispiel die Naturgesetze. Am besten lebt man, wenn man diese Regeln erkennt, sich darauf einstellt und danach handelt.
Beispielsweise, wenn ich mit meiner Vernunft erkannt habe, dass jeder sterben muss, dann trifft mich das viel weniger. Ich kann mich darauf vorbereiten, habe weniger Angst und rege mich nicht so auf, wenn jemand anderes stirbt. Das Ziel der Stoiker ist es, sich möglichst wenig aufzuregen und möglichst wenige Gefühle oder Affekte zuzulassen. Stattdessen soll man möglichst viel Frieden haben.
Gott muss dann auch so sein: eher abstrakt und weit weg, auf keinen Fall mittendrin im Geschehen. Denn das ist ja eigentlich nicht das Ziel.
Es gab also viele Götter und viele Weltanschauungen. Paulus war mittendrin in Athen – als Jude und noch dazu als Christ. Diese Weltanschauungen gab es eben auch noch.
Wie hat er es nun geschafft, diese Bohrungen durchzuführen, die Tim Keller erwähnt hat? Lesen wir einfach, was Paulus in Athen erlebt und sagt.
Paulus sah sich in der Stadt um. Empört und erschüttert stellte er fest, dass die Straßen von zahllosen Götterstatuen gesäumt waren. Er begann, mit den Menschen Gespräche zu führen. Auf dem Marktplatz unterhielt er sich Tag für Tag mit denen, die er dort antraf. Dabei kam es auch zu Diskussionen mit epikureischen und stoischen Philosophen.
Diese Gesprächspartner nahmen ihn schließlich mit vor den Stadtrat. Dieses Gremium kümmerte sich um religiöse Fragen. Paulus trat vor die Ratsmitglieder und alle anderen, die zusammengekommen waren, und begann:
„Bürger von Athen, ich habe mich mit eigenen Augen davon überzeugen können, dass ihr außergewöhnlich religiöse Leute seid. Als ich nämlich durch die Straßen eurer Stadt ging und mir eure Heiligtümer ansah, stieß ich auf einen Altar mit der Inschrift ‚Für einen unbekannten Gott‘. Ihr verehrt also ein göttliches Wesen, ohne es zu kennen.
Nun, gerade diese euch unbekannte Gottheit verkündige ich euch. Meine Botschaft handelt von dem Gott, der die ganze Welt mit allem, was darin ist, geschaffen hat. Er, der Herr über Himmel und Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschen gebaut wurden. Er ist auch nicht darauf angewiesen, dass wir Menschen ihm dienen. Nicht er ist von uns abhängig, sondern wir von ihm. Er ist es, der uns allen das Leben und die Luft zum Atmen gibt und uns mit allem versorgt, was wir zum Leben brauchen.
Mit allem, was er tat, wollte er die Menschen dazu bringen, nach ihm zu fragen. Er wollte, dass sie, wenn irgend möglich, in Kontakt mit ihm kommen und ihn finden. Er ist ja für keinen von uns in unerreichbarer Ferne. Denn in ihm, dessen Gegenwart alles durchdringt, leben wir, bestehen wir und sind wir. Oder wie es einige eurer eigenen Dichter ausgedrückt haben: ‚Er ist es, von dem wir abstammen.‘
Wenn wir nun aber von Gott abstammen, dürfen wir nicht meinen, die Gottheit gleiche jenen Statuen aus Gold, Silber oder Stein, die das Produkt menschlicher Erfindungskraft und Kunstfertigkeit sind.
In der Vergangenheit hat Gott gnädig über die Verfehlungen hinweggesehen, die die Menschen in ihrer Unwissenheit begangen haben. Doch jetzt fordert er alle Menschen an allen Orten zur Umkehr auf. Er hat nämlich einen Tag festgesetzt, an dem er durch einen von ihm bestimmten Mann über die ganze Menschheit Gericht halten und über alle ein gerechtes Urteil sprechen wird.
Diesen Mann hat er vor aller Welt als den künftigen Richter bestätigt, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.“
(1. Korinther 5,3-12)Wir analysieren, was Paulus tut, und übertragen es direkt auf unsere Situation.
Das Erste ist, genau hinzuschauen.
Gleich am Anfang hören wir, dass Paulus sich sehr genau in der Stadt umsieht. Er führt viele Gespräche, hört den Leuten tagelang zu und informiert sich intensiv.
