Die Lehre der Apostel: Der zweite Korintherbrief, Vers für Vers – Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt. Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer. Heute geht es um den zweiten Korintherbrief, Kapitel 12, Verse 11 bis 21.
Paulus’ Erfahrung von Schwäche und Stärke
Paulus berichtet gerade davon, was er mit Gott erlebt hat. Dabei macht er deutlich, dass ihm all diese Erfahrungen nur eines eingebracht haben: einen Dorn im Fleisch und die Erkenntnis, dass er gerade dort stark ist, wo er schwach ist. Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark (2. Korinther 12,11).
Er sagt: „Ich bin ein Tor geworden, ihr habt mich dazu gezwungen, denn ich hätte von euch empfohlen werden sollen. Ich habe in nichts den übergroßen Aposteln nachgestanden, auch wenn ich selbst nichts bin.“ Paulus betont hier noch einmal, wie töricht es ist, mit seinen Erfahrungen zu prahlen.
Was wir auch anführen – unsere Herkunft, Bildung, die guten Beziehungen, vielleicht auch das, was wir für den Herrn gelitten und aufgegeben haben, schlimmer noch, was wir erreicht haben oder was wir mit Gott erlebt haben – all diese Dinge sollten unerwähnt bleiben. Denn sie stellen uns in den Mittelpunkt. Und genau dort gehören wir nicht hin. Dort gehört allein der Herr Jesus hin.
Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn. Wenn Paulus sich hier als Tor, als Dummkopf darstellt, dann ist das natürlich auch eine Kritik an seinen Gegnern, die genau das tun: sich als großartig darstellen. Nur nehmen diese ihre Angeberei ernst und verstehen sie nicht als Dummheit.
Paulus weiß, wer er vor Gott ist. Deshalb schreibt er hier: „Wenn ich auch nichts bin“ – nichts im Sinne von: Ich habe nichts, womit ich vor Gott punkten könnte. Alles, was ich bin und habe, kommt von Gott.
Und dann kommt die Traurigkeit zum Ausdruck: „Ich hätte von euch empfohlen werden sollen, denn ich habe in nichts den übergroßen Aposteln nachgestanden.“ Paulus hätte sich gewünscht, dass die Korinther ihn gegen persönliche Angriffe verteidigen, sich hinter ihn stellen und darauf hinweisen, dass sie selbst die Frucht seiner Arbeit sind. Ihr eigener Glaube belegt, dass Paulus natürlich ein Apostel ist – und nicht nur ein Apostel, sondern ihr Gemeindegründungsapostel, Gottes Apostel für die Heiden-Neuland-Mission.
Die Merkmale eines Apostels und ihre Bedeutung heute
2. Korinther 12,12: Die Zeichen des Apostels sind ja unter euch vollbracht worden, in allem Ausharren, in Zeichen und Wundern und Machttaten.
Was sind die Zeichen des Apostels? Woran erkennt man eine Gabe? Nun, daran, dass sie Frucht bringt. Woran erkennt man einen Apostel? Daran, dass er das Evangelium verkündet, Menschen zum Glauben kommen und neue Gemeinden gründet. Er tut dies in Ausharren und durch Zeichen, Wunder und Machttaten.
Das ist typisch für einen Apostel, der zum innersten Kreis gehörte: Einerseits die Mühen, die er auf sich nimmt, andererseits Gottes wundersame Kraft, die ihn begleitet.
Gibt es heute noch Apostel wie Paulus oder Petrus? Die Antwort lautet: Nein, denn sie haben ein Fundament gelegt. Das lesen wir in Epheser 2,20. Sie waren etwas Besonderes.
Gibt es heute noch Wunder? Klar, Gottes Geist wirkt, wie er will. Ich würde ihn nicht einschränken wollen, vor allem nicht in einem missionarischen Kontext, wo das Reich Gottes auf dämonisch-okkulte Mächte trifft.
Gibt es heute noch die Gabe des Apostels? Ich denke schon, und zwar im Sinn eines Missionars, nicht als Apostel im allerengsten Kreis, so wie Jesus ihn selbst berufen hat. Aber der Apostel als Missionar, dem Gott ein Gabenspektrum anvertraut, mit dem er neue Gemeinden gründen kann.
Paulus’ Selbstverständnis als dienender Vater
Gönnen wir uns aber noch ein bisschen Ironie.
2. Korinther 12,13: Was ist es denn, worin ihr gegenüber den übrigen Gemeinden zu kurz gekommen seid, außer dass ich selbst euch nicht zur Last gefallen bin? Verzeiht mir dieses Unrecht.
Das einzige Unrecht, das die Korinther Paulus vorwerfen könnten, besteht darin, dass er ihnen für alle Predigten und alle seelsorgerlichen Gespräche kein Geld abgenommen hat. Diese Haltung fußt im Selbstverständnis des Apostels als Vater der Gemeinde.
