Orientierungslosigkeit und die Einladung zur Heimat
Und wie das bei so alten, zerstreuten Professoren ist: Er vergisst immer wieder, dass er umgezogen ist, und auch die neue Adresse.
So geht er nach der Vorlesung gedankenverloren nach Hause und landet immer wieder vor der Tür seiner alten Wohnung.
Eines Tages, als er wieder vor seiner alten Wohnung steht, sieht er einen kleinen Jungen auf der Treppe sitzen. Er sagt: „Du Kleiner, komm doch mal her! Hier hat doch mal so ein alter Professor gewohnt. Kannst du mir sagen, wo der hingezogen ist?“
Da sagt der Kleine: „Papi, komm nach Hause, die Mami wartet schon mit dem Mittagessen.“
Heute laufen massenhaft Leute herum, die vergessen haben, wo sie herkommen. Sie wissen nicht, wo es langgeht, wo sie zu Hause sind und vor allem nicht, wie sie wieder nach Hause kommen könnten.
Wir Christen unterscheiden uns von diesen Menschen dadurch, dass wir wissen, wo wir herkommen – nämlich von Gott, unserem Schöpfer.
Wir wissen, wo unsere Heimat ist – im Himmel bei Gott. Und wir wissen, wie wir dorthin, also nach Hause, kommen können: nämlich durch seinen Sohn Jesus Christus.
Dieses Wissen hat uns nicht irgendwann mal jemand übergestülpt, sondern Gott selbst hat es uns offenbart.
Dieses Wissen stülpen wir anderen Menschen nicht einfach über, sondern wir teilen es mit ihnen in Form einer höflichen Einladung: „Komm!“
Unsere Rolle als Christen, auch die Rolle von mir und den Predigern hier an so einem Tag, ist nichts anderes als die Rolle des kleinen Jungen aus der Geschichte.
Wir tun nichts anderes, als die Verlorenen – also die, die die Orientierung verloren haben – wieder einzuladen und zu sagen: „Komm nach Hause, das Essen ist fertig, das Festessen ist vorbereitet.“
Nikodemus – Ein Professor auf der Suche nach Orientierung
Eines Tages kommt ein älterer Mann zu Jesus, ein Professor, der die Orientierung verloren hatte und nicht mehr genau wusste, wo es eigentlich langgeht. Ja, Jude ist ja klar – alle Menschen, mit denen Jesus zu tun hatte, waren Juden. Die Juden haben eine meisterhafte Art, sich auszudrücken, oft so um zwei Ecken herum, von hinten durch die Brust ins Auge. Sie sagen manchmal nicht direkt, was sie meinen, sondern verschleiern es ein wenig.
Es gibt zum Beispiel folgende Geschichte: Ein Jude lädt einen anderen zur Namensgebung seines Sohnes ein. Nun möchte er, dass dieser ein richtig anständiges Geschenk mitbringt. Aber er kann ja nicht offen sagen: „Ich lade dich ein, damit du ein großes Geschenk mitbringst.“ Also macht er Folgendes: Er lädt ihn ein und sagt: „Weißt du überhaupt, wo ich wohne?“ – „Nö, keine Ahnung.“ – „Pass auf, ich wohne in der Wirbergasse Nummer fünf. Da gehst du durchs Hoftor, und hinten steht noch ein zweites Haus. Da gehst du rein, Treppe hoch, im zweiten Stock rechts den Gang entlang und die vorletzte Tür links. Da wohne ich. Und da klopfst du dann mal richtig mit dem Fuß dran.“ – „Na, wieso mit dem Fuß?“ – „Na, du wirst doch wohl nicht mit leeren Händen kommen.“
So jemand, der nicht gerade offen sagt, was er auf dem Herzen hat, kam zu Jesus. Seine äußeren Lebensumstände waren bestens. Er war ein beneidenswerter Mensch: reich, Spitzenfunktionär des jüdischen Staates, gelehrter Professor. Höher als er konnte man gar nicht steigen, mehr als er erreichen konnte man im Leben nicht. Eine größere Karriere war überhaupt nicht drin.
Und trotzdem war dieser Mensch unzufrieden. Einer von den Millionen, die auch heute herumlaufen, die alles haben und trotzdem unzufrieden sind.
Karriere oder Jesus – Die Suche nach wahrem Glück
Ich erinnere mich noch an eine junge Gemeinde, in der wir einmal eine Jugendstunde zum Thema Karriere gehalten haben. Der junge Mann, der an diesem Abend sprach, stellte die Frage: Was ist wichtiger – die Karriere oder Jesus?
Natürlich, im frommen Gemeindehaus, was sollte er anderes sagen? Er antwortete nach dem sogenannten Eichhörnchen-Prinzip: Jesus ist wichtiger. Kennt ihr das Eichhörnchen-Prinzip? Das stammt aus einem ehemaligen Kindergarten, in dem es sehr fromm zuging. Eines Vormittags stand Rätselraten auf dem Programm. Den Kindern wurde ein Rätsel gestellt: Es sieht niedlich aus, ist braun, manchmal schwarz, hat einen dicken buschigen Schwanz, springt von Baum zu Baum und isst gerne Haselnüsse. Was ist das?
