Einführung in das Thema Sklaverei im Neuen Testament
Sklaverei und Bibel – ein paar Informationen aus der Theologie, die im Glauben stärken und zur praktischen Nachfolge anregen. Dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um das Thema Sklaverei im Neuen Testament.
Sklaverei und Bibel – heute möchte ich mich dem Neuen Testament zuwenden. Dabei muss ich gleich zu Beginn eine Einschränkung machen: Wenn im Neuen Testament von Sklaven die Rede ist, dann ist immer die häusliche Sklaverei gemeint. Nie ist die Rede von Strafsklaverei auf den Galeeren oder in den Bergwerken.
Trotzdem ist es für Bibelleser oft merkwürdig, dass im Neuen Testament Sklaven dazu aufgefordert werden, besonders gut und ehrlich für ihre Herren zu arbeiten.
Aufforderungen an Sklaven im Neuen Testament
Titus 2,9-10
Die Sklaven ermahne, ihren eigenen Herren in allem gehorsam zu sein, sich wohlgefällig zu machen, nicht zu widersprechen und nichts zu unterschlagen. Sie sollen alle gute Treue erweisen, damit sie in allem die Lehre unseres Rettergottes zieren.
1. Timotheus 6,1-2
Alle, die unter dem Joch der Sklaverei stehen, sollen ihre eigenen Herren für würdig aller Ehre halten, damit der Name Gottes und die Lehre nicht verlästert werden.
Diejenigen aber, die gläubige Herren haben, sollen sie nicht gering achten, weil sie Brüder sind. Vielmehr sollen sie ihnen noch besser dienen, weil sie Gläubige und Geliebte sind, die sich des Wohltuns befleißen.
Dies lehre und ermahne.
Die Frage nach der Freilassung der Sklaven
Und spätestens an dieser Stelle habe ich mir als Bibelleser schon gedacht: Warum fordert Paulus die gläubigen Herren eigentlich nicht auf, ihre Sklaven freizulassen?
Diese Frage ist allein deshalb schon gerechtfertigt, weil es doch gerade Missionsgesellschaften und britische Evangelikale waren, die wesentlich zur Abschaffung der Sklaverei beigetragen haben. Einerseits sind Christen also ganz klar gegen Sklaverei. Andererseits gibt es kein Gebot im Neuen Testament, Sklaven freizulassen.
Woran liegt das? Die Antwort hat wieder mit der Stellung von Sklaven in der Gesellschaft zu tun. Dort, wo Sklaverei der Ausbeutung, Unterdrückung und Entwertung von Menschen dient, ist die Bibel deutlich dagegen.
Diese Form von Sklaverei ist Gott ein Gräuel. Deshalb verurteilt die Bibel Menschenhandel aufs Schärfste und verhängt darüber die Todesstrafe.
Gesellschaftliche Realität der antiken Sklaverei
Gleichzeitig ist es naiv zu glauben, dass ein normaler Haussklave durch seine Freilassung immer einen Vorteil hatte. Wir denken das, weil wir die gesellschaftlichen Strukturen der Antike nicht kennen.
Die antike Gesellschaft war eher wie die Mafia organisiert – man verzeihe mir den Vergleich, aber ich finde ihn passend. Es war normal und geboten, sich einer einflussreichen Familie anzuschließen und sich einen Schutzherren zu suchen. Mein Status in der Gesellschaft hing deshalb auch von meinem Patron ab.
Ein Sklave im Kaiserhaus hatte wesentlich mehr Macht und Einfluss als die meisten freien Bürger. Das lag einfach daran, dass er Teil der kaiserlichen Familie war.
Das ist auch der Grund, warum Paulus warnt: „Ihr seid um einen Preis erkauft, werdet nicht Sklaven von Menschen“ (1. Korinther 7,23). Wir lesen das und fragen uns, wie jemand das überhaupt erwägen kann. Die Antwort lautet: Weil es mit einem sozialen Aufstieg verbunden sein konnte.
Wir müssen uns vorstellen, dass in Korinth ein Drittel der Stadtbevölkerung Sklaven waren. Wurde jemand einfach frei, verlor er damit oft sein Auskommen, seinen Status und womöglich sogar seine Familie. Praktisch brachte ihm die Freilassung also kaum Vorteile.
