Einführung in das Thema: Durst und Hunger nach Leben
Damit haben Sie eben das Thema gesungen, das hier anklingt und aufklingt, am zweitletzten Abend unserer Reihe über Jesaja, jetzt Kapitel 55, Verse 1 bis 5.
Dort heißt es: „Wollt alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch. Warum zählt ihr Geld für das, was kein Brot ist, und euren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am köstlichen Laben erfreuen. Neigt eure Ohren her und kommt zu mir, hört, so werdet ihr leben. Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen und euch die beständigen Gnaden Davids geben. Siehe, ich habe in den Völkern zum Zeugen bestellt, zum Fürsten für sie und zum Gebieter. Siehe, du wirst Heiden rufen, die du nicht kennst, und Heiden, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen um des Herrn Willen, deines Gottes, und des heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.“
Unser Thema ist überschrieben mit: „Wenn man durstig ist“. Genauer müsste es heißen: „Wenn man durstig und hungrig ist“.
Junge Theologen lernen am Anfang ihres Studiums, den Sitz im Leben eines Textes zu erforschen oder zu ergründen. Der Sitz im Leben...
Der Sitz im Leben des Textes
Bedeutung des Sitzes im Leben
Was meinen Sie damit? Zum Beispiel: Wenn Sie einmal ins Naturkundemuseum in Rosenstein gehen, das kürzlich wieder schön eröffnet wurde, kann ich es nur empfehlen. Der Eintritt ist absolut frei, weshalb es dort meistens sehr voll ist.
Dort finden Sie unter anderem, oder besser gesagt haben Wissenschaftler, einige Knochenstücke entdeckt. Im Schwäbischen würden wir einfach von Knochenbröckeln sprechen. Nun stellt sich die Frage: Wo ist der Sitz des Lebens dieser Knochenstücke?
Dann forschen Sie, untersuchen die Funde und finden heraus, dass diese beiden Knochenstücke eigentlich die letzten Teile eines Riesenmammuts sind. Dieses Mammut wird aus einem Drahtgestell gebaut, und die beiden Knochenstücke werden dort hineingetan. Das ist ihr Sitz im Leben.
Hier geht es jedoch nicht um Knochenstücke, sondern um Papierstücke, um Papyrusstücke. Die Frage lautet: Wo ist der Sitz im Leben? Wo gehört eigentlich dieser Text hin, und von woher ist er zu verstehen?
Der Ort der Verkündigung
Liebe Freunde, wir müssen eindeutig sagen: Dieser Text gehört auf den Basar. Hier predigt kein Pfarrer von der Kanzel, hier steht kein Professor am Katheder, hier ist kein Theologe am Rednerpult. Hier evangelisiert ein Mann auf dem Basar.
Buden, Stände, Tische, Wagen – und dazwischen eine Menschenmenge, die sich schiebt und schubst wie auf einem Flohmarkt. Es riecht nach Kebab, nach Zwiebeln, nach Knoblauch – all das, was zu einem richtigen Straßenfest gehört.
Und da stehen sie nun vor ihren Ständen: Marktschreier, die einem geradezu in den Ohren liegen, wenn man solch einen Text im Alltag betrachtet. Der eine preist seine Teppiche an, echte Afghanen aus dem Orient. Selbst der Dreck sei noch echt. „Sehen Sie, kaufen Sie, hier werden Sie Freude haben!“
Der andere am Nachbarstand hält irgendein Holzspielzeug hoch und sagt: „Kauft, kommt bitte hierher! Selbst der Opa wird sich noch totlachen, hier haben Sie Freude!“
Der Dritte schreit noch lauter, weil er sagt: „Hier, hier ist noch etwas! Hier haben Sie ein Los, jede Nummer gewinnt! Haben Sie nun wirklich den Spaß, den Superpreis?“
Der Vierte hat Gesundheitstee, und der Fünfte bietet einen Leibriemen an.
Sehen Sie, und mittendrin, zwischen all dem, steht ein einzelner Mann. Er hat keinen Tisch vor sich, keinen Stand hinter sich, eigentlich hat er leere Hände. Und er ruft nur ein einziges Mal hinein in diesen Basar, gleichsam in diese Straße, in diese Welt hinein.
