Ankommen in einer neuen Realität und die Sehnsucht nach Schutz
Ja, jemand hat es so formuliert, dass wir seit zwei Wochen politisch und gesellschaftlich in einer neuen Realität angekommen sind. Wahrscheinlich handelt es sich dabei eigentlich um die alte Realität, die nur fast niemand von uns mehr kennt. Meinen Eltern wäre das alles wahrscheinlich sehr vertraut vorgekommen.
Ich erinnere mich an einige Dinge aus meiner Kindheit. Zum Beispiel war ich als Kind mit meinen Eltern irgendwann zum ersten Mal im Kino, und zwar im Autokino in Grafenbruch. Das gab es schon damals, es ist eine historische Einrichtung. Dort lief Tom und Jerry. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen: eine Katze und eine Maus, wobei die Katze immer versucht, die Maus zu fangen, aber stets selbst einen auf den Deckel bekommt.
Dann wurde ein Spruch aufgegriffen – ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich mich wirklich an diesen Kindheitsfilm erinnere oder später noch einmal irgendwelche Clips gesehen habe. Der Spruch lautet, dass Katzen neun Leben haben. Ich erinnere mich, dass die Katze wieder einmal zusammengeschlagen am Boden lag und ein Katzengeist aus ihr entwich. Dann erschien der zweite Geist, der noch nummeriert war, sodass man mitzählen konnte.
Die Nummer neun war schon halb draußen, als sie sah, dass sich die Katze doch ein bisschen bewegte. Daraufhin blies sie die Trompete, und alle anderen acht Geister kamen zurück. Die Katze stand wieder auf. Ja, schön wäre es, nicht wahr? Es ist nur ein Gerücht, dass Katzen ein neues Leben haben – und Menschen schon gar nicht.
Das ist ein Grund, warum wir uns so bedroht fühlen, und zwar nicht nur wegen eines Krieges. Aber dieser macht es uns sehr deutlich: Wenn wir wissen, dass wir nur ein Leben haben, ein kostbares Leben, sehnen wir uns danach, dass dieses Leben irgendwie beschützt ist.
Hiob veranschaulicht das mit einem anderen Bild. Ich möchte heute nicht über Hiob predigen, aber zu Beginn eine Stelle aus Hiob lesen. Er vergleicht das menschliche Leben, sein eigenes Leben, das er in diesem Moment als sehr bedroht empfindet, mit dem Leben mancher Baumarten. Das trifft zwar nicht auf jeden Baum zu, aber auf manche Arten.
In Hiob Kapitel 14, Verse 7 bis 10 heißt es:
„Denn für den Baum gibt es Hoffnung: Wird er abgehauen, so schlägt er wieder aus, und seine Schösslinge hören nicht auf. Wenn seine Wurzel in der Erde altert und sein Stumpf im Boden stirbt, vom Duft des Wassers sprosst er wieder und treibt Zweige wie ein Pflänzling. Der Mensch aber stirbt und liegt da, und der Mensch verscheidet.“
Ich weiß nicht, ob Sie solche Bäume kennen. Essigbäume sind ein berühmtes Beispiel, Linden auch. Vielleicht haben Sie schon einmal in einem alten Dorf eine Tanzlinde gesehen. Sie wird immer wieder abgesägt, doch außen wachsen neue Schösslinge nach. Diese werden jedes Jahr erneut abgesägt, und so entsteht eine immer größere Platte, auf der Menschen tanzen können. Denn dieser Baum ist quasi nicht totzukriegen durch Absägen.
Von solchen Bäumen spricht Hiob. Und dann sagt er in Vers 10, dass der Mensch stirbt und liegt da, während es doch irgendwie auf dieser Erde weitergeht.
Die Suche nach Sicherheit in Jesaja 2–4
Ich möchte heute mit euch in Jesaja lesen und einen Überblick über die Kapitel zwei bis vier versuchen. Vielleicht ist ein Schlüsselsatz dieses Abschnitts Jesaja 2,22: „Lasst ab vom Menschen, in dessen Nase nur ein Odem ist, denn wofür ist er zu achten?“
Dieser Satz ist hier zweideutig, wenn man den ganzen Abschnitt liest und darüber nachdenkt, was Jesaja damit meint. Zum einen drückt er aus, was auch Hiob gesagt hat: Vorsicht, Vorsicht vor Gott, Vorsicht ihr Menschen! Das menschliche Leben ist verletzlich. Der Mensch hat nur ein Leben. Passt auf, dass ihr es nicht gefährdet!
