Einführung in den Gottesdienst und Gebet
Ja, die Sonne scheint wirklich. Das ist keine Fata Morgana, wie man hier vielleicht denken könnte. Sie scheint im übertragenen Sinne auch dann, wenn in Essen das typische Wetter herrscht. Die Sonne der Barmherzigkeit Gottes ist trotzdem da. Im Gottesdienst leben wir davon und nicht allein vom meteorologisch schönen Himmel. Über den freuen wir uns zusätzlich.
Wir wollen den Gottesdienst gemeinsam mit dem Lied 430 beginnen. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Meine Augen sehen stets auf den Herrn.
Wir wollen beten: Herr, wohin sollen wir gehen? Du allein hast Worte, die wirkliches, lohnendes Leben schaffen können. Wir schauen auf dich. Wir erwarten für diesen Gottesdienst und für diese neue Woche von dir ein Wort, das uns Kraft gibt, das uns den Weg zeigt und das uns freispricht.
Du weißt, dass jeder hierher besondere Probleme mitgebracht hat. Wir bitten dich, dass du uns allen die angemessene Antwort gibst.
Wir beten weiter in der Stille.
In mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist! Amen!
Abschluss der Psalm-Besprechung und Einführung in das Thema Ernüchterung
Wir wollen heute die Besprechung des Psalm 103 abschließen, auch wenn wir noch nicht ganz durch sind. Heute betrachten wir die Verse 14 bis 18.
Denn Gott weiß, was für ein Gebilde wir sind. Er gedenkt daran, dass wir Staub sind. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Feld. Wenn der Wind darüber geht, ist sie nicht mehr da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.
Die Gnade des Herrn aber währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind, bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote und sie danach tun.
Es gibt ja jetzt so ein Einstein-Jubiläum – er ist hundert Jahre tot oder geboren, oder was auch immer, irgendetwas ganz Bedeutendes, geboren, ja. Und was auch immer wir von ihm verstehen, ich habe festgestellt und gelesen, dass dieser Mann unendlichen Trost gespendet hat, vor allem den Schülern, die nicht ganz so erfolgreich waren in ihrer Karriere, und den dazugehörigen Eltern.
Er hat ja bekanntlich das Gymnasium nicht geschafft und ist dort irgendwann rausgeflogen. Auch sonst verlief seine Ausbildung nur mäßig erfolgreich. Für Eltern und Schüler, bei denen ähnliche Schwierigkeiten auftreten, ist er ein sehr menschliches und markantes Vorbild, das hochfliegende Träume und Pläne begründet.
Die Tragik an der Geschichte ist, dass er so hieß wie ein Stein – und nicht hundert Stein – und dass nicht jeder mäßige Anfang zum genialen Ende führte wie bei ihm. So gibt es in der Regel irgendwann die Ernüchterung. Man entdeckt, dass die Brillanz des Geistes doch nicht so ganz vorhanden ist und dass die Beurteilung des Mathematiklehrers in der Schule nicht nur Unsinn war, sondern dass es noch andere Stimmen gibt, die das bestätigen.
So wird es immer elender, enttäuschender und ernüchternder, und zum Schluss muss man halt mit den bescheideneren Realitäten irgendwie zurechtkommen. Es ist nicht genug Kraft, nicht genug Intelligenz, und wenn dann auch noch nicht genug Geld da ist, kann man vieles nicht ausgleichen.
Ernüchterung führt in der Regel bei uns zu einer gewissen Enttäuschung. Nun finden wir hier in unserem Bibeltext eine Form der Ernüchterung, die zur Ermutigung führt. Das ist etwas so Ungewöhnliches, dass ich finde, es lohnt sich, gründlich hinzuschauen.
In einem sollten wir uns klar sein: Das hat nun nichts damit zu tun, ob man glaubt oder nicht glaubt. Auf Illusionen oder Selbstbetrug sein Leben zu gründen, rechtfertigt nicht den Mut. Was man darauf baut, ist eigentlich kein Mut, sondern eher Dummheit, weil es nicht mit den Realitäten rechnet.
