
Ich möchte von einer Situation berichten, die aus der Gemeinde stammt, aus der ich komme. Normalerweise bin ich nicht regelmäßig dort, sondern nur etwa alle zwei Monate eingeladen.
Vor einiger Zeit kam ein Mann zu uns in die Gemeinde. Er integrierte sich sehr schnell. Offensichtlich war er Christ und gläubig. Er suchte eine Gemeinde und begann, sich zu engagieren. Bei uns ist es üblich, dass verschiedene Leute Instrumente mitbringen und die Musik sowie das Singen begleiten können. Er brachte sein Instrument mit und beteiligte sich aktiv. Außerdem nahm er an einem Männerwochenende teil.
Im Laufe der Wochen gab es jedoch immer mehr Beschwerden von Frauen, von Schwestern in der Gemeinde. Offensichtlich war seine Hauptmotivation, eine Frau zu finden. Tatsächlich sprach er gefühlt jede Frau an, die er für ledig hielt, und fragte, ob sie an einer Beziehung interessiert sei. Er war ungefähr sechzig Jahre alt und scheute sich nicht, auch 25- oder 28-jährige Frauen anzusprechen.
Die Frage ist nun: Wie reagiert man als Gemeindeleitung auf eine solche Situation? Wie reagiert die Gemeinde insgesamt? Man möchte eigentlich niemanden verletzen oder wehtun. Als Christ hat man oft das Gefühl, immer nett sein zu müssen.
Aber muss man als Christ wirklich immer nett sein? Das ist das Thema der Predigt heute: Müssen Christen immer nett sein?
Diejenigen, die öfter oder regelmäßig hier sind, wissen es: Ich habe die Angewohnheit, fortlaufend durch biblische Texte und Bücher zu predigen. Dadurch kommen manchmal Themen zur Sprache, über die selten gepredigt wird. Wahrscheinlich ist das heute auch so. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal eine Predigt über den zweiten Thessalonicherbrief, Kapitel drei, gehört haben oder ob es heute das erste Mal ist.
Wie gesagt, für diejenigen, die es nicht wissen: Ich bin ungefähr alle zwei Monate einmal hier. Anfang des Jahres habe ich begonnen, durch den zweiten Thessalonicherbrief zu predigen. Dieser Brief hat nur drei Kapitel.
Das Thema des ersten Kapitels war: Ihr werdet verfolgt, ihr erfahrt viel Ablehnung durch eure Umgebung, ihr steht unter großem Druck. Aber Gott ist für euch. Momentan sieht es so aus, als hätten diejenigen, die gegen euch sind, die Oberhand. Doch irgendwann wird deutlich werden, dass Gott auf eurer Seite ist.
Das war das Thema des ersten Kapitels.
Das Thema des zweiten Kapitels war: Es sind Menschen unterwegs, Betrüger, religiöse Betrüger, die euch in Unruhe versetzen wollen. Sie möchten euch verunsichern und in Panik versetzen. So wollen sie hinterher aus dieser Paniksituation wie Trickbetrüger einen materiellen Vorteil ziehen und euch ausbeuten.
Die Botschaft dieses Kapitels lautete: Lasst euch nicht in Panik versetzen, denn ihr seid Gott wichtig. Jesus wird euch nicht zurücklassen oder ignorieren, egal an welchem Ort der Welt ihr euch befindet. Ihr seid Gott wichtig.
Zusammengefasst: Das Thema des ersten Kapitels war, dass Gott für euch ist. Das Thema des zweiten Kapitels war, dass ihr Gott wichtig seid.
Danach fühlt sich der Brief eigentlich beendet an. Am Anfang von Kapitel drei, das wir gleich am Ende der Predigt betrachten werden, folgt dann so etwas wie der Briefschluss.
Paulus fügt dann noch einen Anhang hinzu, einen relativ langen Anhang. Er beginnt in Kapitel 3, Vers 6 und zieht sich bis zum Ende des Briefes. Diesen Anhang möchte ich heute hauptsächlich mit euch betrachten.
Er hat ein Thema, das ihm sehr am Herzen liegt. Es ist ein ganz praktisches Thema, das er in diesem Brief noch ansprechen möchte. Für diese Gemeinde ist es kein neues Thema, sondern ein altes, das schon lange im Raum steht, seit Paulus diese Menschen kennt.
