Schwierige Predigttexte und persönliche Herausforderung
Es gibt Bibeltexte, die wirklich schwer zu predigen sind. Manche Predigttexte fallen einem Prediger besonders schwer, weil sie so weit von uns entfernt erscheinen. Man muss viel erklären, um überhaupt aufzuzeigen, dass das, was in der Vergangenheit niedergeschrieben wurde, auch für uns hier und heute relevant ist.
Andere Predigttexte sind gerade deshalb schwer zu predigen, weil sie so offensichtlich unmittelbar relevant für uns sind. Sie konfrontieren uns, halten uns einen Spiegel vor und zeigen uns unsere Sünden auf. Mein heutiger Predigttext gehört in diese zweite Kategorie.
Ich möchte gleich zu Beginn der Predigt bekennen, dass mir das Schreiben dieser Predigt vor allem deshalb schwergefallen ist, weil mich diese Worte selbst von Sünde in meinem Leben überführt haben. Ich befürchte, dass diese Worte uns auch als Gemeinde gemeinschaftlich mit Bereichen konfrontieren, in denen wir Veränderung brauchen.
Bevor ich uns den Text lese, möchte ich mit uns beten. Wir wollen den Herrn bitten, uns dazu bereit zu machen, uns wirklich durch sein Wort herausfordern und verändern zu lassen.
Ich bete mit uns: Himmlischer Vater, wir wollen dir danken für dein heiliges Wort. Es trifft uns und überführt uns. Ich bete, dass du uns durch dein Wort nicht klein machst und uns nicht niedergeschlagen nach Hause gehen lässt. Vielmehr bitten wir, dass wir inmitten der Konfrontation mit Sünde gerade dich, unseren barmherzigen und gnädigen Gott, mehr lieben und mehr preisen. So wollen wir immer mehr so werden, wie du bist.
Ich bete für die unter uns, die dieses Wort vielleicht nicht trifft, weil sie durch dich schon so verändert wurden. Ich bete, dass du sie ermutigst, einfach weiterzumachen und für uns andere zu einem Vorbild zu werden.
Damit wir alle mit deiner Hilfe immer mehr so leben können, wie wir es in unserem Glauben auch bezeugen. Das bitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
Einführung in den Predigttext und Kontext
Unser Predigttext heute findet sich im Jakobusbrief. Wir sind in einer Predigtserie durch den Jakobusbrief und kommen heute zu Kapitel 2, den Versen 1 bis 13. Ich lese uns diesen Abschnitt vor.
Dort schreibt Jakobus, es heißt in Gottes heiligem und irrtumslosen Wort:
„Liebe Brüder, haltet den Glauben an Jesus Christus, unseren Herrn der Herrlichkeit, frei von allem Ansehen der Person! Denn wenn in eure Versammlung ein Mensch käme mit einem goldenen Ring und in herrlicher Kleidung, es gäbe aber auch einen Armen in unsauberer Kleidung, und ihr seht auf den, der herrlich gekleidet ist, und sprecht zu ihm: ‚Setze du dich hierher auf den guten Platz!‘ und sprecht zu dem Armen: ‚Stell dich dorthin oder setz dich unten zu meinen Füßen!‘ – ist es recht, dass ihr solche Unterschiede bei euch macht und urteilt mit bösen Gedanken? Hört zu, meine lieben Brüder: Hat nicht Gott die Armen in der Welt erwählt, die im Glauben reich sind und Erben des Reiches, das er denen verheißt, die ihn lieben? Ihr aber habt den Armen Unehre angetan. Sind es nicht die Reichen, die Gewalt gegen euch üben und euch vor Gericht ziehen? Verlästern sie nicht den guten Namen, der über euch genannt ist?