Ein Junge antwortete: Normalerweise würde ich sagen, es ist ein Eichhörnchen. Aber wie ich den Laden hier kenne, wird es wohl das herzliebe Hesulein gewesen sein. So war klar, dass der junge Mann in unserem Gemeindehaus sagte: Jesus ist wichtiger als die Karriere.
Doch später änderte er seine Meinung. Er stellte Jesus beiseite und konzentrierte sich nur noch auf seine Karriere. Ein oder zwei Jahre später traf ich ihn wieder. Er hatte tatsächlich alles erreicht, was man als junger Mensch damals in der DDR erreichen konnte: einen Studienplatz, eine Frau und eine Wohnung. Mehr war nicht drin.
Aber Frieden hatte er keinen. Er war unzufrieden, meckerte und nölte nur. Mit allem hatte er Glück, nur nicht mit dem Glück. Denn so glücklich sein, das braucht offenbar mehr als eine Frau, eine Wohnung und eine Karriere.
Meistens hatte man keine Zeit, über all das nachzudenken. Unter der Woche musste man arbeiten, am Wochenende shoppen, tagsüber jobben, abends fernsehen. Aber in der Nacht, wenn alle Apparate und Lichter ausgeschaltet sind, kommen einem manchmal allerlei Gedanken. Gedanken, die man nicht einfach so abschalten kann wie die Nachttischlampe.
Nikodemus sucht Jesus bei Nacht
Eines Nachts sitzt Professor Nicodemus in seiner Studierstube und denkt über die Frage nach: Was habe ich in meinem Leben eigentlich erreicht? Und was kommt bei meinem Leben eigentlich heraus? Sicher hat er sich gesagt: „Ich habe etwas geleistet, meine Karriere – das soll mir erst einmal jemand nachmachen.“ Aber was ist der Sinn vom Ganzen?
Dieser Professor namens Nikodemus merkt, dass ihm etwas fehlt. Er kann gar nicht genau sagen, was es ist, aber er spürt diese Leere. Kurzentschlossen pustet er seine Lampe aus, zieht sich einen dunklen Mantel über und schleicht im Schatten der Häuser durch das nächtliche Jerusalem.
Im Johannes-Evangelium heißt es: „Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern, der hieß Nikodemus. Ein Oberster unter den Juden, der kam zu Jesus bei der Nacht“ (Johannes 3,1).
Nikodemus geht zu Jesus, weil er fühlt, dass dieser etwas mit dem zu tun hat, was ihm fehlt. Er erwartet, dass er von Jesus eine Antwort bekommt. Er kommt also mit einer bestimmten Erwartung zu Jesus – genauso wie du heute mit einer bestimmten Erwartung hierher gekommen bist.
Vielleicht erwartest du, dass du heute loskommst von deiner Wut oder deiner Angst, dass du wegkommst von deiner inneren Leere oder Traurigkeit. Vielleicht suchst du nach einer Sinngebung für dein Leben und hoffst, hier auf dem Gelände einen Hinweis für deinen Job oder deine Zukunft zu finden. Du erwartest, das bei Jesus zu finden.
Natürlich gibst du das nicht offen zu. Du tust ganz cool, als ob dich das alles gar nicht so sehr betrifft. Wenn wir uns unterhalten würden, würdest du vielleicht sagen: „Nein, Herr Pfarrer, ich muss Sie enttäuschen, ich bin nicht wegen Ihres Jesus hier. Genau genommen wollte ich mir nur mal die Töchter des Landes ansehen.“
Gut, mein lieber Nico – wenn ich „Nico“ sage, meine ich dich. Wenn ich „Nikodemus“ sage, meine ich den Professor. Also gut, Nico, wir wollen uns jetzt nicht streiten, sondern lieber sehen, was unser Professor macht.
Er macht nämlich genau dasselbe wie du. Er gibt nicht zu, dass er ein Problem hat. Kein Wort davon, dass er sich am Leerlauf seines Lebens wundschleift, dass er sich danach sehnt, ein neuer, ein anderer Mensch zu sein. Nur ja nicht zugeben, dass er Hilfe braucht – einen Helfer, einen Heiler, einen Erlöser. Nur ja nicht den Eindruck erwecken, er bräuchte ein seelsorgerliches Gespräch.
Nein, überhaupt nicht. Professor Nicodemus ist gekommen, um ein bisschen zu plaudern, so zu diskutieren. Er will sich mit diesem Jesus ein wenig unterhalten – eine kleine theologische Debatte unter Fachleuten, mehr nicht.
Die verborgene Sehnsucht hinter höflichen Worten
Wenn ihr als Missionare unterwegs seid und Gespräche mit anderen Menschen führt, müsst ihr darauf achten: Viele kommen mit Fragen, und ihr geht ernsthaft auf diese ein. Doch oft sind das gar nicht die wirklichen Fragen der Menschen. Diese Fragen dienen nur als Vorwand, denn sie haben ein ganz anderes Problem.
Wir besitzen nicht die Gabe wie Jesus, den Leuten sozusagen durch die Stirn hindurchzusehen, um ihr eigentliches Problem zu erkennen. Deshalb muss man genau hinhören. Will die Person wirklich über die Kreuzzüge sprechen, oder sollte man ihr besser erklären, was das Kreuz von Jesus bedeutet?