Aber hier steckt auch eine umgekehrte Perspektive drin. Wenn ihr euren Schutz bei Menschen sucht – bei den Mächtigen dieser Erde, bei eurem Ehemann oder bei wem auch immer – auch das sind Menschen, die nur ein Leben haben. Auch sie sind nicht auf der sicheren Seite. Man weiß nicht, wie lange man auf sie vertrauen kann und wie lange sie überhaupt existieren.
Darum geht es in Jesaja 2 bis 4: Es geht um das Thema Schutz. Wir brauchen Schutz ganz objektiv. Wir sehnen uns nach Schutz, aber wo bekommen wir ihn? Was gibt uns Sicherheit? Das ist das Thema, das Jesaja in diesen vier Kapiteln entfaltet. Das vierte Kapitel ist sehr kurz, aber es gehört zu diesem Abschnitt.
Der Abschnitt beginnt mit Jesaja 2,1: „Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amos, über Juda und Jerusalem geschaut hat.“ Das ist relativ am Anfang dieses Buches etwas ganz Prinzipielles, was Gott Jesaja gesagt hat.
Der König, unter dem Jesaja seine Jugend verbracht hat, regierte sehr lange und sehr erfolgreich. Er hinterließ seinen Nachfolgern ein Land in Wohlstand. Es herrschte großer Wohlstand und eine hohe militärische Sicherheit. Er hatte viele Befestigungen und ein unglaublich großes Heer aufgebaut. Die Menschen fühlten sich sicher.
Diese Sicherheit, wenn Menschen sich sicher fühlen, zieht sie nicht immer näher zu Gott. Ich lese aus Jesaja 2,7: „Und sein Land ist voll Silber und Gold, und seine Schätze sind ohne Ende.“ Das heißt, das Land war von Wohlstand geprägt.
Vielleicht erinnert man sich an unser Land, das – ähnlich wie unter Usia – Generationen ohne Krieg und ohne echte Not erlebt hat. Es ist von Wohlstand geprägt für die allermeisten Menschen, die hier leben. Dieser Wohlstand vermittelt auch eine gewisse emotionale Sicherheit.
Es geht weiter: „Unser Land ist voll von Pferden, und seiner Wagen ist kein Ende.“ Modern ausgedrückt: Das Land hatte eine riesige Armee mit unglaublich vielen Panzern. Diese militärische Stärke vermittelte den Menschen damals eine gewisse Sicherheit.
Man dachte: Wir haben unseren Wohlstand und ein Militär, das uns im Ernstfall verteidigen kann – das gibt uns Sicherheit. Aber der Satz geht noch weiter, Vers 8: „Und das Land ist voller wertloser Götzen. Sie werfen sich nieder vor dem Produkt ihrer Hände, vor dem, was ihre Finger gemacht haben.“
Das waren die drei Säulen dieser Gesellschaft. Und alle drei Säulen waren etwas, das Menschen gemacht haben. Der Wohlstand war von Menschen geschaffen. Die militärische Stärke war von Menschen aufgebaut. Und die Götzen waren von Menschen gemacht.
Das ist die große Frage, die Jesaja stellt: Worauf verlässt du dich? Worauf vertraust du? Was gibt dir das Gefühl von Sicherheit? Der Wohlstand? Das Militär deines Landes? Die Götzen, die du dir selbst gebaut hast und vor denen du dich niederwirfst, weil sie für die Fruchtbarkeit deiner Felder sorgen sollen?
Was gibt dir Sicherheit? Unsere Götzen sind vielleicht nicht das, was wir am meisten lieben. Aber wahrscheinlich sind unsere Götzen das, worauf wir uns verlassen und was uns Sicherheit vermittelt. Und Gott gefällt das nicht.
