Wenn man der Presse glauben darf, war der damalige Präsident der Weltbank auch in seinem eigenen Haus nicht gerade beliebt. Paul Wolfowitz soll sich aufgrund seines autoritären Führungsstils – so sagen zumindest seine Gegner – mehr Feinde als Freunde gemacht haben. Deshalb waren viele bestimmt dankbar, als man ihm ein Vergehen nachweisen konnte, als man etwas gegen ihn fand. Man hatte einen triftigen Grund, ihn in einen öffentlichen Skandal zu verwickeln.
Wolfowitz hatte seine Geliebte, die ebenfalls bei der Weltbank arbeitete, mit einer Beförderung und einer abenteuerlichen Gehaltserhöhung ausgestattet. Diese Günstlingswirtschaft wurde ihm zum Verhängnis. Ende Juni wird der Weltbankpräsident seinen Job aufgeben.
Auch gegen Daniel wurde etwas gesucht. So steht es hier in Vers 5: „Da trachteten die Fürsten und Statthalter danach.“ Sie hatten den Predigttext auf der Rückseite ihres Gottesdienstzettels, Daniel 6, Vers 5: „Da trachteten die Fürsten und Statthalter danach, an Daniel etwas zu finden, das gegen das Königreich gerichtet wäre.“ Sie suchten etwas. Aber Daniel machte es seinen Gegnern deutlich schwerer als Wolfowitz.
Denn dieser Vers 5 geht so weiter: „Aber sie konnten keinen Grund zur Anklage und kein Vergehen finden, denn er war treu, sodass man keine Schuld und kein Vergehen bei ihm finden konnte.“ Ja, Sie haben richtig gehört: Daniel ist noch einmal zurück im politischen Tagesgeschäft. Nachdem der vorherige Herrscher den ehemaligen Chefberater aufs Altenteil abgeschoben hatte, erlebt Daniel nun unter den neuen Regenten so etwas wie ein politisches Comeback – würden wir sagen – und das mit etwa achtzig Jahren.
In Daniel 6 ist Daniel etwa achtzig. Allerdings schützt ihn das Alter nicht davor, dass seine Kontrahenten trotzdem sehr ruppig mit ihm umgehen. Es gibt also keinen Seniorenrabatt für ihn.
Heute Morgen werden wir einen Bericht lesen, der wohl zu den bekanntesten Geschichten der Bibel überhaupt gehört. Die Umstände dieses Berichtes sind sehr speziell und nur aus der damaligen Zeit heraus zu verstehen. Aber die menschlichen Regungen, die dort verhandelt werden, sind uns überhaupt nicht fern.
Es geht um Konkurrenz, um Neid, um Intrigen, um Machtgier, um Angst – aber es geht auch um Integrität, um Treue und um die Kraft des Gebets.
Vor zwei Wochen hatten wir gesehen, wie das Großreich Babylonien seinem Niedergang entgegentaumelt. Nebukadnezars Erben können die Macht nicht in ihren Händen festhalten; sie entgleitet ihnen. Die aufkommenden Perser unter der Führung von Kyros schicken sich an, genau das jetzt einzulösen, was der Prophet Daniel vorhergesagt hatte.
Babylon, das goldene Haupt – wenn Sie an die große Vision denken – verliert seine Weltmachtstellung. An Babylons Stelle tritt jetzt das medo-persische Reich. Das alles passiert im Oktober 539.
Offensichtlich verfolgt Kyros von Anfang an eine sehr rationale, besonnene Strategie, sowohl politisch als auch verwaltungstechnisch. In dem eroberten Gebiet rund um Babylonien und auch den angrenzenden Regionen setzt er einen Vertrauensmann ein, eine Art Unterkönig, könnte man sagen, einen Statthalter.
Dieser Statthalter soll das neue Weltreich – einen Teil davon, nämlich den babylonischen Teil – im Auftrag von Kyros regieren und verwalten. Wahrscheinlich gehört zu dem Gebiet noch Syrien und Phönizien. In dieser Region soll der neue Mann die Macht des Kyros repräsentieren. Er hat Befugnisse fast wie ein Monarch.
Aus anderen Quellen erfahren wir, dass es sich bei diesem Statthalter wohl um einen Menschen namens Gubaru handeln soll. Offensichtlich hatte dieser Mann verschiedene Namen. Das war in der Zeit der Herrscher nicht unüblich, dass sie sehr unterschiedliche Namen und Titel hatten.
Das Buch Daniel bezeichnet ihn als Darius den Meder. Darius den Meder, also jemand, der aus einem medischen Stamm kam, im Unterschied etwa zu Darius dem Ersten, der eine persische Abstammung vorweisen konnte. Also hier ist es Darius der Meder oder Gubaru.
Von ihm heißt es jetzt in Vers 1: „Und Darius aus Medien übernahm das Reich, als er zweiundsechzig Jahre war.“ Also dieses Teilreich. Und wo die Lutherbibel übersetzt „übernahm“ steht, heißt es wörtlich eigentlich „er empfing es“. Er empfing es von einer höheren Autorität, in diesem Falle also von Kyros. Er empfing es von Kyros, um in dieser Region die Verwaltungshoheit auszuüben. Das war die Aufgabe von Darius dem Meder.
Einige wenige Ausleger meinen sogar, dass Darius derselbe wie Kyros sei. Aber das halte ich für sehr spekulativ. Ich sage hier nur, falls Sie das mal irgendwo lesen, dass Sie sich da nicht wundern. Der Text und der Kontext legen eher nahe, dass es zwei verschiedene Persönlichkeiten sind und dass Darius für diese begrenzte Region die Autorität vom Perserkönig Kyros empfängt.
Das alles, wie gesagt, im Herbst 539. Zu dem Zeitpunkt ist Daniel im fortgeschrittenen Alter, und da holt ihn dieser Darius noch einmal zurück in die allererste Reihe der Politik. Ein Comeback, wie man es sich interessanter nicht vorstellen kann, eine zweite oder dritte Karriere, wenn Sie so wollen.
Natürlich gibt es gleich genügend Neider und Kontrahenten, die dem jüdischen Propheten diesen Erfolg überhaupt nicht gönnen.
Jetzt steigen wir richtig ein in den Text. Der erste Teil geht von Vers 1 bis 10, und diesen ersten Teil überschreiben wir mit dem Motto „Das Neidkomplott“.
Erstens also, wenn Sie diesen ersten Abschnitt überschreiben wollen: Das Neidkomplott.
„Und Darius aus Medien empfing das Reich, als er 62 Jahre alt war. Und es gefiel Darius, über das ganze Königreich hundertzwanzig Statthalter zu setzen, und über sie setzte er drei Fürsten, von denen einer Daniel war. Ihnen sollten die Statthalter Rechenschaft ablegen, damit der König der Mühe enthoben wäre. Daniel aber übertraf alle Fürsten und Statthalter, denn es war ein überragender Geist in ihm. Darum dachte der König daran, ihn über das ganze Königreich zu setzen. Da trachteten die Fürsten und Statthalter danach, an Daniel etwas zu finden, das gegen das Königreich gerichtet wäre, aber sie konnten keinen Grund zur Anklage und kein Vergehen finden, denn er war treu, sodass man keine Schuld und kein Vergehen bei ihm finden konnte. Da sprachen die Männer: Wir werden keinen Grund zur Anklage gegen Daniel finden, es sei denn wegen seiner Gottesverehrung.“
Da kamen die Fürsten und Statthalter eilends vor den König gelaufen und sprachen zu ihm: „Der König Darius lebe ewig!“ Das war so die Grußformel. Es haben die Fürsten des Königreichs, die Würdenträger, die Statthalter, die Räte und Befehlshaber alle gedacht: Es solle ein königlicher Befehl gegeben und ein strenges Gebot erlassen werden, dass nämlich jeder, der in dreißig Tagen etwas bitten wird von irgendeinem Gott oder Menschen außer von dir, dem König, allein, zu den Löwen in die Grube geworfen werden soll. Darum, o König, wollest du ein solches Gebot ausgehen lassen und ein Schreiben aufsetzen, das nicht wieder geändert werden darf und nach dem Gesetz der Meder und Perser, das unaufhebbar ist.“
So ließ der König Darius das Schreiben und das Gebot aufsetzen.
Erstens also: das Neidkomplott.
Darius beginnt seine Regierung eigentlich mit etwas sehr Vernünftigem, mit einer behutsamen Verwaltungsreform. Das sind die Verse 2 und 3. Er setzt also dort hundertzwanzig Statthalter ein – Satrapen ist die eigentliche Amtsbezeichnung im hebräischen Text.
Dieses Amt des Satrapen hat es schon unter Nebukadnezar gegeben. Sie sehen also, Darius erfindet das Rad nicht neu, sondern er übernimmt vieles, was sich im Reich seines Vorgängers bewährt hat.
Er setzt also 120 Satrapen ein in diesem babylonischen Teilreich, und hier in Vers 2 steht wörtlich: „die im ganzen Reich verteilt sein sollten.“ Sie sollten also überall präsent sein in den einzelnen Regionen, damit sie schnell verwaltungstechnisch eingreifen konnten.
Ihnen wiederum sind drei Fürsten unterstellt. Man könnte auch übersetzen: drei Chefminister, denen sie verantwortlich sind. Diese drei Chefminister sollen die Arbeit der Satrapen koordinieren und kontrollieren, und einer dieser drei Chefminister ist Daniel.
Der Leser ist überrascht, den alten Herrn plötzlich wieder in einer solchen Position anzutreffen. Aber die Perser galten insgesamt als sehr judenfreundlich. Wenn Sie daran denken, dass später etwa Mordechai oder auch Nehemia unter persischen Königen wieder wichtige Beraterfunktionen ausübten.
Die Juden hatten bei den Persern einen sehr guten Ruf. Außerdem hatte Daniel – Sie erinnern sich vielleicht daran – ja eine wichtige Rolle gespielt in jener Nacht im Oktober, als das Babylonische Reich gekippt ist. Und auch von dort her genoss er natürlich besonderes Vertrauen auf Seiten der Perser.
Jedenfalls war Darius klug genug, den besonnenen Rat Daniels zu nutzen. Er wollte seine jahrzehntelange Regierungserfahrung nicht einfach brachliegen lassen.
Wir sehen hier, dass die Qualitäten von Daniel sehr schnell erkannt wurden. In Vers 4: „Daniel aber übertraf alle Fürsten und Statthalter, denn es war ein überragender Geist in ihm.“
Von der Bibel her wissen wir, dass dieser Geist in ihm der Heilige Geist war, der Geist Gottes, der diesen Propheten leitete und ihm Weisheit gab.
Der Gehorsam gegenüber dem heiligen Gott machte Daniel besonnen und auch klug in der politischen Arena.
Mehr noch: Darius plant jetzt sogar, Daniel über das ganze Königreich, also über das ganze babylonische Verwaltungsgebiet, zu setzen. Er soll gewissermaßen der Chefminister der Chefminister werden. Und so steht es hier am Ende: „Er dachte daran, ihn über das ganze Königreich zu setzen.“
Sie können sich vorstellen, dass sich diese Bewunderung des Darius für Daniel sehr schnell herumsprach. Möglicherweise sickerte auch etwas von den Beförderungsplänen durch, und das hätte natürlich etwas bedeutet: Machtverlust für all die anderen.
Sie glauben doch nicht, dass die sich das gefallen lassen, von diesem Achtzigjährigen jetzt verdrängt zu werden. Sie reagieren sehr schnell, die Konkurrenten.
Sehen wir in Vers 5: „Da trachteten sie danach, an Daniel etwas zu finden, das gegen das Königreich gerichtet wäre.“ Problem nur: Sie finden nichts. Er war nicht korrupt, er hat nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet, er hat sich nicht bereichert. Er hat keine verrückten Ideen in die Politik einzubringen versucht, die völlig unrealisierbar gewesen wären. Er war durch und durch integer.
Bei Wolfowitz und vielen anderen Politikern wären die Neider sehr schnell fündig geworden. Aber an Daniel beißen sie sich die Zähne aus.
Daran sehen wir auch etwas ganz Wichtiges: Wie Gott die Hand über Daniel gehalten hat, auch in der Zeit seiner politischen Arbeit. Gott hat die Hand über diesem Mann gehalten. Gott hat ihn davor bewahrt, in große Sünde zu verfallen. Gott hat ihn davor bewahrt, sich in Unregelmäßigkeiten und Korruption zu verstricken. Gott hat diesem Mann auch in seinem weltlichen Beruf Integrität, Besonnenheit und Mut geschenkt.