Dieser Mann zum Beispiel nennt nicht die Frage, die ihn wirklich bewegt und die ihn nachts nicht schlafen lässt: die Frage nach dem persönlichen Seelenheil. Stattdessen redet er von dem, was er weiß. Er sagt: „Meister, wir wissen…“ Er spricht sogar im Plural, obwohl er allein ist. Er sagt: „Wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen, denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, außer es sei Gott mit ihm.“
Dieser Mann hat also eine ziemlich hohe Meinung von Jesus. Aber Jesus sucht nicht Menschen, die nur eine hohe Meinung von ihm haben, sondern solche, die ihn lieben. Jesus will keine Bewunderer, sondern Nachfolger.
Deshalb geht Jesus auf diesen Strom höflicher Redensarten überhaupt nicht ein. Er sieht dem „Professor“ an der Nasenspitze an, dass ihn etwas ganz anderes bewegt. Dass er mehr sucht als eine geistreiche Unterhaltung.
Deshalb beantwortet Jesus nicht die Frage, die Nikodemus gerade gestellt hat. Stattdessen geht er auf die Frage ein, die ihn wirklich interessiert. Die Frage lautet: „Jesus, wie werde ich ein neuer Mensch? Wie finde ich in meinem Leben einen Sinn?“
Die Notwendigkeit der Wiedergeburt
Vers 3: Jesus antwortete: „Ich versichere dir, nur wer von neuem geboren ist, wird Gottes Reich sehen.“
Mit anderen Worten stellt Jesus dem Herrn Professor Nikodemus die Frage, vor der sich so viele Christen – auch christliche Profis und Professoren – fürchten. Nämlich die Frage: Bist du wiedergeboren? Auf Deutsch: Bist du bekehrt?
Es gibt Christen, vor allem unter den Professoren, die jeden Satz so beginnen wie unser Professor Nikodemus mit „Wir wissen“. Sie stochen in der Bibel herum und sagen: „Wir wissen, dieser Vers ist echt, und dieser Vers ist unecht.“ Sie behaupten, „Wir wissen, Jesus kann das und das so gar nicht gesagt haben.“
Einer von denen, der auch alles genau zu wissen meint, ist Professor Lüdemann. Er hat zum Beispiel behauptet, er wisse, dass das Grab von Jesus gar nicht leer gewesen sei, Jesus im Grab verwest sei und gar nicht auferstanden sei.
Vom gleichen Schlag wie Lüdemann war auch die Professorin Etta Linnemann. Das klingt ähnlich, als ob sie etwas anderes gewesen wäre. Tatsächlich war sie eine Schülerin von Bultmann. Sie können das auseinanderhalten: Linnemann, Bultmann und ich bin Lehmann – das sind verschiedene Personen.
Diese Frau war eine Vertreterin der modernen Theologie und Professorin in Marburg. Eines Tages hatte sie an der Uni in Marburg am schwarzen Brett folgende Mitteilung für ihre Studenten angebracht. Ich zitiere nur einen Teil davon:
„Ich habe Jesus Christus als meinen lebendigen Herrn erfahren, der für meine Sünde am Kreuz gestorben ist und der auferweckt ist und dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden. Ich erfahre durch den Heiligen Geist und die Zeugnisse der Brüder und Schwestern die ganze Bibel als Gottes lebendiges Wort, das heute geschieht. Ich habe erkannt, dass ich in meinem Leben ein blinder Blindenleiter gewesen bin und erkläre alles, was ich bisher gelehrt und geschrieben habe, als einen Dreck.“
Oh, da bin ich gleich in meine Bibliothek gegangen und habe die Bücher von ihr rausgeschmissen. Ja, wenn die Verfasserin selbst sagt, es ist Dreck, dann muss es ja nicht in meiner Bibliothek stehen.
Aber was sie danach geschrieben hat, das ist lesenswert. Jeder Theologiestudent müsste mal lesen, was diese Frau über die Frage der Quellenunterscheidung und Ähnliches schreibt.
Noch ein Satz dazu: „Ich kann nicht länger versuchen“, sagt Frau Linnemann, „das Wort der Schrift mit meinem Denken zu kontrollieren, sondern nur noch darum bitten, dass Gottes Wort durch den Heiligen Geist mein Denken verwandelt.“
Diese Frau ist der Beweis: Selbst ein Theologieprofessor kann sich noch bekehren.
Deshalb bitte ich euch: Gebt euren ungläubigen Dozenten, falls ihr mit solchen Leuten zu tun habt, nicht auf. Hofft und betet weiter für sie, dass sie eines Tages aufhören zu sagen: „Wir wissen“, sondern mal sagen: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“
Karl Barth und die Essenz des Glaubens
Ich muss euch an dieser Stelle etwas über Karl Barth erzählen. Er war ein berühmter Theologieprofessor, wahrscheinlich der bekannteste deutsche Theologieprofessor des vergangenen Jahrhunderts. Er hat sehr umfangreiche Bücher geschrieben, die oft sehr dick waren. Ganze Generationen von Theologen wurden von ihm geprägt.
Am Ende seiner wissenschaftlichen Laufbahn hielt er seine Abschlussvorlesung an der Universität Chicago. Die Studenten saßen alle mit gezücktem Bleistift da und fragten sich: Was wird der große Professor in seiner letzten Vorlesung sagen? Welche Botschaft wird er als letztes und wichtigstes, als Quintessenz seines Lebens, Forschens und Glaubens an die nachfolgende Generation weitergeben?