Die Erniedrigung der Hochmütigen und Gottes Gericht
Dort missfällt es, wie sich damals die Gesellschaft entwickelt hat. Jesaja entfaltet dies in den nächsten Abschnitten, zum Beispiel in Vers 11 bis 17 von Kapitel 2. Dieser Abschnitt beginnt mit Vers 11:
„Die hochmütigen Augen des Menschen werden erniedrigt, und die Überheblichkeit der Männer wird gebeugt werden. Der Herr wird hoch erhaben sein, er allein an jenem Tag.“
Diese Arroganz, dass wir alles im Griff haben und Sicherheit für unser Land, unsere Familie und unser Leben schaffen können, empfindet Gott als Hochmut. Der Mensch ist in Wirklichkeit sehr zerbrechlich. Alles, was er sich ohne Gott aufbaut, wo er Gott nicht mehr braucht, wird nicht bestehen.
Gott sagt: Die hochmütigen Augen des Menschen werden erniedrigt, und die Arroganz der Männer wird gebeugt werden. Der Herr wird erhaben sein.
Jesaja beendet diesen Abschnitt mit Vers 17:
„Und der Hochmut des Menschen wird gebeugt, und die Überheblichkeit der Männer erniedrigt werden. Der Herr wird hocherhaben sein, er allein an jedem Tag.“
Man merkt, dass Vers 11 und Vers 17 genau gleich sind. Hier rahmt Jesaja seinen Abschnitt ein – darum geht es.
Doch was steht dazwischen? Ich lese mal Vers 12 bis 16 vor. Jesaja verwendet eine sehr bildhafte Sprache. Er ist ein Dichter. Kaum jemand in der Bibel, vielleicht abgesehen von manchen Psalmschreibern, hat eine so kraftvolle Sprache wie Jesaja. Man muss sich manchmal in seine Bilder hineinversetzen.
Vers 12 lautet:
„Der Herr der Heerscharen hat einen Gerichtstag über alles Hohe und Mächtige und über alles Stolze; sie werden erniedrigt werden.“
Weiter heißt es:
„Über alle Zedern des Libanon, die hohen und erhabenen, und über alle Eichen Basans, über alle hohen Berge und über alle erhabenen Hügel, über jeden hohen Turm und über jede befestigte Mauer, über alles, was sich für stark hält, und über alles, worauf du deine Hoffnung setzt.“
Jesaja sagt, Gott hat einen Tag des Gerichts über all diese starken Menschen, über die Führer und die, die vorangehen. Wir werden das gleich noch genauer sehen.
Hier spricht Jesaja in Bildern. Er vergleicht sie mit Zedern, die man für ihre Größe und Stärke bewundert, und mit Eichen Basans, die seit Jahrhunderten gewachsen sind. Diese Menschen – Militärs, Politiker, Wissenschaftler – vermitteln Sicherheit und Stärke.
Doch Gott hat einen Tag des Gerichts über all das. Auch über die Tarsisschiffe, die beeindruckenden Konstruktionen. Israel hat seinen Reichtum unter anderem durch den Handel mit den Phöniziern und den Goldimport aus Tarsis erlangt. Das war eine Grundlage für Frieden und Reichtum, mit dem man auch Aufrüstung finanzieren konnte.
Jesaja sagt: Gott hat einen Tag des Gerichts über all das.
Der ganze Abschnitt wird eingerahmt von Sätzen, die sich wiederholen. Schon vor Vers 11 bis 17 beginnt Jesaja mit einem Satz, den er zweimal wiederholt und jedes Mal ein wenig erweitert. So wird deutlich, was er meint.
Vers 10 von Kapitel 2 lautet:
„Verkrieche dich in die Felsen, verbirg dich im Staub vor dem Schrecken des Herrn und vor der Pracht seiner Majestät.“
Daran knüpft er in Vers 18 an:
„Und die Götzen werden ganz und gar verschwinden. Sie werden sich in Felsenhöhlen und in Löcher im Staub verkriechen vor dem Schrecken des Herrn und vor der Pracht seiner Majestät.“
Hier klingt Vers 10 noch nach:
„Verbirg dich im Staub vor dem Schrecken des Herrn und vor der Pracht seiner Majestät.“
In Vers 18 und 19 heißt es:
„Sie werden sich in Felsenhöhlen und in Löcher im Staub verkriechen vor dem Schrecken des Herrn und vor der Pracht seiner Majestät, wenn er sich aufmacht, um die Erde zu erschüttern.“
Jesaja wiederholt es direkt danach noch einmal, diesmal etwas ausführlicher. Nun spricht er nicht mehr nur von den Götzen bildlich, sondern von den Menschen, die sich auf die Götzen verlassen haben.