Wir wissen nicht genau, wie lange Paulus schon mit ihnen in Kontakt war. Neun oder zwölf Monate zuvor kam er zum ersten Mal in diese Stadt, die damalige Hauptstadt der Provinz Mazedonien im Norden Griechenlands. Dort versuchte er, das Evangelium von Jesus zu verkünden und möglichst viele Menschen zu erreichen. Einige Menschen bekehrten sich zu Jesus, wurden Christen und gläubig.
Paulus konnte nur wenige Wochen oder Monate bleiben. Dann wurde er von den Verantwortlichen der Stadt herausgeworfen und konnte trotz mehrerer Versuche nicht zurückkehren. Diese jungen Christen mussten nun irgendwie alleine zurechtkommen, ohne ihre Missionare, ohne diejenigen, durch die sie gläubig geworden waren.
Paulus hatte große Angst, ob sie das durchstehen würden. Umso mehr freute er sich, als er Nachrichten aus Thessalonich bekam. Diese berichteten, dass die Gemeinde stabil sei, dass sie Jesus lieben und auch die Missionare weiterhin achten und den Weg mit Jesus gehen.
Schon während seines Aufenthalts in Thessalonich hatte Paulus ein Thema angesprochen. Er hatte erkannt, dass es damals ein wichtiges Thema in dieser Gesellschaft war und auch für diese Gemeinde von großer Bedeutung war. Es handelte sich um ein praktisches Alltagsthema.
Vielleicht ist es nicht unser Thema. Doch wie die Bibel sagt, wie man mit diesem Problem umgehen kann, lässt sich möglicherweise auf die Themen in unserer Gemeinde übertragen.
Wie gesagt, es ist ein altes Thema. Paulus hatte bereits mit ihnen darüber gesprochen, als er live vor Ort war, als sie gerade erst gläubig geworden waren und die Gemeinde sich bildete.
Ich lese dazu aus dem ersten Thessalonicherbrief. Falls es einen zweiten Thessalonicherbrief gibt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch ein erster existiert. Schon im ersten Brief spricht Paulus dieses Thema erneut an.
Im 1. Thessalonicher 4,11 heißt es: „Wir ermahnen euch aber, Geschwister, folgendes anzustreben: still zu sein, eure eigenen Geschäfte zu tun und mit euren eigenen Händen zu arbeiten, so wie wir euch geboten haben.“
Wann hat er ihnen das geboten? In der Vergangenheit, als er live in Thessalonich war. Paulus sagt also: Ich habe euch das schon gesagt, als ich bei euch war. Jetzt, einige Monate später, schreibe ich es euch noch einmal.
Das Ziel ist, dass ihr ehrbar lebt vor denen, die draußen sind, also vor den Menschen, die nicht zur Gemeinde gehören, und niemanden nötig habt.
Paulus wiederholt in seinem ersten Brief Aussagen, die er schon vor Ort den jungen Geschwistern gegenüber gemacht hat.
Im zweiten Thessalonicherbrief, Kapitel 3, Vers 11, heißt es: „Denn wir hören, dass einige unter euch unordentlich leben, indem sie nichts arbeiten, sondern fremde Dinge treiben. Solchen aber gebieten wir und ermahnen sie dem Herrn Jesus, dass sie in der Stille arbeitend ihren Lebensunterhalt verdienen.“
Im ersten Thessalonicherbrief hatte Paulus geschrieben, still zu sein und mit eigenen Händen zu arbeiten, um das eigene Brot zu essen. Er forderte, niemanden fremd zu brauchen.
Das bedeutet: Paulus hat ihnen schon während seines Aufenthalts etwas gesagt, dann in seinem ersten Brief wiederholt, und nun spricht er es erneut in seinem zweiten Brief an. Offensichtlich hat sich an der Situation noch nicht viel geändert.
Was war die Situation ganz kurz? Das ist etwas, das wir nicht gut kennen, weil es aus einer ganz anderen Kultur stammt. Damals im griechisch-römischen Reich gab es reiche Leute, sehr reiche Leute, und es gab sehr arme Leute. Die gesellschaftlichen Unterschiede waren viel größer, als wir das aus Deutschland im Durchschnitt gewohnt sind.
Diese reichen Leute sammelten oft arme Menschen um sich und unterstützten sie finanziell. Das verschaffte ihnen ein gutes Ansehen in der Gesellschaft. Es galt als angesehen, sich sozial zu engagieren. Doch das Ganze hatte einen Preis: Die ärmeren Leute vertraten die Interessen ihres sogenannten Patrons in der Gesellschaft. Wenn es um politische Entscheidungen ging, äußerten sie die Meinung ihres Geldgebers, ihres Unterstützers. Sie verbreiteten, wie gut und sozial dieser sei, um sein Image zu verbessern.