Karl Barth begann seine Rede mit folgendem Satz: „Meine Damen und Herren, meine Theologie kann zusammengefasst werden in dem Vers…“ Jetzt setzten alle ihre Bleistifte an, erwarteten eine hochgeistige Formulierung oder vielleicht einen bestimmten Bibelvers. Stattdessen zitierte er einen Vers aus der Sonntagsschule, aus dem Kindergesangbuch.
Karl Barth sagte: „Meine Theologie kann zusammengefasst werden in dem Vers ‚Jesus loves me, this I know, for my Bible tells me so‘ – Jesus liebt mich ganz gewiss, denn die Bibel sagt mir dies.“
Seht ihr, Freunde, das ist alles. Das ist der Weisheit letzter Schluss. Und das reicht auch für das Ende eines Menschenlebens.
Der Katechismus und die Bedeutung des Glaubens
Ich habe einmal gehört, wie euer alter Professor zu meinem Vater, der ebenfalls ein älterer Professor war, gesagt hat: „Herr Kollege, je älter ich werde, umso mehr lebe ich eigentlich nur noch aus ein paar Sätzen von Luthers Katechismus.“
Ich hoffe, ich irre mich, aber ich befürchte, dass der Katechismus in eurer Generation nicht mehr zu den bekanntesten Dingen gehört. Kennt ihr zum Beispiel die Erklärung Luthers zum dritten Artikel auswendig?
Ich glaube: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen“ – und so weiter und so weiter.
Ich habe es geahnt, dass ihr es nicht mitbekommt. Ich möchte auf diesen Satz aus dem Katechismus noch einmal zurückkommen. Zuvor muss ich aber das Thema Edda Linnemann abschließen.
Ich hätte gesagt: Diese Frau ist erstens der Beweis, dass sich auch ein Theologieprofessor noch bekehren kann.
Und jetzt geht es weiter im Thema. Diese Frau hat zweitens die Erfahrung gemacht, dass man in das Reich Gottes nicht durch Wissen gelangt, sondern Christ wird man durch Wiedergeburt.
Die biblische Bedeutung der Wiedergeburt
Das Wort Wiedergeburt bedeutet in der Bibel etwas ganz anderes, als viele Menschen heute darunter verstehen. Viele, wie zum Beispiel Nina Hagen – die mit der dekorierten Gemüseschale auf dem Kopf, die immer so die Augen rollt und kreischt –, ihr wisst Bescheid, kennen den Katechismus nicht.
Nina Hagen glaubt zum Beispiel an die Reinkarnation. Sie ist der Meinung, dass sie früher schon einmal auf dieser Welt als irgendetwas anderes gelebt hat und eben wiedergeboren wurde in eine neue Existenz. Zum Beispiel sagt sie: „Ich war im Mittelalter Pfarrer von Mantua und jetzt bin ich Pfarrer von Manta.“ Oder: „Ich war Helferin in der Frauenabteilung von Irrsinnigen und jetzt bin ich die Frau Hella von Sinn.“ Oder: „Ich war Mönch in Tibet und jetzt bin ich Maus in Theosbet.“ Oder: „Ich war meine Tarantel, jetzt bin ich Tante Emma“ und so weiter.
Diese Lehre von der Seelenwanderung und Wiedergeburt stammt aus Indien, aus dem Hinduismus, und wird dort als eine Strafe verstanden. Ich habe gerade vor ein paar Tagen in der Zeitung gelesen, dass am dritten Januar ein großes Fest in Indien stattfindet, bei dem eine halbe Million Menschen in Nordindien in den eiskalten Ganges marschieren. Es ist eine der größten Freiluftveranstaltungen der Welt, heißt es dort.
Nach dem Glauben der Hindus reinigt ein Bad im Ganges während dieses Festes den Menschen von seinen Sünden. Der Kreislauf – jetzt kommt das Stichwort – der Wiedergeburt beschleunigt sich dadurch und bringt den Menschen dem Nirwana näher, dem Austritt aus dem Kreislauf des Leidens. Das bedeutet, es ist eine Strafe, wenn man immer wiedergeboren wird. Man muss diesen Kreislauf möglichst hinter sich bringen, bis man endlich aus diesem elenden Rad der ständigen Wiedergeburt herauskommt.
Bei uns, durch die Beatles und durch andere Einflüsse, ist eine ganz andere Vorstellung von der Wiedergeburt entstanden. Dort gilt sie mehr als eine Art Belohnung oder so. In jedem Fall sage ich euch: Die Lehre von der Seelenwanderung und Wiedergeburt in diesem Sinne ist ein großer Betrug, ein tödlicher Irrtum und eine ganz gefährliche Irrlehre.
Der ganze Reinkarnationsschwindel wird durch einen einzigen Satz aus der Bibel widerlegt. Im Hebräerbrief Kapitel 9 lesen wir: „Es ist dem Menschen bestimmt, einmal zu sterben, danach das Gericht.“ Täusche dich nicht: Du lebst nur ein einziges Mal und du stirbst auch nur ein einziges Mal. Danach kommt nicht etwas Neues, keine neue Chance und keine neue Möglichkeit für dich.