Außerdem hat Paulus offensichtlich die stoischen Philosophen ziemlich gut gelesen. Im Vers 28 zitiert er sogar einen von ihnen mit den Worten „wie es einige eurer eigenen Dichter ausgedrückt haben“. Der, den er da zitiert, ist Aratos von Cilizien, ein stoischer Philosoph, der seine Erkenntnisse in ein langes Gedicht verpackt hat. Das war damals eine Mode, und Paulus hat dieses Werk offensichtlich gelesen.
Auch an anderen Stellen zeigt er, dass er genau weiß, was die Menschen damals beschäftigte und welche philosophischen Modetrends gerade angesagt waren.
Wie kannst du herausfinden, was in deinem Umfeld gerade wichtig ist und was deine Gesprächspartner oder Freundinnen beschäftigt? Sei ein guter Gesprächspartner und höre genau zu! Achte darauf, was wichtig ist, sei liebevoll und aufmerksam – das ist ganz einfaches Basic. Geh in die Tiefe, stelle gute Fragen und versuche zu verstehen, was deine Freundinnen denken.
Jeder von uns hat etwas, wovon er sich Glück und Sicherheit verspricht, etwas, das er sich am meisten im Leben wünscht. Frag doch mal danach: Welche Werte spielen dabei eine Rolle?
Konsumiere bewusst! Damit meine ich nicht nur, dass du dir deine Zeit gut einteilen sollst, sondern wenn du Filme anschaust, Serien schaust, Lieder hörst oder Podcasts hörst, dann achte darauf, welcher Wert hier als der allerwichtigste vermittelt wird. Was ist das, was anscheinend als Sinn des Lebens dargestellt wird?
Zum Beispiel kennen viele noch Harry Potter. Zumindest in meiner Jugend war das sehr wichtig. Was ist die Hauptbotschaft? Harry Potter kämpft als Junge, der langsam erwachsen wird, gegen den bösen Zauberer Voldemort. Er besiegt ihn am Ende, aber nur, weil er gute Freunde hat, für seine Freunde kämpft und weil die Liebe seiner Eltern ihn trägt.
Also lautet die Botschaft: Wahre Liebe siegt über das Böse. Ich glaube, das ist ein Wert, den viele in unserer Gesellschaft verinnerlicht haben.
Zweitens: sensibel sein.
Wie wir schon gesehen haben, benutzt Paulus die Worte eines stoischen Philosophen, um etwas auszudrücken, was er selbst sagen möchte. Auch in anderen Punkten verwendet er immer wieder Formulierungen, die ganz typisch sind. Er nutzt Wörter und Ausdrücke, die Philosophen selbst benutzen würden, um sich auszudrücken.
Er unterhält sich auf dem Marktplatz. Das ist ein kleines Detail, und manchmal denken wir, das bedeute, dass wir auch auf den Marktplatz gehen müssen, um von Jesus zu reden. Doch dort war der Marktplatz einfach der Ort, an dem man über Religion und Philosophie sprach. Dort waren die Philosophen unterwegs, das war das Normale. Das war der Ort, an dem diskutiert wurde.
Sensibel sein
Damit Leute unsere Botschaft verstehen, müssen wir dafür sorgen, dass möglichst wenig Missverständnisse entstehen. Manchmal sind die Leute irritiert vom Evangelium – nicht von der Botschaft selbst, sondern von der Art und Weise, wie wir es sagen. Vielleicht verwenden wir Begriffe und Vorstellungen, die etwas Negatives auslösen.
Was bedeutet das für uns? Sprich die richtige Sprache und passe dich deinem Gegenüber an. Zum Beispiel sind theologische Begriffe wie „Sünde“ für viele ein schwieriges Wort, mit dem sie nicht mehr viel anfangen können.
Wie würdet ihr „Sünde“ kurz und knapp erklären oder umschreiben, wenn ihr über Jesus redet? Ich würde es mal so versuchen:
Mit unserer Welt stimmt etwas ganz Grundlegendes nicht, das merken viele Menschen. Jeder Mensch ist so geschaffen, mit Gott in einer liebevollen Beziehung zu sein. Aber weil diese Beziehung gestört ist, fehlt uns Menschen diese Liebe. Wir haben nicht mehr genug davon.
Deshalb suchen wir diese Liebe an allen möglichen anderen Orten: in anderen Menschen, im Erfolg, im Geld. Doch das stillt unsere Sehnsucht nicht. Deshalb werden diese Dinge für uns wie ein Gott, den wir anbeten und von dem wir uns alles erhoffen.