Im Prinzip wurden sie finanziell unterstützt, bekamen Nahrung und Kleidung. Viele mussten nicht mehr selbst arbeiten, weil sie so über die Runden kamen. Letztlich wurden viele von ihnen zu einer Art Influencer für ihren Patron, also für den, der sie finanziell unterstützte.
Paulus sah das als Problem an. Er sagte, es sei problematisch für diese Leute, in einer solchen Abhängigkeit zu leben. Es sei auch ein Problem, dass sie ständig in der Öffentlichkeit stünden, obwohl es ihnen vielleicht nicht gut tue. Das passe nicht zum Christentum. Es sei keine richtige Arbeit, die sie dort verrichteten.
Influencer zu sein, mag zwar Geld einbringen, aber es ist nicht Arbeit im Sinne dessen, wie Gott sich das vorgestellt hat. Es ist für Gott auch keine echte Arbeit, mit Pokerspielen Geld zu verdienen, auch wenn man damit zeitweise gut verdienen kann.
Diese Dinge nennt Paulus in seinem Text genau und sagt, dass sie keine Arbeit im Augen Gottes sind. Er fordert die Menschen zweimal auf, still zu sein – wörtlich heißt das, sie sollen sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Sie sollen nicht mehr öffentlich für ihren Patron auftreten, sondern sich zurückziehen und eine geregelte Arbeit aufnehmen. Das tut ihnen gut, ist gesellschaftlich angesehen und wird als normal betrachtet. Und vor allem passt es zu Christen.
In Thessalonich haben sich von Anfang an solche Leute bekehrt, die in solchen Abhängigkeitsverhältnissen lebten. Paulus sprach von Anfang an an, dass es wichtig ist, ihr Leben grundsätzlich zu ändern, wenn sie Christen sind und zur Gemeinde Gottes gehören.
Wir haben auch gesehen, dass Paulus in seinem ersten Brief, einige Monate später, das Thema erneut ansprechen musste, weil sich bei vielen nichts geändert hatte. Im zweiten Brief, noch einmal ein paar Monate später, musste er es wiederholen, weil sich offensichtlich in der Zwischenzeit nicht viel verändert hatte.
Wie geht man damit um? Darum geht es in diesem Kapitel. Was sollte die Gemeinde tun? Was hatte Paulus in der Vergangenheit gesagt? Was sagt Paulus jetzt nach ein paar Monaten?
Ich lese 2. Thessalonicher 3,7: „Denn ihr selbst wisst, wie ihr uns nachahmen sollt. Wir haben nicht unordentlich unter euch gelebt, noch haben wir von jemandem Brot umsonst gegessen, sondern wir haben mit Mühe und Beschwerde Nacht und Tag gearbeitet, um nicht jemandem von euch zur Last zu fallen.“
Nicht, dass wir nicht das Recht dazu hätten, sondern damit wir uns selbst euch zum Vorbild geben, damit ihr uns nachahmt.
Das Erste, wie Paulus und seine Missionskollegen auf diese Situation in der Gesellschaft und der Gemeinde reagiert haben, war, dass Paulus sagte: Ja, eigentlich haben wir als Missionare das Recht, von Spenden zu leben. Aber wir fanden es wichtig, euch ein Vorbild zu sein. Darum haben wir, als wir in Thessaloniki waren, darauf verzichtet, von Spenden zu leben.
Stattdessen haben wir neben unserer Missionstätigkeit und Lehrtätigkeit, bei der wir viele von euch besucht haben, gearbeitet – mit Mühe und Beschwerde, Nacht und Tag. Wir wollten ein Vorbild für euch sein, was das ganz praktische Leben als Christ betrifft.
Das war unsere erste Maßnahme, die uns etwas gekostet hat. Es war mühsam, und wir hätten es nicht tun müssen. Aber wir haben es getan, weil wir dachten, es ist für euch wichtig, geistliche und auch praktische Vorbilder im Leben zu haben.
Weiter heißt es in 2. Thessalonicher 3,10: „Denn auch als wir bei euch waren, geboten wir euch dies: Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen.“
Das ist ein bekannter Satz, der oft aus dem Zusammenhang gerissen und im Laufe der Kirchengeschichte missbraucht wurde. Was steht hier wirklich?
Zunächst betrifft es Menschen, die nicht arbeiten wollen, nicht alle, die nicht arbeiten. Manche von euch kennen die Situation von Menschen, die neu in Deutschland sind und hier gar nicht arbeiten dürfen, weil sie keine Arbeitserlaubnis haben. Diese sind nicht gemeint.