So sollten Gottes Leute generell, auch wir heute, in ihrem Verhalten gegenüber der Welt immer integer sein. Wir sollten uns auch in unseren weltlichen Beziehungen durch Zuverlässigkeit auszeichnen, dadurch, dass wir gute Arbeit abliefern, wenn es uns möglich ist, dass wir solide Geschäftspartner sind, uns verlässlich an unsere Verträge halten und dass es angenehm ist, mit uns zu verhandeln.
Diese Formulierung hier in Vers 5 deutet auch an, dass Daniel nicht in die eigene Tasche wirtschaftet. Und was das bedeutet, wenn man an die im Orient verbreitete Korruption denkt, können Sie sich vorstellen.
Also ist es kein Wunder, dass Darius diesen Daniel gern in seinen Diensten behalten will. Mit einem Finanzskandal können die Daniel nicht kippen.
Jetzt holen sie einen anderen Knüppel heraus. Es gibt nur einen Punkt, an dem sie Daniel packen können, und das ist sein Glaube. Das steht hier in Vers 6: „Da sprachen die Männer: Wir werden keinen Grund zur Anklage gegen Daniel finden, es sei denn wegen seiner Gottesverehrung.“
Also, wenn man ihnen mal nichts anderes vorwerfen kann als ihr engagiertes Christsein, dann hat der Heilige Geist schon ganz schön an ihnen gearbeitet.
Im Übrigen beweist dieser Vers 6 noch etwas: Er beweist, dass Daniel sich nach wie vor öffentlich zum Gott der Bibel bekannt hat. Das war bekannt, dass er gläubig ist. Er hat das nicht zu verbergen versucht, als seine Machtposition abnahm, sondern jedermann wusste: Daniel, der berühmte Prophet, Daniel, der bewährte alte Chefberater, Daniel glaubt dem Gott der Bibel und ist treu in seinem Glauben; er ist konsequent. Daran wird er festhalten. Da war er in einem guten Sinne berechenbar.
Ich musste an einen alten Slogan denken: Angenommen, man will dich verurteilen wegen deines Christseins – werden sie genügend Beweise finden?
So konstruieren nun die Gegner eine Falle. Es muss ihnen gelingen, den Glauben Daniels so darzustellen, dass er sich als staatsgefährdend erweist. Das ist das Ziel. Er muss sich also so darstellen, als sei er gegen die Herrschaft des Darius gerichtet.
Der Leser fragt sich gespannt: Werden sie es hinbekommen? Werden sie das so drehen können?
So begeben sie sich schnell zum König. Vers 7: Eilends geht’s hin, und sie sprachen zu ihm: „Der König Darius lebe ewiglich!“ Also sie schmieren ihm erst mal etwas Honig um den Bart. Die normale Formel war: „Der König lebe ewiglich!“ Sie fügen hinzu: „Der König Darius lebe ewiglich!“ Also du sollst besonders lange herrschen.
Dann rücken sie raus mit ihrem Plan. Vers 8: „Es haben die Fürsten des Königreichs, die Würdenträger, die Statthalter, die Räte, die Befehlshaber alle gedacht: Es sollte ein königlicher Befehl gegeben, ein strenges Gebot erlassen werden, dass jeder, der in dreißig Tagen etwas bitten wird von irgendeinem Gott oder Menschen außer dir, dem König allein, zu den Löwen in die Grube geworfen werden soll. Darum, o König, wollest du ein solches Gebot ausgehen lassen, ein Schreiben aufsetzen, das nicht wieder geändert werden darf nach dem Gesetz der Meder und Perser, das unaufhebbar ist.“
Die Beamtenbezeichnungen hier zeigen, dass die Perser weitgehend den babylonischen Beamtenapparat übernommen hatten. Diese Titel tauchen auch in Kapitel 3 schon mal auf.
Allerdings hat sich geändert, was die Art der Todesstrafe betrifft: Statt des babylonischen Feuerofens nun der persische Löwenzwinger. Und so soll es gesetzlich verordnet werden. Das ist das Gesetz der Meder und Perser.
Das ist bis heute sprichwörtlich. Wenn man eine Regelung einführt, bei der Ausnahmen erlaubt sein sollen, also die nicht ganz so streng zu nehmen ist, dann sagen wir oft: „Das ist ja nicht das Gesetz der Meder und Perser.“ Daher kommt das.
Denn das Gesetz der Meder und Perser ist Wort für Wort unaufhebbar.
Der Leser sieht sofort, wie hier die Falle für Daniel zuschnappt. Der Leser sieht es sofort. Und man fragt sich: Wird Darius auf diesen Plan reinfallen? Wird er mitspielen? Ja oder nein?
Nun, in Vers 10 werden wir schnell darüber belehrt, wie es weitergeht: So ließ der König Darius das Schreiben und das Gebot aufsetzen.
Ganz naiv fühlt er sich wahrscheinlich geschmeichelt, dass diese Leute ihn so besonders verehren wollen und dass nur er im Mittelpunkt all dieser Bemühungen in den nächsten dreißig Tagen stehen soll. Er sieht vielleicht auch eine Chance, seine Autorität zu stärken.
So sagt er spontan und naiv Ja. Er berät sich nicht, er nimmt sich nicht noch mal zwei Stunden Zeit, um die Sache zu überdenken, sondern wird willfährig zu einem Werkzeug in den Händen dieser Leute.
Wir können uns richtig vorstellen, wie Daniels Gegner sich innerlich die Hände gerieben haben. Ihr Neidkomplott war erfolgreich, die Intrige hat funktioniert, weil der König spontan und naiv einfach Ja sagt, ohne ihr Motiv zu durchschauen.
Jetzt gibt es also ein Gesetz. Sie haben ja auf eine schriftliche Fassung bestanden. Es gibt ein Gesetz – ein Gesetz, überlegen Sie mal, das sich nicht nur auf die öffentliche Ordnung bezieht, sondern mit dem man nicht nur das politische Verhalten der Bürger regeln kann, sondern auch ihr Denken und ihre Religionsausübung.
In diesem Fall hatten die Initiatoren nicht einmal ideologische Gründe. Es ging ihnen schlichtweg darum, Daniel als Person fertigzumachen und auszuschalten.
Aber es gibt ein typisches Kennzeichen für jede Herrschaft, die eine totalitäre Tendenz hat. Dieses Kennzeichen besteht darin, dass sie den Menschen vorschreiben will, wie sie zu denken haben, dass sie Bekenntnisse zum Zeitgeist einfordert – Bekenntnisse zum Zeitgeist richtig einfordert von den Bürgern –, dass sie politische Korrektheiten vorformuliert, gegen die man nur bei Strafe verstoßen darf, sei es bei Strafe durch das Antidiskriminierungsgesetz.
In unserer Gesellschaft geht die Tendenz zum Beispiel dahin, absolute religiöse Wahrheitsbekenntnisse in ein schiefes Licht zu rücken und immer gleich unter Fundamentalismusverdacht zu stellen.
Bundeskanzlerin Merkel hielt Anfang des Jahres eine viel beachtete Rede vor dem Europaparlament. Dabei sang sie ein Loblied auf den Toleranzgedanken von Ephraim Lessing. Das war der Kern ihrer Botschaft, also Nathan der Weise, Ringparabel.
Dabei sagte Frau Merkel wörtlich: „Europas Seele, also das, wovon Europa geistig leben soll, Europas Seele ist die Toleranz. Und zwar Toleranz, so wie wir sie in Europa brauchen, heißt nicht bloß Gewaltverzicht. Toleranz heißt nicht bloß, das Andere zu dulden, sondern Toleranz verlangt, das Andere zu wollen.“
Das heißt nun praktisch umgesetzt: Wir sind erst dann etwa gegenüber dem islamischen Glauben wirklich tolerant, wenn wir ihn nicht nur dulden, sondern wenn wir ihn auch wollen, wenn wir ihn nicht nur zulassen, sondern wenn wir ihn auch aufnehmen, wenn wir ihm Wahrheit zubilligen. Erst dann sind wir in diesem Sinne wirklich tolerant, dass wir das Andere nicht nur dulden, sondern wollen.
Nun können Sie sich vorstellen, was solche Denkvorgaben für die Mission bedeuten könnten. Hier sollten wir als Christen sehr, sehr wachsam hinhören, was unsere Politiker sagen, und wir sollten uns sehr deutlich positionieren, bevor es dazu mal zu spät sein könnte.
Bei Darius war das vom Motiv her alles viel harmloser. Er hatte keine Ambitionen, das Denken seiner Untertanen umzuprägen, ihre Weltanschauung in eine bestimmte Richtung zu formen. Das war nicht sein Motiv.
Dennoch unterschrieb er dieses Gleichschaltungsgesetz, das sich für Daniel als total lebensgefährlich herausstellt.
Jetzt ist die große Frage: Wie wird er auf dieses Neidkomplott reagieren? Das ist der zweite Teil.
„Als nun Daniel erfuhr, dass ein solches Gebot ergangen war,“ Vers 11, „ging er hinein in sein Haus. Er hatte aber an seinem Obergemach offene Fenster nach Jerusalem. Er fiel dreimal am Tag auf seine Knie, betete, lobte und dankte seinem Gott, wie er es auch vorher zu tun pflegte.“
Da kamen jene Männer eilends gelaufen und fanden Daniel, wie er betete und flehte vor seinem Gott.
Da traten sie vor den König und redeten mit ihm über das königliche Gebot: „O König! Hast du nicht ein Gebot erlassen, dass jeder, der in dreißig Tagen etwas bitten würde von irgendeinem Gott oder Menschen außer von dir, dem König allein, zu den Löwen in die Grube geworfen werden solle?“
Der König antwortete und sprach: „Das ist wahr, und das Gesetz der Meder und Perser kann niemand aufheben.“
Sie antworteten nun und sprachen vor dem König: „Daniel, einer der Gefangenen aus Juda – überlegen Sie mal, der Mann ist achtzig, der ist in seinen Jugendjahren deportiert worden nach Babylonien – der achtet weder dich noch dein Gebot, das du erlassen hast, denn er betet dreimal am Tag.“
Als das der König hörte, wurde er zerbetrübt und war darauf bedacht, Daniel die Freiheit zu erhalten und mühte sich, bis die Sonne unterging, ihn zu retten.
Bis hierher erst mal.
Diesen zweiten Abschnitt überschreiben wir mit dem Motto „Treue gegen List“.
Also, wenn Sie einen zweiten Titel suchen ab Vers 11: Erstens hatten wir „Das Neidkomplott“ und jetzt zweitens ab Vers 11 „Treue gegen List“.
Als Daniel von dem Komplott erfährt, reagiert er weder ängstlich noch fanatisch. Er regt sich nicht auf, er protestiert auch nicht, sondern ich glaube, er wird sich auch nicht gewundert haben.
Einerseits hat er ja Karriere gemacht in der Politik, aber andererseits hat er immer wieder zu spüren bekommen, dass die Treue gegen Gott früher oder später in bestimmten Entscheidungssituationen auch immer wieder Entspannung zu unserer heidnischen Umwelt bringen muss.
Im Jakobusbrief heißt es: „Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.“ Das wird sich nicht vermeiden lassen, dass es zu Spannungen kommt.
Mit seinen achtzig Jahren hatte Daniel genug erfahren. Er hatte unter Nebukadnezar gedient, er hatte dessen Engel Belsazar überstanden, er arbeitete jetzt unter Darius, und er wusste nur zu gut, was Walter Lüthi geschrieben hat: „Die Gunst des Herrn verträgt sich schlecht mit der Gunst der Herren.“
Die Gunst des Herrn verträgt sich schlecht mit der Gunst der Herren.
So weiß der greise Prophet auch jetzt, was er zu tun hat. Er muss die Gunst des Herrn höher achten als die Gunst der Herren. Er muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Und Sie sehen, wie das praktisch bei ihm aussieht: „Als nun Daniel erfuhr, dass ein solches Gebot ergangen war, ging er hinein in sein Haus. Er hatte in seinem Obergemach offene Fenster nach Jerusalem, fiel dreimal am Tag auf seine Knie, betete, lobte und dankte seinem Gott, wie er es auch vorher zu tun pflegte.“
Das ist eine ganz interessante Bemerkung. In solchen Krisensituationen zeigt sich in der Regel, was wir vorher zu tun pflegten.
Verstehen Sie: Für Daniel ist es so, in einem guten Sinne business as usual. Er tut, was er immer tut.
Auch kein Gesetz der Meder und Perser darf das Gotteslob zum Schweigen bringen.