Freiheit und Berufung im Glauben
Wir denken, es gibt nichts Besseres als Freiheit. Und natürlich ist an diesem Gedanken etwas dran.
In 1. Korinther 7,21 heißt es: „Bist du als Sklave berufen worden, so lass es dich nicht kümmern. Wenn du aber auch frei werden kannst, mach umso lieber Gebrauch davon.“
Natürlich ist es gut, wenn ich eigenständig über meine Zeit bestimmen kann. Das kann ein Vorteil sein. Aber noch wichtiger ist der erste Teil des Verses: „Bist du als Sklave berufen worden“, also Christ geworden, „so lass es dich nicht kümmern.“
Für das neue Leben mit Gott müssen sich nicht alle äußeren Lebensumstände zum Guten wenden. Ich kann als Sklave, da wo ich gerade stehe, mit meinen Möglichkeiten das Reich Gottes bauen – im Blick auf meine Sohnschaft und mein völliges Angenommensein in der Familie Gottes.
Einheit in Christus trotz gesellschaftlicher Unterschiede
Im Blick darauf galt in der frühen Kirche von Anfang an Galater 3,28: „Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“
Sklaven wurden als Nichtchristen zweiter Klasse angesehen. Auch wenn die Korinther sie im Hinblick auf das Abendmahl so behandelten, wurden sie dafür postwendend von Gott bestraft.
Lass es dich nicht kümmern – das war der Gedanke.
Praktische Lebensführung als Sklave im Glauben
Der Gedanke wird weitergeführt in Kolosser 3,22-25: „Ihr Sklaven, gehorcht in allem euren irdischen Herren, nicht in Augendienerei als Menschengefällige, sondern in Einfalt des Herzens, den Herrn fürchtend. Was ihr auch tut, arbeitet von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen, da ihr wisst, dass ihr vom Herrn als Vergeltung das Erbe empfangen werdet. Ihr dient dem Herrn Christus. Denn wer Unrecht tut, wird das Unrecht empfangen, das er getan hat, und da ist kein Ansehen der Person.“
Dass ich Sklave bin, ist kein Grund, schlecht zu arbeiten. Ich bin als Christ von Gott erkauft worden (Römer 6,18). Ich gehöre mit meinem Leben einem neuen Herrn, dem Herrn Jesus. Und was ich tue, das tue ich für ihn.
Das ist ein grundsätzlich wichtiger Gedanke zum Thema Arbeit: Ich arbeite zur Ehre Gottes. Die Sklaven sollen den irdischen Herren gehorchen und von Herzen arbeiten, weil sie mit ihrem ganzen Leben – die Arbeit eingeschlossen – dem Herrn Jesus dienen. Von ihm werden sie als Belohnung das ewige Erbe empfangen.
Gott wird somit zum eigentlichen Arbeitgeber der Christen.
Zeugnis im Alltag als Christ in verschiedenen Lebensverhältnissen
Wie kann ein Sklave heute Licht für das Evangelium sein? Oder ein Schüler oder ein Angestellter? Er muss einfach ein sehr guter Arbeiter sein: kollegial, fleißig und ehrlich. So, wie wir es bei Titus gelesen haben, soll er eine Zierde für die Lehre unseres Rettergottes sein.
Was für Sklaven gilt, gilt natürlich auch für die Herren. Sie werden zwar nicht aufgefordert, ihre Sklaven freizulassen, doch auch sie dürfen eine Zierde für das Evangelium sein – allerdings auf eine andere Weise.
Kolosser 4,1 sagt: "Ihr Herren, geht gerecht mit euren Sklaven um und behandelt sie fair. Denkt daran, dass auch ihr einen Herren habt, und dieser Herr ist im Himmel."
Man erkennt hier denselben Blick auf denselben Herrn, der Sklaven und Herren vereint. Dieser Blick kann auch uns Ruhe schenken, besonders wenn unsere Lebensumstände nicht so sind, wie wir es uns manchmal vorstellen.
Schlusswort und Segen
Setze dich heute für eine Viertelstunde hin.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen.