Einführung in das Thema der Barmherzigkeit und des Hirtensonntags
Ich lese heute den Predigttext zu diesem Sonntag Misericordias Domini, von der Barmherzigkeit unseres Herrn, aus Johannes 10, Verse 27-30:
„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir. Ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Der Vater, der mir sie gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus des Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind eins.“
Herr, schließe uns dieses Wort jetzt auf. Amen.
Am vergangenen Freitag um zwölf Uhr fünfzehn wurde unsere Gemeinde einer großen Ehre gewürdigt. Ein echter, kein nachgemachter König fuhr durch die Hohenheimer Straße mitten durch unsere Gemeinde.
Aber was da an Schutz aufgeboten war – ich habe gar nicht gewusst, dass wir noch so viel Polizei in unserem Staat haben! Das war gewaltig. Aber Sie haben ganz Recht, wenn Sie sagen, das muss sein, denn diese prominenten Persönlichkeiten werden so leicht zur Zielscheibe von irgendwelchen Systemverändern oder sonstigen Umwälzern und „Beglückern“ der Gesellschaft. Da muss man schon auf der Hut sein, sie brauchen einen besonderen Schutz.
Da denke ich doch mit großer Dankbarkeit und auch mit ein bisschen Stolz als Schwabe daran zurück, dass wir ja mal einen Grafen hatten. Er war zwar kein König, aber für uns hat es gereicht. Der war gar nicht so gefährdet wie die heutigen hohen Persönlichkeiten. Er hatte sogar riskiert, seinen Kopf in den Schoß eines Untertanen zu legen.
Heute ist ja der 25. Jahrestag des Südweststaates. Da darf man sicher auch noch ein bisschen weiter zurückdenken als nur über die letzten 25 Jahre hinaus.
Das war so ein großes Ereignis, wie Graf Eberhard das gemacht hatte, dass man sogar ein Denkmal daraus in Stein meißelte und dort unten im Schlossgarten aufstellte. Ludwig Uhland hat die Nationalhymne der Schwaben gedichtet, wo es dann heißt: „Ich mein Haupt kann kühnlich legen jedem Untertan in Schoß.“
Es ist eine große Sache, wenn Persönlichkeiten so viel Mut haben, dass sie ihren Kopf in unseren Schoß legen. Es wäre auch schön, wenn wir so viel Vertrauen zu unseren hohen Persönlichkeiten hätten, dass wir es riskieren könnten, unseren Kopf in ihren Schoß zu legen. Aber das hängt immer ganz davon ab, wer es ist.
Sehen Sie, heute haben wir es noch wunderbarer in unserem Predigttext. Da heißt es nicht, dass Jesus seinen Kopf in unseren Schoß legt, sondern dass wir unseren Kopf in seinen Schoß legen können.
Das ist die einmalige Botschaft des Hirtensonntags. Es gibt eine Geborgenheit, die mit nichts anderem zu vergleichen ist.
Erinnerung an Missionare und die Botschaft der Geborgenheit in Jesus
Letzten Sonntag hatten wir unsere Missionskonferenz in Korntal. In der Mittagspause nahm ich meine Kinder mit hinüber zum Alten Friedhof, und dort besichtigten wir die Gräber.
Die Grabsteine sind alle ähnlich gestaltet, damit kein Unterschied zwischen Reich und Arm zu sehen ist. Zum ersten Mal fand ich das Grab des Missionars Johannes Rebmann. Es ist leider sehr schlecht lesbar. Neunundzwanzig Jahre arbeitete er ohne Heimaturlaub in Afrika. Auch seine Frau und sein Kind starben dort, ganz ähnlich wie bei seinem Freund Dr. Ludwig Krapf. Dieser erblindete im Dienst. Eine ganze Kraft hat er dort draußen gelassen.
Auf dem Grabstein steht nur der eine Satz: "Safe in the Arms of Jesus" – Sicher in den Armen Jesu. Das ist eine so ungeheure Botschaft, dass sie über das Grab dieses Mannes hinaus weiterklingen soll, was er gepredigt hat. Sicher in den Armen Jesu – das soll meine Botschaft heute sein, die ich Ihnen erklären möchte.
Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn ich die Botschaft in drei Teile gliedere. Ich möchte heute ganz besonders, dass Sie nicht nur einen Eindruck mitnehmen, sondern biblische Wahrheiten begreifen und fassen. Am besten schreiben Sie sie auf und lassen sie fürs Leben nicht mehr aus dem Sinn.
Das ist eine Lehre, eine Unterweisung und keine gemütliche Stimmung, die wir hier bei der Auslegung des Wortes Gottes haben.
Das Eigentumsrecht Gottes an seinen Schafen
Das Erste, was mir wichtig ist: Uns ist ein Eigentumszeichen gegeben. In der ersten Predigt habe ich gesagt, uns sei ein Eigentumszeichen eingebrannt. Dabei habe ich nicht damit gerechnet, dass ein Schäfer unter uns ist. Wir haben hier Menschen aus allen Berufssparten. Der Schäfer hat gesagt, bei Schafen wird es nie eingebrannt. Stattdessen wird, wie es heißt, eine Zacke ins Ohr gemacht oder so ähnlich. Ich bin eben doch nicht ganz in der Landwirtschaft aufgewachsen, entschuldigen Sie.
Also bleiben wir beim Eigentumsrecht, das mit unserem Leben eingeprägt ist. Bei Pferden und Rindern wird es eingebrannt, bei Schafen aber höchstens mit Farbe aufgemalt.
Diese Hirtenrede Jesu wird immer wieder durch Gespräche mit Besuchern des Tempels unterbrochen. Diese drängten sich zu Jesus und bestürmten ihn mit einer Frage, die uns heute noch genauso beschäftigt: Wer bist du, Jesus? Das ist die Frage, die hinter allen Gottesdiensten steht, die heute gehalten werden. Wer ist Jesus?
Der eine Prediger stellt Jesus als Lehrer oder Prediger der Wahrheit dar, ein anderer sagt, er sei der Sohn Gottes, und wieder ein anderer lächelt darüber. Wer ist Jesus? Und dann bitten sie ihn: Sag es uns frei heraus! Diese Bitte hat Jesus nicht erfüllt. Im ganzen Evangelium findet man eine große Zurückhaltung. Jesus ließ das Geheimnis seiner Person oft verhüllt.
Warum? Es gibt keinen einleuchtenden Grund. Doch es bleibt für Menschen, die die Person Jesu nicht erkennen, unverständlich. Jetzt verstehen Sie, wie es für mich ist, wenn ich auf der Kanzel stehe und das Wort Gottes erklären soll. Ich muss Ihnen zuerst erklären, dass Sie die Botschaft Jesu gar nicht verstehen können.
Er hat es zu seinen Zeiten deutlich gesagt, zum Beispiel zu Pilatus: Ich bin ein König. Und dann lachten die anderen erst recht. Die Botschaft des Evangeliums ist für unsere Ohren unbegreiflich. Das gilt für alle Menschen, die in dieser Welt leben, gleichermaßen.
Wir können in theologische Debatten geraten, wo Menschen darüber diskutieren, wer Jesus ist. Ich könnte auftreten und sagen: Ich weiß, wer Jesus ist – der Erlöser, der Heiland, der Auferstandene, ja, der Sohn Gottes. Der andere wird lachen. Ich sage: Er wird wiederkommen in den Wolken des Himmels. Für ihn wird das ein Wort sein, das er verachtet. Er sagt: Was redet der für alberne Dinge? Das sind Dogmen, die er mir predigt.
Nein, das sind keine Dogmen allein, das ist Wahrheit. So kenne ich Jesus. Das Wort, das Jesus uns sagt, wird nicht begriffen. So weit sind wir von Gott entfernt, dass wir nicht einmal hören und verstehen können, wenn Jesus uns das Geheimnis seiner Person offenbart.
Wissen Sie eigentlich, wenn Sie mit einem anderen Menschen reden: Sie können die besten Worte gebrauchen und die einprägsamsten Vergleiche suchen. Aber Sie können es ihm nicht erklären. Die Ohren aller Menschen sind so verschlossen, verriegelt, dass die Wahrheit Gottes nicht eindringen kann.
Die Sünde in unserem Leben ist nicht bloß eine Panne, die uns hier und da mal ein paar böse Dinge tun lässt. Die Sünde kennzeichnet uns so, dass unsere Ohren zugeklebt sind, sodass nichts von der Wahrheit Gottes eindringen kann.
Darum hat Jesus, als die Menschen ihn baten, sein Geheimnis zu enthüllen, nur dieses eine gesagt: Amen, amen, ich sage euch: Meine Schafe hören meine Stimme. Er redet von seinen Leuten. Und da gibt es in dieser Welt Menschen, die Jesus kennen und seine Stimme hören.