Wäre Daniel vorher kein Mann des Gebets gewesen, wer weiß, ob er jetzt unter diesem Druck das gelernt hätte, ob er dann jetzt so besonnen reagiert hätte.
Er tat, wie er es gewohnt war – eine gute Gewohnheit.
Wissen Sie, in diesem Vers 11 erfahren wir mehr über Daniels Persönlichkeit, über sein Herz, über seine Überzeugung, über seinen Lebensstil, als uns ein noch so ausführlicher Lebenslauf mitteilen könnte.
Hier in diesem Vers 11 stossen wir auf das Geheimnis seiner Stärke. Hier in diesem Vers 11 stossen wir auf das Geheimnis seiner Vollmacht und seiner Treue.
Daniel war ein Mann des Gebets. Das war er zuerst. Er war ein Mann des Gebets.
Und in diesem Vers 11 liegt die persönliche Herausforderung für jeden von uns heute Morgen: Sind wir Menschen des Gebets?
Ich musste an den Kommentar denken, den die Witwe von Martin Lloyd Jones, dem berühmten Prediger Englands im zwanzigsten Jahrhundert, über das Wirken ihres Mannes formuliert hatte. Sie sagte mal: „Niemand wird meinen Mann jemals richtig verstehen können, wenn er nicht beachtet, dass er in erster Linie ein Beter war und dann ein Evangelist.“
Und ich wünschte so sehr, dass das meine Frau, wenn sie mich denn überleben sollte, auch mal von mir sagen kann.
Beides könnte man über Daniel sagen: Er war in erster Linie ein Beter und auch sicherlich ein Evangelist.
Das irritiert etwas auf den ersten Blick: dieses Obergemach mit offenen Fenstern nach Jerusalem.
Sie müssen sich das so vorstellen: Das Obergemach war ein abschließbarer Raum, der zurückgezogen war vom üblichen Geschäftsbereich. Hier hatte man also Ruhe, um ungestört sich Gott zuwenden zu können.
Und Daniel hatte sich so ein Haus bauen lassen, möglicherweise mit offenen Fenstern in Richtung Jerusalem.
Er hat dem keine magische Bedeutung beigemessen, also nach dem Motto: Wenn ich Richtung Jerusalem gucke, dann werden meine Gebete besonders gut erhört.
Sondern das hatte symbolische Bedeutung für ihn. Er wollte sich daran erinnern, dass Gott Verheißungen für sein Volk gegeben hatte, dass Gott versprochen hatte, sie aus Babylonien wieder nach Jerusalem zu bringen, wieder nach Hause zu bringen.
Er wollte sich durch die Architektur an Gottes Verheißung erinnern lassen.
Und so betete er dort in diesem Obergemach.
Als intensiver Bibelleser hatte er wahrscheinlich auch Erste Könige 8,47 im Blick. Das lag ja damals schon vor, das hat Daniel bestimmt gekannt, wo Salomo bei der Einweihung des Tempels gebetet hatte:
„Herr, und wenn sie flehen zu dir im Lande ihrer Gefangenschaft und beten zu dir nach ihrem Lande hin, das du ihren Vätern gegeben hast, nach der Stadt hin, die du erwählt hast, und nach dem Hause hin, das ich deinem Namen gebaut habe, dann wolltest du sie doch erhören.“
Ich nehme an, dass Daniel diese Stelle wörtlich seinem Gebet zugrunde gelegt hat und dass er deshalb dieses offene Fenster in dem Obergemach in Richtung Jerusalem hat bauen lassen.
Jedenfalls betet er.
Und was hier steht, das taugt für uns als eine kleine Gebetsschule.
Sehen Sie: Er betete regelmäßig – morgens, mittags, abends.
Das ist nicht so gesetzlich zu verstehen nach dem Motto: Du musst unbedingt immer eine bestimmte Zeit einhalten. Aber das ist eine Hilfe.
Das ist eine Hilfe für uns, wenn wir regelmäßig beten, wenn wir regelmäßige Zeiten haben, vielleicht am Morgen, bevor wir zur Arbeit gehen.
Daniel hatte einen vollen Terminkalender, er war gedrängt von Terminen mit Sicherheit, und trotzdem hat er sich diese Zeit zum Gebet nicht nehmen lassen.
Dann steht hier, er betete auf seinen Knien.
Wir wissen nicht, ob er immer auf den Knien gebetet hat, und es ist auch nirgendwo von Gott vorgeschrieben, in welcher Haltung wir beten – ob im Sitzen, im Stehen, im Liegen oder im Knien.
Aber ich denke, das kann eine Hilfe sein, in manchen Situationen auf den Knien zu beten, um sich zu konzentrieren.
Und es kann uns auch helfen, uns deutlich zu machen: Wir stehen vor dem lebendigen, heiligen Gott, vor dem wir uns beugen wollen, und wir flehen ihn an.
Da kann es durchaus eine Hilfe sein, auch beim Beten manchmal diese kniende Haltung einzunehmen.
Louis Harms, der Missionar aus Hermannsburg, der von seinen Bauern beerdigt wurde, sagte sinngemäß: „Wir haben unsere Schwielen an den Händen, aber er war auch ein harter Arbeiter vor dem Herrn. Er, Louis Harms, hatte seine Schwielen an den Knien.“ Er war ein Beter.
Und vielleicht hatte auch Daniel diese Schwielen an den Knien.
Dann sehen Sie noch etwas über sein Gebetsleben.
Hier steht: Er betete, er lobte und dankte Gott, und dann heißt es später noch mal, er flehte.
Also in seinem Gebet war wirklich alles drin.
Er hat sich bei Gott bedankt, er hat Gott gepriesen, er hat gesagt: Du bist der Herr, dich bete ich an.
Er hat Gott für all das Gute gedankt, was er ihm immer schenkte.
Und er hat alle Anliegen, die eigenen und die fremden, immer wieder vorgetragen.
Das macht aber nichts.
Also, Sie sehen hier: Bei Daniel war das Gebet eine ganz zentrale Größe seines Lebens, und so hat er diesem Komplott widerstanden durch Gebet – Treue gegen List.
Weil er betete, wusste er, wie er entscheiden musste.
Und während Daniel so betet, wird er auf frischer Tat ertappt.
Es sind genügend Zeugen dabei, die das bestätigen können.
Daniel hat doch gebetet, er hat sich doch an seinen Gott gewandt.
Was machen die?
Typischer Fall von Denunziation.
Verse 12 bis 14: „Da kamen jene Männer eilends gelaufen, fanden ihn, wie er betete und flehte, und sie traten vor den König und posaunten das aus und sagten: Er hat sich vergangen am Gesetz der Meder und Perser.“
Spätestens jetzt merkt Darius, dass ihn diese Leute über den Tisch gezogen haben, und er sieht, dass er einen Fehler gemacht hat.
Er versucht alles, das rückgängig zu machen.
Vers 15: „Als er das hörte, wurde er sehr betrübt und war darauf bedacht, Daniel die Freiheit zu halten und mühte sich, bis die Sonne unterging, ihn zu retten.“
Aber die Männer kamen wieder zum König gelaufen und sprachen zu ihm: „Du weißt doch, König, es ist das Gesetz der Meder und Perser, dass alle Gebote und Befehle, die der König beschlossen hat, unverändert bleiben wollen. Wir haben es doch aufgeschrieben. Es gibt kein Zurück mehr.“
Augenzwinkernd winken die Komplizen mit dem Gesetz. Wenn er sich nicht daran hält, wird man ihn wahrscheinlich bei Kyros verklagen.
Da gibt er auf.
Vers 17, ein ganz lapidarer Satz: „Da befahl der König, Daniel herzubringen, und sie warfen ihn zu den Löwen in die Grube.“
Der König aber sprach zu Daniel: „Dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, der helfe dir.“
Hier beginnt die schreckliche Geschichte der Glaubensverfolgung durch wilde Tiere.
Das ist, denke ich, das erste Mal, dass wir in dieser Weise davon hören.
Das geht hier los.
Später hat Kaiser Nero das dann zum Beispiel nachgemacht, als Rom brannte 64 nach Christus und als der Kaiser das den Christen in die Schuhe schieben wollte.
Diese Schuld warf er ihnen vor, indem er sie den Löwen zum Beispiel vorwarf.
Es gibt ein Zeugnis von Tacitus, dem Geschichtsschreiber. Da heißt es: Noch im Tode wurden sie verspottet, indem man sie in Tierfälle einnähte und von Hunden zerreißen ließ.
Um 200 nach Christus schreibt der christliche Schriftsteller Tertullian Folgendes: „Immer hat man den Christen alles in die Schuhe geschoben.“ Er sagt: „Wenn der Tiber bis an die Stadtmauern steigt, wenn der Nil nicht bis über die Feldfluren steigt, wenn die Witterung nicht umschlagen will, wenn die Erde bebt, wenn es eine Hungersnot oder eine Seuche gibt, sogleich hört man das Geschrei: Die Christen vor die Löwen!“
So ist es gelaufen.
Man hat in Marokko Löwengruben gefunden aus späteren Jahrhunderten. So in etwa könnten auch die Löwengruben in Persien und in Babylonien gewesen sein.
Die waren in die Erde eingelassen, wie eine Höhle, gepflastert. In der Mitte dieser Grube war eine Trennwand mit einer Tür, die man von oben öffnen kann.
Dann konnte man, je nachdem, durch Fleischköder die Löwen bewegen, durch diese Tür von einem Teilraum in den anderen Teilraum zu gehen.
Dann konnte man den anderen Bereich wieder säubern oder dort schon Gefangene gewissermaßen gefesselt hinlegen.
Diese Höhlen waren nach oben hin in der Regel offen, von einer Mauer umgeben. Man konnte von oben reinschauen und sie mit einem Stein versiegeln.
In diesem Text hier in Vers 17 fällt die Nüchternheit auf, diese schnörkellose Kürze, in der das Drama berichtet wird.
Da heißt es einfach: „Sie warfen ihn zu den Löwen in die Grube.“
Kein Schreien, keine Gefühle von Daniel, das wird nur ganz kurz benannt.
Kein Roman, sondern ein Bericht.
Der König kann nur noch einen hilflosen Segenswunsch hinterherschicken: „Dein Gott, dem du immer gedient hast, beschütze dich.“
Aber was für ein Zeugnis für Daniel, dass der König ihm in dieser Situation nochmals sagt: „Du hast deinem Gott immer gedient.“
Dann versucht Darius dem Daniel einen letzten Dienst zu erweisen.
Sehen Sie mal in Vers 18, das ist hochinteressant:
„Und sie brachten einen Stein, den legten sie vor der Öffnung der Grube, den versiegelte der König mit seinem eigenen Ring und mit dem Ring seiner Mächtigen, damit nichts anderes mit Daniel geschehe.“
Also er wollte wenigstens verhindern, dass seine Feinde ihn noch nachträglich in irgendeiner Weise zusätzlich drangsalieren könnten.
Er wollte es jetzt wirklich in Gottes Hände legen.
Da hat er den Daniel wenigstens dadurch vor seinen Feinden gesichert, dass er diese Löwengrube versiegeln ließ.
Was für ein hilfloser Herrscher!
Das sieht man am Ende noch mal in Vers 19: „Und der König geht weg in seinen Palast, fastete die Nacht über, ließ kein Essen vor sich bringen und konnte auch nicht schlafen.“
Ich kann mir vorstellen, der hatte auch Angst – Angst um sich selbst –, weil ihm dämmerte, hinter Daniel steht eine höhere Macht.
Und wenn er nun mitschuldig sich daran machen würde, diesen Daniel zu ermorden, könnte auch ihn möglicherweise die Strafe dieser höheren Macht treffen.
Er hat bestimmt auch Angst um sein eigenes Leben gehabt, denn er ahnte etwas.
In Vers 21 wird er sagen: „Daniel gehört dem lebendigen Gott.“
Er ahnte es: Dieser Gott ist lebendig.
Am Ende dieses Tages sieht es so aus, als würde die List über die Treue siegen.
Nach einer unruhigen Nacht rennt der Monarch unter Vernachlässigung sämtlicher protokollarischer Gepflogenheiten wieder hinaus zum Ort des Geschehens.
Vom Sonnenuntergang in Vers 15 bis zum Tagesanbruch in Vers 20 dürften etwa acht bis zehn Stunden vergangen sein.
Acht bis zehn Stunden sitzt Daniel dort in der Löwengrube, und alle fragen sich: Was passiert in der Zeit?