Das ist Sünde: eine Liebe, die an der falschen Stelle sucht.
Das ist eine gute Übung, sich zu überlegen, wie man solche Begriffe anders formulieren kann – zugegeben, das ist ein bisschen lang.
Suche deinen Marktplatz.
Was ist in deinem Umfeld ein Ort, an dem man gut über religiöse Dinge sprechen kann, über den Glauben?
Bei mir ist es nicht mehr der Marktplatz. Ich gehe also nicht mit meinen Freunden oder auf die Königstraße in Stuttgart, um darüber zu reden. Stattdessen sind es zum Beispiel ein Abendessen, wenn wir etwas trinken gehen oder nach einem Kinofilm, wenn man ins Gespräch kommt.
Das sind Orte, an denen man richtig tiefe Gespräche führen kann.
Das bedeutet, ich vermeide es, wo immer möglich, die Leute unnötig zu irritieren, indem ich ihre Kultur verletze.
Und dann, sagt Tim Keller, sollen wir Bohrlöcher graben. Das bedeutet, wir suchen Gemeinsamkeiten und zeigen sie auch. Paulus macht dabei etwas ganz Besonderes. Am Anfang seiner Rede sagt er: „Ich bin durch die Stadt gegangen und habe diesen Altar gesehen, auf dem geschrieben steht: Für den unbekannten Gott.“
Die Athener hatten diesen Altar für den Fall errichtet, dass irgendein Gott sich vergessen fühlt. Dann konnten sie ihm diesen Altar zeigen, und alles wäre gut. Paulus sagt nun nicht sofort: „Ihr habt viel zu viele Götter, das stimmt alles nicht.“ Stattdessen beginnt er so: „Über diesen unbekannten Gott rede ich jetzt.“
Das heißt, er fängt damit an zu sagen: „Ihr sucht Gott oder die Götter, die Gottheit, ich suche auch Gott. Da haben wir eine Gemeinsamkeit.“ Dann fährt er fort und sagt: „Diesen Gott findet man nicht in Heiligtümern, nicht mit Statuen können wir ihn festhalten.“ Damit sagt er etwas, was die Stoiker und Epikureer sehr gut finden.
Paulus fällt damit quasi mit der Tür ins Haus bei ihnen, denn das ist genau das, was sie immer sagen. Das war der Punkt, den Edingian immer kritisierte – diese vielen Götter und so weiter. Wenn Paulus das sagt, haben wahrscheinlich die Ratsmitglieder im Rat von Athen, die Epikureer und Stoiker waren, gesagt: „Ja, genau, richtig so, das sagen wir doch auch immer.“
Das hilft ihnen, weiter zuzuhören und zu denken: „Okay, der Typ ist vielleicht nicht ganz verrückt, jetzt hören wir mal, was er noch so sagt.“ Tim Keller nennt das die Bohrlöcher – also zu fragen, wo das, was Menschen suchen und denken, Übereinstimmung mit dem Evangelium hat. Das bietet die Grundlage für ein richtig gutes Gespräch.
Ich habe mal ein paar Bohrlöcher gesucht, die ich wahrnehme, wenn ich mich mit Jugendlichen unterhalte. Ein Punkt ist, dass viele auf der Suche sind nach ihrer eigenen Identität, nach ihrem Selbstwert. Das ist etwas, wo ich sagen kann: „Ja, diese Suche ist total wichtig, und Gott hat da auch eine Antwort.“
Jeder ist geliebtes Ebenbild Gottes. Du bist geliebt, kannst dich frei entfalten, hast Gaben und Fähigkeiten, die Gott dir gegeben hat. Wunderbar, da kann ich viel mitgeben. Ich erlebe auch, dass viele Jugendliche sagen: „Wir wollen eine bessere Welt. Wir sehen so viel Ungerechtigkeit, wir sehen, dass die Welt zerstört wird, wir wollen etwas verändern.“
Da kann ich auch sagen: „Ja, diese Welt, wie sie ist, ist nicht so, wie sie gedacht ist. Da wird etwas Besseres kommen. Gott wird diese Welt neu machen.“ Und dann noch mit einem Trend ausgedrückt: Ich weiß nicht, ob ihr das kennt – „We listen and we don't judge.“
Ich weiß nicht, ob das schon mal jemand ausprobiert hat. Mir erscheint das auch ein bisschen gefährlich. Ganz kurz erklärt: Auf TikTok gibt es den Trend, dass Paare oder Freunde sich Dinge erzählen, die sehr schwierig sind. Das Motto lautet immer: „Wir hören zu und wir urteilen nicht.“
Das Gegenüber darf dann eigentlich gar nicht sauer werden, weil das ja das Motto ist: „We listen and we don't judge.“ Das ist eine gefährliche Sache. Ich habe gehört, dass schon viele Beziehungen daran zerbrochen sind. Aber ich glaube, der Gedanke dahinter ist sehr gängig: „Ich habe doch gar kein Recht, darüber zu urteilen, wie du dein Leben führst. Das ist doch dein Ding, du musst herausfinden, wie du dein Leben führst.“
Als Christin kann ich auch sagen: „Ja, das stimmt. Ich verstehe das und stimme dem zu, denn ich habe kein Recht zu urteilen.“ Das sagt mir die Bibel auch: „Urteilt nicht übereinander, schaut nach dem Balken in eurem eigenen Auge.“ Da kann ich total mitgehen.