Er sagt: „Kommt her, wenn ihr Durst habt, hier ist Wasser. Kommt her, wenn ihr Hunger habt, hier ist Brot. Wenn ihr Sehnsucht habt, hier ist das Leben, nach dem ihr euch sehnt und das Leben, das ihr braucht.“
„Ich habe Wein, Milch und Fett. Hier kriegt ihr euer Fett weg. Jeder Durst wird gelöscht, jeder Hunger gestillt. Hier habt ihr nicht nur Freude, Spaß, Gewinn und Kraft – hier habt ihr Leben. Hier habt ihr wirklich Leben.“
Die Herausforderung der Verkündigung am Markt
Wenn man diesen Text mit dem Buch Amos vergleicht, erkennt man ungefähr, wie es damals zugegangen ist. Sein Ruf ist so laut, dass der Vertreter des Marktamtes erscheint. In bürokratischer Form wird darauf hingewiesen, dass er doch wohl Verkündiger und nicht Verkäufer sei. Deshalb sei das wohl hier nicht sein Platz – nicht außerhalb des Tempels, sondern innerhalb der Mauern. Er selbst solle gefälligst seinen Standplatz in der Kirche suchen und nicht hier auf dem Markt. Betbrüder hätten hier nichts zu suchen.
Doch unser Mann weiß: Dieses Wort gehört eben nicht nur in die Schlosskirche. Dieses Wort gehört nicht nur in die Stiftskirche, nicht nur in die Gemeinschaftstele. Dieses Wort gehört auf die Straße, zu all denen, die dort ihre Freude und ihren Spaß haben und dort das Leben suchen.
Kommt her, bei mir gibt es Wein, kommt her, bei mir gibt es Brot, kommt her, bei mir gibt es Leben – so hat es später Jesus gesagt: „Was ich euch ins Ohr sage, das predigt auf den Dächern.“ Damit ist wohl auch der Marktplatz gemeint.
Noch lauter fährt er fort: Kommt alle her! Vielleicht ist es dem Ordnungspolizisten zu viel geworden. Er stellt sich breitbeinig vor ihm auf und erinnert ihn an den Grundsatz: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.“ Aber er kann nicht ruhig sein, weil Gott ihn beunruhigt hat.
Einer kann nicht ruhig sein, wenn Gott ihn nicht beruhigt hat. Er kann seinen Glauben nicht in die Isolierstation seines Herzens einschließen. Dieses Wort muss heraus, dieses Wort muss in die Welt. Ich habe Wasser, das nicht abgestanden ist, ich habe Milch, die nicht sauer wird, ich habe Leben – echtes Leben.
Die Einladung zum Hören und Empfangen
Achtmal steht hier: achtmal kommen, hören, kaufen, essen. Wenn ihr eure Ohren nicht eindringlich genug neigt, kann er es sagen. Es scheint, als hätte Jesaja die besondere Aufgabe, uns allen wieder das Ohr zu öffnen, damit wir wieder hören können – hören so, wie Jünger hören.
Wissen Sie, wir wollen heute ja alles sehen. Wir wollen es sehen, wir wollen vieles von dieser Welt sehen. Aber nicht nur im Leben, sondern wir wollen ja auch im Glauben sehen. Wir wollen Wunder sehen, wir wollen Bilder sehen, wir wollen Visionen sehen.
Es gibt nicht nur Alkohol- und Drogensüchtige, sondern heute gibt es auch Bildersüchtige. Am Abend hält man es ohne Fernseher überhaupt nicht mehr aus – wehe dem, bei dem er kaputtgeht. Man hält es ohne Fernseher gar nicht mehr aus. Man hält es im Glauben heute auch nicht mehr ohne Bilder aus. Augen trinken, was die Wimper hält. Augen sind nicht mehr die lieben Fensterlein, wie es die Dichter meinten, sondern Augen sind wie Müllkippen, durch die alles und jedes auf die innere Deponie einfach abgeladen wird.
Und er sagt: nicht sehend. Hört, hört einmal, kommt wieder her, macht eure Ohren auf! Der Ruf ist eine Einladung, die hier aufklingt und immer stärker wird – immer stärker bis zum unüberhörbaren Einladungsruf Jesu Christi. Dieser Ruf nimmt genau diese Verse auf, am letzten Tag des Festes in Jerusalem, an dem Tag, der am schönsten war, wie es im Text heißt.