In Vers 20 heißt es:
„Wie der Mensch seine Götzen aus Silber und seine Götzen aus Gold, die er sich zum Anbeten gemacht hat, den Maulwürfen und den Fledermäusen hinwirft, um sich selbst in Felsspalten und in Steinklüfte zu verkriechen.“
Und zum dritten Mal heißt es:
„Vor dem Schrecken des Herrn, vor der Pracht seiner Majestät, wenn er sich aufmacht, um die Erde zu erschüttern.“
Die Illusion menschlicher Sicherheit und die Instabilität von Gesellschaften
Und genau an dieser Stelle kommt dieser Satz, mit dem ich angefangen habe, Vers 22: Lass ab von Menschen, deren Name nur ein Odem ist, denn wofür ist er zu achten?
Wenn Gott auftritt, wenn Gott all diese Sicherheiten wegnimmt, wenn Gott die wirtschaftlichen Sicherheiten wegnimmt, wenn Gott die militärischen Sicherheiten wegnimmt und wenn Gott all die Menschen und all die ausgedachten übernatürlichen Wesen damals wegnimmt, die Sicherheit vermittelt haben, dann verkriechen sich Menschen in Höhlen und Bunkern, weil alle Sicherheit plötzlich weg ist.
Wie ist es nochmal zurück? Wie ist es? Was gibt einer Gesellschaft das Gefühl von Sicherheit? Ja, auch eine Gesellschaft ohne Gott kann offensichtlich relativ lange stabil bleiben. Wir sehen es in unserer Gesellschaft. Die Gesellschaft kann relativ lange stabil bleiben und relativ lange eine Illusion von Sicherheit aufrechterhalten und vielen Menschen ein verhältnismäßig unbeschwertes Leben geben.
Was gibt dir Stabilität? Was gibt einem Land Stabilität? Ja, eine Führungsschicht, die für militärische Sicherheit sorgt, die für diplomatische Absicherung sorgt, die für Führungsstrukturen und damit für eine innere Ordnung sorgt, sodass ich nicht jeden Tag Angst haben muss, dass irgendjemand irgendwelche marodierenden Banden herumziehen und mein Haus anzünden.
Eine funktionierende Stadt, eine funktionierende Führungsschicht – Politiker, Militärs, Polizei – geben uns letzten Endes ein Gefühl der Sicherheit. Menschen geben uns ein Gefühl der Sicherheit, die uns irgendwie eine gemeinsame Sicht auf das Land vermitteln, die versuchen, uns gemeinsame Werte zu vermitteln.
Es gibt uns ein Zusammengehörigkeitsgefühl, und zu einer großen Gruppe zu gehören, gibt auch ein Gefühl der Sicherheit. Das sind die Dinge, die ein Volk, die eine Gesellschaft im Wesentlichen stabilisieren.
Aber dieser Schutzschirm ist offensichtlich nicht stark genug auf Dauer. Wir haben das gelesen, ich lese das nochmal, Vers 12 bis 16:
Denn der Herr der Heerscharen hat einen Tag, einen Gerichtstag, über alles Hohe und Mächtige und über alles Stolze, und sie werden erniedrigt werden, über alle Zedern des Libanon und die Hohen und Erhabenen, über die Eichen Basans.
Und ja, das sind diese Menschen, die das Land führen, die Verantwortung tragen, die nicht auf Dauer stabil sind und die keine dauerhafte stabile Struktur geben können. Das war damals so, und das ist heute so.
Denn was passiert, wenn diese Führungsschicht moralisch nicht mehr verlässlich ist, wenn sie ihre Möglichkeiten und ihre Macht nicht mehr zum Wohl des Staates und des Volkes einsetzen, sondern für sich selbst?