Dann gibt es Menschen, die nicht arbeiten können – aus körperlichen, altersbedingten oder psychischen Gründen. Auch sie sind nicht gemeint.
Ebenso sind Menschen gemeint, die Arbeit suchen, sich eine Arbeit wünschen, aber keine finden. Auch diese sind nicht gemeint.
Hier sind Menschen gemeint, die eigentlich arbeiten könnten, aber aus verschiedenen Gründen, vielleicht weil sie glauben, auch anders zurechtzukommen, nicht arbeiten wollen, obwohl Arbeit für sie verfügbar wäre.
Das ist der erste Punkt zu diesem Satz.
Der zweite, oder eigentlich der erste Teil dieses Satzes, ist die Aussage: „die sollen nicht essen.“ Das bedeutet nicht, dass man ihnen das Essen wegnehmen soll. Wahrscheinlich war die Situation in dieser sehr jungen Gemeinde in Thessalonich so, dass sie von Anfang an arme und reiche Menschen zum Glauben gewonnen hatten.
Sie begannen gleich am Anfang, als Gemeinde, arme Menschen finanziell beziehungsweise meist materiell zu unterstützen. Das heißt, sie unterstützten sie mit Essen und Kleidung.
Es gab vermutlich eine Art regelmäßige Tafel, zu der arme Geschwister kommen konnten. Verschiedene brachten etwas mit, und die Bedürftigen konnten dort essen.
Paulus hatte ihnen gleich zu Beginn gesagt: Leute, die nicht arbeiten wollen und nicht bereit sind, in ihrem täglichen Leben tätig zu sein, sollen nicht vom Sozialsystem der Gemeinde profitieren.
Er wollte das nicht fördern, indem er ihnen das Leben leicht macht und sie dadurch ermutigt, so weiterzuleben.
Das war seine Botschaft ganz am Anfang, als er noch bei ihnen war.
In Kapitel 3, Vers 13, finde ich einen sehr interessanten Satz im Zusammenhang, wo Paulus am Ende des Abschnitts sagt: „Ihr aber, Geschwister, werdet nicht müde, Gutes zu tun.“
Er sagt, man kann leicht entmutigt sein.
Ihr denkt euch vielleicht: Es ist so schön, dass arme Leute zum Glauben gekommen sind, und wir unterstützen sie. Aber dann stellt ihr fest, dass manche das ausnutzen. Und dann seid ihr frustriert und sagt: Dann mache ich das halt gar nicht mehr, weil es sowieso missbraucht wird.
Paulus sagt: Nein, das ist eine falsche Schlussfolgerung.
Werdet nicht müde, Gutes zu tun.
Es gibt Menschen, die das wirklich brauchen. Wie gesagt, manche können gar nicht arbeiten oder finden keine Arbeit.
Lasst euch nicht entmutigen durch diejenigen, die das missbrauchen, sondern unterstützt und fördert weiter die, die es wirklich nötig haben.
Das sind die zwei Seiten dieser Medaille.
Und darauf kommt Paulus zurück, wenn er sagt: Das habe ich euch schon vor neun Monaten gesagt, als ich noch bei euch war.
So, aber jetzt, wie gesagt, sind einige Monate vergangen, und es hat sich nichts Wesentliches geändert – zumindest bei einigen nicht. Was soll die Gemeinde jetzt tun?
Wir sind jetzt mitten in der Zeit des zweiten Thessalonischen Briefes. Beginnen wir noch einmal mit einem Satz aus dem ersten Thessalonischen Brief, Kapitel 5, Vers 14: „Wir ermahnen euch aber, Brüder, weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, nehmt euch der Schwachen an.“ Also all diejenigen, die wirklich Probleme haben, sollen unterstützt werden. Aber die Unordentlichen sollen zurechtgewiesen werden. Seid dabei geduldig mit allen. Paulus sagt: Manche von denen haben ihr Leben noch nicht in den Griff bekommen. Sie können nicht einfach einen Schalter umlegen und dann funktioniert alles. Ihr müsst also in gewisser Weise Geduld haben. Ja, ihr sollt ihr Verhalten nicht fördern, indem ihr sie materiell unterstützt. Aber habt erst einmal Geduld mit ihnen.
Weist sie zurecht, sagt ihnen, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung ist. Gebt ihnen vielleicht Tipps, wie sie ins Arbeitsleben kommen können. Zurechtweisen heißt auch immer, jemandem einen Weg zu zeigen, den er gehen kann. Aber seid dabei geduldig.