Dort steht er noch einmal, diesmal nicht dieser alte Marktschreier, sondern Jesus selbst, so wie dieser alte Marktschreier. Er steht inmitten der Menge, er ruft es durch die Jahrhunderte, er ruft es hinein in unseren Abend. Er ruft es Ihnen, er ruft es dir persönlich zu: Mach die Ohren auf, mach das Herz auf, höre!
„Habe das, wonach du dich sehnst, ich habe das, was du brauchst. Höre doch, ich habe das Leben auch für dich. Wer da dürstet, der komme und trinke.“
Der Wert und Preis des Lebens
Von diesem Leben wird hier dreifach gesprochen: Erstens vom Preis, dann vom Wert, und schließlich vom Zweck des Lebens.
Das Erste, was wir hier herausheben können, ist der Wert, der Preis dieses Lebens. Alles hat seinen Preis. Nichts bekommt man umsonst; Qualität muss bezahlt werden. Das gilt für alle Verbrauchsgüter. Wenn ich einen Anzug von der Stange kaufe und ihn im Sommerschlussverkauf schon für neunzig Mark bekomme, dann ist er zwar recht, aber ich darf damit nicht in den Regen kommen. Schon schrumpft er zu einem Taschentuch zusammen. Sehen Sie, das hat alles seinen Wert. Preis ist Preis.
Für haltbare Stoffe muss ich etwas mehr ausgeben. Qualität ist teuer – auch Lebensqualität. Ein einfaches Leben, liebe Freunde, in den Favelas, im Pravil Brasiliens, ist nicht besonders teuer. Das können sich ganz einfache Menschen leisten. Aber ein bürgerliches Leben hier inmitten unseres Landes, zum Beispiel im Großraum Stuttgart, da muss ich schon ein ordentliches Gehalt haben, um überhaupt überleben zu können. Und erst recht ein reiches Leben in Monaco, so gegenüber von Boris Becker und Michael Schumacher, dem Rennfahrer – das ist schon ganz schön teuer.
Liebe Freunde, was muss erst ein erfülltes Leben kosten? Wissen Sie, ein Leben, bei dem man am Ende sagen kann: „Das hat sich gelohnt, das war ein Leben wie kein zweites.“ Ich bin davon überzeugt, dass, wenn man uns persönlich fragen würde, ohne dass ein anderer mithört: „War dein Leben das, was du dir vorgestellt hast? Hat das Leben dir das gebracht, was du dir gewünscht hast?“ – dann fehlt uns nicht nur vieles, oft genug fehlt uns alles, um sagen zu können: „Herr, das war ein Leben, das war ein Leben, für das es sich zu leben lohnte.“
Das Geschenk des Lebens: Umsonst und aus Gnade
Was muss dieses erfüllte Leben eigentlich kosten? Was kostet es wirklich? Hier, zum ersten Mal oder erneut, zeigt die Bibel eine klare Antwort: Dieses erfüllte Leben, dieses ewige Leben, kostet überhaupt nichts. Es ist umsonst.
Man muss sich die revolutionäre und aufregende Botschaft noch einmal bewusst machen. Baal verlangt, dass Pflanzen verbrannt und Tiere geopfert werden. Zeus fordert den Besuch von Tempeln und das Anzünden von Kerzen. Buddha verlangt Meditationen und Versenkungen. Allah verlangt das Auswendiglernen von Suren und das Verrichten von Gebeten. Ein Guru verlangt das Wiederholen von Mantras und Mantrasilben. Alle Religionen hängen an den Toren ihrer Tempel Forderungen, die von A bis Z erfüllt werden müssen.
Heilslehren bestehen aus langen Listen von Geboten, die eingehalten werden müssen. Luther rezitierte eine ganze Liste von Anforderungen. Alle Weltanschauungen verlangen ihre Eintrittsgelder. Nur der Glaube an Gott gipfelt in diesem einen großartigen, wunderschönen Wort: umsonst.
Dieser Gott ist so groß, dass er sein Heil gleichsam auf die Straße wirft. Niemand muss eine Anzahlung leisten. Wir müssen unseren Verdienst nicht vorweisen und uns auch nicht selbst aufopfern. Gottes Leben zum Nulltarif – das ist das Evangelium schon im Alten Testament.