Was damals passiert ist, lese ich in Kapitel 3, Vers 12-15:
Mein Volk, spricht Gott, ich, Jesaja, deine Leiter führen irre und haben den Weg deiner Pfade verwirrt. Der Herr steht da, um Gericht zu halten, denn er tritt auf, um sein Volk zu richten.
Der Herr wird ins Gericht gehen, und jetzt spricht Jesaja Klartext. Er spricht nicht mehr von Zedern auf dem Libanon, von Eichen Basans, von Türmen und Bergen, sondern jetzt spricht er genau Klartext. Was er meint, sind diese Führungsschichten.
Der Herr wird ins Gericht gehen mit den Ältesten seines Volkes und dessen Fürsten:
Ihr habt den Weinberg abgeweidet, das dem Armen geraubte ist in euren Häusern. Warum zertretet ihr mein Volk und zermalmt das Angesicht der Armen? spricht der Herr.
Ja, sagt der Herr, so eine Führungsschicht gibt Stabilität, aber jede Führungsschicht wird irgendwann korrupt. Das sind Menschen, Menschen, die egoistisch sind, Menschen, die eigene Ziele haben, eigene materielle Interessen.
Und irgendwann wird sich das auswirken. Nein, das ist nicht stabil, das ist nichts, worauf du dich verlassen kannst.
Die Illusion von Revolution und die Folgen des Machtverlusts
Ja, was tut man, wenn eine Führungsschicht korrupt ist? Wenn eine Regierung korrupt ist, was tut man? Wenn eine Wahl nichts mehr hilft, weil alle Parteien irgendwie genauso sind, was tut man?
Damals ging es mehr um absolutistische Regierungen. Was tut man da? Revolution? Die Führungsschicht absägen, oder? Wenn sie korrupt ist, muss sie weg. Gott sagt durch Jesaja, dass man durch eine Revolution etwas zum Besseren wenden könnte.
Das ist jedoch eine Illusion, Leute. Nichts wendet sich dadurch zum Besseren. Er beschreibt es in den ersten Versen von Kapitel 3. Ich lese sie mal vor:
„Denn siehe, der Herr, der Herrscharen, nimmt von Jerusalem und von Juda Stütze und Stütze weg, jede Stütze des Brotes und jede Stütze des Wassers, Held und Kriegsmann, Richter und Prophet und Wahrsager und Ältesten, den Obersten über fünfzig, den Angesehenen, den Ratgeber, den geschickten Magier und den Zauberkundigen.“
Gott sagt, wir können das ausprobieren. Wenn ihr die Revolution nicht schafft, kann ich das für euch tun. Ich kann die Führungsschicht wegnehmen. Jeden, der Autorität hat, jeden, der euch bisher Stabilität gegeben hat, kann ich wegnehmen. Und dann könnt ihr selbst jemanden bestimmen, der regiert.
Gott kann alle wegnehmen, bis hinunter zum Obersten, der nur über fünfzig verantwortlich war. Und dann schauen wir, was passiert, sagt Gott. Und er hat es getan. Es ist die erste Wegführung nach Babylon. Die Oberschicht wird weggeführt, und was übrig bleibt, ist das Volk.
Gott sagt, was passiert, was auch bei einer Revolution passieren würde, ist das Gleiche, was durch diese Deportation geschieht. Lest weiter:
„Ich werde Jünglinge zu ihren Fürsten machen, Menschen ohne Erfahrung, Menschen ohne das Einfühlungsvermögen, das man hat, wenn man selbst viel erlebt hat und Leid durchgemacht hat und weiß, wie es Menschen geht. Grausame sollen über sie herrschen, das Volk wird sich gegenseitig bedrücken, der eine den anderen und jeder seinen Nächsten.“
Es ist eine Illusion, dass die Bösen oben sitzen. „Die Beherrschten sind nicht besser, sobald sie an die Macht kommen“, sagt Jesaja. „Der Knabe wird frech auftreten gegen den Kreis und der Verachtete gegen den Geehrten.“
Nein, sagt Gott, wenn die Führungsschicht korrupt wird, ist Revolution keine Lösung. Es kommen nicht die Besseren dadurch an die Macht.