Insofern sollten wir kein Interesse daran haben, in irgendwelchen Illusionen geschaukelt zu werden. Wenn dazu noch kommt, dass Ernüchterung einen nicht entmutigt, sondern ermutigt, dann weist das in Richtung eines sinnvollen Lebens.
Ernüchterung als Grundlage für Mut und Gottes nüchterne Sicht auf den Menschen
Wir wollen Text und Predigt überschreiben: Ernüchterung macht Mut. Ich muss dieses Thema natürlich rechtfertigen und beginne mit der Auslegung des Wortes „Ernüchterung macht Mut“.
Zunächst lernen wir hier, dass Gott sich keine Illusionen macht. Er weiß, was für ein Gebilde wir sind. Er gedenkt daran, dass wir Staub sind. Man kann es noch weniger poetisch ausdrücken: Man kann auch sagen, dass wir Dreck sind. Und das ist eigentlich bedrückend, nicht? Jemand als den letzten Dreck zu bezeichnen, ist eine schnodderige Redewendung, die manchmal wie ein Todesurteil klingt. Das ist doch Menschenverachtung, wenn jemand sagt: „Was ist denn der Mensch für ein Gebilde? Er ist Staub.“
Das Richtige ist nicht richtig. Wer dagegen ist, der warte zwanzig Jahre nach der Beerdigung und schaue nach. Das ist Staub, sagt die Bibel. Es steckt doch ein hohes Maß an Menschenverachtung darin. Und genau das macht einem hier Schwierigkeiten an diesem Wort. Es passt doch eigentlich nicht zu allem, was man von dem geoffenbarten Gott weiß. Er ist doch kein Menschenverächter. Es passt auch nicht in den engeren Zusammenhang dieses Wortes.
Am letzten Sonntag haben wir darüber gesprochen, über diesen herrlichen Vers, der davor steht: Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten. Und dann geht es weiter: Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind. Das heißt, diese Aussage, dass Gott weiß, was für eine Konstruktion wir sind, dass wir Staub sind, dass wir Dreck sind, ist die Begründung seiner väterlichen Barmherzigkeit – aber nicht seiner Menschenverachtung.
Wie soll man das aber verstehen? Es macht auch Schwierigkeiten im weiteren Umkreis dessen, was man von Gott in der Bibel lernen kann. Er ist doch der Schöpfer dieses Geschöpfes, dieses Gebildes. Wie kann er so schlecht von uns reden?
Wenn wir hier genau in diesem Bibeltext lesen, dann werden wir sofort spüren – und ich bitte Sie, das noch einmal zu tun – Psalm 103 sorgfältig zu lesen. Man spürt: Hier ist nicht der Hauch von Menschenverachtung drin, sondern eine große Nüchternheit. Hier wird im Grunde nichts anderes gesagt als das, was im zweiten Kapitel der Bibel über die Entstehung des Menschen ausgedrückt wird: Gott machte den Menschen aus Erde vom Acker.
Da ist die gleiche materialistische Sicht des Menschen: Woraus ist der Mensch gemacht? Und dann höre ich im Geist all die Spinnereien der Weltgeschichte, wo der Mensch wohl hergenommen sei, dass er im Wesentlichen doch aus der Welt der Götter und aus der Welt des Geistes stamme. Und da steht die Bibel und sagt: Gott machte den Menschen aus Erde vom Acker. Und hier heißt es: Er ist Dreck.
Alle hochfliegenden Träume und Illusionen über den Menschen werden hier hinweggefegt. Von den ersten Blättern der Bibel an wird uns diese Nüchternheit gelehrt im Blick auf den Menschen. Die Jahrhunderte deutschen Idealismus haben in diesen Breiten der Welt die Lüge aufkommen lassen, als wäre das ein Bild der Bibel, dass man vom Menschen höher denkt als von wer weiß was für einem aufgeblasenen Geist.