Aber zum Schluss kommt der wichtigste Schritt – oder der, wo dann am meisten passiert: Ich zünde das Dynamit, wenn ich die Löcher gebohrt habe. Ich zeige, wo die Widersprüche sind. Paulus macht das auch. Am Ende seiner Rede sagt er ganz deutlich: „Gott ist anders, als ihr denkt.“
Er sagt einmal: „Ihr mit euren ganzen Göttern, ihr werdet Gott nicht in den Heiligtümern finden.“ Und er sagt den Philosophen: „Ihr habt viel nachgedacht, aber mit eurem Nachdenken findet ihr Gott auch nicht, denn Gott ist ganz anders.“ Am Ende seiner Rede sagt er noch einmal: „Gott zeigt sich konkret in einem Menschen. Er hat einen Menschen geschickt, hat ihn vom Tod auferweckt und wird wiederkommen. In diesem einen Menschen wird er Gericht halten.“
Das ist alles etwas, was die Philosophen damals völlig anders gesehen haben. Wenn Gott, dann weit weg. Gericht gibt es nicht, denn die Götter mischen sich nicht ein. Hier am Ende kommt Paulus noch einmal richtig zum Punkt und sagt: „Leute, so wie ihr euch Gott vorstellt, das stimmt nicht.“
Wo können wir Dynamit im Evangelium finden? Ich finde, das Motto „Anders als ihr denkt“ passt ganz gut. Ja, wir erhalten eine starke Identität von Gott. Doch dazu gehört auch die Erkenntnis, dass Jesus für mich sterben musste.
Was sagt das über meine Identität aus, dass jemand für mich gestorben ist, um mich vom Bösen zu befreien? Das ist anders, als ich vielleicht selbst denken würde. Es zeigt mir, dass ich jemanden brauche, der mich rettet. Ich brauche ein neues Sein, eine neue Identität – und diese finde ich in Jesus.
Eine neue Welt – ja, wir warten und hoffen darauf, dass Gott diese Welt neu machen wird. Aber am Ende wird es eben er sein, der das vollbringen wird. Wir können dazu beitragen und jetzt schon daran arbeiten, aber Gott wird uns eine neue Welt schenken.
Auch wenn wir dazu angehalten sind, nicht zu urteilen, heißt das nicht, dass es grundsätzlich keine Kriterien für Gut und Böse gibt. Oft wird gefordert, dass wir nicht beurteilen dürfen, was andere tun. Doch insgeheim haben viele ganz klare Kriterien. Man würde nicht alles gutheißen, sondern es gibt Dinge, bei denen die meisten sagen würden: „Das jetzt nicht mehr.“
Wir haben also Kriterien für Gut und Böse, und das ist auch richtig so, denn diese gibt es. Es gibt eine Wahrheit, und diese ist Jesus. Am Ende lädt Paulus uns ein und sagt: „Jetzt ist die Zeit zur Umkehr, ihr könnt zu Gott zurückkehren.“
Das können wir auch tun. Wir können sagen: Sucht eure Identität, aber sucht sie bei Gott. Sucht nach einer neuen Welt, und sucht sie bei Gott – er wird sie euch schenken.