Was ist da passiert? Gott hat durch seinen Heiligen Geist ein Wunder gewirkt und ihnen die Ohren und Augen geöffnet. Wenn jetzt unter uns Menschen sind, denen der Herr Jesus dasselbe getan hat, dann können sie vom herrlichsten Glück ihres Lebens sprechen.
Ich kann Ihnen dabei nicht helfen. Es läuft auf einen einzigen Punkt hinaus: Er muss mir die Ohren öffnen, damit ich ihn erkennen kann, damit ich seine Stimme höre. Anders geht es nicht.
Ich habe Tage an dieser Predigt gearbeitet und mich bemüht, Ihnen das zu erklären. Dann dachte ich: Nein, es fällt zum Schluss auf eine einfache Sache zurück. Heute Morgen trafen wir uns in der Gebetsgemeinschaft und baten miteinander: Herr Jesus Christus, lass heute an einige Menschen in dieser Kirche deinen Ruf ergehen, damit sie deine Stimme hören. Nicht meine Stimme, sondern deine Stimme.
Gibt es überhaupt Menschen, die diese Stimme noch nie vernommen haben? Vielleicht hört man sie ganz kurz, und sie dringt ins Gewissen ein. Aber dann schüttelt man es wieder ab, will es verschieben und nicht aufnehmen.
Wenn man gar nicht weiß, was hier Großes geschehen ist – wenn der Herr durch unsere Abgeschlossenheit hindurchdringt und mitten in unser Herz ein gewaltiges Ausrufezeichen setzt: Meine Stimme, hören Sie!
Sie können ein großes Leben führen, ein bedeutender Mensch sein, ein wertvoller, edler Helfer der Menschheit werden. Und doch bleiben Sie vor Gott ein verlorener Mensch, wenn Sie seine Stimme nicht hören. Sie bleiben abgeschlossen und abgesondert von der Welt Gottes.
Wenn dieses Wunder geschieht, das größte, das je in einem Menschenleben geschehen kann: Meine Schafe hören meine Stimme. Jesus sagt, diese Schafe gehören ihm ganz allein. Sie sind seine Schafe.
Er unterteilt sie nicht in verschiedene Konfessionen, sondern sagt: Nur meine Schafe sind es. Es gibt noch andere Schafe, verirrte Schafe, aber von diesen hier sagt er: Das sind meine Schafe.
Damit will er sagen: Das ganze Leben kreist immer um mich. Wenn sie in den Beruf gehen, dann kreist auch dieses Berufsleben um Jesus. Wenn sie ihre Freizeit und ihren Urlaub erleben, dann ist auch das von dieser Mitte her geordnet.
Es sind ja meine Schafe, und alles, was sie denken, tun und treiben, kommt von dieser Mitte her. Sie wollen nur noch auf Jesus schauen und ihm gehören. Das beschäftigt sie.
Und dann steht noch etwas Großes da von diesen Schafen, die sein Eigen sind: Er kennt sie. Wir waren heute Morgen in der Gebetsgemeinschaft zusammen. Einer von uns betete für die, die mit großem Schmerz belastet sind und von Dunkelheit umgeben.
Da dachte ich: Schön, wenn da einer dran denkt, wie viele von uns heute hier zur Kirche gekommen sind, die gar nicht mehr auf die Worte unseres Herrn hören können, weil der Schmerz sie so niederdrückt, weil die Sorgen ihnen alle Besinnung rauben.
Ich darf Ihnen ein großes, wunderbares Geheimnis verraten: Auch wenn wir von Dunkelheit umgeben sind, dringt der Herr noch zu uns durch. Er kennt seine Schafe, er kennt sie.
Er sieht hinter den Schmerz, er weiß um ihre Gebete, ihre Bitten und Sehnsüchte. Er sucht sie auf und kommt ihnen so nahe.
Und wenn wir bedrückt sind und sagen: Das kann doch gar nicht mehr sein, dass ich sein Eigentum bin. Es ist doch in dieser Woche so etwas Böses geschehen in meinem Leben, wo ich den Namen Jesu geschmäht und sein Wort verachtet habe.
Er kennt sie, und er ist größer als alle Schuld. Die hat er durchlitten und will sie von uns abstreifen. Er kennt ihr Herz.
Und das ist viel größer, wenn das über Ihrem Leben steht: Meine Schafe sind es, die meine Stimme hören.