2. Korinther 12,14: Siehe, dieses dritte Mal stehe ich bereit, zu euch zu kommen, und werde euch nicht zur Last fallen, denn ich suche nicht das Eure, sondern euch. Denn die Kinder sollen nicht für die Eltern Schätze sammeln, sondern die Eltern für die Kinder.
Paulus betrachtet die Korinther als seine Kinder und kündigt schon an, dass er ihnen wieder nicht zur Last fallen will. Warum? Weil er sie als Personen und ihr Bestes sucht und nicht ihr Geld. So wie Kinder sich gern von den Eltern beschenken lassen, ist es auch recht, dass er sie beschenkt.
Gleichzeitig befinden wir uns mit dem Bild natürlich im Kontext einer griechisch-römischen Gesellschaft. Auch wenn Paulus nur von den Verpflichtungen der Eltern redet, so haben Kinder natürlich die Pflicht, ihre Eltern zu ehren und sie zu lieben. Wenn er sich wie ein Vater verhält, dann darf er von ihnen erwarten, mit kindlicher Liebe zurückgeliebt zu werden.
2. Korinther 12,15: Ich will aber sehr gern alles aufwenden und mich aufopfern für eure Seelen.
Wenn ich euch also noch mehr liebe, werde ich dann weniger wiedergeliebt? Was ist ein Apostel? Einer, der mit Herzblut bereit ist, für die Gemeinde alles zu geben und sich aufzuopfern. Paulus sagt: „Ich will aber sehr gern alles aufwenden und mich aufopfern für eure Seelen.“
Und genau hier liegt das Problem. Er ist bereit, aus Liebe ihnen immer weiter entgegenzukommen. Werde ich dann weniger geliebt? Die Antwort lautet leider ja. Deshalb schreibt er ihnen ja diesen Brief. Er liebt sie, aber sie lieben ihn nicht auf die gleiche herzliche Hingabewiese zurück. Sie folgen den falschen Aposteln, genau den Männern, die Paulus schlecht machen.
Verteidigung gegen falsche Vorwürfe
Zweiter Korinther 12,16
Doch es sei, ich habe euch nicht belastet. Weil ich aber schlau bin, habe ich euch mit List gefangen.
Dieser zweite Teil „Weil ich aber schlau bin, habe ich euch mit List gefangen“ scheint ein Vorwurf zu sein, der im Raum steht oder von dem Paulus denkt, dass ihn jemand erheben könnte. Natürlich ist dieser Vorwurf falsch. Paulus verteidigt sich, indem er auf das Verhalten seiner Mitarbeiter hinweist.
2. Korinther 12,17-18
Habe ich euch etwa durch einen von denen übervorteilt, die ich zu euch gesandt habe? Ich habe Titus gebeten und den Bruder mit ihm gesandt. Hat etwa Titus euch übervorteilt? Sind sie nicht in demselben Geist gewandelt, nicht in denselben Fußspuren?
Wenn seine Mitarbeiter, die in seinem Auftrag unterwegs waren, sie nicht übervorteilt und nicht ausgenutzt haben, warum unterstellen sie dann ihm List und Betrug? Das ergibt keinen Sinn. Erkennen sie nicht, dass Paulus, Titus und die anderen, die sich um die Gemeinde in Korinth mühen, dies alle in derselben Haltung und im selben Geist hingebungsvoller Liebe tun?
Sie machen noch einen weiteren Fehler: Sie denken, dass es Paulus bei seinem Besuch und in seinen Briefen darum geht, sich zu verteidigen. Weit gefehlt!
2. Korinther 12,19
Seit langem seid ihr der Meinung, dass wir uns vor euch verteidigen. Wir reden vor Gott in Christus, alles aber Geliebte zu eurer Erbauung.
Das ist sein Ziel: ihre Erbauung. Paulus verteidigt nicht seine Reputation, sondern er hat ihre geistliche Entwicklung im Blick. Er verteidigt sich auch deshalb nicht, weil die Korinther nicht seine Richter sind. Es ist vielmehr genau andersherum.
Paulus verteidigt nicht seine Stellung, sondern er klagt seine Rivalen an. Deshalb verlässt er jetzt auch die Rolle des Toren und spricht in Christus!
Sorge um die Gemeinde und die Folgen falscher Lehre
2. Korinther 12,20: Denn ich fürchte, dass ich euch bei meinem Kommen vielleicht nicht so vorfinde, wie ich es mir wünsche, und dass ich von euch so befunden werde, wie ihr es nicht wollt. Vielleicht gibt es Streit, Eifersucht, Zorn, Selbstsüchteleien, Verleumdungen, üble Nachreden, Aufgeblasenheit oder Unordnungen.
Das ist seine Sorge: dass das nächste Aufeinandertreffen unangenehm wird. Sie freuen sich auf einen fröhlichen Apostel, und er freut sich auf eine heilige Gemeinde. Doch vielleicht erleben sie das genaue Gegenteil.