Am nächsten Morgen kratzt Darius den letzten Rest seiner Hoffnung zusammen, nähert sich wieder dieser Grube und ruft dann voller Angst und Spannung in diese Grube hinein:
Vers 21: „Und als er zur Grube kam, rief er Daniel mit angstvoller Stimme, und der König sprach zu Daniel: ‚Daniel, du Knecht des lebendigen Gottes, hat dich dein Gott, den du ohne Unterlass dienst, auch erretten können vor den Löwen?‘“
Das ist jetzt die entscheidende Sekunde.
Wird es stillbleiben in der Höhle oder wird es eine Antwort geben?
Kommt dann die Antwort:
Vers 22: „Daniel aber redete mit dem König: ‚Der König lebe ewig! Mein Gott hat seinen Engel gesandt, der den Löwen den Rachen zugehalten hat, sodass sie mir kein Leid antun konnten. Denn vor ihm, also vor Gott, bin ich unschuldig und auch gegen dich, mein König, habe ich nichts Böses getan.‘“
Diesen letzten Abschnitt ab Vers 20 überschreiben wir mit dem Titel „Gott ist immer stärker“.
Erstens das Neidkomplott, zweitens Treue gegen List, und jetzt dieser letzte Abschnitt steht unter der Überschrift: Gott ist immer stärker.
Das ahnt auch Darius. Er sagt ja „der lebendige Gott“, aber das ist noch sehr widersprüchlich.
Er sagt einerseits „der lebendige Gott“, aber „hat er dich auch erretten können?“
Natürlich, wenn er der lebendige Gott ist, hätte er das tun können.
Dann berichtet Daniel, wie Gott ihn bewahrt hat.
Er sagt, Gott hat einen Engel geschickt, einen Boten, und er hat dem Löwen den Rachen zugehalten.
Dieses Ereignis ist so wichtig, dass es sogar im Neuen Testament ausdrücklich erwähnt wird, und zwar im Hebräerbrief, Kapitel 11.
Dort wird dieses Ereignis ausdrücklich genannt.
Der Abschnitt beginnt in Hebräer 11, Vers 33: „Diese alle haben durch den Glauben Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit geübt, Verheißungen erlangt, sie haben Löwen den Rachen gestoppt“ – das ist Daniel –, „sie haben des Feuers Kraft ausgelöscht“ – das waren seine drei Freunde im Feuerofen –, „sie sind der Schärfe des Schwertes entronnen, aus der Schwachheit zu Kräften gekommen, sind stark geworden im Kampf, haben fremde Heere in die Flucht geschlagen, Frauen haben Tote durch Auferstehung wiederbekommen.“
Das alles kann der lebendige Gott tun.
Hier wird auch klar, was Daniel in dieser Situation gehalten hat: der Glaube, das Vertrauen auf den lebendigen Gott.
Genau so steht es hier bei uns in Vers 24, wo es heißt: „Denn er hatte seinem Gott vertraut. Darum hat er ihn rausgeholt, denn er hatte seinem Gott vertraut.“
Allerdings gibt es keine Garantie, dass Gott seine Macht immer in dieser Weise unter Beweis stellt.
Es gibt keine Garantie, dass die Feinde von Gottes Leuten diese Macht immer sofort erkennen müssen.
Das sehen Sie daran, wie diese Liste in Hebräer 11 weitergeht.
Ich lese einfach weiter:
„Andere aber sind gemartert worden und haben die Freilassung nicht angenommen, damit sie die Auferstehung, die besser ist, erlangten. Andere haben Spott und Geißelung erlitten, dazu Fesseln und Gefängnis, sie sind gesteinigt, zersägt, durchs Schwert getötet worden, sie sind umhergezogen in Schafpelzen und Ziegenfellen, sie haben Mangel, Bedrängnis, Misshandlung erduldet, sie, deren die Welt nicht wert war, sind umhergeirrt in Wüsten, auf Bergen, in Höhlen und Erdlöchern.“
Verstehen Sie: Gott kann auf die eine oder andere Weise handeln, sagt die Bibel.
Das haben auch Daniels Freunde gewusst.
Erinnern Sie sich an Kapitel 3, als es darum geht, dass sie in den Feuerofen geschmissen werden, wenn sie Gott nicht verleugnen?
Was sagen sie da?
Sie sagen: „Wenn unser Gott will, dann kann er uns aus diesem Feuerofen heil rausbringen. Aber selbst wenn er es nicht tun sollte, weil er einen anderen Plan hat, dann werden wir ihm trotzdem treu bleiben.“
Verstehen Sie, die Freunde Daniels haben das auch gewusst: Gott kann so handeln und anders, und er macht es immer so, wie es für seine Leute gut ist.
Vor zwei Wochen erst habe ich Ihnen berichtet von Tilman Geske und seinen türkischen Mitchristen, die im April in Malatya so brutal getötet wurden.
Gott hätte das verhindern können.
Gott hätte auch Jim Elliot davor bewahren können, von den Aukers getötet zu werden.
Gott hätte den amerikanischen Missionar in Indien, von dem ich Ihnen vor einiger Zeit erzählte, der mit seinen beiden Söhnen in seinem Auto umgebracht wurde, bewahren können vor dem Tod.
Er hat es in der Situation nicht getan.
Aber dann gibt es eben auch den anderen Fall, an dem wir sehen, dass, wenn Gott will, er bis heute den Löwen auf übernatürliche Weise den Rachen zuhalten kann.
Das muss ich Ihnen unbedingt noch erzählen von Marc A. Gabriel.
Es gibt über eines seiner Bücher – er war früher Moslem – über Jesus und Mohammed auch eine Rezension in der jüngsten bekennenden Kirche.
Dieser Marc A. Gabriel ist Jahrgang 1957. Er studierte und lehrte an der angesehensten Hochschule der islamischen Welt, nämlich der Al-Azhar-Universität in Ägypten, in Kairo.
Mit 28 Jahren war dieser Marc Gabriel der jüngste Dozent – einer der jüngsten Dozenten, die jemals an dieser Hochschule lehrten.
Aber seine Zweifel am Islam wurden immer größer, und irgendwann hat er diese Zweifel seinen Studenten mitgeteilt.
Er ist aus dem Dozentendienst ausgeschieden, und daraufhin wurde er verfolgt, weil man sagte, er sei ein Abtrünniger vom Islam.
Er wurde festgenommen, 1991 wegen Gotteslästerung.
In der Nacht kam dann die ägyptische Geheimpolizei, hat ihn verhört.
Wohlgemerkt: Zu dem Zeitpunkt war Gabriel noch kein Christ.
Aber er berichtet, wie Gott ihn auch in dieser Phase schon bewahrt hat.
Dann haben sie ihn eines Nachts in einen Raum hineingesteckt. Er hatte keine Fenster, keine Türen, und es war Wasser drin, das ging ihm bis über die Schultern.
Er beschreibt, wie sie ihn da reingeschmissen haben und dann die Tür geschlossen haben.
Dann kamen die Ratten.
Er beschreibt, wie die Ratten an ihm hochkrabbelten.
„Die erste Minute, nachdem sie das Oberlicht verschlossen hatten, hatte ich furchtbare Angst. Sie ließen mich die ganze Nacht über dort, und kamen dann am nächsten Morgen zurück, um zu sehen, ob ich noch lebte. Als das Oberlicht geöffnet wurde und ich das Sonnenlicht sah, keimte Hoffnung in mir auf. Die ganze Nacht über wurde ich nicht ein einziges Mal von einer Ratte gebissen. Sie krabbelten mir ständig über den Kopf und in meinen Haaren herum und spielten mit meinen Ohren. Eine Ratte stand auf meinen Schultern, ich spürte ihre Mäuler an meinem Gesicht. Aber ein Zahn bekam mich nie zu spüren. Die Ratten behandelten mich absolut anständig. Noch heute empfinde ich Respekt, wann immer ich eine Ratte sehe.“
Damit nicht genug: Sie haben ihn wirklich zynisch gequält.
Sie haben gesagt: „Hier ist jemand, der sie sehr liebt und der sie sehen möchte.“
Er dachte, vielleicht kommt jetzt ein Verwandter.
Dann stellte sich heraus: Sie öffneten eine Tür, dahinter stand ein großer Hund.
Sie schoben ihn in diesen Raum mit dem großen, gefährlich aussehenden Hund und schlossen die Tür hinter ihm zu.
Er hat geschrien. Er kannte Gott ja noch nicht.
Aber er sagte: „Gott, wo immer du bist, hilf mir jetzt.“
Dann sagte er: „Ich trat in die Mitte des leeren Zimmers und setzte mich langsam im Schneidersitz auf den Boden.“
Der Hund kam und setzte sich vor ihn hin.
Minuten vergingen, während der Hund ihn musterte.
Er beobachtete, wie die Augen des Hundes immer wieder von oben nach unten über seine ganze Gestalt wanderten.
Im Herzen betete er zu dem Gott, den er noch nicht kannte.
Dann stand der Hund auf und fing an, ihn langsam zu umkreisen, wie ein Tier, das fressen will.
Schließlich kam er an seine rechte Seite und leckte ihn mit seiner Zunge am Ohr.
Er setzte sich neben ihn und blieb einfach dort sitzen.
Er war völlig erschöpft.
Da der Hund einfach nur neben ihm saß, schlief er ein.
Als er aufwachte, lag der Hund in einer Ecke des Zimmers.
Der Hund lief zu ihm, als wollte er ihm guten Morgen sagen.
Dann leckte er ihn wieder am rechten Ohr und ließ sich an seiner rechten Seite nieder.
Als er aufwachte, geschah dies, als die Beamten dann die Tür öffneten.
Sie sahen ihn betend da sitzen, den Hund friedlich neben ihm.
Einer von ihnen hörte sagen: „Ich kann nicht glauben, dass dieser Mann ein Mensch ist. Dieser Mann ist ein Teufel, er ist ein Satan.“
Der andere erwiderte: „Das glaube ich nicht. Hinter diesem Mann steht eine unsichtbare Macht, die beschützt.“
Verstehen Sie: So kann Gott auch heute noch in der Löwengrube, in der Hundegrube bewahren.
Das war in den 1990er Jahren.
Einige Zeit später hat Marc Gabriel dann eine Bibel bekommen und ist so Schritt für Schritt zum Glauben an Jesus Christus gelangt.
Gott kann auch heute noch in der Löwengrube bewahren.
Gott ist immer stärker.
Das dürfen wir aus diesem Buch Daniel lernen, welchen Weg Gott uns im Einzelnen auch immer zumuten und führen mag.
Wir dürfen es wissen: Am Ende ist Gott immer stärker.
Das hat Jesus uns garantiert.
Er hat gesagt: „Niemand kann meine Leute aus meiner Hand reißen.“
Dann endet dieser Bericht sehr schnell.
Im Fall von Daniel erhalten die Rädelsführer ihre Strafe sehr schnell.
Vers 25: „Da ließ der König die Männer, die Daniel verklagt hatten, holen und zu den Löwen in die Grube werfen samt ihren Frauen und Kindern. Und ehe sie den Boden erreichten, ergriffen die Löwen sie und zermalmten alle ihre Knochen.“
Da wird also noch mal deutlich: Diese Löwen waren wirklich gefährlich. Sie waren nicht irgendwie gezähmt.
Als dann andere Personen zu ihnen herabgeworfen wurden, bissen sie zu und töteten diese.
Man wendet hier das Vergeltungsrecht an, das sogenannte ius talionis, das besagt: Es wird Gleiches mit Gleichem vergolten.
Darius geht noch einen Schritt darüber hinaus.
Er nimmt die Familien in Sippenhaft.
Das war nirgendwo von Gott angeordnet, aber es war in Persien manchmal üblich, und so geschieht es hier.
Am Ende steht dann wieder einmal ein heidnischer Herrscher, der bezeugt, dass der Gott der Bibel einzigartig und allmächtig ist.
So heißt es dann in den letzten Versen:
„Da ließ der König Darius allen Völkern und Leuten aus so vielen Sprachen auf der ganzen Erde schreiben: ‚Viel Friede zuvor!‘ Das ist mein Befehl, dass man in meinem ganzen Königreich den Gott Daniels fürchten und sich vor ihm scheuen soll, denn er ist der lebendige Gott, der ewig bleibt, und sein Reich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende. Er ist ein Retter und Nothelfer, und er tut Zeichen und Wunder im Himmel und auf Erden. Der hat Daniel von den Löwen errettet.“
Dieses Edikt am Schluss klingt ähnlich wie bei Nebukadnezar in Kapitel 3.
Vielleicht hat Daniel auch mitformuliert an diesem Text, das wäre durchaus denkbar.