Wenn das heute im Gottesdienst geschieht, dass Sie die Stimme Jesu hören – darum bitte ich –, dann ist das Größte geschehen. Und um anderes kann es sich heute Morgen gar nicht handeln.
Was zieht die Schafe zum Hirten? Die Kraft der Nachfolge
Ich möchte Ihnen einen zweiten Punkt deutlich machen. Zuerst das, was hier geschieht: das Eigentumsrecht Jesu an unserem Leben. Das ist das zweite, was die Schafe zum Hirten zieht.
Ich hatte mir das bei der Predigt so schön ausgedacht, aber dabei bin ich ins Fettnäpfchen getreten. Der Hirte hat mich vorhin schwer in den Senkel gestellt. Ich hatte nämlich gesagt, ich hätte immer Angst, wenn ich eine Schafherde sehe. Meine Kinder sind so zutraulich und wollen die Lämmlein streicheln. Aber dann sehe ich so einen zottligen Schäferhund. Die schönen Schäferhunde sind immer in den reichen Villen. Dort sind sie gepflegt und gestriegelt. Aber es gibt auch ganz wilde Tiere mit zotteligem Fell, meist sind sie auch noch schwarz. Die rennen immer atemlos um die Herde herum und warten nur darauf, einem reuigen Schaf in den Fuß zu beißen.
Der Hirte hat mich getröstet und gesagt, das seien die harmlosesten Hunde, die schwarzen und die zotteligen sowieso. Ich weiß nicht, wie es ist, aber ich bin so, dass ich, wenn ich diese Tiere sehe, denke: Da gehört doch allerhand dazu, so eine große Schafherde zusammenzuhalten.
Wie macht das unser Herr, wenn er seine Herde zusammenhält? Er schickt keinen Hund. Er führt zur Weide, und das hält die Herde zusammen.
Was ist die Weide, auf die uns der Herr führt? Wir sehnen uns heute Morgen vielleicht nach Lösungen für ganz bestimmte Probleme. Da ist zum Beispiel jemand, der Gesundheit haben will, weil er so lange in der Krankheit leiden muss. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass der gute Hirte Ihnen das gibt. Er kann es in seiner großen Güte schenken, aber das ist nicht die Weide.
Jemand hat einen Prozess und wünscht sich, dass er gut für ihn ausgeht. Der gute Hirte hat es Ihnen nicht versprochen. Vielleicht schenkt er es Ihnen, aber das ist die Weide noch nicht.
All das, was wir oft als Gebetserhörung preisen, ist die Weide noch nicht.
Ich gebe Ihnen ewiges Leben. Wenn heute jemand den Ruf des Hirten hört, seine Stimme hört, dann gibt der Herr unbegrenztes ewiges Leben bei ihm. Das heißt nicht: Ich gab Ihnen ewiges Leben, sondern ich gebe es Ihnen fortwährend, wie eine Quelle, die ständig fließt und von der man immer trinken kann.
Ich habe lange gebraucht, bis ich in meinem Christenleben das immer mehr begriffen habe. So manches, was ich heute predige, ist mir selber neu. Ich habe es oft gehört, und wir haben oft darüber gesprochen, aber es ist wunderbar, wie der Herr einem immer mehr von seinem Wort aufschließt. Wir sind Lernende.
Wenn ein Mensch zum Glauben kommt, denkt er oft: Ach ja, ich komme zum Glauben, ich höre seine Stimme, und ich hoffe, dass ich ihm auch lange treu bleiben kann. Vielleicht hält mein Glaubensleben sechs Monate.
Was steht hier? Ich gebe Ihnen neues Leben für sechs Monate? Ich gebe Ihnen neues Leben für ein paar Jahre? Und wenn Sie wieder abfallen, fangen wir wieder von vorne an?
Es gibt Leute, die erzählen, dass sie sich zehnmal im Leben bekehrt haben. Das ist keine biblische Wahrheit. Es gibt das nicht.
Wenn jemand die Stimme Jesu hört, dann steht hier, dass Jesus unbegrenztes, nicht endendes Leben gibt. Wer anfängt, die Stimme Jesu zu hören, hat Teil an dieser Gabe, die ein Leben lang nicht abrechen kann. Sie geht fort bis in die Ewigkeit und wird auch vom Tod nicht unterbrochen: ewiges, unbegrenztes Leben in Gemeinschaft mit Jesus.