Christsein bedeutet nichts anderes als beschenkt zu werden. Christsein heißt nicht, dies oder das tun zu müssen. Es bedeutet nicht, bestimmte Dinge zu tragen oder Vorschriften zu erfüllen. Christsein heißt, beschenkt zu werden.
Jesus will Ihnen an diesem Abend all das schenken, was dieses Leben lebenswert macht – umsonst. Dieses Umsonst ist also keine Erfindung des Paulus, wie manche behaupten. Die paulinische und lutherische Rechtfertigungslehre hat hier ihre Wurzeln. Jesaja 55 ist die Humuserde für die Pflanze der großartigen Rechtfertigung. Jesaja ist zutiefst evangelisch: beschenkt werden, beschenkt werden umsonst.
Die Bedeutung der Kindertaufe als Zeichen der Gnade
Deshalb bin ich ein großer Liebhaber der Kindertaufe – das muss ich jetzt einmal wieder sagen: Ich bin ein großer Liebhaber der Kindertaufe. Warum? Ganz einfach: Schauen Sie sich einen Säugling an, betrachten Sie ihn genau, und dann bemerken Sie etwas – Ohnmacht, die Ohnmacht in Person, dieses Kind.
Es kann überhaupt nichts, hat nichts, ist in jeder Bewegung auf Mutter oder Vater angewiesen. Ein Säugling hat nichts, was er geben kann. Und nun wird diesem hilflosen Säugling von Gott etwas zugesprochen, das er später einmal einlösen soll: Seine Gnade, seine Freude und seinen Frieden. Das Leben wird ihm angeboten.
In jedem Augenblick, bei jeder Taufe, wenn ich meine Hand auf die Stirn eines Kindes lege, dann fährt es mir durch und durch. Das Kind kann nichts geben, es wird umsonst gegeben. So will dieser Herr uns noch einmal seine Hand auf die Stirn legen – uns 40-, 80-Jährigen – und sagen: Du sollst umsonst bekommen, zum Nulltarif. Du musst nur nehmen, nicht ablehnen.
Wein, Milch, Fett – das waren damals Lebensmittel. Wein und Milch standen für die Himmelsfreude, Fett für die Gotteskraft. Das ist die Fülle. Gott knausert nicht, und Gott ist kein Geizhals. Nein, es gehört zum Wesen dieses Lebens, dass es nicht mit materiellen oder geistigen Mitteln gekauft werden kann.
Hier ist alle Werkerei abgetan. Sola gratia – allein aus Gnade, hat dann die Reformation gesagt: Nichts habe ich zu bringen, nichts, gar nichts. Alles, alles, Herr, bist du!
Zweifel am Wert des Umsonst-Geschenks
Liebe Freunde, wenn wir trotzdem nicht zugreifen – und wenn viele ablehnen, wenn viele auf der Straße an diesem Verkäufer, an diesem Marktschreier einfach vorbeigehen –, dann liegt das an einer Erfahrung, die uns allen tief in den Knochen steckt: Was umsonst ist, hat keinen Wert. So ist es doch. Was umsonst ist, hat einen Pferdefuß.
Mein guter, alter Freund, Lektor und Dichter Gottfried Baron hat mir damals großartig erzählt, dass er sich schon lange einen Hund gewünscht habe. Seine Frau war jedoch nie damit einverstanden. Schließlich brachten die Tochter und er die Frau so weit, dass sie zustimmte. So fuhren sie in ein Tierhandlung hierher nach Stuttgart. Sie wohnen in Weidendorf, Weidenstadt. Dort gingen sie durch den Laden, und es waren wunderschöne Hunde angeboten.
In einer Ecke saß ein wunderbarer, vom ersten Augenblick an entzückender schwarzer Wolkeneul. Er war begeistert und sagte sofort: „Das ist er.“ Die Frau lächelte auch, und die Tochter warf helles Licht ins Süd. Als er den Hund dann herausnahm und ihm übergab, sagte der Verkäufer, der Händler: „Den kriegen Sie umsonst, den kriegen Sie umsonst“, sagte er. Dazu gab es noch ein Pfund Schappi.