Der Verlust des Schutzes und seine Folgen für die Gesellschaft
Jesaja nimmt sich, beziehungsweise Gott durch Jesaja, ziemlich viel Zeit, um anhand eines Beispiels zu verdeutlichen, dass man Schutz braucht und was passiert, wenn dieser Schutz verloren geht. Er spricht dabei über Frauen, die im Wohlstand aufgewachsen sind und plötzlich mit Krieg konfrontiert werden. Der Schutz ist nicht mehr da, weil die Führungsschicht – die Männer – zum Teil im Krieg gefallen sind, zum Teil deportiert wurden. Auch die Frauen selbst werden als Gefangene dieses Krieges ins Exil geführt, der über das Land gekommen ist.
Ich lese einige Verse aus Kapitel 3, Vers 16: „Frauen, die im Wohlstand groß geworden sind.“ Der Herr spricht:
„Weil die Töchter Zions überheblich sind, weil sie sich so sicher fühlen und alles haben, gehen sie mit gerecktem Hals und blinzelnden Augen umher. Sie trippeln umher und klingeln mit ihren Füßen. So wird der Herr den Scheitel der Töchter Zions mit Schorf plagen, und er wird ihre Stirn kahl machen.“
An jenem Tag wird der Herr ihnen den Schmuck wegnehmen: die Fußspangen, Stirnbänder, Halbmunde, Ohrgehänge, Armketten, Schleier, Kopfbunde, Schrittkettchen, Gürtel, Riechflächen, Amulette, Fingerringe, Nasenringe, Prachtkleider, Mäntel, Umhänge, Beutel, Stoffe, Hemden, Turbane und Schleier.
All das, womit man sich schmücken kann – damals wie heute, im Wohlstandsdeutschland – und was man nicht einmal im Geschäft kaufen muss, sondern bequem im Internet bestellen kann.
Statt der Gewürze wird Moder sein, statt des Gürtels ein Strick, statt des Lockenwerks eine Glatze, statt des Prunkgewands ein Kittel aus Sacktuch – das Brandmal! Statt Schönheit das Brandmal einer Kriegsgefangenen.
Warum? Weil die Sicherheit weg ist, auf die gerade Frauen in einer Gesellschaft wie damals angewiesen sind. Heutzutage kann eine Frau Soldatin werden, denn man braucht nicht viel Kraft, um einen Abzug zu bedienen. Wahrscheinlich geht es sogar mit einer Panzerfaust. Aber damals?
Der Grund ist: Die Männer werden durch das Schwert fallen, ihre Stärke im Kampf ist verloren, und ihre Tore werden klagen und trauern. Die Stadt wird leer sein, und die Frauen werden auf dem Boden sitzen. Der Schutz ist weg.
Jesaja sagt, das geht bis in die tiefste Ebene der Familie hinein. Der Schutz des eigenen Mannes, der Schutz der Männer im Staat ist verloren. Und das ist das Ergebnis all des Reichtums, der manchmal bis zur Dekadenz führt.
Was passiert, wenn so viele Männer im Krieg sterben und wenn die Männer zuerst deportiert werden? Kapitel 4, Vers 1: Jesaja wirft noch einmal einen Blick auf Jerusalem und sagt:
„An jenem Tag werden sieben Frauen einen Mann ergreifen und sagen: ‚Wir wollen unser eigenes Brot essen und uns mit unseren eigenen Kleidern bekleiden. Nur lass uns nach deinem Namen genannt werden, nimm unsere Schmach weg und gib uns einen Schutzraum.‘“
Sie wollen versuchen, Geld zu organisieren, damit sie nicht auf der Tasche anderer liegen. Aber sie bitten um einen Schutzraum, in dem sie sicher sind, nicht hilflos, und in dem ihre Ehre nicht mit Füßen getreten wird.
Das ist die Situation, sagt Jesaja, wenn der Schutz nicht mehr da ist.