Es ist den Menschen bestimmt zu sterben, und danach kommt das Gericht. In diesem Gericht geht es nur um eine einzige Frage: Hast du an Jesus geglaubt, hast du mit ihm gelebt? Oder, wie es die Bibel hier ausdrückt, bist du wiedergeboren?
Martin Luther hat gesagt: „Wer da glaubt an Christus, der ist wiedergeboren oder neugeboren.“
Wiedergeburt und Taufe – eine klare Unterscheidung
Ich muss euch darauf aufmerksam machen, dass Luther an der Stelle, wo er von der Wiedergeburt spricht, das Wort Taufe gar nicht erwähnt. Viele können den Begriff Wiedergeburt nur im Zusammenhang mit der Taufe verstehen. Das liegt daran, dass im Titusbrief vom Bad der Wiedergeburt gesprochen wird und Jesus in seinem Gespräch mit Nikodemus von Wasser und Geist spricht.
Aber erstens ist die Taufe nicht die Wiedergeburt, sondern sie bewirkt die Wiedergeburt. Sie ist ein Mittel dazu, indem sie die Vergebung der Sünden anbietet. Zweitens wird die Wiedergeburt nicht nur durch die Taufe bewirkt, sondern auch durch das Wort des Evangeliums. So steht es im ersten Petrusbrief: „Ihr seid wiedergeboren aus dem lebendigen Wort Gottes.“
Die Lehre, die die Wiedergeburt einseitig nur mit der Taufe verbindet, ist nicht biblisch und schon gar nicht lutherisch. Viele verstecken sich hinter dieser falsch verstandenen Tauflehre, indem sie sagen: „Getauft, und damit ist alles erledigt.“ Aber da muss ja noch der Glaube dazukommen. Luther sagt zum Beispiel in seinem Katechismus, den viele nicht so gut kennen: „Ohne Glaube nützt die Taufe nichts.“
Es hat mal jemand gesagt, dass dieses absolut gesetzte Taufwiedergeburtsverständnis wie ein Leichentuch über den deutschen Kirchen liegt. Die Kirchen beruhigen sich bei der Taufe und vergessen, dass aus der Kindertaufe eine Verpflichtung erwächst, nämlich die glaubensweckende Verkündigung, also auf Deutsch gesagt: Evangelisation.
Deshalb bin ich gerade dabei, dieses Leichentuch zu lüften, indem ich sage: Wiedergeburt heißt dasselbe wie Bekehrung, und ohne die kommt man nicht in Gottes Reich. Der Ausdruck Wiedergeburt macht deutlich, dass es hier um etwas geht, das man nicht selbst bewirken kann. Als wir uns bekehrt haben, haben wir nicht etwas gemacht, sondern uns ist etwas passiert. Da ist uns jemand begegnet, der uns ein neues Leben geschenkt hat. Man kann sich nicht selbst gebären, man wird geboren.
Es kommt also nicht darauf an, dass du von Anfang an alle Geheimnisse der Bibel verstehst oder alle Dogmen der Kirche. Auf deine Wiedergeburt kommt es an. Und eine Geburt verstehst du – das ist doch keine Gedankensache, sondern eine Grundtatsache des Lebens.
Gott will, dass du lebst, nicht nur, dass du existierst wie eine Kuh, sondern dass du als Mensch nach dem Sinn und Zweck des Daseins fragst. Jesus sagt in Johannes 10, Vers 10: „Ich bin gekommen, um euch Leben in Fülle zu bringen.“ Er möchte, dass du jetzt ein sinnvolles Leben hast und nach deinem Tod das ewige Leben.
Wenn du merkst, dass du verkehrt gelebt hast, ohne Gott, dann bietet Gott dir an: Du kannst noch einmal von vorne anfangen. Du kannst neu anfangen, neu werden, wie ein Neugeborener, wie ein Kind. Jesus sagt: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so könnt ihr nicht ins Reich Gottes kommen.“
Du überwindest den toten Punkt deines Lebens nicht, indem du nur noch mehr an dir arbeitest – an deinem Charakter oder deiner Karriere zum Beispiel. Wenn jemand auf den falschen Weg geraten ist, hat es keinen Sinn, immer schneller zu rennen. Das Einzige, was Sinn macht, ist, dass er aufhört, umkehrt und neu anfängt.
Nikodemus’ Zweifel und die Grenzen der Vernunft
Eigentlich müsste Nikodemus jetzt sagen: Ja, Jesus, du hast recht, das stimmt. Ich renne mein ganzes Leben, aber ich lebe falsch. Ich brauche einen neuen Start.
Aber statt jetzt das Einzige zu tun, was jetzt dran ist, nämlich mit Jesus anzufangen, fängt dieser Mann an, mit Jesus zu diskutieren. Als Jesus Nikodemus die Frage nach der Bekehrung stellt, ist der Herr Professor bereits am Ende mit seinem Wissen und auch mit seinem Begreifen.
Er versteht nur so viel, dass hier von unbegreiflichen Dingen die Rede ist. Daraufhin verlegt er sich aufs Diskutieren – und zwar auf eine so primitive Weise, dass man sich wundert, wie ein gebildeter Mensch solchen Unsinn produzieren kann. Das ist mir schon öfter aufgefallen in Diskussionen, zum Beispiel nach Evangelisationsabenden. Wenn man auf Gott zu sprechen kommt, reden selbst die gebildetsten Leute manchmal einen Mist zusammen, der einem übel werden kann.