Dann gibt es viele, die spotten und sagen: Das heißt ja, du hast eine Freifahrkarte in den Himmel.
Ja, das trifft den Nagel auf den Kopf.
Meine Glaubensentscheidung heute ist die Entscheidung für Zeit und Ewigkeit. Es geht nicht darum, ob ich die Bibel lese oder in die Kirche gehe. Wenn ich meine Nachfolge Jesu kläre, dann geht es darum, ob ich in Zeit und Ewigkeit gerettet bin – gerettet in den Armen Jesu, wie es auf diesem Grabstein steht.
Das will der Herr mir geben: Ich gebe Ihnen ewiges Leben.
Wenn Sie etwas anderes im christlichen Glauben suchen, werden Sie enttäuscht sein. Wenn Sie Moral und Lebensgesetze suchen oder Hilfe für die tägliche Lebensgestaltung, können Sie das überall finden – vielleicht sogar besser. Aber das Erfüllte finden Sie nur bei ihm. Erst dort, wenn Sie an der Quelle sind, werden Sie auch Lebenshilfe und Hilfe in den kleinen Nöten des Alltags finden.
Nur vom ewigen Leben, vom unbegrenzten neuen Leben her, werden Sie Ihr eigenes Leben begreifen und meistern können. Er gibt Ihnen nicht weniger. Er fängt mit der größten Gabe an, und dann gibt er das andere mit.
Das, was hier geschieht, wenn ein Mensch zum Glauben kommt, ist eine Lebensversicherung – nur ein wenig sicherer als unsere Lebensversicherungen. Wenn Sie eine abschließen und 25 Jahre später ausgezahlt bekommen, ist das Geld inzwischen entwertet. Aber diese Lebensversicherung gilt.
Darum liegt auf dieser Entscheidung unseres Glaubens ein so großes Gewicht: ob ich das fasse oder nicht, ob ich es heute nehme und weiß, dass es heute um mein ewiges Leben geht. Es geht heute um meine Auferweckung, um die Überwindung des Todes, um das Leben des Sieges gegen alle Versuchungen, gegen alle Widerstände meines Lebens, gegen alle Mächte der Finsternis, wenn ich von ihm ewiges Leben empfange und wenn er es mir gibt.
Das zieht Schafe zum Hirten, und da heißt es: Diese Schafe folgen mir.
Es ist wichtig zu sehen, dass wir in eine Gemeinschaft von Christen hineingestellt sind. Aber die Gemeinschaft der Christen wird nur dadurch gekennzeichnet, dass jedes einzelne Schaf für sich allein dem Hirten nachgeht. Sie folgen mir – jedes einzelne Schaf folgt mir, und nicht nur die Herde folgt mir.
Das ist die Einigkeit, die wahre Einigkeit aller Christen: dass sie auf Jesus blicken.
Man wird heute immer wieder von Meinungen umhergetrieben, die sagen, wir müssten die Einheit der Christen stärken. Dann machen sie Vorschläge, wie man Organisationen vereinfachen oder Konfessionen zusammenlegen kann. Das hat noch nie Einheit gebracht.
Aber wenn wir hier so beieinandersitzen und auf Jesus schauen, wie wird das auf einmal anders sein! Weil wir feinfühlig werden für den, der neben uns ist. Wie wir auf einmal Gemeinschaft werden, weil wir ihm nachfolgen und weil er uns bestimmt, unsere Gedanken beherrscht, die Gesetze für unser Tun gibt und uns mit seinem Geist leitet.
Das zieht die Schafe zum Hirten.
Das war mein zweiter Punkt. Das erste war, um es noch einmal im Gedächtnis zu haben, das Eigentumsrecht. Das zweite also, was Schafe zum Hirten zieht.
Die völlige Geborgenheit bei Jesus als dritter Punkt
Das Dritte: Eine völlige Geborgenheit.
Was hier steht, ist größer, als wir je fassen könnten. Wenn Sie heute merken, dass es unser ganzes Denken sprengt, werden Sie verstehen: Sie werden nimmermehr umkommen. Niemand wird Sie aus meiner Hand reißen.
Wir hatten viele Gespräche mit unseren jungen Leuten in den Bibelgruppen und haben darüber geredet: Ist es nicht doch möglich, dass ich diese Bindung an Jesus wieder auflösen kann? Ist es möglich, dass ich mich im Glauben von Jesus losreiße und sage, ich will nichts mehr von ihm wissen?