Wie gesagt, jetzt sind wir ein paar Monate später. Die Gemeinde war geduldig, und Paulus fragt: Müssen Christen immer nett sein? Nein. Irgendwann hat Geduld auch einen Zielpunkt, einen Endpunkt – auch bei solchen Themen. Man kann nicht auf Dauer nett sein. In diesem Brief erhöht Paulus den Druck ein wenig.
Er schreibt in 2. Thessalonicher 3,12 von denen, die immer noch nicht bereit sind, ein geordnetes Leben zu führen: „Solchen aber gebieten wir und drängen sie im Herrn Jesus.“ Er sagt: „Wir gebieten“ – das haben wir schon am Anfang gemacht – und jetzt fangen wir an, sie wirklich zu drängen. Also beginnen wir als Missionare von außen, den Druck zu erhöhen. Wenn ihr Christen sein wollt, müsst ihr auch in praktischen Dingen wie Christen leben.
Es geht nicht immer darum, wo ihr steht, sondern darum, in welche Richtung ihr euch bewegt. Wir drängen euch, euch in die richtige Richtung zu bewegen. Wir sind bereit, ein bisschen Druck aufzubauen. Manche empfinden das schon nicht mehr als nett, wenn Druck aufgebaut wird. Aber vielleicht müssen Christen nicht immer nett sein.
Was sollten die Geschwister tun? In 2. Thessalonicher 3,6, ganz am Anfang dieses Abschnitts, hat Paulus es schon gesagt: „Wir gebieten euch aber, Geschwister, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr euch zurückzieht von jedem Bruder, der unordentlich lebt und nicht nach der Überlieferung lebt, die er von uns empfangen hat.“
Bisher war die Maßnahme, sie nicht zu unterstützen – weder finanziell noch durch Nahrungsmittel oder Spenden, um das Nichtarbeiten auszugleichen. Aber jetzt sollt auch ihr den Druck erhöhen. Ihr sollt euch ein Stück weit von innen zurückziehen. Ihr sollt durch euer Verhalten in der Gemeinschaft deutlich machen, dass dieses Verhalten nicht dauerhaft toleriert wird und in der Gemeinde nicht gut angesehen ist.
Ihr sollt sehr deutlich zeigen, dass dieses Verhalten nicht in Ordnung ist. Die Betroffenen sollen nicht den Eindruck bekommen, alle seien nett zu ihnen, sie seien voll integriert und bei ihnen sei alles in Ordnung. Diesen Eindruck sollt ihr nicht vermitteln. Stattdessen sollt ihr eine gewisse soziale Distanz aufbauen, damit sie merken: Da ist etwas nicht in Ordnung, was die Gemeinschaft, zu der ich gehöre, nicht akzeptieren kann – weil Gott es nicht akzeptiert.
Mein Harmoniebedürfnis sagt: Puh, packe ich das? Aber das Wort Gottes sagt: Ja, wir müssen es tun, weil Gott ein Ziel damit verfolgt.
Es ist interessant, was Paulus als Nächstes dazu schreibt. In Kapitel 3, Vers 14 heißt es: „Wenn jemand unserem Wort durch den Brief nicht gehorcht“ – also wenn jemand diesen zweiten Brief hört, der in der Gemeinde vorgelesen wird, und immer noch nicht darauf reagiert –, „so schreibt ihn auf, habt keinen Umgang mit ihm, damit er beschämt wird.“
Paulus macht es sehr konkret. Er sagt: „Schreibt ihn auf.“ Wahrscheinlich gab es keine Liste, aber was er meint, ist, dass die Gemeinde, die Gemeindeleitung, ein Entschluss fassen muss. Und dieser Entschluss muss klar kommuniziert werden. Das ist, was dieses Wort meint: Kommuniziert es sehr klar in der Gemeinde. Das sind die Leute, die in praktischen Dingen nicht so leben, wie Gott es für Christen vorgesehen hat.
Kommuniziert das klar, damit diese Leute sich schämen. Das ist nicht nett, oder? In der Gemeinde kommuniziere ich Namen und sage: „Die könnten arbeiten und tun es nicht, wir möchten das nicht unterstützen, und ihr solltet euch von diesen Leuten distanzieren.“ Das Ziel ist, dass diese Leute sich schämen, weil ihr Name in diesem Zusammenhang erwähnt wird.