Er ist Dreck, Staub, eine Handvoll Staub – so von Anfang an, aus Erde vom Acker. Ich finde es wichtig, dass wir diesem materialistischen Bild, das die Bibel zunächst vom Menschen zeigt, ein Stück standhalten.
Dann sagt die Bibel uns das, um unser Augenmerk darauf zu lenken, dass wir ganz und gar auf Gottes Geist angewiesen sind. In der Schöpfungsgeschichte heißt es, dass Gott in dieser prophetischen Bildlichkeit diesem Stück Dreck, das er gebildet hat, seinen Geist gibt und dass dadurch Menschen werden.
Hier heißt es: Die Gnade aber des Herrn währt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Nichts anderes – alles andere ist Dreck. Wir sollen nüchtern lernen zu sehen: Der Mensch ohne Gott ist Material, ist Staub.
Und es liegt keine Menschenverachtung darin, sondern die Klarheit der Liebe, die weiß, dass man niemandem damit hilft, wenn man ihn betrügt. Der Schöpfer weiß, wie lebensnotwendig es ist, dass wir kapieren, dass wir ihn brauchen zum Leben und dass wir ohne ihn Dreck sind.
Das Verhältnis zu Gott ist nicht ein zusätzliches Bedürfnis, das man befriedigen kann, wenn man es noch spürt, wie eine ausgefallene Speise oder ein Appetit. Sondern es ist das Grundbedürfnis, die Grundnotwendigkeit unseres Lebens.
Gott weiß, was wir im eigenen Interesse schnellstens begreifen müssen: Der Mensch ist Staub.
Die Herausforderung der modernen Epoche und die Bedeutung von Gottes Barmherzigkeit
Darf ich darauf hinweisen, dass die Zeit unserer Epoche vielleicht wie keine andere zuvor – obwohl ein Vergleich immer schwer ist, da man aus der eigenen Perspektive eine optische Verzerrung hat – wahrscheinlich doch wie kaum eine andere das Bewusstsein zum Massenbewusstsein gemacht hat. Dieses Bewusstsein besagt, dass wir Gott nicht brauchen, dass Gott höchst überflüssig ist für die Bewältigung des Lebens und dass er höchstens eine Zutat ist, mit der manche ihr Gemüt befriedigen. Diesen Menschen soll man es gönnen, aber zutiefst brauchen wir Gott nicht – dies ist das Produkt unserer Epoche.
Unsere Epoche, und damit meine ich die Produkte der letzten 150 bis 200 Jahre, ist eine Zeit, die Gott nicht braucht. Sinnigerweise wurde in dieser Zeit auch die Statistik erfunden. Die Statistik gibt es ja auch noch nicht so lange. Sie ist eine feine Form der Menschenverachtung. Im Grunde geht es dabei nur noch um das Material. Der Mensch wird nur noch unter dem Gesichtspunkt der Menge betrachtet. Er wird nur noch in Prozenten zur Kenntnis genommen, als Masse, als Menschenmaterial. Er kommt als Verbraucher, Soldat, Wähler oder Kostenfaktor in Betracht – jedenfalls vor allem statistisch. Das ist die unheimliche Logik, die darin liegt.
Dort, wo wir meinen, wir seien in uns selbst bedeutend und bräuchten Gott nicht, müssen wir erleben, dass wir uns unter der Hand selbst und unsere Mitmenschen zum Material entehren und uns verbrauchen. Das ist die Nüchternheit, die Gott uns zumutet. Die Ernüchterung, die Gott uns in seinem Wort schenkt, zeigt, dass er weiß, was für ein Gebilde wir sind. Er weiß, dass wir Staub sind und will uns ermutigen, neu zur Kenntnis zu nehmen, wie unbedingt und notwendig wir die Zuwendung und Barmherzigkeit Gottes brauchen, um zu leben.