Vor allem fürchtet Paulus, zu sehen, welchen Schaden falsche Apostel durch ihr falsches Verhalten in die Gemeinde gebracht haben könnten. Streit, Eifersucht, Zorn und Selbstsüchteleien sind Begriffe, die man auch in Galater 5,20 findet, wo es um die Werke des Fleisches geht. Verleumdungen, üble Nachreden, Aufgeblasenheit und Unordnungen scheinen direkte Folgen der falschen Apostel zu sein. Diese handeln genau so: Sie reden schlecht über andere Christen, stellen sich selbst in den Mittelpunkt und bringen die gemeindlichen Ordnungen durcheinander.
Einmal mehr wird deutlich, dass falsche Lehre zu einem falschen Leben führt. Falsche Vorbilder – ich denke hier an den typischen Word-of-Faith-Prediger mit seiner Luxusvilla – bewirken, dass das Fleisch sich regt und seine Bedürfnisse anmeldet. Solche falschen Vorbilder führen dazu, dass in einer Gemeinde weniger Liebe gelebt wird.
Deshalb lohnt es sich, wenn Streit oder ein Gegeneinander in die Gemeinde kommt, darüber nachzudenken, welche geistlichen Strömungen dieses Gegeneinander bewirkt haben könnten.
Die ernste Sorge um unbußfertige Geschwister
Zweiter Korinther 12,21: Dass, wenn ich wiederkomme, mein Gott mich vor euch demütigt und ich über viele trauern muss, die vorher gesündigt und nicht Buße getan haben – über die Unreinheit, Unzucht und Ausschweifung, die sie getrieben haben.
Paulus ist mit seiner Sorge noch nicht fertig. Wovor er Angst hat, ist, dass Gott ihn demütigen könnte. Das ist ein spannender Gedanke. Paulus fürchtet, dass Gott ihn demütigen könnte, weil sündigende Geschwister in der Gemeinde keine Buße getan haben.
Christen hören auf falsche Lehrer, führen ein Leben in Sünde, sexueller Unmoral und Maßlosigkeit. Trotz des kurzen Besuches von Paulus und trotz des Tränenbriefes treffen sie nicht die Entscheidung, Buße zu tun und damit aufzuhören.
Die Frage lautet: Warum demütigt Gott seinen Apostel? Die Antwort ist: Weil Gott Paulus für den Zustand der Gemeinde verantwortlich macht. Sie sind sein Werk. Für Paulus kommt also zur Trauer über unbußfertige Geschwister auch noch die Demütigung hinzu, dass er im Dienst versagt hat.
Ich verstehe gut, warum er mit Sorge auf den kommenden Besuch blickt, vor allem wenn, wie er schreibt, es „viele sind, die womöglich ihre Liebe zu Götzendiensten, Prostituierten, Extravaganz und Schamlosigkeit einfach nicht aufgeben wollen.“
Die Komplexität des Glaubenslebens und die Balance in der Seelsorge
Frage: Warum wird Paulus am Ende seines Briefes so ernst? Wie kann Paulus in demselben Brief davon ausgehen, dass er über viele trauern muss, die von grober Sünde keine Buße getan haben, während er an anderer Stelle über dieselben Briefempfänger schreibt: „Eure Freude ist meine Freude“, „Ihr seid ein Brief Christi“, „Sie sind sein großes Rühmen“, „Sie haben Sehnsucht nach und Eifer für Paulus“? Titus erinnert sich an ihren ganzen Gehorsam, und Paulus beschreibt sie als „in allem überströmend, in Glauben und Wort und Erkenntnis und allem Eifer und der Liebe“. Wie passt das zusammen?
Ich denke, die Antwort ist nicht schwer: Menschen sind einfach komplex und kompliziert. Ich kann im Leben derselben Person Gutes und Schlechtes sehen. Ich kenne treue Christen, die ein Problem mit Zorn haben. Oder Leute, die mich als Vorbild schätzen und denen es trotzdem leicht fällt, den Gottesdienst zu schwänzen. Versteht ihr, was ich sagen möchte?
Der zweite Korintherbrief ist deshalb so gegensätzlich, weil Menschen so sind. Deshalb dürfen wir vielleicht für die Seelsorge auch eines lernen: Es braucht immer Lob und Tadel. Ernster Tadel und anerkennendes Lob dürfen und müssen Hand in Hand gehen. Nur Tadeln entmutigt, und nur Loben ist gefährlich.
In der Seelsorge müssen wir darauf bedacht sein, dass wir weder das geknickte Rohr brechen noch einen sündigen Gedanken durch Schmeichelei ermutigen.
Das war's für heute. Morgen geht es mit dem zweiten Korintherbrief weiter und zu Ende. Das Skript zum Vortrag findest du auf frogwords.de oder in der App.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