Er wusste nicht, wie ihm geschah. Er war der glücklichste Mensch der Welt. So ging er mit seinem Wolkeneul hinaus. Auf der Straße begann es schon: Er merkte, dass dieses Ding eigentlich nur einen Rückwärtsgang hatte. Der Hund lief immer rückwärts, nicht vorwärts. Jeder Passant wurde mit einem Laternenpfahl verwechselt. Zu Hause jaulte er wie eine Robbe und ernährte sich ausschließlich vom Teppichboden.
Er war mehr als froh, als er das Tier nach drei Tagen wieder loswurde. Und er sagte: Von Anfang an ist mir klar gewesen: Was umsonst ist, hat keinen Wert. Was umsonst ist, hat keinen Wert, liebe Freunde – das steckt uns tief.
Und wenn nun einer kommt und uns dieses Leben umsonst anbietet, klingt es in uns nach: Dieses Leben hat einen Pferdefuß. Billigware wird verramscht, Billigware wird verschleudert – Ramsch und Schund. Was umsonst verschenkt wird, ist entweder wertlos oder verfolgt egoistische Absichten. Was umsonst ins Haus flattert, hat einen Pferdefuß.
Der wahre Wert des Lebens und Gottes Gabe
Deshalb der Wert – das ist das Zweite, was hier steht: der Wert.
Wie Freunde, Gott ist kein billiger Jakob. Er kennt auch keine Dutzendware und veranstaltet keinen Räumungsverkauf. Dieses Leben ist in der Tat wertvoll, es ist teuer, sehr teuer sogar.
Einer muss bezahlen, einer muss gerade stehen, einer muss tief in die Tasche greifen und die Sache begleichen. Deshalb heißt es hier von Gott in Vers 3: „Ich will geben“, sagt Gott. Das heißt, er will gleichsam bezahlen.
Gott gibt, er greift tief in die Tasche. Er gibt zuerst ein Paradies. Und als die Menschen dieses kaputt machen, gibt Gott einen neuen Anfang.
Und als dieser Anfang nicht so richtig weitergeht, gibt Gott sogar ein ganzes Land, wo Milch und Honig fließen.
Und als sie noch nicht zufrieden sind, gibt Gott einen König. Er gibt, wie es hier heißt, die beständigen Gnaden Davids – das heißt, er gibt seine Treue, seinen Schutz, sein Nahesein.
Und als seine Leute immer noch nicht zufrieden waren, als sie immer noch in Schuld verfielen und mit dem Tod zu kämpfen hatten, da gab er sein Letztes, sein Größtes und sein Schönstes: seinen Sohn.
In einer Sonderaktion für das erfüllte Leben gab er sein Leben zur Bezahlung für viele. Er gab das Leben Jesu Christi zur Bezahlung für viele.
Seit Golgatha ist eben auch diese Rechnung bezahlt. Wegen seines Todes ist für uns das Leben gratis. Leben muss nicht erkämpft, erlitten oder erträumt werden – es kann geschenkt werden.
„Fürchte dich nicht, dass dein Leben einmal enden könnte“, sagte der, „sondern fürchte dich, dass dein Leben nie beginnen könnte.“
Dass dein Leben nie beginnen könnte – heute könnte es neu beginnen, neu beginnen.
Wort und Sakrament als Appetitanreger für das Leben
Wort und Sakrament, Wort und Sakrament – ist vortisch! In Amerika sagt man oft: „Do you want an appetizer?“ – Wollen Sie einen Appetitanreger vor dem Essen?
Er soll den Geschmack im Mund anregen und den Gaumen kitzeln für das, was noch kommt. Wort und Sakrament sind gleichsam Appetitanreger, die uns Lust machen auf dieses Leben, auf das immer größere und weiterlebende Leben, auf das ewige Leben.
Wort und Sakrament machen uns glustig auf das letzte und große Abendmahl, das hier beschrieben wird mit Getränken und Speisen des Festes der Freude. Über diesem Ruf Gottes liegt der Ruf, aus aller Bitterkeit, aus allem Weh, aus allem Hunger und Durst heimzukehren in die Freude.
Dieser Ruf richtet sich aus aller Trauer, die uns belastet, hinaus in die große Tröstung dieses Herrn. Doch der Ruf Gottes und das Mahl der Ewigkeit gehören ganz eng zusammen. Dieses Mahl wird kein flüchtiger Festtag sein, so wie unsere Feste immer nur sehr kurz und vergänglich sind, sondern ewig.