Er möchte, dass wir den Mut finden, die elementaren Lebensbedingungen neu zu ordnen und wieder Fuß zu fassen in der Barmherzigkeit des Herrn vom Kreuz. Das ist das Erste. Gott macht sich keine Illusionen. Er weiß, was wir schnellstens begreifen sollten, und zwar nichts – obwohl wir dauernd Vergänglichkeit um uns herum haben, in Sterben, Leiden und Krankheit. Obwohl wir es dauernd demonstrieren, liegt uns nichts ferner als die Einsicht, dass der Menschenhaufen Dreck ist. Von den anderen denken wir das gelegentlich, aber nicht von uns selbst. Entsprechend leben wir in Illusionen, betrügen uns und machen uns kaputt.
Gott will das nicht. Gott zieht nicht tatenlos zu. Deshalb kommt diese Ernüchterung, mit der er uns einen neuen Ansatz zum Leben schaffen will.
Die Vergänglichkeit des Menschen und die Suche nach Stabilität
Zweitens: Ein Kraut gegen die Vergänglichkeit? Seien wir gewachsen dagegen? Das ist die zweite Frage. Gibt es ein Kraut gegen die Vergänglichkeit?
Das ist ein schwermütiger Text, der da kommt. Ich habe vorhin aus dem Propheten Jesaja eine verwandte Stelle gelesen, die in der Bibel gelegentlich vorkommt. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde. Im Geiste habe ich so ein expressionistisches Gedicht von Trakl vor Augen, das die schwere Schönheit des Herbstes deutlich macht: Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde. Wenn der Wind darüber geht, ist sie nicht mehr da; ihre Städte kennt sie nicht mehr.
Gibt es ein Kraut gegen die Vergänglichkeit? Nun, wir Menschen haben versucht, uns damit abzufinden, indem wir dieses Schicksal von Werden und Vergehen, von sprossendem Grün und sich bunt färbendem Herbstlaub auch ein bisschen poetisch verklären. Doch darin steckt wenig Trost. Es ist nur ein Trost für schönes Wetter, denn so lyrisch ist der Herbst und der Winter des Lebens dann wieder auch nicht. Nur von ferne, aus dem Frühling, aus dem Sommer, sieht es sich wahrscheinlich so an.
Gibt es ein Kraut gegen die Vergänglichkeit? Nun, die Leute in Israel wussten da noch mehr. Herbst ist für sie nicht so ein Begriff wie für uns, das passiert dort andersherum – im Mai. Wenn von Oktober bis April immer wieder mal Regen fällt, verwandelt sich das dürre, braun gebrannte Land. Ein zartes Grün breitet sich aus, nicht so dick, saftig oder üppig wie bei uns, aber doch ungeheuer wohltuend und ganz anders als das Leben, wie wir es gewohnt sind.
Dann kann es passieren, dass in den ersten Maitagen der Chamsin kommt. Das ist der Wüstenwind, ein unheimlicher, glutheißer Wind aus der Wüste, aus dem Osten. Es ist ein unheimliches Klima. Man sagt, dann zerbröckelt die Zahnpasta auf der Zahnbürste, das Blut stockt in den Adern, das Küchenmesser wird zum Mordinstrument, und wer Holzhacken will, spaltet Schädel. Man weiß nie genau, was passiert. Es ist eine furchtbare Situation!
In diesen Tagen dieses glutheißen Windes kann man beobachten, wie das lebensfrische Grün unter der Glut des Wüstenwindes gelb und braun wird. Danach ist das Land verbrannt – verbrannt! Das ist hier gemeint: Wenn der Winter vorübergeht, ist sie nicht mehr da. Gerade noch war die Blüte des frischen Grüns, dann kommen die paar Tage Wüstenwind, und alles ist gelb, braun, tot und trostlos. So ist es.