Wenn ihr aber das königliche Gesetz erfüllt nach der Schrift: ‚Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‘, so tut ihr Recht. Wenn ihr aber die Person anseht, tut ihr Sünde und werdet überführt vom Gesetz als Übertreter. Denn wenn jemand das ganze Gesetz hält und gegen ein einziges Gebot sündigt, der ist am ganzen Gesetz schuldig. Denn der, der gesagt hat: ‚Du sollst nicht ehebrechen‘, der hat auch gesagt: ‚Du sollst nicht töten.‘ Wenn du nun nicht die Ehe brichst, aber tötest, bist du ein Übertreter des Gesetzes.
Redet so und handelt so wie Leute, die durchs Gesetz der Freiheit gerichtet werden. Denn es wird ein unbarmherziges Gericht über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht.“
Ja, das sind die Worte unseres heutigen Predigttextes. Das knüpft unmittelbar an das an, wo uns der Predigttext letzte Woche hingeführt hat. Samuel Stolz hatte uns die letzten neun Verse aus Kapitel 1 gepredigt und uns gezeigt, wie Gottes Wort uns dazu aufruft, nicht nur Hörer von Gottes Wort zu sein, sondern auch Täter. Das, was wir gehört und geglaubt haben, sollte nun auch unser Leben bestimmen. Und...
Zielgruppe und Einladung zum Zuhören
Darum geht es in diesem Abschnitt. Diese Worte sind eindeutig an Christen gerichtet. Das sehen wir gleich zu Beginn. Jakobus schreibt die Menschen als liebe Brüder an, als Glaubensgeschwister. Er macht deutlich, dass er und sie gemeinsam an Jesus Christus glauben, unseren Herrn der Herrlichkeit.
Jesus Christus ist nicht nur der Herr, er ist unser gemeinsamer Herr. Es geht hier also um Christen.
Deshalb möchte ich gleich zu Beginn sagen: Wenn du heute hier bist und noch nicht sagen kannst, dass Jesus Christus ganz persönlich dein Herr ist, dann sind diese Worte zunächst nicht direkt an dich gerichtet. Dennoch hoffe ich, dass diese Predigt auch dir hilft, mehr von unserem Herrn der Herrlichkeit zu erkennen. Ich hoffe, du erkennst, warum auch du diesen Retter und Herrn brauchst.
So lade ich dich ein, einfach zuzuhören, wenn ich jetzt von Gottes Wort zu uns Christen spreche, in der Hoffnung, dass es auch zu dir spricht. Wenn du Fragen hast zu dem, was wir heute miteinander besprechen, dann komm gerne im Anschluss auf mich zu. Melde dich in der Woche bei mir, und ich rede gern mit dir darüber, was es bedeutet, ein Bruder im Glauben an den Herrn Jesus Christus zu werden, diesen Herrn der Herrlichkeit zu glauben und ihn als deinen ganz persönlichen Herrn zu kennen.
Aber wie gesagt: Dieser Text ist für uns. Er ist für uns Christen und spricht ganz direkt in unser Leben und in das Leben unserer Gemeinde hinein.
Kernbotschaft: Vorurteile vermeiden
Die Kernbotschaft ist klar und, wie ich glaube, völlig offensichtlich. Bereits in Vers 1 heißt es: Haltet den Glauben an Jesus Christus, unseren Herrn der Herrlichkeit, frei von allem Ansehen der Person.
Damit wir das nicht übersehen, wird es in Vers 9 noch einmal anders formuliert: Wenn ihr aber die Person anseht, tut ihr Sünde. Darum geht es. Wir sollen andere Menschen nicht nach ihrem Äußeren beurteilen, so wie es in dieser Welt oft geschieht, indem man sie kategorisiert.
Nein, wir sollten uns als Christen davon freihalten. Unser Urteil über Menschen sollte nicht menschlich sein. Wir sollten Menschen nicht unterschiedlich behandeln, nur weil sie äußerlich in unseren Augen mehr oder weniger wert erscheinen. Solche Vorurteile und das daraus resultierende Verhalten gefallen Gott nicht. Sie sind Sünde.