Was gibt uns Sicherheit? Wohlstand, Militär, der Mann in der Familie. Wie gesagt, damals war Emanzipation keine Alternative. In der Agrargesellschaft, in der sowohl Arbeit als auch Militär hauptsächlich mit Muskelkraft geleistet wurden, war Emanzipation keine Option.
Was gibt Sicherheit?
Gottes Verheißung als wahres Schutzschild
Jesaja beendet seinen Abschnitt mit der Aussage, dass wir Schutz brauchen. Es ist ja nicht so, dass wir diesen nicht benötigen. Jesaja hat dies anhand vieler praktischer Beispiele aus seiner Zeit deutlich gemacht: Frauen brauchen Schutz, sozial Schwache brauchen Schutz, letztlich braucht jeder Einzelne Schutz.
Jesaja wirft einen Blick in die Zukunft und fragt: Wie wird es sein? Wer wird das Schutzschild des Volkes sein? Werden es die politischen Führer sein, die weisen Ratgeber, Regierungsberater, die Militärs oder die Männer in der Familie?
Ich lese Jesaja 4,2: „Und es wird geschehen, wer in Zion übrig geblieben und wer in Jerusalem übrig gelassen ist, wird heilig heißen, jeder, der zum Leben eingeschrieben ist in Jerusalem. Und wenn der Herr die Blutschuld Jerusalems aus dessen Mitte weggefegt haben wird durch den Geist des Gerichts.“
Weiter heißt es: „Der Herr wird über die ganze Fläche des Berges Zion und über seine Versammlung eine Wolke bei Tag bilden, ein Rauch und den Glanz seines Feuers eine Flamme bei Nacht.“ Erinnert euch das nicht an etwas? Tief in der Geschichte Israels hat Gott sein Volk durch die Wüste geführt.
Jesaja sagt, das wird das Ende sein: Wenn jeder Schutz vernichtet ist, wenn ihr eingesehen habt, dass nichts euch Sicherheit geben kann außer eurem Gott, wenn ihr gereinigt seid durch Jahre des Gerichts, dann wird es wieder sein wie in der Wüste. Über Jerusalem wird eine Wolke bei Tag sein, der Glanz eines Feuers eine Flamme bei Nacht.
Denn über der ganzen Herrlichkeit wird ein Dach sein, und es wird ein Schutz sein zum Schatten bei Tag, vor der Hitze, und zur Zuflucht und Bergung vor Wolkenbruch und Regen. Er sagt: „Ich werde euer Schutz sein, ich werde ein Dach über euch machen.“
Er verwendet hier das Wort Schutz. Es wird ein Schutz und eine Zuflucht sein. Gott sagt: „Ich werde euer Schutz sein, wenn ihr zu mir kommt, wenn ihr eingesehen habt, dass es keinen anderen Schutz gibt.“
Ja, das ist das Dilemma der Menschen. Sie brauchen Schutz, aber niemand hat die Macht und niemand auf dieser Erde besitzt die moralische Integrität, diesen Schutz wirklich zu bieten. Es gibt keine sinnvollen Alternativen, weder Revolution noch Emanzipation.
Wie wir am Ende dieses Abschnitts gelesen haben, blickt Jesaja in die Zukunft, wenn Gott seinem Volk wieder Schutz gibt.
Der Blick in die Zukunft: Frieden durch Gottes Weisung
Aber wie hat der Abschnitt angefangen? Der Abschnitt beginnt mit ganz berühmten Sätzen, die gerade in diesem Moment wieder oft zitiert werden, fast ein bisschen wehmütig.
Ich lese den Anfang von Kapitel 2, Vers 2. Ich lese einfach noch einmal Vers 1, das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amos, über Juda und Jerusalem geschaut hat. Schon hier blickt Jesaja in die Zukunft, bevor er all die Katastrophen aufzählt, die sein Volk erleben wird.
Es wird geschehen in zukünftigen Tagen, dass der Berg des Hauses Jahwe bleibend feststehen wird als das Haupt der Berge und bleibend erhoben sein wird über die Hügel. Zu ihm werden die Nationen strömen, und viele große Völker werden kommen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufziehen zum Berg Jahwe und zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns lehre seine Wege, damit wir auf seinen Pfaden wandeln.