Wie kann ich jetzt unnötige Irritationen vermeiden und gleichzeitig dort konfrontieren, wo es nötig ist? Von Paulus lernen wir fünf wichtige Punkte: genau hinschauen, sensibel sein, Bohrlöcher graben, Dynamit zünden und konkret einladen.
Am Ende habe ich noch zwei Herausforderungen für euch – je nachdem, welcher Typ ihr seid. Wir haben ja gesagt, dass hier vor allem viele Harmonizer sind. Aber wir beginnen jetzt mit den Provokateuren.
Wenn du eher der Typ bist, der gut diskutieren kann, gerne diskutiert und dem es nichts ausmacht, wenn andere dir widersprechen, dann ist das deine Challenge: Zuerst die Bohrlöcher, dann das Dynamit.
Stell dir vor, du bist wieder in einer angeregten Diskussion. Es ist super, dass du selbstbewusst darüber redest, warum das Evangelium von Jesus so wichtig ist. Aber versuche doch einmal, zuerst zu verstehen, warum dein Gesprächspartner anders denkt. Wahrscheinlich entdeckst du mehr Gemeinsamkeiten, als du denkst.
Anstatt jetzt weitere Argumente zu suchen, warum deine Gesprächspartnerin falsch liegt, versuche doch mal zu überlegen, warum das, was sie sagt, total gut zu Jesus und zum Evangelium passt.
Zum Beispiel habe ich mir mal etwas ausgedacht: Ich finde es mega schön, dass du im Weltcafé mitarbeitest und dich für sozial Benachteiligte einsetzt. Ich glaube, wir Christen sollten das auch total wichtig nehmen. Gott ist ja auch so, dass er sich vor allem für die Benachteiligten einsetzt, und bei Jesus hat man das auch gesehen.
Aber das ist ja auch ganz schön schwer. Was motiviert dich denn dazu, dich einzusetzen?
Deine Challenge für die vielen Harmoniser unter uns: Kein Bohrloch ohne Dynamit.
Ihr seid vielleicht sehr gut darin, empathisch zu sein, die anderen wertzuschätzen und zu sagen, wie gut ihr ihre Meinung findet. Stell dir vor, du hast mal wieder so ein Gespräch mit jemandem – ein richtig tiefes, gutes Gespräch – und die Person sagt einfach richtig tolle Sachen.
Es ist super, wenn du diese Wertschätzung ausdrückst. Versuche jetzt aber, nicht dabei stehen zu bleiben, sondern noch eine kritische Frage zu stellen oder zu zeigen, wie das, was die Person denkt, am Ende bei Jesus landen müsste.
Beispiel:
Ich finde es so schön, dass du im Weltkaffee mitarbeitest und dich für sozial Benachteiligte einsetzt. Mir ist das auch wichtig. Aber ich bin manchmal auch frustriert, weil ich denke, dass wir die Welt nie ganz verändern können. Ich merke ja auch, dass ich selbst Teil des Problems bin, weil ich oft egoistisch bin. Mir hilft mein Glaube, weil ich glaube, dass Gott die Herzen verändern kann. Was motiviert dich, trotzdem weiterzumachen?
Ob Provokateur oder Harmonizer – ich wünsche dir auf jeden Fall bei deinen Gesprächen sehr viel Segen. Mögt ihr erleben, dass das Evangelium seine Sprengkraft entfaltet und Menschen sich von Jesus verändern lassen.
Dafür bete ich jetzt. Lasst uns gemeinsam beten:
Vater im Himmel, du bist der, der verändert, du bist der, der redet. Du bist ewig und unveränderlich, auf dich können wir uns verlassen.
Ich danke dir, dass du uns geschaffen hast und uns berufen hast. Ich danke dir, dass wir deine Kinder sein dürfen.
Danke, dass du deinen Sohn gesandt hast, um uns ein neues Leben zu schenken. Danke, dass du diese Welt neu machen wirst, dass du eines Tages kommen wirst und alles Unrecht auslöschen wirst.
Ich bitte dich für uns, die wir hier sind, dass du uns Weisheit und Freude schenkst, um von dir zu reden. Gib uns Kraft, gib uns gute Ideen, schenke uns gute Gelegenheiten und leite uns.
Ich bitte dich für die Jugendlichen in unserem Land und in unserem Umfeld, dass du sie berührst, dass sie dich kennenlernen können – deine Liebe, dass sie ihr Leben und ihre Identität in dir festmachen.
Danke, Herr, dass du mit uns gehst, dass du uns befähigst und dass du hier bist. Amen.