Auf das Stichwort Wiedergeburt antwortet Professor Nikodemus: Wie kann denn ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Er kann doch nicht in den Leib seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!
Diese Antwort zeigt auf geradezu peinliche Weise, dass es absolut vergeblich ist, die göttlichen Dinge mit der Vernunft und dem Verstand begreifen zu wollen.
Also, Freunde, ich sage kein Wort gegen die Vernunft, das ist ja eine Gabe Gottes. Aber die Vernunft hat die Eigenart, sich immer irgendwas anderem unterzuordnen. Luther sagt: Die Vernunft ist eine Hure, die sich in den Dienst von jedem stellt. Das kommt immer darauf an, in wessen Dienst sie steht.
Wir sollen ja Gott mit allen Kräften von unserem Verstand lieben. Ich sage nichts gegen die Vernunft, ich sage nur, sie ist kein Mittel, um Gott zu erkennen oder um zu Gott zu kommen.
Ich will jetzt mal ein Beispiel deutlich machen. Ich bin zum Beispiel absoluter Fan von Schwimmflossen. Wenn ich im Freibad bin und dann läuft einer so auf dem Betonrand des Schwimmbads mit so einem riesigen, blauen, langen Gummilatschen da lang, das ist ein Anblick, von dem ich mich nicht lösen kann. Das sieht so blöd aus: diese dünnen Beine und dann diese großen Gummilatschen.
Und wenn der dann so läuft und losschwimmt, da hänge ich dran. Mal angenommen, ich würde auf einem Berg sitzen, vielleicht ein bisschen höher als der Killesberg, in die Landschaft gucken. Und dann täte ich das Schnaufenhirn, und da käme einer den Berg hoch mit blauen Schwimmflossen. Da würde ich ja nicht mehr begeistert gucken, sondern entgeistert, weil ich dem Mann sagen würde: Nichts gegen deine Flossen, aber hier auf dem Berg brauchst du Bergschuhe.
Also versteht mich nicht falsch: Ich habe nichts gegen die Vernunft, aber die Vernunft ist doch nicht das Mittel, um zu Gott kommen zu können.
Ich begreife deshalb überhaupt nicht, warum der Papst, dessen Rede ihr da gehalten habt – dies ist ja zur Rede des Jahres 2006 erklärt worden –, was er da alles über die Vernunft gesagt hat und welche positive Rolle er der Vernunft zugeschrieben hat. Der hat eben leider nur das Katechismusartige im Kopf.
Ich habe es ja vorhin zitiert: Ich glaube nicht, dass ich aus eigener Vernunft oder Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann. Sondern der Heilige Geist hat mich berufen und so weiter.
Da sieht man wieder einmal, zu welchen Irrlehren man kommt, wenn man sich weigert, Literaler zu werden. Das geht ratz-fatz zu Irrlehren.
Das war doch gerade das Problem des Nikodemus, dass er ein verstandesmäßiger Mensch war. Das war doch das Problem von Nikodemus, dass er sagt: Mensch, das geht mir nicht in meinen Kopf rein, was Jesus da sagt. Wie soll das denn vor sich gehen? Wie soll ich, alter Mann, vielleicht noch mal in den Leib meiner Mutter zurückkehren?
Ich lese noch mal vor: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Er kann doch nicht in den Leib seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!
Also wenn ein kluger Mensch eine Sache derartig grotesk missversteht und solchen Unsinn redet, beweist er damit, dass er in Wirklichkeit die Sache sehr genau verstanden hat.
Und Nikodemus hat Jesus ganz genau verstanden. Er versteht: Umkehren soll ich nicht in den Leib der Mutter, sondern zu Gott. Und er spürt, jetzt hat Jesus mein Leben angetippt. Der hat mein Herz angegriffen, aber er biegt diesen Angriff jetzt mit dem Verstand ab.
Er merkt: Jetzt müsste ich Jesus mein Leben geben. Aber vor diesem Schritt zuckt er zurück. Und er will erst einmal darüber reden. Deshalb fragt er: Ja, wie ist das denn möglich? Ich bin doch ein erwachsener Mensch, wie kann ich über meinen Schatten springen? Wie kann ich meine Vergangenheit auslöschen?
Also statt Jesus sein Leben auszuliefern, flüchtet er sich in eine Diskussion über das Wie.
Ich habe auch nichts gegen Diskussionen und nichts gegen Fragen, im Gegenteil: Es müsste mehr diskutiert und mehr gefragt werden.
Ich sage dir nur: Durch Diskussionen kommst du nicht zu Jesus. Ein Gebet bringt dich schneller zu Jesus als zehn Tage Diskussion. Denn über die Frage, ob du Jesus dein Leben geben willst, gibt es nichts zu diskutieren. Es gibt nur ein Ja oder ein Nein.
Die Diskussion ist die letzte Zuflucht der Leute, die sich nicht klar und eindeutig entscheiden wollen. Die Frage nach dem Wie – Wie ist das denn möglich? – ist die typische Frage von denen, die Zuschauer bleiben wollen, die dem Hochspannungsdraht Jesus nicht zu nahe kommen möchten.
Ich beobachte das immer wieder nach Evangelisationsveranstaltungen. Da sind Menschen von der Botschaft gepackt, sie sind angesprochen. Eife, da wird mein Leben verändert.