Warum? Weil es ein Ziel hat: Sie sollen ihr Verhalten ändern. Es ist gut für sie, gut für den Ruf der Gemeinde und gut in den Augen Gottes. Es sind Maßnahmen, die uns als harmoniebedürftige Menschen irgendwie gegen den Strich gehen. Aber Gott sagt: Wenn ihr das Ziel erreichen wollt, müsst ihr manchmal solche unangenehmen Schritte gehen – auch wenn sie für euch selbst unangenehm sind.
Dann kommt im nächsten Satz etwas Interessantes, in Vers 15: „Und achtet sie nicht als einen Feind, sondern weist sie zurecht als einen Bruder.“ Den Betroffenen soll klar kommuniziert werden: Wir müssen uns sozial ein Stück weit von euch distanzieren. Das heißt aber nicht, dass wir euch rauswerfen. Es heißt auch nicht, dass wir jetzt eure Feinde sind oder ihr unsere. Wir denken, dass es das Beste ist – für den Ruf Gottes, für den Ruf der Gemeinde und für euch. Es ist hart, es ist nicht nett, aber es ist kein anderer Weg, den wir vor Gott sehen.
Ihr gehört nach wie vor dazu. Es ist kein Gemeindeausschluss. Ihr seid unsere Geschwister, wir lieben euch nach wie vor. Wir denken nur, dass diese Härte etwas ist, was ihr gerade braucht.
Das ist wie in der Kindererziehung: Manchmal muss man konsequent sein, um Ziele zu erreichen. Modelle mit absolut antiautoritärer Erziehung sind gescheitert. Kinder brauchen Konsequenz und Grenzen. Paulus sagt, auch wenn wir es in der Gemeinde nicht mit Kindern zu tun haben, ist es an manchen Stellen nötig, konsequent zu sein und Grenzen zu setzen.
Liebe will das Beste für den anderen, nicht immer das Angenehmste. Manchmal ist das Beste nicht das Angenehmste. Das müssen wir uns als Gemeinde immer wieder vor Augen führen.
Wir müssen kommunizieren: Wir lieben dich, du gehörst dazu, die Gemeinde liebt dich. Wir verhalten uns dir gegenüber jetzt aber etwas hart, weil wir möchten, dass du wirklich über dein Verhalten nachdenkst und es dir vor Augen führst.
Dann endet dieser Brief mit dem Satz in Kapitel 3, Vers 16: „Er selbst aber, der Gott des Friedens, gebe euch den Frieden allezeit und auf alle Weise. Der Herr sei mit euch allen.“
Er sagt: Gott ist ein Gott des Friedens. Manchmal ist Frieden auf Dauer nur erhaltbar und herstellbar mit einer gewissen Konsequenz. Hier ist das Beispiel Leute, die nicht arbeiten wollen. Vielleicht haben wir andere Beispiele, bei denen Menschen in der Gemeinde so leben, wie Gott es auf Dauer nicht tolerieren kann.
Es gibt Themen, bei denen man Geduld haben kann. Es gibt aber auch Themen, bei denen Gott keine Geduld hat. Da sagt er, dass man Menschen wirklich aus der Gemeinde ausschließen soll. Aber es gibt auch Themen, bei denen wir eine gewisse Geduld haben sollen, aber trotzdem konsequent sein müssen.
Ihr könnt euch überlegen, welche Themen das für euch sind.
Er selbst aber, der Gott des Friedens, „gebe euch den Frieden allezeit und auf alle Weise, mit allem, was dafür nötig ist.“ Das ist ein Zitat aus dem ersten Thessalonischen Brief, den er mit einem ähnlichen Satz beendet hat: „Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig, dass euer Leben rein und schön vor Gott sei, und euer ganzer Geist, Seele und Leib untadelig sei, ohne Tadel, wenn unser Herr Jesus Christus kommt.“
Es ist spannend, dass er zweimal den Gott des Friedens mit Korrektur zusammenbringt. Ihr sollt untadelig sein. Auch hier im zweiten Brief sehen wir, dass eine gewisse Konsequenz und an manchen Stellen auch eine gewisse Härte nötig ist.
Gott ist ein Gott des Friedens, und Frieden geht nur mit einer gewissen Konsequenz.
So endet dieser Brief letzten Endes. Ich habe schon gesagt, Kapitel 3, Vers 6 ist fast ein Anhang. Am Ende dieser Serie über den zweiten Thessalonischen Brief möchte ich mit euch den sogenannten Briefschluss am Anfang von Kapitel 3 betrachten, wo Paulus den Brief gefühlt schon einmal beendet hat, bevor er diesen Anhang geschrieben hat.
Wie hat er seinen eigentlichen Kernbrief beendet?