Aber hier steht, es ist unmöglich. Und wenn niemand uns aus der Hand Jesu herausreißen kann, dann kann ich es selbst auch nicht.
Was ich hier sage, ist so ungeheuer, dass sich in uns alles aufbäumt und wir sagen: Das kann doch nicht wahr sein. Dass das eine so feste Versicherung ist, dass sie gilt – sicher in den Armen Jesu!
Da sagen Leute zu uns: Was ist das für eine Pietistenlehre? Was ist das für ein Calvinismus, den du hier predigst von der Erwählung?
Es ist biblische Lehre. Ein großes Kirchenkonzil, das Konzil von Trient, formulierte: Verflucht sei, wer sagt, man könne seines Heils gewiss sein. Dieser Satz ist bis heute noch in den Lehrbüchern der katholischen Kirche enthalten.
Wer wird hier verflucht? Das kann doch nur Jesus sein. Er sagt doch, man muss gewiss sein – und man kann es. Es geht gar nicht anders, denn die, die meine Stimme hören, können aus meiner Hand nicht herausgerissen werden. Sie können nimmermehr umkommen, es kann nicht sein, dass sie verloren gehen.
Was ich hier predige, habe ich Ihnen noch nie gepredigt. Und ich habe versucht, mich an dieser biblischen Wahrheit vorbeizuschleichen.
Vor sechs Jahren habe ich Ihnen eine wunderbare Hirtenpredigt gehalten, mit vielen Beispielen. Heute wollte ich Ihnen biblische Wahrheit verkündigen, weil wir sie sagen müssen. Hier liegt der Grund unseres Glaubens.
Ich kann das nur in dieser Weite predigen, und ich weiß, dass viele ernsthafte Christen nur den Kopf schütteln und sagen: Das kann nicht sein.
Sagen Sie: Steh da! Wenn ich die Hand Jesu fasse, dann fasst Jesus meine Hand. Und dann hält er sie ganz fest, mit beiden Händen umfasst er meine Hand. Ich will sie herausziehen – sie geht nicht mehr heraus.
Dann legt der Vater noch seine Hände um die Hand Jesu, sodass es ganze völlige Geborgenheit gibt. Und darum gibt es Glaubensgewissheit und Glaubensfestigkeit.
Auch wenn ich durch Schwermut gehe, auch wenn ich durch Glaubenszweifel gehe – seiner Hand entreißt mich nicht seine Hand, die mich hält. Das ist der Grund unseres Glaubens.
Nun sagen viele, das würde die Leute träge und ruchlos machen. Da steht es auch noch in unserem Katechismus: Macht das nicht verruchte Leute?
Die Reformation hat die große Wahrheit der Heilsgewissheit zum Mittelpunkt ihrer Lehre gemacht, und wir schämen uns heute nicht dafür.
Wir wollen nicht nur eine Botschaft verkündigen, die für die Wehwehchen des Alltags gilt. Wir wollen die Botschaft verkündigen, die uns Halt gibt im Leben und im Sterben.
Im Katechismus wurde als ernsthafte Frage aufgenommen: Macht das nicht verruchte Leute, die das leicht nehmen und sagen: Ich bin ja geborgen in Jesus, dann kann ich sündigen?
So sagen viele heute, man dürfe diese Lehre von der Heilsgewissheit nicht predigen, sonst nimmt das einer nicht mehr genau mit seinem Glauben.
Ich frage Sie: Stimmt das, was sie sagen? Wie ist das in unseren Familien? Wie halten wir unsere Kinder bei der Stange?
Halten wir unsere Kinder durch Drohungen bei der Stange? Dass ich zu meinen Mädchen heimkomme und sage: Aber wehe, wenn einer von euch etwas Böses macht, dann schneide ich ihm die Ohren ab! Oder etwas anderes Schlimmes, womit wir ihnen drohen?
Was wirkt denn? Oder ist es nicht das Geheimnis zwischen Eltern und Kindern, dass Kinder wissen: Wenn ich das Allerböseste mache, darf ich zu meinen Eltern kommen. Sie bleiben meine Eltern.
Unser Herr Jesus bindet uns nicht mit Drohworten. Kein schlimmes Gerichtswort kann uns hier von der Kanzel so sehr erschrecken wie seine ewige und heilige Liebe, mit der er uns hält und unsere Glaubenshand umschließt.