Aber sie haben Angst, diesen Schritt zu Jesus zu tun und ihr altes Leben aufzugeben. Da versuchen sie sich aus der Affäre zu ziehen – und zwar durch Diskussion.
Sie kommen dann hinterher zu mir und sagen: Ach, war ja hochinteressant, was Sie da erzählt haben, wir haben immer gedacht, Kirche ist ein verstaubter Laden, ist ja ganz nett hier bei euch, auch was Sie über Jesus gesagt haben, gefällt mir ganz gut. Aber – und passt auf, jetzt kommt es – da habe ich mal eine Frage:
Wie ist denn das möglich, dass Jesus Gottes Sohn sein soll? Wie kann Jesus Wunder tun? Wie kann ein Toter lebendig werden? Wie kann ein Mensch, der ein Leben lang als Atheist oder Moslem gelebt hat oder Säufer gewesen ist, auf einmal das lassen und neu werden, sich verändern? Wie kann überhaupt einer, der eine Predigt gehört hat, sich bekehren?
Ja, Freunde, wie das sein kann, das kann ich euch auch nicht sagen. Ich weiß nur, dass es so ist. In der Bibel gibt es eine Menge Beispiele und auch aus dem Leben: Manche bekehren sich sofort, manche brauchen länger.
Und so einer mit einer längeren Leitung – das war auch Nikodemus. Das muss man den Intellektuellen und Professoren zugestehen: Die haben eine längere Leitung als andere Leute in solchen Dingen, weil sie mehr Gehirnwindungen haben, mit denen sie nachdenken müssen.
Später, als Jesus gestorben war, hat sich Nikodemus öffentlich auf die Seite von Jesus gestellt. Aber hier eiert er noch herum und versteckt sich hinter der Frage nach dem Wie.
Der Wind als Bild für die Wiedergeburt
Ich kann dir diese Frage, wie das möglich ist, auch nicht beantworten, weil Jesus sie nicht beantwortet hat. Jesus hat nur gesagt, dass es mit der Wiedergeburt so ist wie mit dem Wind. Der Wind weht, wo er will, sagt Jesus hier, und du weißt also gar nicht, wo er herkommt und was da los ist. Aber du siehst seine Wirkung.
Eben war das Blatt noch an einem Baum, und jetzt siehst du, wie es über die Straße fliegt. Du siehst die Wirkung. So ist es auch mit dem bekehrten Menschen. Warum aus einem Atheisten ein Christ wird, das ist unerklärlich. Du registrierst nur, dass derjenige eben noch gegen Gott war und jetzt für ihn ist.
Eben noch hing er stur an seiner atheistischen Weltanschauung, und jetzt läuft er auf der Straße herum und lädt zu Jesus ein. Nebenbei bemerkt: Jesus hat hier nicht gesagt, der Geist weht, wo er will, sondern er sagt, der Wind weht, wo er will.
Ich höre und lese immer wieder von Kirchenleuten, selbst von Bischöfen, dass sie sagen, der Geist weht, wo er will, und sich dabei auf diese Bibelstelle beziehen. Aber das stimmt nicht, das hat Jesus überhaupt nicht gesagt. Es kann zwar inhaltlich sein, dass der Geist weht, wo er will, aber wir können dem Geist doch nicht verbieten, dass er sich auf das Wort und aufs Sakrament festgelegt hat.
Deswegen ist alles andere, was den Geist ohne das Wort haben will, Schwärmerei. Und wenn sich diese Schwarmgeister immer wieder für ihre komischen Lehren auf ein Bibelwort berufen, das gar nicht in der Bibel steht, merkt man doch schon, dass sie den Heiligen Geist gerade nicht haben.
Also noch einmal: Jesus sagt hier nicht, der Geist weht, wo er will, sondern der Wind weht, wo er will. Das ist ein Vergleich. Mehr sagt Jesus nicht. Deshalb kann ich dir die Frage, wie das mit der neuen Geburt oder einer Bekehrung vor sich geht, nicht beantworten.
Ich kann dir nur sagen: Wenn du hier sitzt, dein Kreuz um den Hals trägst, dich Christ nennst und getauft bist, aber nicht bekehrt bist, kommst du nicht in Gottes Reich. Jesus sagt dir am Schluss dieses Kapitels, dass wer an den Sohn glaubt, das Leben hat. Wer dem Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.
Also: Entweder du bist wiedergeboren oder du bist ewig verloren. Wer nicht geboren ist, lebt nicht. Geburt ist lebensnotwendig. Und wer nicht wiedergeboren ist, hat das ewige Leben nicht. Wiedergeburt ist heilsnotwendig.
Die Bibel sagt: Menschen ohne Gott sind tot. Der verlorene Sohn kam nach Hause, und er hatte sehr quicklebendig gelebt. Da sagt aber der Vater: Er war tot, aber jetzt, wo er nach Hause gekommen ist, lebt er.
Die Dringlichkeit der Entscheidung für Jesus
Freunde, die Rede von der Wiedergeburt ist nicht die Spezialmarke einiger besonders frommer Leute. Das Pochen auf die Bekehrung ist nicht die Idee einiger fanatischer Evangelisten. Sondern das hat Jesus selbst gesagt, hier in Johannes 3, Vers 3: „Nur wer von neuem geboren wird, der wird in Gottes Reich kommen.“
Deshalb frage ich dich: Bist du wiedergeboren? Bist du bekehrt? Bist du ein Kind Gottes? Kannst du auf diese Frage sofort und klar mit Ja antworten? Ich habe dich nicht gefragt, wann du dich bekehrt hast, sondern ob du dich bekehrt hast. Die Frage nach dem Wann ist gar nicht so entscheidend.