Und dann heißt es hier: "Und Ihre Städte kennen Sie nicht mehr." Was kämpfen wir dagegen an? Was kämpfen wir dagegen an? Da sagt uns Gottes Wort, liebe Freunde: Für Grashalme gibt es keine Gedenksteine. Das ist der Wirklichkeit unseres Lebens näher als die Wirklichkeit unserer Denkmalkultur. Ihre Städte kennen Sie nicht mehr.
Bei aller Bedeutung: Die große Todesanzeige ist eines der vorletzten Dinge, die passieren. Das ewig gelobte Gedächtnis ist ganz, ganz kurzatmig. "Ihre Städte kennt sie nicht mehr" – der Ort, wo sie gewesen sind, weiß nichts mehr von ihnen, heißt es da wörtlich. Stellen Sie sich das mal als Geburtstagsgruß vor! So wäre doch ein guter Geburtstag, zum Siebzigsten, so auf der Karte oder mündlich überbracht – wenigstens Pastoren sollten das so lesen: Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras. Er blüht, und wenn der Winter vorübergeht, ist er nicht mehr da.
Stattdessen gehen wir hin und sagen: "Liebe Oma, wünsche dir weitere kerngesunde achtzig Jahre." Jeder lacht, jeder weiß, dass es gelogen ist, aber so, aus Anlass von Festivitäten, will man ja auch nicht so direkt werden und sagen: "Jetzt sieht es schon ziemlich nach Verwelken aus."
Gott ernüchtert. Gott ernüchtert. Aber bitte vergessen Sie nicht: Um zu ermutigen – es hat keinen Sinn, sich zu belügen.
Die bleibende Gnade Gottes als Quelle der Stabilität
Wovon leben wir? Die Gnade aber des Herrn währt von Ewigkeit zu Ewigkeit, heißt es da.
Die Huld, die Verbundenheit, die gnädige Zuwendung – das ist gemeint, die von Ewigkeit her währt, die dauert, die hält.
Ich war vorgestern im Kuhstall, da waren auch noch Kühe drin. Das ist wirklich nicht mein Alltag, das werden Sie auch verstehen. Für einen Städter im Ruhrgebiet im zwanzigsten Jahrhundert ist das eigentlich ein Ereignis. So etwas passiert einem nicht oft. Es war ein richtiger Kuhstall, und der Bauer stand da. Wer schaut nicht die Kühe an? Da verstehe ich wenig von, ich wollte auch nicht das Melken üben, wollte auch keine Kuh kaufen. Bei uns würde sie wahrscheinlich bald verenden, denn der Hund ist mit dem Kanarienvogel im Wesentlichen überfordert.
Da war also ein Kuhstall, und wir schauten uns einen Teil des Baus an, weil wir ihn für irgendetwas verwenden wollten. Dann sahen wir uns die Decke an einem Teil an. Dort waren Eisenträger eingezogen, dazwischen Beton.
Der Landwirt sagte: „Das ist nicht so stabil, wie es aussieht.“ Die Eisenträger, die da drin sind, sind völlig zerfressen. Er konnte auch erklären, warum: Es war eine besondere Sorte schlechten Betons, die zugelassen war. Die Träger sind innen völlig weggefressen. Von außen sieht es nur unten und oben noch so aus, als wäre da etwas. Wenn man mit vielen Leuten draufgeht, kommt die ganze Decke runter. Das sieht nur noch stabil aus, ist es aber nicht. Die Träger, die Stabilität geben sollen, sind zerfressen.
Nun ist das Leben ja kein Kuhstall, aber Stabilität ist doch nötig zum Leben. Und da sagt uns Gottes Wort: Die Stabilität in unserem Leben kommt nicht aus selbstgemachter Wichtigtuerei, sondern allein aus der Zuwendung Gottes. Die Gnade aber des Herrn währt von Ewigkeit zu Ewigkeit, von Weltzeit zu Weltzeit, heißt es da. Sie dauert, sie hält. Vergebung schafft Stabilität.