Was für eine profunde Gotteslehre uns hier begegnet!
Dieser Gott ist lebendig, er ist ewig, er ist unvergänglich, allmächtig und er rettet, er will retten.
Gott ist immer stärker.
Aus diesen Versen klingt die gleiche Freude über Gottes Herrschaft durch wie aus dem Himmelfahrtsthema am vergangenen Sonntag.
Es wird regiert: Gott ist immer stärker.
In Vers 29 kommen dann die Berichte über Daniel zu einem gewissen Abschluss.
Da heißt es noch: „Und Daniel hatte große Macht im Königreich des Darius und auch im Königreich des Kyros von Persien.“
Ab Kapitel 7 lernen wir dann die speziellen Prophetien kennen, die Gott diesem Daniel in den vorausliegenden Jahren gegeben hat.
Also ab Kapitel 7 geht es dann weiter mit den Prophetien des Daniel.
Aber hier bis Kapitel 6 haben wir seine Lebensgeschichte, die davon geprägt ist, dass Gott immer stärker war.
Gott wollte, dass wir hier dieses Drama erfahren.
Gott wollte das, weil wir darin so viel über seine Macht erkennen und weil das, was wir hier in Daniel Kapitel 6 lesen, eine enorme Ermutigung sein kann für viele, viele Situationen, in die wir noch hineinkommen mögen.
Wir mögen angegriffen werden, ob das nun ein Neidkomplott ist, ob es andere Dinge sind, die uns angreifen – das wird immer wieder geschehen.
Dann soll das auch für uns gelten: Treue gegen List, Treue gegen Gemeinheit, Treue gegen Verleumdung.
Lassen wir es uns zur guten Gewohnheit machen, dass wir regelmäßig die Knie vor unserem Herrn beugen, dass wir zu Menschen des Gebets werden, wie es Daniel war.
Dann werden wir es so erfahren: Gott, Gott ist immer stärker.
Das wird nicht immer gleich sichtbar, aber es ist die letzte bestimmende Wirklichkeit über unserem Leben.
Der Apostel Johannes hat es in seinem ersten Brief so geschrieben: „Der, der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist.“
Und selbst – und damit komme ich zum Schluss – selbst wenn wir einmal in jene letzte Grube kommen, wird auch das nicht unser Ende sein.
Das ist übrigens schon in diesem Kapitel angedeutet.
Ich will Ihnen das zum Schluss noch mitgeben:
Unsere Glaubensväter haben in diesem Kapitel Daniel 6 viele versteckte Hinweise auf Christus gefunden.
Auch Christus wurde verraten.
Auch Christus konnte ein Pilatus nicht retten, so wie Darius den Daniel nicht retten konnte.
Auch Christus musste hinunter in die Grube, aber er musste im Unterschied zu Daniel noch viel tiefer hinunter.
Er musste unsere Sünde tragen, er musste wirklich sterben.
Auch das Grab Jesu wurde versiegelt mit einem Stein, sowie die Grube des Daniel.
Und auch Christus ist herausgekommen aus der Grube des Todes endgültig.
Er hat die Grube des Todes im Triumph überwunden.
Darum hat Jesus nun die Macht, uns für immer und ewig zu bewahren.
Er wird es nicht zulassen, dass seine Leute in einer Löwengrube oder in einer Todesgrube umkommen und verzweifeln.
Ja, wir haben die Garantie, dass alle, die an den Herrn Jesus Christus glauben, nicht in der Verlorenheit enden.
Denn Gott ist immer stärker, immer.
Das Neidkomplott: Intrigen gegen Daniel (Daniel 6,1-10)
Und jetzt steigen wir richtig ein in den Text. Der erste Teil geht von Vers 1 bis 10, und diesen ersten Teil überschreiben wir mit dem Motto „Das Neidkomplott“.
Erstens also, wenn Sie diesen ersten Abschnitt überschreiben wollen: Das Neidkomplott.
Darius aus Medien empfing das Reich, als er 62 Jahre alt war. Es gefiel ihm, über das ganze Königreich hundertzwanzig Statthalter einzusetzen. Über sie setzte er drei Fürsten, von denen einer Daniel war. Ihnen sollten die Statthalter Rechenschaft ablegen, damit der König der Mühe enthoben wäre.
Daniel aber übertraf alle Fürsten und Statthalter, denn es war ein überragender Geist in ihm. Darum dachte der König daran, ihn über das ganze Königreich zu setzen. Da trachteten die Fürsten und Statthalter danach, an Daniel etwas zu finden, das gegen das Königreich gerichtet wäre. Aber sie konnten keinen Grund zur Anklage und kein Vergehen finden, denn er war treu, so dass man keine Schuld und kein Vergehen bei ihm finden konnte.
Da sprachen die Männer: „Wir werden keinen Grund zur Anklage gegen Daniel finden, es sei denn wegen seiner Gottesverehrung.“
Da kamen die Fürsten und Statthalter eilends vor den König gelaufen und sprachen zu ihm: „Der König Darius lebe ewig!“ – das war so die Grußformel. Es haben die Fürsten des Königreichs, die Würdenträger, die Statthalter, die Räte und Befehlshaber alle gedacht, es solle ein königlicher Befehl gegeben und ein strenges Gebot erlassen werden, dass nämlich jeder, der in dreißig Tagen etwas bitten wird von irgendeinem Gott oder Menschen außer von dir, dem König, allein, zu den Löwen in die Grube geworfen werden soll. Darum, o König, wollest du ein solches Gebot ausgehen lassen und ein Schreiben aufsetzen, das nicht wieder geändert werden darf und nach dem Gesetz der Meder und Perser, das unaufhebbar ist.“
So ließ der König Darius das Schreiben und das Gebot aufsetzen.
Erstens also: Das Neidkomplott.
Darius beginnt seine Regierung eigentlich mit etwas sehr Vernünftigem, mit einer behutsamen Verwaltungsreform. Das sind die Verse 2 und 3. Er setzt also dort hundertzwanzig Statthalter ein. Satrapen ist die eigentliche Amtsbezeichnung im hebräischen Text. Dieses Amt des Satrapen hat es schon unter Nebukadnezar gegeben. Also sehen Sie, der Darius erfindet das Rad nicht neu, sondern er übernimmt vieles, was sich im Reich seines Vorgängers bewährt hat.
Er setzt also 120 Satrapen ein in diesem babylonischen Teilreich. Und hier in Vers 2 steht wörtlich, die im ganzen Reich verteilt sein sollten. Sie sollten also überall präsent sein in den einzelnen Regionen, damit sie schnell verwaltungstechnisch eingreifen konnten.
Ihnen wiederum werden drei Fürsten unterstellt. Man könnte auch übersetzen: drei Chefminister, denen sie verantwortlich sind. Diese drei Chefminister sollen die Arbeit der Satrapen koordinieren und kontrollieren. Einer dieser drei Chefminister ist Daniel.
Der Leser ist überrascht, den alten Herrn plötzlich wieder in einer solchen Position anzutreffen. Aber die Perser galten insgesamt als sehr judenfreundlich, wenn man daran denkt, dass später etwa Mordechai oder auch Nehemia unter persischen Königen wieder wichtige Beraterfunktionen ausübten. Die Juden hatten bei den Persern einen sehr guten Ruf.
Außerdem hatte Daniel – Sie erinnern sich vielleicht daran – ja eine wichtige Rolle gespielt in jener Nacht im Oktober, als das Babylonische Reich gekippt ist. Und auch von dort her genoss er natürlich besonderes Vertrauen auf Seiten der Perser.
Jedenfalls war Darius klug genug, den besonnenen Rat Daniels zu nutzen. Er wollte seine jahrzehntelange Regierungserfahrung nicht einfach brachliegen lassen.
Wir sehen hier, dass die Qualitäten von Daniel sehr schnell erkannt wurden. In Vers 4 heißt es: „Daniel aber übertraf alle Fürsten und Statthalter, denn es war ein überragender Geist in ihm.“
Von der Bibel her wissen wir, dass dieser Geist in ihm der Heilige Geist war, der Geist Gottes, der diesen Propheten leitete und ihm Weisheit gab. Der Gehorsam gegenüber dem Heiligen Gott machte Daniel besonnen und auch klug in der politischen Arena.
Mehr noch: Darius plant jetzt sogar, Daniel über das ganze Königreich, also über das ganze babylonische Verwaltungsgebiet, zu setzen. Er soll gewissermaßen der Chefminister der Chefminister werden. So steht es hier am Ende: „Er dachte daran, ihn über das ganze Königreich zu setzen.“
Sie können sich vorstellen, dass sich diese Bewunderung des Darius für Daniel sehr schnell herumsprach. Möglicherweise sickerte auch etwas von den Beförderungsplänen durch, und das hätte natürlich etwas bedeutet: Machtverlust für all die anderen.
Und Sie glauben doch nicht, dass die sich das gefallen lassen, von diesem Achtzigjährigen jetzt verdrängt zu werden. Sie reagieren sehr schnell – die Konkurrenten.
Sehen wir in Vers 5: „Da trachteten sie danach, an Daniel etwas zu finden, das gegen das Königreich gerichtet wäre.“ Problem nur, sie finden nichts. Er war nicht korrupt, er hat nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet, er hat sich nicht bereichert. Er hat nicht irgendwelche verrückten Ideen in die Politik einzubringen versucht, die völlig unrealisierbar gewesen wären. Er war durch und durch integer.
Bei Wulfowitz und vielen anderen Politikern wären die Neider sehr schnell fündig geworden, aber an Daniel beißen sie sich die Zähne aus.
Und daran sehen wir auch etwas ganz Wichtiges: Wie Gott die Hand über Daniel gehalten hat, auch in der Zeit seiner politischen Arbeit. Gott hat die Hand über diesem Mann gehalten, Gott hat ihn davor bewahrt, in große Sünde zu verfallen. Gott hat ihn davor bewahrt, sich in Unregelmäßigkeiten und Korruption zu verstricken. Gott hat diesem Mann auch in seinem weltlichen Beruf Integrität, Besonnenheit und Mut geschenkt.
So sollten Gottes Leute generell, auch wir heute, in ihrem Verhalten gegenüber der Welt immer integer sein. Wir sollten uns auch in unseren weltlichen Beziehungen auszeichnen durch Zuverlässigkeit, dadurch, dass wir gute Arbeit abliefern, wenn es uns möglich ist, dass wir solide Geschäftspartner sind, dass wir uns verlässlich an unsere Verträge halten und dass es angenehm ist, mit uns zu verhandeln.
Diese Formulierung hier in Vers 5 deutet auch an, dass Daniel nicht in die eigene Tasche wirtschaftet. Und was das bedeutet, wenn man an die im Orient verbreitete Korruption denkt, können Sie sich vorstellen.
Also ist es kein Wunder, dass Darius diesen Daniel gern in seinen Diensten behalten will. Mit einem Finanzskandal können die Daniel nicht kippen. Jetzt holen sie einen anderen Knüppel heraus.
Es gibt nur einen Punkt, an dem sie Daniel packen können, und das ist sein Glaube. Das steht hier in Vers 6: „Da sprachen die Männer: Wir werden keinen Grund zur Anklage gegen Daniel finden, es sei denn wegen seiner Gottesverehrung.“
Also, wenn man ihnen mal nichts anderes vorwerfen kann als ihr engagiertes Christsein, dann hat der Heilige Geist schon ganz schön an ihnen gearbeitet.
Im Übrigen beweist dieser Vers 6 noch etwas: Er beweist, dass Daniel sich nach wie vor öffentlich zum Gott der Bibel bekannt hat. Das war bekannt, dass er gläubig ist. Er hat das nicht zu verbergen versucht, als seine Machtposition abnahm, sondern jedermann wusste: Daniel, der berühmte Prophet, Daniel, der bewährte alte Chefberater, Daniel glaubt dem Gott der Bibel, und er ist treu in seinem Glauben, er ist konsequent.
Daran wird er festhalten. Da war er in einem guten Sinne berechenbar.
Ich musste so an einen alten Slogan denken: Angenommen, man will dich verurteilen wegen deines Christseins. Werden sie genügend Beweise finden?
So konstruieren nun die Gegner eine Falle. Es muss ihnen gelingen, den Glauben Daniels so darzustellen, dass er sich als staatsgefährdend erweist. Das ist das Ziel. Er muss sich also so darstellen, als sei er gegen die Herrschaft des Darius gerichtet.
Der Leser fragt sich gespannt: Werden sie es hinbekommen? Werden sie das so drehen können?