In 2. Thessalonicher 3,1 heißt es: „Im Übrigen, Geschwister, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde, wie auch bei euch, und dass wir errettet werden von den schlechten und bösen Menschen, denn die Treue ist nicht aller Teil.“
Hier ist ein Missionar vollzeitlich unterwegs für das Werk des Herrn. Durch ihn sind gerade Menschen zum Glauben gekommen in einer Stadt, die vorher gar nichts vom Christentum wusste. Er ist weitergezogen, denn er musste neue Gegenden und neue Menschen erreichen.
Dann schreibt er an diese jungen Christen, die vielleicht erst ein halbes Jahr gläubig waren, und sagt: Wisst ihr, was wir uns wünschen? Wir wünschen uns, dass ihr für uns betet.
Das ist, als wenn ein Vater, wenn Arthur seinem Sohn sagt: „Du weißt, ich wünsche mir, dass du für mich betest.“ Ein reifer Christ, durch den viele gläubig werden, sagt ganz jungen Gläubigen: „Ich habe eure Gebete nötig.“ Und das ist cool.
Das ist die Haltung, die eigentlich dahintersteht, auch die Haltung, die hinter der gewissen Härte steht, die er hier einfordert. Es ist: „Ihr seid meine Kinder, aber ihr seid für mich auch ein Gegenüber, ich brauche eure Gebete.“
Was sind seine Gebetsanliegen? Das sind gute Gebetsanliegen, von denen wir vielleicht etwas lernen können.
Das erste Gebetsanliegen ist natürlich: Betet darum, dass für die Verkündigung des Wortes Gottes offene Türen da sind, dass das Wort Gottes läuft, sich ausbreitet und zum Lebensinhalt wird. Dass es verherrlicht wird, so wie auch bei euch.
Betet, dass Menschen, wie ihr durch das Wort Gottes verändert worden seid, auch an anderen Orten verändert werden. Dass das Wort Gottes verherrlicht wird und sichtbar wird, was es mit Menschen machen kann – was es mit ihrem Charakter und mit ihren Beziehungen bewirken kann.
Betet darum, dass das passiert, dass es weiter passiert in meinem Dienst hier in Korinth, wo ich gerade bin, und in den nächsten Städten, die ich besuchen werde. Ich brauche eure Gebete, denn ohne sie wird es nicht gelingen.
Das war sein erstes Gebetsanliegen.
Sein zweites Gebetsanliegen ist, dass wir errettet werden von den schlechten und bösen Menschen, denn die Treue ist nicht aller Teil. Paulus wusste, dass es feindselige Menschen gibt und dass man nicht jedem trauen kann.
Manchen Leuten kann man nicht trauen, weil sie nicht zuverlässig sind, weil sie einem etwas vorspielen. Er hatte Angst davor, den falschen Leuten zu vertrauen, und sagt, das ist mein zweites Gebetsanliegen.
Das erste Gebetsanliegen ist, dass sich das Wort Gottes durch mich und durch uns weiter ausbreitet. Das zweite Gebetsanliegen ist: Ich habe wirklich Angst, in Fallen zu laufen. Ich habe Angst, mich auf Menschen einzulassen, die mir nur schaden wollen. Betet darum, dass ich davor bewahrt werde.
Hier kann man tief in das Herz dieses Mannes blicken: was ihm wichtig war, aber auch, was ihn belastete und welche Ängste ihn quälten. Und er sagt diesen ganz jungen Geschwistern, dass sie für ihn beten sollen.
Der Herr aber lenke eure Herzen – das ist eine Mischung aus Gebet und Segen.
Der Herr lenke eure Herzen zu der Liebe Gottes und zum Ausharren des Christus.
Der Herr lenke eure Herzen zur Liebe des Christus. Einen Satz vorher, im letzten Satz des zweiten Kapitels, hat er geschrieben: „Gott tröstet eure Herzen und befestigt euch.“ Das heißt, Gott macht euch stabil bei all den Verführungen, dem Druck und den Betrügern, denen ihr ausgesetzt seid.
Der Herr möge eure Herzen stabil machen, damit ihr nicht von Ängsten getrieben werdet. Und jetzt, ein paar Sätze später, sagt er: „Und dann bewege Gott eure Herzen in eine bestimmte Richtung.“
Nicht nur, dass sie stabil sind, sondern dass sie bewegt werden, dass ihr einen neuen Blick bekommt – zu was?
Zur Liebe Gottes.
Das ist ein interessanter Ausdruck. Was heißt das?