Ob wir dann noch lässig, lau und halbherzig sein können? Das glaube ich nicht.
Wenn Sie einmal erkannt haben, wie groß er ist, wenn er Sie hält, dann können Sie nur noch jubeln, singen und sich freuen: Ich bin geborgen, sicher in den Armen Jesu.
Die Herausforderung, diese Botschaft zu verkünden
Nun muss ich Ihnen ganz offen sagen, dass ich mit dieser Botschaft, die ich Ihnen heute bringe, bei vielen einen Anstoß erregen werde. Vielleicht nicht hier in unserem Kreis, doch außerhalb, wenn sie mit anderen darüber sprechen.
Ich bin meines Heils gewiss. Man wird dann sagen: So kann man das nie in der Weite predigen. Wie kann man das ungeschützt allen von der Kanzel sagen? Ich werde diese Weite predigen, die Jesus gepredigt hat. Er hat gesagt, wir sollen es auf den Dächern verkünden.
Das ist eine schwierige Lehre: dass uns sein Wort verschlossen ist und dass er uns erst die Ohren öffnen muss. Dass wir von ihm geschieden sind und doch umgekehrt, dass er uns so festhält, dass uns nichts mehr aus seiner Hand reißen kann. Wir kommen nimmermehr um, sind ewig geborgen und völlig fest.
Aber das hängt zusammen: Diese große Weite, die ich Ihnen heute predigen durfte, hängt zusammen mit der engen Pforte, die ich Ihnen sonst gepredigt habe. Denn da steht ja im gleichen Wort: Meine Schafe sind die, die meine Stimme hören, und die anderen sind es nicht.
Ja, auch wenn sie edel sind, sind sie es nicht. Es hängt allein daran, dass sie die Stimme Jesu hören. Doch wenn sie die Stimme aller Theologen und Pfarrer hören und treue Kirchgänger sind, reicht das nicht. Und wenn sie ihre ganze Habe den Armen geben, reicht das nicht.
Meine Schafe sind die, die meine Stimme hören. Das ist die enge Pforte. Wer durch die enge Pforte tritt, der hat die große, unbegrenzte Weite völliger Geborgenheit in den Armen Jesu. Wenn man es nur von uns allen sagen kann: in des Hirten Arm und Schoß.
Amen. Ja, mein Glück ist groß. Amen.
Schlussgebet und Segenswunsch
Herr Jesus, wir schreien zu dir. Dring du hindurch durch unsere Gleichgültigkeit und unsere Ablehnung, damit wir deine Stimme vernehmen können. Lass deine Worte lebendig werden in unserem Leben.
Jedes aufschlagende Bibel soll dein Reden mit uns sein. Jedes Wort, das verkündigt wird, wo auch immer, soll deine Hirtenstimme für uns sein. Bewahre uns davor, dass wir verschlafen, dein Wort zu hören und dadurch unsere Seligkeit verlieren.
Wir danken dir für dein Wort heute, dass du uns zeigst, wo die enge Pforte und wo die weite Pforte ist. Du zeigst uns, wo wir zur völligen Geborgenheit kommen können, bei dir an deiner festen Hand. Du hältst uns fest und lässt uns nicht verloren gehen.
Herr, bewahre uns, dass keiner aus unserer Mitte weggerissen wird. In den Versuchungen dieser Welt und in den Kämpfen, die wir zu bestehen haben. Ja, wo der Teufel herumschleicht wie ein brüllender Löwe und verschlingen will, da musst du uns bewahren und behüten.
Dir bringen wir unsere Familienangehörigen, die Freunde, unsere Nachbarn und diese Stadt. Herr, gib du, dass viele Menschen gerettet werden und bei dir völlige Geborgenheit finden.
Segne du alles, was wir in den Jugendgruppen reden! Auch die Evangelisation, die wir hier in dieser Stadt planen, lass sie zu solch einem Rufen werden, dass Menschen zu dir kommen und du sie festmachen kannst, zu denen, die du erwählt hast.
Nun bringen wir dir auch unsere Aufgaben für die kommende Woche. Geh du mit uns, rüste uns aus und mach uns tauglich, dass wir als deine Zeugen stehen können und erfüllt sind von deinem Heiligen Geist.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern,
und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Unser auferstandener Herr will nun auch vor uns hingehen in diese neue Woche hinein. Er will auf uns seinen Segen legen.
Er segne uns und behüte uns.
Lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig, Herr.
Hebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