Ewigkeit passt nur zu diesem Herrn und zu seinem Tun. Das passt nie zu uns. Was wir tun, ist zeitlich. „Ewig ist allein Gott, ewige Freude, ewiger Friede, ewiges Leben“ – zu schön, um wahr zu sein? Nein, so schön und wahr.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden (Matthäus 5,6).
Der Zweck des Lebens: Weitergabe der Freude
Das ist der Wert des Dritten, der Zweck, der Sinn des Lebens. Wer gut eingekauft hat, wird es nicht verschweigen. Wer freundlich bedient worden ist, wird es nicht für sich behalten.
Wer auf seine Rechnung gekommen ist, wird andere darauf hinweisen: „Dort beim Beckerlieb, dort bei Peter Hahn, dort bei Laura Aeschli – dort müssen Sie auch hin!“ Wer gut eingekauft hat, wird es weitersagen. Es ist die beste Werbung überhaupt, freundlich bedient zu werden.
Wer diesem Herrn begegnet, wird es ebenfalls nicht verschweigen können. Er wird selbst zum Marktschreier werden. „Siehe, du wirst Heiden rufen, die du nicht kennst.“ Das ist die Verheißung für Bruder Afser, das ist die Verheißung für alle Missionare, und das ist auch die Verheißung für uns alle, für jeden.
„Du wirst Heiden rufen“ – ein Amos hat das getan. „Suche zu, wird ihr Leben.“ Ein Hosea hat es getan: „Kommt, wir wollen wieder zum Herrn.“ Ein Johannes sagt: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das Leben.“
„Du wirst Heiden rufen“ – das ist der weite Horizont, der die jüdische Enge sprengt. Ein Volk aus Juden und Heiden ist gemeint.
Hoffnung inmitten von Zerfall und Spaltung
Liebe Freunde, wir erleben gegenwärtig schmerzlich das Zusammenbrechen von Reichen und die Aufsplitterung in kleine und kleinste Volksgruppen. Die Landkarten werden wieder fast so aussehen wie im Mittelalter. Staat und Städtchen stehen einer gegen den anderen. Jesus sagt, es wird noch viel schlimmer, nicht besser. Einer wird gegen den anderen stehen – das ist unsere menschliche Zukunft.
In manchen Familien wissen Sie schon um diese Wahrheit. Inmitten dieser Spannungen, inmitten dieser Kriege und Auseinandersetzungen sammelt sich ein kleines Völklein aus Juden und Heiden. Es sind Leute in der Minderheit, von denen nicht gesagt wird: „Du bist Schwabe“ oder „Du bist Reingeschmückt“, „Du bist Serbe“ oder „Du bist Kroate“, „Du bist Russe“ oder „Du bist Amerikaner“, „Du bist Türke“ oder „Du bist Somalier“. Hier heißt es nur noch: „Du bist Glied dieses Volkes.“ Und deshalb bist du mein Bruder, und deshalb bist du meine Schwester.
Du bist unser – schließt dieser Text – du bist herrlich gemacht. Verstehst du? Du bist herrlich gemacht. Dann passt man nämlich zu diesem Herrn. Das heißt, herrlich gemacht bedeutet, man passt zu diesem Herrn. Dann gehören wir plötzlich zu diesen hohen Herrschaften. Dann ist es einfach herrlich.
In dem Wort „herrlich“ steckt eben der Herr. Herrlich ist es nur dort, wo der Herr ist und wo er es herrlich macht. Herrlich wird es dann sein in unserem Leben, wenn es der Herr macht. Eine herrliche Welt – das heißt, wenn es der Herr herrlich macht. Eine herrliche Familie – nur dann, wenn es der Herr herrlich macht. Eine herrliche Ehe – nur dann, wenn es der Herr auch so herrlich macht.
Ja, selbst einen herrlichen Lebensabend trotz Schmerzen, Krankheiten und mancher Depressionen. Einen herrlichen Lebensabend, weil es der Herr herrlich macht. Und genau so ein herrliches Leben trotz allen Rissen und Brüchen, trotz allen Schwierigkeiten und Problemen. Ein herrliches Leben, weil es der Herr herrlich gemacht hat.
Das sind deshalb herrliche Aussichten. Doch, Freunde, so gehen wir nach Hause. Wir haben herrliche Aussichten, weil es der Herr herrlich machen wird – ganz bestimmt. Amen.