Der Herr bewege eure Herzen zu der Liebe Gottes. Heißt das, ich wünsche mir, dass ihr im Herzen mehr erkennt, wie sehr Gott euch liebt? Oder heißt das, ich wünsche mir, dass ihr im Herzen Gott mehr liebt? Oder heißt das, ich wünsche mir, dass ihr die Dinge mehr liebt, die Gott liebt?
Wahrscheinlich heißt das alles. Und das ist alles in diesen kurzen Satz hineingepackt: Der Herr bewege eure Herzen zu der Liebe Gottes.
Johannes schreibt in seinem Brief: „Wir lieben, weil Gott uns zuerst geliebt hat.“ Und das ist das Gebet von Paulus für diese Menschen.
Ich wünsche mir, dass ihr erkennt, wie sehr Gott euch liebt, dass ihr dadurch Gott mehr liebt und auch die Dinge liebt, die Gott liebt, weil ihr die gleichen Dinge lieben wollt wie er.
Das ist ein schönes Gebet. Und das können wir füreinander beten: dass Gott uns seine Liebe vor Augen stellt, dass er uns aber auch dazu führt, ihn deswegen mehr zu lieben und die Menschen und Dinge zu lieben, die er liebt.
Und das Zweite, was hier steht, gilt genauso:
Der Herr lenke eure Herzen zum Ausharren des Christus.
Auch hier ist es so: Paulus sagt, ich wünsche mir, ich bete darum, dass ihr immer wieder vor Augen habt, was Jesus alles ausgehalten hat und was Jesus alles investiert hat.
Das soll euch motivieren, eure schwierige Situation auszuhalten.
Der Herr bewege eure Herzen zur Liebe Gottes, damit ihr seine Liebe vor Augen habt und anfangen könnt zu lieben. Der Herr bewege eure Herzen zum Ausharren des Christus, damit ihr seine Investition und sein Ausharren vor Augen habt und stark seid, eure Situation in der Beziehung zu Jesus auszuhalten.
Das war damals nicht einfach für Christen.
Ein gutes Gebet, das wir öfter beten könnten.
Ich schließe mit 2. Thessalonicher 3,3-4:
Paulus sagt in Vers 3 noch einmal etwas über Gott selbst:
„Der Herr aber ist treu.“ Er hat gerade gesagt, nicht alle Menschen sind treu, man kann nicht allen vertrauen. Aber Gott ist treu.
Er wird euch befestigen und vor dem Bösen bewahren.
Er wird euch festmachen – wir haben gerade davon gelesen in Kapitel 2, Vers 17. Er wird euch vor dem Bösen bewahren.
Er hat gerade gesagt: Betet darum, dass ich vor bösen Menschen bewahrt werde, und ich bin überzeugt, Gott wird es auch bei euch tun.
Und „bewahren“ heißt hier nicht, dass Gott alles Böse von Christen abwenden wird.
Damals haben sie viel Böses erlebt: Verfolgung, gesellschaftliche und berufliche Benachteiligung, weil sie Christen waren.
Gott hat nicht einfach eine Mauer um sie gebaut, sodass sie nichts mehr erreicht hat. Das war nicht so.
Und das ist auch nicht das, was er sagt, dass das passieren wird.
Aber er sagt: Gott wird euch bewachen. Euch wird nichts passieren, was seiner Aufmerksamkeit entgeht.
Nichts entgeht seiner Aufmerksamkeit.
Es ist gut, wenn wir das wissen. Die Thessalonicher sollten es wissen, und wir sollten es wissen.
Das ist die Botschaft des 2. Thessalonicherbriefs:
Die Botschaft des ersten Kapitels lautet: Gott ist für euch.
Die Botschaft des zweiten Kapitels: Ihr seid Gott wichtig.
Und die Botschaft des dritten Kapitels ist: Auch wenn Gott manchmal konsequent und hart ist und euch das nicht nett vorkommt, wenn vielleicht sogar die Gemeinde an manchen Stellen euch gegenüber eine gewisse Konsequenz und gefühlte Härte zeigen muss und euch das nicht gefällt, Gott ist trotzdem für euch.
Es ist nicht gegen euch. Ihr seid nicht plötzlich Gottes Feinde oder die Feinde eurer Geschwister.
Gott ist trotzdem für euch und findet es wichtig, dass solche gefühlt nicht netten, etwas härteren Erziehungsmethoden durchgeführt werden.
Nicht, weil er euch quälen will, sondern weil er ein Ziel damit hat.
Das ist die Botschaft des 2. Thessalonicherbriefs.
Mal sehen, was wir nächstes Mal machen.
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