Und so begeben sie sich schnell zum König. Vers 7: „Eilends geht's hin, und sie sprachen zu ihm: Der König Darius lebe ewiglich!“ – also sie schmieren ihm erst mal etwas Honig um den Bart. Die normale Formel war: Der König lebe ewiglich. Sie fügen hinzu: „Der König Darius lebe ewiglich!“ Also du sollst besonders lange herrschen.
Dann rücken sie raus mit ihrem Plan.
Vers 8: „Es haben die Fürsten des Königreichs, die Würdenträger, die Statthalter, die Räte, die Befehlsaber alle gedacht: Es sollte ein königlicher Befehl gegeben, ein strenges Gebot erlassen werden, dass jeder, der in dreißig Tagen etwas bitten wird von irgendeinem Gott oder Menschen außer dir, dem König allein, zu den Löwen in die Grube geworfen werden soll. Darum, o König, wollest du ein solches Gebot ausgehen lassen, ein Schreiben aufsetzen, das nicht wieder geändert werden darf nach dem Gesetz der Meder und Perser, das unaufhebbar ist.“
Die Beamtenbezeichnungen hier zeigen, dass die Perser weitgehend den babylonischen Beamtenapparat übernommen hatten. Diese Titel tauchen auch in Kapitel 3 schon mal auf.
Allerdings hat sich die Art der Todesstrafe geändert: Statt des babylonischen Feuerofens nun der persische Löwenzwinger.
Und so soll es gesetzlich verordnet werden. Das ist das Gesetz der Meder und Perser. Das ist bis heute sprichwörtlich, wenn man eine Regelung einführt, bei der Ausnahmen erlaubt sein sollen, also die nicht ganz so streng zu nehmen ist, dann sagen wir oft: „Das ist ja nicht das Gesetz der Meder und Perser.“
Daher kommt das. Denn das Gesetz der Meder und Perser ist Wort für Wort unaufhebbar.
Der Leser sieht sofort, wie hier die Falle für Daniel zuschnappt. Der Leser sieht es sofort und fragt sich: Wird Darius auf diesen Plan reinfallen? Wird er mitspielen, ja oder nein?
Nun, in Vers 10 werden wir schnell darüber belehrt, wie es weitergeht: So ließ der König Darius das Schreiben und das Gebot aufsetzen.
Ganz naiv fühlt er sich wahrscheinlich geschmeichelt, dass diese Leute ihn so besonders verehren wollen und dass nur er im Mittelpunkt all dieser Bemühungen in den nächsten dreißig Tagen stehen soll. Er sieht vielleicht auch eine Chance, seine Autorität zu stärken.
So sagt er spontan und naiv Ja. Er berät sich nicht, er nimmt sich nicht noch mal zwei Stunden Zeit, um die Sache zu überdenken, sondern er wird willfährig zu einem Werkzeug in den Händen dieser Leute.
Wir können uns richtig vorstellen, wie Daniels Gegner sich innerlich die Hände gerieben haben. Ihr Neidkomplott war erfolgreich, die Intrige hat funktioniert, weil der König spontan und naiv einfach Ja sagt, ohne ihr Motiv zu durchschauen.
Jetzt gibt es also ein Gesetz. Sie haben ja auf einer schriftlichen Fassung bestanden. Es gibt ein Gesetz – ein Gesetz, überlegen Sie mal –, das sich nicht nur auf die öffentliche Ordnung bezieht, ein Gesetz, mit dem man nicht nur das politische Verhalten der Bürger regeln kann, sondern auch ihr Denken und ihre Religionsausübung.
In diesem Fall hatten die Initiatoren ja nicht einmal ideologische Gründe. Es ging ihnen schlichtweg darum, Daniel als Person fertigzumachen und auszuschalten.
Aber es gibt ein typisches Kennzeichen für jede Herrschaft, die eine totalitäre Tendenz hat. Dieses Kennzeichen besteht darin, dass sie den Menschen vorschreiben will, wie sie zu denken haben, dass sie Bekenntnisse zum Zeitgeist einfordert, Bekenntnisse zum Zeitgeist richtig einfordert von den Bürgern, dass sie politische Korrektheiten vorformuliert, gegen die man nur bei Strafe verstoßen darf, sei es bei Strafe durch das Antidiskriminierungsgesetz.
In unserer Gesellschaft geht die Tendenz zum Beispiel dahin, absolute religiöse Wahrheitsbekenntnisse in ein schiefes Licht zu rücken und immer gleich unter Fundamentalismusverdacht zu stellen.
Bundeskanzlerin Merkel hielt Anfang des Jahres eine viel beachtete Rede vor dem Europaparlament. Dabei sang sie ein Loblied auf den Toleranzgedanken von Ephraim Lessing. Das war der Kern ihrer Botschaft, also Nathan der Weise, Ringparabel.
Dabei sagte Frau Merkel wörtlich: „Europas Seele, also das, wovon Europa geistig leben soll, Europas Seele ist die Toleranz. Und zwar Toleranz, so wie wir sie in Europa brauchen, heißt nicht bloß Gewaltverzicht, Toleranz heißt nicht bloß, das Andere zu dulden, sondern Toleranz verlangt, das Andere zu wollen. Und das heißt nun praktisch umgesetzt: Wir sind erst dann etwa gegenüber dem islamischen Glauben wirklich tolerant, wenn wir ihn nicht nur dulden, sondern wenn wir ihn auch wollen, wenn wir ihn nicht nur zulassen, sondern wenn wir ihn auch aufnehmen, wenn wir ihm Wahrheit zubilligen. Erst dann sind wir in diesem Sinne wirklich tolerant, dass wir das Andere nicht nur dulden, sondern wollen.“
Nun können Sie sich vorstellen, was solche Denkvorgaben für die Mission bedeuten könnten. Hier sollten wir als Christen sehr, sehr wachsam hinhören, was unsere Politiker sagen. Wir sollten uns sehr deutlich positionieren, bevor es dazu mal zu spät sein könnte.
Bei Darius war das vom Motiv her alles viel harmloser. Er hatte keine Ambitionen, das Denken seiner Untertanen umzuprägen, ihre Weltanschauung in eine bestimmte Richtung zu formen. Das war nicht sein Motiv.
Und dennoch unterschrieb er dieses Gleichschaltungsgesetz, das sich für Daniel als total lebensgefährlich herausstellt.
Treue gegen List: Daniels Gebet und die Falle (Daniel 6,11-18)
Und jetzt stellt sich die große Frage: Wie wird er auf dieses Neidkomplott reagieren? Das ist der zweite Teil.
Als Daniel erfuhr, dass ein solches Gebot ergangen war (Vers 11), ging er in sein Haus. Er hatte in seinem Obergemach offene Fenster nach Jerusalem. Und er fiel dreimal am Tag auf seine Knie, betete, lobte und dankte seinem Gott, so wie er es auch vorher zu tun pflegte.
Da kamen jene Männer eilends gelaufen und fanden Daniel, wie er betete und flehte vor seinem Gott. Sie traten vor den König und sprachen zu ihm: „O König! Hast du nicht ein Gebot erlassen, dass jeder, der in dreißig Tagen etwas bitten würde – von irgendeinem Gott oder Menschen außer von dir, dem König allein – zu den Löwen in die Grube geworfen werden solle?“ Der König antwortete und sprach: „Das ist wahr, und das Gesetz der Meder und Perser kann niemand aufheben.“
Sie antworteten nun und sprachen vor dem König: „Daniel, einer der Gefangenen aus Juda – überlegen Sie mal –, der Mann ist achtzig Jahre alt, er wurde in seinen Jugendjahren nach Babylonien deportiert, und daran erinnern wir jetzt wieder. Daniel, einer der Gefangenen damals aus Juda, achtet weder dich noch dein Gebot, das du erlassen hast, denn er betet dreimal am Tag.“
Als der König das hörte, wurde er zerknirscht und war darauf bedacht, Daniel die Freiheit zu erhalten. Er mühte sich bis zum Sonnenuntergang, ihn zu retten.
Bis hierhin erst einmal. Diesen zweiten Abschnitt überschreiben wir mit dem Motto „Treue gegen List“. Wenn Sie also einen zweiten Titel ab Vers 11 suchen: Erstens hatten wir „Das Neidkomplott“, und jetzt zweitens ab Vers 11 „Treue gegen List“.
Als Daniel von dem Komplott erfährt, reagiert er weder ängstlich noch fanatisch. Er regt sich nicht auf, protestiert auch nicht, sondern ich glaube, er wundert sich auch nicht. Einerseits hat er ja Karriere in der Politik gemacht, andererseits hat er immer wieder zu spüren bekommen, dass die Treue gegen Gott früher oder später in bestimmten Entscheidungssituationen auch Entspannung zu unserer heidnischen Umwelt bringen muss.
Im Jakobusbrief heißt es: Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein. Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass es zu Spannungen kommt.
Mit seinen achtzig Jahren hatte Daniel genug erfahren. Er hatte unter Nebukadnezar gedient, hatte dessen Engel Belsazar überstanden, arbeitete jetzt unter Darius. Er wusste nur zu gut, was Walter Lüthi geschrieben hat: „Die Gunst des Herrn verträgt sich schlecht mit der Gunst der Herren.“
Und so weiß der greise Prophet auch jetzt, was er zu tun hat: Er muss die Gunst des Herrn höher achten als die Gunst der Herren. Er muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Und Sie sehen, wie das praktisch bei ihm aussieht: Als Daniel erfuhr, dass ein solches Gebot ergangen war, ging er in sein Haus. Er hatte in seinem Obergemach offene Fenster nach Jerusalem, fiel dreimal am Tag auf seine Knie, betete, lobte und dankte seinem Gott, wie er es auch vorher zu tun pflegte.
Das ist eine ganz interessante Bemerkung. In solchen Krisensituationen zeigt sich in der Regel, was wir vorher zu tun pflegten. Verstehen Sie: Für Daniel ist es so, im guten Sinne business as usual. Er tut, was er immer tut. Kein Gesetz der Meder und Perser darf das Gotteslob zum Schweigen bringen.
Wäre Daniel vorher kein Mann des Gebets gewesen, wer weiß, ob er jetzt unter diesem Druck das gelernt hätte, ob er dann so besonnen reagiert hätte. Er tat, wie er es gewohnt war – eine gute Gewohnheit.
In diesem Vers 11 erfahren wir mehr über Daniels Persönlichkeit, über sein Herz, seine Überzeugung und seinen Lebensstil, als es uns ein noch so ausführlicher Lebenslauf mitteilen könnte. Hier stossen wir auf das Geheimnis seiner Stärke, seiner Vollmacht und seiner Treue: Daniel war ein Mann des Gebets.
Das war er zuerst. Er war ein Mann des Gebets. Und in diesem Vers 11 liegt die persönliche Herausforderung für jeden von uns heute Morgen: Sind wir Menschen des Gebets?
Ich musste an den Kommentar denken, den die Witwe von Martin Lloyd-Jones, dem berühmten Prediger Englands im 20. Jahrhundert, über das Wirken ihres Mannes formuliert hatte. Sie sagte einmal: Niemand wird meinen Mann jemals richtig verstehen können, wenn er nicht beachtet, dass er in erster Linie ein Beter war und dann ein Evangelist.
Und ich wünsche mir sehr, dass das meine Frau, wenn sie mich denn überleben sollte, auch einmal von mir sagen kann.
Beides könnte man über Daniel sagen: Er war in erster Linie ein Beter und auch sicherlich ein Evangelist.
Das irritiert auf den ersten Blick etwas, dieses Obergemach mit offenen Fenstern nach Jerusalem. Sie müssen sich das so vorstellen: Das Obergemach war ein abschließbarer Raum, zurückgezogen vom üblichen Geschäftsbereich. Hier hatte man Ruhe, um sich ungestört Gott zuzuwenden.
Daniel hatte sich vermutlich ein Haus bauen lassen, mit offenen Fenstern in Richtung Jerusalem. Er hat dem keine magische Bedeutung beigemessen, also nicht nach dem Motto: Wenn ich Richtung Jerusalem schaue, werden meine Gebete besonders gut erhört. Sondern das hatte symbolische Bedeutung für ihn.
Er wollte sich daran erinnern, dass Gott Verheißungen für sein Volk gegeben hatte, dass Gott versprochen hatte, sie aus Babylonien wieder nach Jerusalem zu bringen, wieder nach Hause zu führen. Und er wollte sich durch die Architektur an Gottes Verheißung erinnern lassen.