Wenn mich jemand fragt, wann ich mich bekehrt habe, muss ich so antworten wie die Negersklaven in Amerika, wenn man sie gefragt hat, wie alt sie sind oder wann sie geboren wurden. Oft sagten sie: „Wann ich geboren wurde, weiß ich nicht. Aber dass ich lebe, das weiß ich.“ So kann ich zum Beispiel auch kein genaues Bekehrungsdatum angeben. Es könnte meine Konfirmation gewesen sein, aber ich habe kein richtiges Datum.
Wenn du mich jetzt fragst: Lebst du mit Jesus? Dann kann ich sagen: Ja, ich lebe mit Jesus, ich gehöre zu ihm. Wenn du auf die Frage „Bist du ein Kind Gottes? Bist du wiedergeboren?“ kein sofortiges Ja findest, dann kannst du heute zu Jesus sagen: „Jetzt möchte ich endgültig zu dir gehören.“ Dann kannst du heute in Gottes Reich eintreten, heute sein Mitarbeiter werden und heute vielleicht einen Job in der Mission finden.
Ich sage dir nur: Wenn du einen Job suchst – egal, welchen – in der Mission, dann lass es ohne Bekehrung und ohne Wiedergeburt sein. Da machst du nur dich und andere unglücklich. Aber wenn du ein bekehrter, wiedergeborener Mensch bist, dann mach die Augen auf und such dir was.
Nikodemus war sozusagen schon mit einem Bein im Reich Gottes drin. Doch im letzten Moment kratzt er mit seiner Frage „Wie kann man wiedergeboren werden?“ an der Kurve. So ein Professor will es eben ganz genau wissen. Jesus ist kein Professor, er war nicht einmal Theologe, sondern Laie. Er hat nie Theologie studiert.
Jesus macht es nicht kompliziert. Bei Jesus ist alles ganz einfach. Jesus lässt sich nicht auf das flache Niveau unserer angeblich vernünftigen Argumente herunterziehen. Jesus diskutiert nicht, schon gar nicht über die Bekehrung – und erst recht nicht über das Wie der Bekehrung.
Jesus erklärt nicht umständlich, wie das möglich ist, sondern er erklärt kategorisch, dass Christsein ohne Bekehrung nicht möglich ist. Mit dieser kategorischen Erklärung will Jesus sagen: Wie das mit der Wiedergeburt ist, das kannst du nur erleben. Wenn du es nicht erlebst, kannst du es nicht verstehen. Dann hältst du es eben für einen religiösen Tick oder irgendwas Ähnliches.
Wenn du es aber erlebst, das heißt, wenn du Jesus dein Leben ganz übergibst, dann fragst du nicht mehr nach dem Wie. Wenn du noch nie verliebt warst, kann dir auch keiner beschreiben, wie das ist. Und wenn du mich fragst: „Herr Pfarrer, wie verliebt man sich?“ dann kann ich sagen: „Du Döskopf, das macht man nicht, das ist man – oder man ist es nicht. Das ist ein Geschenk.“
So kann auch Jesus dem Nikodemus seine Frage nach dem Wie nicht beantworten, wie man neu geboren wird. Er sagt nur: „Komm, liefere mir dein Leben aus, und dann merkst du es schon.“ Verstehst du, Nico? Es geht hier nicht um gescheite Argumente und kluge Fragen nach dem Wie, sondern einfach um die Frage: Bist du bereit, nicht nur über Jesus nachzudenken, sondern ihm nachzufolgen?
Wenn es um den Glauben an Jesus geht, musst du nicht alle damit zusammenhängenden Probleme und Fragen vorher schon geklärt und durchdacht haben. Das ist weder möglich noch nötig. Du kannst nicht sagen: Erst muss ich das alles ganz genau wissen, wie das funktioniert, und dann komme ich zu Jesus. Es funktioniert genau umgekehrt: Erst kommst du zu Jesus, und dann siehst du, wie es funktioniert.
Einladung zum Leben in der Sonne
Solange du dich noch hinter der Frage nach dem Wie und deinen klugen Argumenten versteckst, kommst du mir vor wie Albert, der in seinem Haus sitzt. Die Fensterläden sind zugeklappt, das Rollo heruntergezogen, die Gardine davor – und er sitzt in der dunklen Bude.
Ich hingegen sitze draußen auf der Wiese, wo die Sonne scheint, und sage: „Hey, mach mal den Fensterladen auf, öffne die Fenster, komm raus! Die Sonne scheint, es ist warm und schön, Frühling.“ Doch du sitzt in deiner Bude und sagst, dass du dir das alles gar nicht vorstellen kannst.
Luther hat einmal gesagt: Ein Christ ist ein Mensch, der aus einem dunklen Haus in die Sonne springt. Mensch, komm raus, Nico, komm raus aus der Hütte und spring Jesus in die Arme. Er erwartet dich mit offenen Armen.
Mit ihm werden wir jetzt reden.