Deshalb sollten wir den Schweiß nicht dauernd herumdrehen und immer wieder den gleichen Quatsch hören, der nicht dadurch richtig wird, dass er selbst in der Kirche dauernd wiederholt wird. Die Vergebung der Schuld und Gnade – das sind für den modernen Menschen ausgesprochene Fremdworte. Man könnte nichts damit anfangen und müsste sich ja endlich darauf einstellen.
Das kommt mir so vor, als würde man sagen: „Diese Decke ist nun leider verrostet, diese Eisenträger haben nichts mehr zu tun mit stabilen, gesunden Eisenträgern. Da muss man sich jetzt ganz auf Rostfraß einstellen.“ Das ist doch keine Hilfe!
Das ist unser Problem: Die Vergebung der Schuld ist zum Fremdwort geworden. Nicht nur die Vokabel, sondern die Sache selbst ist zum Fremdwort geworden. Deshalb ist unser Leben marode. Wir gründen unsere Stabilität auf Wichtigtuerei und Selbstrechtfertigung und lügen uns über die Runden.
Es ist keine Stabilität. Die Decke hängt so hin, dass, wenn ein bisschen Belastung draufkommt, man sieht, dass innerlich alles weggefressen ist und die Decke herunterkommt.
Vergebung der Schuld schafft unserem Leben Stabilität. Die Zuwendung Gottes – dass der Mann vom Kreuz unser Leben in seinen durchbohrten Händen hält – das gibt unserem Leben Halt. Außer diesem Halt gibt es keinen. Sonst ist alles nur verwelkendes, versenktes Gras.
Darum geht es: die Entscheidung zwischen Wichtigtuerei und Hinwendung zur Vergebung. Es ist ein Kraut gegen die Vergänglichkeit gewachsen: Die Gnade aber des Herrn währt von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Lied und die Bedeutung von Jesu Wort und Reich
Drittens singen wir zwischendurch Nummer 101 aus der Liedermap. Könnt ihr alle schnell mitsingen?
Das Lied beginnt mit den Worten: „Man musste sie begraben, die der Welt Gebote gaben, und ihr Wort hat nicht Bestand.“ Dann heißt es weiter: „Jesu Name wird bestehen, Jesu Reich nie untergehen.“ Nummer 101 steht unten.
Man musste sie begraben, die der Welt Gebote gaben, und ihr Wort tat nicht Bestand. Ihre Häuser wurden zu Trümmern, ihre Münzen gelten immer, die man in der Erde fand. Ihre Namen sind verklungen, ihre Lieder ungesungen, ihre reichen Menschen leer.
Ihre Siegel sind zerbrochen, ihre Sprachen ungesprochen, ihr Gesetz gilt längst nicht mehr. Jesu Name wird bestehen, Jesu Reich nie untergehen, und ein Buch gilt alle Zeit.
Jesus’ Wort muss alles weichen, und ihn kann kein Tod erreichen. Jesus herrscht in Ewigkeit.
Verantwortung trotz Ernüchterung und Gottes Auftrag
Ernüchterung macht Mut, denn Gott macht sich keine Illusion. Das war das Erste. Das Zweite: Seine Gnade ist ein Kraut gegen die Vergänglichkeit. Drittens: Sie stiehlt uns nicht die Verantwortung. Ja, das Leben – das verrückte Leben – besteht darin, dass der Mensch entweder von falschen Voraussetzungen ausgeht oder falsche Schlussfolgerungen zieht.
Wenn wir uns einmal durchgerungen haben zu erkennen, dass wir ein Haufen Dreck sind, wenn man uns an sich betrachtet, ohne Beziehung zu Gott, dann ziehen wir oft die Schlussfolgerung, dass sowieso alles keine Rolle spielt. Wir sind so belanglos, so nichtig, so Staub. Da ist es nicht wichtig, was ich tue. Das stehlen wir uns dann gleich aus der Verantwortung.