So betete er dort in diesem Obergemach. Und als intensiver Bibelleser hatte er wahrscheinlich auch 1. Könige 8,47 im Blick, das lag damals ja schon vor, das hat Daniel bestimmt gekannt. Dort hatte Salomo bei der Einweihung des Tempels gebetet:
„Herr, wenn sie flehen zu dir im Land ihrer Gefangenschaft und beten zu dir nach ihrem Land hin, das du ihren Vätern gegeben hast, nach der Stadt hin, die du erwählt hast, und nach dem Haus hin, das ich deinem Namen gebaut habe, dann wollest du sie doch erhören.“
Ich nehme an, dass Daniel diese Stelle wörtlich seinem Gebet zugrunde gelegt hat und dass er deshalb dieses offene Fenster in dem Obergemach in Richtung Jerusalem hat bauen lassen.
Jedenfalls betet er. Und was hier steht, taugt für uns als eine kleine Gebetsschule.
Sehen Sie: Er betete regelmäßig – morgens, mittags, abends. Das ist nicht so gesetzlich zu verstehen, nach dem Motto: Du musst unbedingt immer eine bestimmte Zeit einhalten. Aber es ist eine Hilfe.
Es ist eine Hilfe für uns, wenn wir regelmäßig beten, wenn wir regelmäßige Zeiten haben, vielleicht am Morgen, bevor wir zur Arbeit gehen.
Daniel hatte einen vollen Terminkalender, er war mit Sicherheit von Terminen gedrängt, und trotzdem hat er sich diese Zeit zum Gebet nicht nehmen lassen.
Dann steht hier, er betete auf seinen Knien. Wir wissen nicht, ob er immer auf den Knien gebetet hat, und es ist auch nirgendwo von Gott vorgeschrieben, in welcher Haltung wir beten – ob im Sitzen, Stehen, Liegen oder Knien.
Aber ich denke, das kann eine Hilfe sein, in manchen Situationen auf den Knien zu beten, um sich besser zu konzentrieren. Es kann uns auch helfen, uns deutlich zu machen, dass wir vor dem lebendigen, heiligen Gott stehen, vor dem wir uns beugen wollen und den wir anflehen.
Da kann es durchaus eine Hilfe sein, auch beim Beten manchmal diese kniende Haltung einzunehmen.
Louis Harms, der Missionar aus Hermannsburg, der von seinen Bauern beerdigt wurde, sagte man sinngemäß: „Wir haben unsere Schwielen an den Händen, aber er war auch ein harter Arbeiter vor dem Herrn. Louis Harms hatte seine Schwielen an den Knien.“ Er war ein Beter.
Und vielleicht hatte auch Daniel diese Schwielen an den Knien.
Dann sehen Sie noch etwas über sein Gebetsleben: Hier steht, er betete, lobte und dankte Gott. Später heißt es noch einmal, er flehte. In seinem Gebet war wirklich alles drin.
Er hat sich bei Gott bedankt, er hat Gott gepriesen, er hat gesagt: Du bist der Herr, dich bete ich an. Er hat Gott für all das Gute gedankt, was er ihm immer schenkte, und er hat alle Anliegen, die eigenen und die fremden, immer wieder vorgetragen.
Das macht aber nichts.
Sie sehen hier: Bei Daniel war das Gebet eine ganz zentrale Größe seines Lebens. So hat er diesem Komplott durch Gebet widerstanden – Treue gegen List. Und weil er betete, wusste er, wie er entscheiden musste.
Während Daniel so betet, wird er auf frischer Tat ertappt. Es sind genügend Zeugen dabei, die das bestätigen können: Daniel hat doch gebetet, er hat sich an seinen Gott gewandt.
Und was machen die? Typischer Fall von Denunziation.
In den Versen 12 bis 14 heißt es: Da kamen jene Männer eilends gelaufen, fanden ihn, wie er betete und flehte, und sie traten vor den König und posaunten es aus. Sie sagten, er habe sich am Gesetz der Meder und Perser vergangen.
Spätestens jetzt merkt Darius, dass ihn diese Leute über den Tisch gezogen haben. Er sieht, dass er einen Fehler gemacht hat und versucht alles, das rückgängig zu machen.
Vers 15: Als er das hörte, wurde er sehr betrübt und war darauf bedacht, Daniel die Freiheit zu erhalten. Er mühte sich bis zum Sonnenuntergang, ihn zu retten.
Aber die Männer kamen wieder zum König gelaufen und sprachen zu ihm: „Du weißt doch, König, es ist das Gesetz der Meder und Perser, dass alle Gebote und Befehle, die der König beschlossen hat, unverändert bleiben wollen. Wir haben es doch aufgeschrieben. Es gibt kein Zurück mehr.“
Augenzwinkernd winken die Komplizen mit dem Gesetz. Wenn er sich nicht daran hält, der Darius, werden sie ihn wahrscheinlich bei Kyros verklagen.
Und da gibt er auf.
Vers 17, ein ganz lapidarer Satz: „Da befahl der König, Daniel herzubringen, und sie warfen ihn zu den Löwen in die Grube.“
Der König aber sprach zu Daniel: „Dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, der helfe dir!“
Hier beginnt die schreckliche Geschichte der Glaubensverfolgung durch wilde Tiere. Ich denke, das ist das erste Mal, dass wir in dieser Weise davon hören.
Das geht hier los.
Später hat Kaiser Nero das zum Beispiel nachgemacht, als Rom 64 nach Christus brannte. Als der Kaiser den Christen die Schuld zuschieben wollte, hat er sie den Löwen vorgeworfen.
Es gibt ein Zeugnis von Tacitus, dem Geschichtsschreiber, der berichtet, dass Christen noch im Tode verspottet wurden, indem man sie in Tierfälle einnähte und von Hunden zerreißen ließ.
Um 200 nach Christus schreibt der christliche Schriftsteller Tertullian Folgendes:
„Immer hat man den Christen alles in die Schuhe geschoben. Wenn der Tiber bis an die Stadtmauern steigt, wenn der Nil nicht bis über die Feldfluren steigt, wenn die Witterung nicht umschlagen will, wenn die Erde bebt, wenn es eine Hungersnot oder eine Seuche gibt, so hört man das Geschrei: ‚Die Christen vor die Löwen!‘“
So ist es gelaufen.
Man hat in Marokko Löwengruben aus späteren Jahrhunderten gefunden. So in etwa könnten auch die Löwengruben in Persien und Babylonien gewesen sein.
Sie waren in die Erde eingelassen, wie eine Höhle, gepflastert. In der Mitte dieser Grube war eine Trennwand mit einer Tür, die man von oben öffnen konnte. So konnte man die Löwen durch Fleischköder bewegen, von einem Teilraum in den anderen zu gehen. Dann konnte man den anderen Bereich wieder säubern oder dort schon Gefangene gewissermaßen gefesselt hinlegen.
Diese Höhlen waren nach oben hin in der Regel offen, von einer Mauer umgeben. Man konnte von oben hineinschauen und sie mit einem Stein versiegeln.
In Vers 17 fällt die Nüchternheit auf, diese schnörkellose Kürze, in der das Drama berichtet wird. Es heißt einfach: „Sie warfen ihn zu den Löwen in die Grube.“ Kein Schreien, keine Gefühle von Daniel werden erwähnt. Es wird nur ganz kurz benannt. Kein Roman, sondern ein Bericht.
Der König kann nur noch einen hilflosen Segenswunsch hinterherschicken: „Dein Gott, dem du immer gedient hast, beschütze dich!“
Aber was für ein Zeugnis für Daniel, dass der König ihm in dieser Situation nochmals sagt: „Du hast deinem Gott immer gedient.“
Dann versucht Darius, Daniel einen letzten Dienst zu erweisen. Sehen Sie mal in Vers 18, das ist hochinteressant:
„Und sie brachten einen Stein, den legten sie vor die Öffnung der Grube, den versiegelte der König mit seinem eigenen Ring und mit dem Ring seiner Mächtigen, damit nichts anderes mit Daniel geschehe.“
Also wollte er wenigstens verhindern, dass seine Feinde ihn noch nachträglich in irgendeiner Weise zusätzlich drangsalieren könnten. Er wollte es jetzt wirklich in Gottes Hände legen.
Und da hat er Daniel wenigstens dadurch vor seinen Feinden gesichert, dass er diese Löwengrube versiegeln ließ.
Was für ein hilfloser Herrscher!
Das sieht man am Ende noch einmal in Vers 19: Der König geht zurück in seinen Palast, fastet die Nacht über, lässt kein Essen vor sich bringen und kann auch nicht schlafen.
Ich kann mir vorstellen, dass er auch Angst hatte – Angst um sich selbst, weil ihm dämmerte, hinter Daniel steht eine höhere Macht.
Und wenn er nun mitschuldig daran würde, diesen Daniel zu ermorden, könnte auch ihn möglicherweise die Strafe dieser höheren Macht treffen.
Er hat bestimmt auch Angst um sein eigenes Leben gehabt, denn er ahnte etwas.
In Vers 21 wird er sagen: „Daniel gehört dem lebendigen Gott.“ Er ahnte es, dieser Gott ist lebendig.
Am Ende dieses Tages sieht es so aus, als würde die List über die Treue siegen.
Nach einer unruhigen Nacht rennt der Monarch unter Vernachlässigung sämtlicher protokollarischer Gepflogenheiten wieder hinaus zum Ort des Geschehens.
Gott ist immer stärker: Die Rettung Daniels (Daniel 6,19-28)
Und jetzt rechnen wir mal: Vom Sonnenuntergang in Vers 15 bis zum Tagesanbruch in Vers 20 dürften etwa acht bis zehn Stunden vergangen sein. Acht bis zehn Stunden sitzt Daniel dort in der Löwengrube, und alle fragen sich, was in dieser Zeit passiert.
Am nächsten Morgen kratzt Darius den letzten Rest seiner Hoffnung zusammen, nähert sich wieder der Grube und ruft dann voller Angst und Spannung hinein (Vers 21): „Und als er zur Grube kam, rief er Daniel mit angstvoller Stimme, und der König sprach zu Daniel: Daniel, du Knecht des lebendigen Gottes, hat dich dein Gott, den du ohne Unterlass dienst, auch erretten können vor den Löwen?“
Jetzt kommt die entscheidende Sekunde: Wird es stillbleiben in der Höhle, oder wird es eine Antwort geben? Dann erfolgt die Antwort (Vers 22): „Daniel aber redete mit dem König: Der König lebe ewig! Mein Gott hat seinen Engel gesandt, der den Löwen den Rachen zugehalten hat, so dass sie mir kein Leid antun konnten. Denn vor ihm, also vor Gott, bin ich unschuldig, und auch gegen dich, mein König, habe ich nichts Böses getan.“
Diesen letzten Abschnitt ab Vers 20 überschreiben wir mit dem Titel „Gott ist immer stärker“. Also: Erstens das Neidkomplott, zweitens Treue gegen List, und jetzt dieser letzte Abschnitt steht unter der Überschrift „Gott ist immer stärker“. Und das ahnt auch Darius. Er sagt ja „der lebendige Gott“, aber das ist noch sehr widersprüchlich. Einerseits sagt er „der lebendige Gott“, aber fragt dann: „Hat er dich auch erretten können?“ Natürlich, wenn er der lebendige Gott ist, hätte er das tun können.
Dann berichtet Daniel, wie Gott ihn bewahrt hat. Er sagt, Gott hat einen Engel geschickt, einen Boten, und dieser hat den Löwen den Rachen zugehalten. Dieses Ereignis ist so wichtig, dass es sogar im Neuen Testament ausdrücklich erwähnt wird, und zwar im Hebräerbrief Kapitel 11. Dort wird dieses Ereignis ausdrücklich genannt, und zwar beginnt dieser Abschnitt in Hebräer 11 ab Vers 33: „Diese alle haben durch den Glauben Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit geübt, Verheißungen erlangt; sie haben Löwen den Rachen gestoppt“ – das ist Daniel –, „sie haben des Feuers Kraft ausgelöscht“ – das waren seine drei Freunde im Feuerofen –, „sie sind der Schärfe des Schwertes entronnen, aus der Schwachheit zu Kräften gekommen, sind stark geworden im Kampf, haben fremde Heere in die Flucht geschlagen, Frauen haben Tote durch Auferstehung wiederbekommen.“
Das alles kann der lebendige Gott tun. Hier wird auch klar, was Daniel in dieser Situation gehalten hat: der Glaube, das Vertrauen auf den lebendigen Gott. Genau so steht es bei uns in Vers 24: „Denn er hatte seinem Gott vertraut.“ Darum hat er ihn herausgeholt, denn er hatte seinem Gott vertraut.