Jesaja sagt: Was in der fernen Zukunft passiert, ist nicht nur, dass Gott euch beschützen wird vor all diesen feindlichen Völkern um euch herum. Nein, all diese Völker werden nach Jerusalem kommen und den Rat Gottes suchen – nicht mehr den Rat ihrer Regierungsberater, Politiker oder Militärs, sondern sie werden den Rat Gottes suchen.
Von der ganzen Erde werden sie kommen, um den Rat Gottes zu suchen, mit dieser einen Frage: Wie können wir unser Land regieren? Wie können wir auf dieser Erde zurechtkommen, in Sicherheit, ohne Kriege? Das wird ihre Frage sein, und sie werden Gott fragen.
Wow, wäre das nicht krass, wenn Gott sein Volk nicht mehr vor aggressiven Feinden beschützen müsste? Sondern wenn es so weit käme, dass es keine aggressiven Feinde mehr gibt, weil jeder den Rat Gottes sucht? Das ist ein Schritt weiter.
Denn das Gesetz wird von Zion ausgehen und das Wort Jahwes von Jerusalem, und er wird richten zwischen vielen Nationen und mächtige, weit entfernte Völker zurechtweisen.
Und jetzt kommt der Satz: Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Keine Nation wird gegen eine andere das Schwert erheben, und sie werden nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Das ist das, was die UNO geschrieben hat, das ist das, was die UNO will – allerdings ohne Gott. Jesaja sagt: Das geht nur mit Gott.
Und das ist das, was wir weltpolitisch gerade erleben: Die Menschen, die sich zusammentun und sagen, das können wir durch Diplomatie und Fortschritt erreichen, merken, dass sie es nicht schaffen können, weil es nur mit Gott geht.
Es ist interessant, dass Micha genau die gleichen Sätze sagt, fast wörtlich. Micha hat zur gleichen Zeit gelebt wie Jesaja, und wir wissen nicht, wer wen zitiert oder ob sie beide zusammen jemand anders zitieren. Aber es war ein Satz, der diese Zeit geprägt hat.
Diese Sätze finden sich in Jesaja Kapitel 2, Verse 2 bis 4 und in Micha Kapitel 4, Verse 1 bis 3 – im Prinzip genau die gleichen Sätze. Ich glaube, dass Jesaja Micha zitiert hat. Warum? Weil er einen Satz anfügt in Vers 5: Kommt, Haus Jakob, und lasst uns wandeln im Licht des Herrn. Das ist ein Satz, den Micha nicht hat.
Jesaja sagt: Guck mal, in Zukunft wird die ganze Erde Frieden haben. Die Menschen werden den Krieg nicht mehr lernen, es braucht keine Abschreckung mehr. Alle Rüstungsgüter werden umgewandelt, die Materialien werden verwendet, um etwas anderes daraus zu machen – etwas Sinnvolleres für das Leben der Menschen.
Und das wird Gott erreichen, indem er allen Völkern Rat gibt, indem er alle Völker in ihre Schranken weist, indem alle Völker zu ihm kommen und seinen Rat suchen.
Schaut mal, das wird die Zukunft sein, sagt Jesaja. Wäre es nicht schlau, wenn wir dann zumindest jetzt schon seinen Rat suchen würden? Wäre es nicht klug, wenn wir als sein Volk jetzt schon seinen Rat suchen und auf ihn hören würden, in seinem Licht leben würden?
Selbst wenn sich die ganze Erde noch nicht verändert, selbst wenn es keinen Frieden auf dieser Erde gibt – aber wenn wir schon wissen, dass Gott das einmal erreichen wird, gibt es dann einen besseren Ratgeber für unser Leben? Gibt es jemanden, bei dem wir Sicherheit für unser Leben finden können, wenn nicht bei ihm?
Das ist die Botschaft Jesajas in diesen vier Kapiteln. Wir brauchen Sicherheit, und wir kennen jemanden, der uns das Maximum an Sicherheit geben kann, das wir jetzt überhaupt haben können in dieser Zeit. Er kann uns Rat geben für unser Leben wie niemand anders.
Wäre es nicht gut, in seinem Licht und mit seinen Ratschlägen zu leben?