Damit wir genau verstehen, was hier gemeint ist, gibt uns Jakobus in den Versen 2 und 3 ein Beispiel, wie dieses falsche Verhalten aussehen kann. Direkt im Anschluss stellt er in Vers 4 eine rhetorische Frage.
Ich lese das noch einmal vor:
Denn wenn in eurer Versammlung ein Mann käme mit einem goldenen Ring und herrlicher Kleidung, es käme aber auch ein Armer in unsauberer Kleidung, und ihr seht auf den, der herrlich gekleidet ist, und sprecht zu ihm: „Setz dich hierher auf den guten Platz!“ und sprecht zu dem Armen: „Stell dich unten ins Foyer und setz dich zu meinen Füßen!“ – ist es recht, dass ihr solche Unterschiede bei euch macht und mit bösen Gedanken urteilt?
Ihr Lieben, das trifft uns. So etwas könnte in der FEG Münchenmitte passieren. Es könnte sein, dass auch du schon einmal so oberflächlich andere beurteilt und dementsprechend behandelt hast.
Mich treffen diese Worte, weil sie mir gezeigt haben, dass ich nicht frei bin von Vorurteilen. Und ich befürchte, das trifft auf uns als Gemeinde zu. Wir sind schnell beeindruckt von Äußerlichkeiten und behandeln Menschen dann unterschiedlich.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere daran, wie hier einst ein großer Fußballstar im Abendgottesdienst auftauchte. Er musste sich keine Sorgen machen, dass sich Menschen um ihn scharen. Aber so mancher, der vielleicht einen ganz anderen Hintergrund hat, kann reingehen und wieder rausgehen, ohne gesehen oder angesprochen zu werden.
Deshalb möchte ich uns ermutigen, uns durch Gottes Wort wirklich verändern zu lassen.
Vier Gründe, Vorurteile zu vermeiden
Jakobus ruft uns nicht einfach nur dazu auf, etwas sein zu lassen oder anders zu handeln. Er nennt uns vielmehr vier sehr gute Gründe, warum wir Vorurteile vermeiden sollten.
Diese vier Punkte bilden den Kern der Predigt: Vermeide Vorurteile, weil sie im Widerspruch stehen – und ich habe diese Widersprüche immer mit G bezeichnet – zum Glauben an Jesus Christus.
Erstens stehen Vorurteile im Widerspruch zur Gnade Gottes, die wir erfahren haben.
Zweitens widersprechen sie dem Gebot der Nächstenliebe.
Drittens stehen sie im Widerspruch zum Gesetz der Freiheit.
Und viertens widersprechen sie der Art und Weise, wie Gott zum Gericht richtet.
Ich möchte diese vier Punkte mit uns genauer betrachten. Möge der Herr uns schenken, dass uns sein Wort nicht nur trifft und überführt, sondern uns wirklich verändert – zum Wohle der Menschen und zur Ehre Gottes.
1. Vorurteile widersprechen dem Glauben an Jesus Christus
Die erste Begründung, warum wir Vorurteile vermeiden sollen, finden wir gleich im ersten Vers: Liebe Brüder, haltet den Glauben an Jesus Christus, unseren Herrn der Herrlichkeit, frei von allem Ansehen der Person.
Wir sollten solche Vorurteile also gerade deshalb vermeiden, weil wir glauben, weil wir an Jesus Christus glauben und ihn, unseren Herrn der Herrlichkeit, kennen. Wenn wir seine Herrlichkeit kennen und auf ihn vertrauen, dann sollten uns die herrlichen Kleidungen und goldenen Ringe von Menschen nicht mehr beeindrucken.
Denn wir wissen, dass die wirkliche Herrlichkeit, die Herrlichkeit des Herrn, gerade nicht auf Äußerlichkeiten beruht. Jesus kam nicht mit einem goldenen Ring oder herrlichen Kleidern.
Aber was sagt Jesaja über Jesus? Er hatte keine Gestalt und Hoheit; wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Gesicht vor ihm verbarg. Darum haben wir ihn für nichts geachtet.