So leben wir, basteln gewissenlos unser kleines privates Glück und sagen: Große Linien brauche ich nicht. Ob ich so oder so lebe, spielt in dieser Welt keine Rolle, ich bin ja nur ein Stück Dreck. Wir stehlen uns aus der Verantwortung.
Doch Gott ist ganz anders. Er ernüchtert uns, um uns zu ermutigen. Denn da heißt es: Die Gnade des Herrn währt in Ewigkeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, die ihn ernst nehmen, die ihn zum Mittelpunkt ihres Lebens machen, bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, dass sie danach tun.
Gott hat mit uns Wichtiges vor. Was haben Sie vor in der nächsten Woche? Was ist wichtig? Vielleicht sagen Sie: Wichtig für mich persönlich. Aber für die Welt, für die Stadt? Ist es da nicht bedeutungslos? Sind Sie interessiert, ob Sie den Zahn gezogen kriegen oder nicht? Oder ist es für Sie wichtig, ob Sie neu tapezieren? Aber ist das wichtig im Blick auf die Welt, ob Sie grüne oder gelbe Tapeten haben, alte oder neue? Ist das alles wichtig?
So kommt man doch zu dem Gedanken, dass einem dämmert, wie belanglos man in dieser Welt ist. Und dann sagt man: Es ist ja alles nicht wichtig, was man tut. Es kommt doch gar nicht darauf an. Lassen wir es laufen, hauen wir raus, jeder nach seiner Mentalität, was wir kriegen können, was am meisten Spaß macht. Die anderen lassen die Schose gleich ganz laufen und verkommen.
Gott aber hat etwas anderes vor. Er überfordert uns nicht. Aber weil er uns seine Zuwendung schenkt, weil er uns seine Gnade zuwendet und damit Stabilität in unser Leben bringt, weist er uns an, Wichtiges zu tun. Dass wir seine Gebote bedenken und danach handeln – das will Gott.
Er setzt uns auf die Spur seines Willens. Was ist wichtig? Was ist wichtig? Wir nehmen oft als wichtig das, was ein besonders großes Echo findet. Wenn man den Eindruck hat, viele haben das zur Kenntnis genommen, dann erscheint uns das, was wir tun, sehr wichtig. Das ist aber nicht der Maßstab.
Massen haben zur Kenntnis genommen, was niemand mehr beachtet, und das bedeutet überhaupt nichts. Wichtig ist das, was nach dem Willen Gottes in unserem Leben verwirklicht wird.
Überall dort, wo wir in dieser neuen Woche einen Schritt des Gehorsams nach den Maßstäben Gottes tun, da ist in unserem vergänglichen Alltag Beständigkeit der Ewigkeit, Unzerbrechlichkeit der Weltgottes. Ewigkeit bricht da in die Zeit.
Wir haben Wichtiges vor. Hier ist keiner im Raum, mit dem Gott nicht Wichtiges vorhätte. Wir können uns wegschleichen in die Belanglosigkeit einer Welt, die sich von Gott losreißt und deshalb zum letzten Dreck wird. Aber Gott hat mit uns allen Wichtiges vor.
Deshalb möchte er uns ernüchtern, um uns das Kraut der Unvergänglichkeit zu schenken – die Zuwendung, die Vergebung, die mit Stabilität in unser Leben kommt, weil er noch Wichtiges mit uns vorhat.
Schlussgebet
Lassen wir uns auf diesen Kurs ein und wollen beten.
Herr, denen, die in falscher Selbstherrlichkeit leben, schenke die Erkenntnis ihrer Nichtigkeit. Denen, die zerschlagen und verzweifelt sind, zeige die große Perspektive, dass du Wichtiges mit uns vorhast.
Ich danke dir, Herr, dass du uns liebst. Amen.