Allerdings gibt es keine Garantie, dass Gott seine Macht immer in dieser Weise unter Beweis stellt. Es gibt keine Garantie, dass die Feinde von Gottes Leuten diese Macht immer sofort erkennen müssen. Das sieht man daran, wie die Liste in Hebräer 11 weitergeht. Ich lese einfach weiter: „Andere aber sind gemartert worden und haben die Freilassung nicht angenommen, damit sie die Auferstehung, die besser ist, erlangten. Andere haben Spott und Geißelung erlitten, dazu Fesseln und Gefängnis; sie sind gesteinigt, zersägt, durchs Schwert getötet worden; sie sind umhergezogen in Schafpelzen und Ziegenfellen; sie haben Mangel, Bedrängnis, Misshandlung erduldet; sie, deren die Welt nicht wert war, sind umhergeirrt in Wüsten, auf Bergen, in Höhlen und Erdlöchern.“
Verstehen Sie, Gott kann auf die eine oder andere Weise handeln, sagt die Bibel. Das haben auch Daniels Freunde gewusst. Erinnern Sie sich an Kapitel 3, als es darum geht, dass sie in den Feuerofen geworfen werden, wenn sie Gott nicht verleugnen. Was sagen sie da? Sie sagen: „Wenn unser Gott will, dann kann er uns aus diesem Feuerofen heil herausbringen. Aber selbst wenn er es nicht tun sollte, weil er einen anderen Plan hat, dann werden wir ihm trotzdem treu bleiben.“
Verstehen Sie, Daniels Freunde wussten das: Gott kann so handeln und anders. Und er macht es immer so, wie es für seine Leute gut ist.
Vor zwei Wochen erst habe ich Ihnen von Tilman Geske und seinen türkischen Mitchristen berichtet, die im April in Malatya so brutal getötet wurden. Gott hätte das verhindern können. Gott hätte auch Jim Elliot davor bewahren können, von den Aukers getötet zu werden. Gott hätte den amerikanischen Missionar in Indien, von dem ich Ihnen vor einiger Zeit erzählte, der mit seinen beiden Söhnen in seinem Auto umgebracht wurde, bewahren können vor dem Tod. Er hat es in der Situation nicht getan.
Aber dann gibt es eben auch den anderen Fall, an dem wir sehen, dass, wenn Gott will, er bis heute den Löwen auf übernatürliche Weise den Rachen zuhalten kann. Das muss ich Ihnen unbedingt noch erzählen von Marc A. Gabriel.
Es gibt über eines seiner Bücher – er war früher Moslem – über Jesus und Mohammed auch eine Rezension in der jüngsten Ausgabe der „Bekennden Kirche“. Marc A. Gabriel ist Jahrgang 1957. Er studierte und lehrte an der angesehensten Hochschule der islamischen Welt, nämlich der Al-Azhar-Universität in Ägypten, in Kairo. Mit 28 Jahren war er der jüngste Dozent, einer der jüngsten Dozenten, die jemals an dieser Hochschule lehrten.
Aber seine Zweifel am Islam wurden immer größer. Irgendwann teilte er diese Zweifel seinen Studenten mit, und er schied aus dem Dozentendienst aus. Daraufhin wurde er verfolgt, weil man sagte, er sei ein Abtrünniger vom Islam. Er wurde 1991 wegen Gotteslästerung festgenommen.
In der Nacht kam dann die ägyptische Geheimpolizei, verhörte ihn – und wohlgemerkt, zu dem Zeitpunkt war Gabriel noch kein Christ –, aber er berichtet, wie Gott ihn auch in dieser Phase schon bewahrt hat.
Sie steckten ihn eines Nachts in einen Raum ohne Fenster und Türen, in dem Wasser bis über die Schultern stand. Er beschreibt, wie sie ihn dort hineingeworfen und die Tür geschlossen haben. Dann kamen die Ratten. Er beschreibt, wie die Ratten an ihm hochkrabbelten:
„Die erste Minute, nachdem sie das Oberlicht verschlossen hatten, hatte ich furchtbare Angst. Sie ließen mich die ganze Nacht über dort und kamen dann am nächsten Morgen zurück, um zu sehen, ob ich noch lebte. Als das Oberlicht geöffnet wurde und ich das Sonnenlicht sah, keimte Hoffnung in mir auf. Die ganze Nacht über wurde ich nicht ein einziges Mal von einer Ratte gebissen. Sie krabbelten mir ständig über den Kopf und in meinen Haaren herum und spielten mit meinen Ohren. Eine Ratte stand auf meinen Schultern, ich spürte ihre Mäuler an meinem Gesicht. Aber ein Zahn bekam mich nie zu spüren. Die Ratten behandelten mich absolut anständig. Noch heute empfinde ich Respekt, wann immer ich eine Ratte sehe.“
Damit nicht genug: Sie quälten ihn zynisch weiter. Sie sagten: „Hier ist jemand, der sie sehr liebt und der sie sehen möchte.“ Er dachte, vielleicht kommt jetzt ein Verwandter. Dann öffneten sie eine Tür, dahinter stand ein großer Hund. Sie schoben ihn in diesen Raum mit dem großen, gefährlich aussehenden Hund und schlossen die Tür hinter ihm zu.
Er schrie, er kannte Gott ja noch nicht, aber er sagte: „Gott, wo immer du bist, hilf mir jetzt.“ Dann trat er in die Mitte des leeren Zimmers und setzte sich langsam im Schneidersitz auf den Boden.
Der Hund kam und setzte sich vor ihn hin. Minuten vergingen, während der Hund ihn musterte. Er beobachtete, wie die Augen des Hundes immer wieder von oben nach unten über seine ganze Gestalt wanderten. Im Herzen betete er zu dem Gott, den er noch nicht kannte.
Dann stand der Hund auf und fing an, ihn langsam zu umkreisen, wie ein Tier, das fressen will. Schließlich kam er an seine rechte Seite und leckte ihn mit der Zunge am Ohr. Er setzte sich neben ihn und blieb einfach dort sitzen. Er war völlig erschöpft. Da der Hund einfach nur neben ihm saß, schlief er ein.
Als er aufwachte, lag der Hund in einer Ecke des Zimmers. Er lief zu ihm, als wollte er ihm guten Morgen sagen, leckte ihn wieder am rechten Ohr und ließ sich an seiner rechten Seite nieder.
Als die Beamten dann die Tür öffneten, sahen sie ihn betend da sitzen, den Hund friedlich neben ihm. Einen von ihnen hörte er sagen: „Ich kann nicht glauben, dass dieser Mann ein Mensch ist. Dieser Mann ist ein Teufel, er ist ein Satan.“ Der andere erwiderte: „Das glaube ich nicht, hinter diesem Mann steht eine unsichtbare Macht, die beschützt.“
Verstehen Sie, so kann Gott auch heute noch in der Löwengrube, in der Hundegrube bewahren. Das war in den 1990er Jahren. Einige Zeit später hat Marc Gabriel dann eine Bibel bekommen und ist Schritt für Schritt zum Glauben an Jesus Christus gelangt.
Gott kann auch heute noch in der Löwengrube bewahren. Gott ist immer stärker. Das dürfen wir aus diesem Buch Daniel lernen, welchen Weg Gott uns im Einzelnen auch immer zumuten und führen mag. Wir dürfen es wissen: Am Ende ist Gott immer stärker. Das hat Jesus uns garantiert. Er hat gesagt: Niemand kann meine Leute aus meiner Hand reißen.
Dann endet dieser Bericht sehr schnell: Im Fall von Daniel erhalten die Rädelsführer ihre Strafe sehr schnell. Vers 25: „Da ließ der König die Männer, die Daniel verklagt hatten, holen und zu den Löwen in die Grube werfen samt ihren Frauen und Kindern. Und ehe sie den Boden erreichten, ergriffen die Löwen sie und zermalmten alle ihre Knochen.“
Da wird noch einmal deutlich: Diese Löwen waren wirklich gefährlich. Sie waren nicht irgendwie gezähmt, sondern als andere Personen zu ihnen herabgeworfen wurden, haben sie zugebissen und diese getötet.
Man wendet hier das Vergeltungsrecht an, das sogenannte Ius taliones, das besagt, es wird Gleiches mit Gleichem vergolten. Darius geht noch einen Schritt darüber hinaus: Er nimmt die Familien in Sippenhaft. Das war nirgendwo von Gott angeordnet, aber es war in Persien manchmal üblich, und so geschieht es hier.
Am Ende steht dann wieder einmal ein heidnischer Herrscher, der bezeugt, dass der Gott der Bibel einzigartig und allmächtig ist. So heißt es dann in den letzten Versen: „Da ließ der König Darius allen Völkern und Leuten aus so vielen Sprachen auf der ganzen Erde schreiben: ‚Viel Friede zuvor!‘ – das ist mein Befehl – ‚dass man in meinem ganzen Königreich den Gott Daniels fürchten und sich vor ihm scheuen soll, denn er ist der lebendige Gott, der ewig bleibt, und sein Reich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende. Er ist ein Retter und Nothelfer, und er tut Zeichen und Wunder im Himmel und auf Erden. Der hat Daniel von den Löwen errettet.‘“
Dieses Edikt am Schluss klingt ähnlich wie bei Nebukadnezar in Kapitel 3. Vielleicht hat Daniel auch mitformuliert an diesem Text – das wäre durchaus denkbar.
Was für eine profunde Gotteslehre begegnet uns hier: Dieser Gott ist lebendig, er ist ewig, er ist unvergänglich, allmächtig und er rettet, er will retten. Gott ist immer stärker.
Aus diesen Versen klingt die gleiche Freude über Gottes Herrschaft durch wie aus dem Himmelfahrtsthema am vergangenen Sonntag: Es wird regiert, Gott ist immer stärker.
In Vers 29 kommen dann die Berichte über Daniel zu einem gewissen Abschluss: „Und Daniel hatte große Macht im Königreich des Darius und auch im Königreich des Kyrus von Persien.“
Ab Kapitel 7 lernen wir dann die speziellen Prophetien kennen, die Gott diesem Daniel in den vorausliegenden Jahren gegeben hat. Also ab Kapitel 7 geht es weiter mit den Prophetien des Daniel.
Bis Kapitel 6 haben wir seine Lebensgeschichte, die davon geprägt ist, dass Gott immer stärker war. Gott wollte, dass wir hier dieses Drama erfahren. Gott wollte das, weil wir darin so viel über seine Macht erkennen und weil das, was wir hier in Daniel 6 lesen, eine enorme Ermutigung sein kann für viele, viele Situationen, in die wir noch hineinkommen mögen.
Wir mögen angegriffen werden, ob das nun ein Neidkomplott ist oder andere Dinge, die uns angreifen – das wird immer wieder geschehen. Dann soll das auch für uns gelten: Treue gegen List, Treue gegen Gemeinheit, Treue gegen Verleumdung.
Es soll für uns zur guten Gewohnheit werden, regelmäßig die Knie vor unserem Herrn zu beugen und zu Menschen des Gebets zu werden, wie es Daniel war. Dann werden wir das so erfahren: Gott ist immer stärker.
Das wird nicht immer gleich sichtbar, aber es ist die letzte bestimmende Wirklichkeit über unserem Leben.
Der Apostel Johannes hat es in seinem ersten Brief so geschrieben: „Der, der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist.“
Und damit komme ich zum Schluss: Selbst wenn wir einmal in jene letzte Grube kommen, wird auch das nicht unser Ende sein. Das ist übrigens schon in diesem Kapitel angedeutet.
Ich will Ihnen das zum Schluss noch mitgeben: Unsere Glaubensväter haben in Daniel 6 viele versteckte Hinweise auf Christus gefunden.
Auch Christus wurde verraten. Auch Christus konnte ein Pilatus nicht retten, so wie Darius den Daniel nicht retten konnte. Auch Christus musste hinunter in die Grube, aber er musste im Unterschied zu Daniel noch viel tiefer hinunter. Er musste unsere Sünde tragen, er musste wirklich sterben.
Auch das Grab Jesu wurde versiegelt mit einem Stein, ebenso wie die Grube des Daniel. Und auch Christus ist herausgekommen aus der Grube des Todes endgültig. Er hat die Grube des Todes im Triumph überwunden.
Darum hat Jesus nun die Macht, uns für immer und ewig zu bewahren. Er wird es nicht zulassen, dass seine Leute in einer Löwengrube oder in einer Todesgrube umkommen und verzweifeln.
Wir haben die Garantie, dass alle, die an den Herrn Jesus Christus glauben, nicht in der Verlorenheit enden, denn Gott ist immer stärker – immer!