So kam Jesus. Wie wäre er in dieser Gemeinde begrüßt worden? Dabei kam Jesus so, gerade zu seinem Besten. Gerade aufgrund seiner großen Liebe für uns wurde er arm.
Er verließ die überaus große, einzigartige Herrlichkeit, die er vor aller Zeit bei Gott dem Vater hatte. Er wurde arm, erniedrigte sich und wurde in ärmlichste Umstände hineingeboren. Und er erniedrigte sich weiter.
Er ließ sich verachten und verspotten, er ließ sich schlagen. Am Ende wurde ihm alles genommen, was er hatte – selbst seine letzte Kleidung wurde ihm genommen – und dann sein Leben.
Dafür kam er. Er kam, um sich aufzuopfern, sich zu erniedrigen, alles zu geben und so ärmlich zu werden, damit unsere Schuld auf ihn gelegt werden konnte. Und damit er uns durch sein Leid vom größten Leid retten konnte, das allen Sündern bevorsteht.
Ihr Lieben, das ist doch unser Glaube, das ist doch unsere Zuversicht. Wir haben Jesus als den Christus erkannt, als den Gesalbten Gottes. Wir haben seine Herrlichkeit erkennen dürfen, weil der Herr unsere Herzen geöffnet hat, die Augen unseres Herzens für diese Herrlichkeit geöffnet hat, die eben nicht oberflächlich wahrzunehmen ist.
Wollen wir dann eine Gemeinde sein, die sich von Äußerlichkeiten beeindrucken lässt? Oder wollen wir die Gemeinde des Herrn sein, die ihn und seine Herrlichkeit rühmt?
Ganz ehrlich: Wenn wir Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, klar im Blick haben, dann verblasst doch alles andere. Unser Glaube an Jesus Christus, unseren Herrn der Herrlichkeit, sollte uns davor bewahren, basierend auf reinen Äußerlichkeiten vorschnelle Urteile über Menschen zu treffen.
Das ist der erste Punkt.
2. Vorurteile widersprechen der Gnade Gottes
Der zweite Grund findet sich in den Versen fünf bis sieben. Ich lese uns diese Verse noch einmal vor:
Hört zu, meine lieben Brüder: Hat nicht Gott die Armen in der Welt erwählt, die im Glauben reich sind und Erben des Reiches, das er verheißen hat denen, die ihn lieben? Ihr aber habt dem Armen Unehre angetan. Sind es nicht die Reichen, die Gewalt gegen euch ausüben und euch vor Gericht ziehen? Verlästern sie nicht den guten Namen, der über euch genannt wird?
Jakobus erinnert uns hier daran, dass vorschnelle Vorurteile im Widerspruch zur erfahrenen Gnade Gottes stehen. Denn Gott hat in seiner Gnade Menschen nicht aufgrund von Äußerlichkeiten gerettet. Wenn Gott uns so ansehen würde, wie wir oft andere Menschen betrachten, dann wären wir verloren, oder?
Tatsächlich macht Gott das ganz anders. Er rettet immer wieder gerade solche Menschen, die uns rein menschlich betrachtet besonders weit von Gott entfernt erscheinen. Anstatt vor allem zu den frommen Pharisäern zu gehen, wandte er sich zu den Sündern und Zöllnern. Und das tut er bis heute noch durch seinen Geist: Er rettet Menschen, von denen wir denken, sie seien weit weg von Gott.
Diese Menschen kommen oft nicht angemessen gekleidet, wenn sie überhaupt kommen. Vielleicht riechen sie sogar unangenehm. Solche Menschen passen doch eigentlich gar nicht in die Gemeinde. Aber wenn jemand schick gekleidet ist, gut riecht und einen guten Eindruck macht, dann wird er eher angenommen. Und das hat ja alles gute Gründe, nicht wahr?
Stellt euch mal vor, unser Oberbürgermeister oder unser Ministerpräsident käme hier in die Gemeinde. Wie viel Gutes könnte geschehen, wenn er sich bekehrt! Oder stellt euch vor, wir hätten regelmäßig ein paar Bayernprofis im Gottesdienst. Welche evangelistische Zugkraft könnte das entwickeln? So denken wir manchmal, und dann handeln wir entsprechend. Jede Ungleichbehandlung wird dabei irgendwie sogar noch fromm gerechtfertigt.
Aber wenn Jesus so gedacht hätte, dann hätte er seine Zeit mit Herodes und Pilatus verbracht und nicht mit Fischern, Witwen und Weisen, mit denen er seine Zeit vergeudet hat. Gottes Wort zeigt uns, dass es ganz anders ist. Gott ist ein Meister darin, immer wieder gerade Menschen zu retten, die wir für nichts achten, um mit ihnen Dinge zu tun, die wir nicht für möglich halten würden.
Wer von uns wäre schon auf die verrückte Idee gekommen, ein paar Fischer herauszuholen und zu sagen: Mit euch will ich ein Reich bauen? So ist unser Gott. Er wählt eben nicht nach den äußeren Maßstäben, die wir oft haben.
Paulus greift denselben Gedanken im ersten Korintherbrief ab Kapitel 1, Vers 26 auf. Ich möchte uns diese Verse vorlesen:
Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung! Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen, sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zu Schanden mache. Und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zu Schanden mache, was stark ist. Und das Geringe vor der Welt, das Verachtete, hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme.
Preist den Herrn für seine Gnade! Preist den Herrn dafür, dass er geistlich Ärmliche, so wie uns alle, Schwache und ja, geistlich Tote erwählt, erweckt und zum Glauben gerufen hat! Preist die Gnade unseres Gottes!
Und ihn wollen wir rühmen, indem wir nun auch so handeln, andere Menschen so behandeln und über sie so denken, wie er es getan hat. Denn er war nicht beeindruckt von den Reichen und Mächtigen, von ihrem Reichtum und ihrer Macht. Was ist das denn auch schon im Vergleich zu dem Reichtum, den wir durch den Glauben an Christus Jesus haben?
Was ist schon das Erbe selbst der reichsten Kinder dieser Welt im Vergleich zu dem Erbe, das alle erwartet, die Jesus Christus, ihren Herrn der Herrlichkeit, eines Tages kennen werden?
Ihr Lieben, Gottes Gnade ist frei vom Ansehen der Person. Er rettet, wen er will. Viele, die in der Welt übersehen werden, finden seine besondere Beachtung. Und Gott sei Dank ist sein Ansehen der Person so frei, dass er sogar manchmal die rettet, die relativ reich und gut situiert sind – wie viele unter uns.
Preist den Herrn für seine Gnade! Und im Wissen um diese unverdiente Gnade, durch die wir den Reichtum empfangen haben, der wirklich zählt, sollten wir jede Form von Vorurteilen vermeiden. Das ist der zweite Punkt.
3. Vorurteile widersprechen dem Gebot der Nächstenliebe
Der dritte Punkt findet sich in den Versen 8 bis 11. Hier zeigt uns Jakobus, dass wir Christen Vorurteile vermeiden sollten, weil sie im Widerspruch zum Gebot der Nächstenliebe stehen. Ich lese diese Verse noch einmal vor:
„Wenn ihr das königliche Gesetz erfüllt nach der Schrift: ›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‹, so tut ihr recht. Wenn ihr aber die Person anseht, tut ihr Sünde und werdet überführt vom Gesetz als Übertreter. Denn wenn jemand das ganze Gesetz hält und gegen ein einziges Gebot sündigt, der ist am ganzen Gesetz schuldig. Denn der gesagt hat: ›Du sollst nicht ehebrechen‹, der hat auch gesagt: ›Du sollst nicht töten‹. Wenn du nun nicht die Ehe brichst, aber tötest, bist du ein Übertreter des Gesetzes.“
Der Ausdruck „königliches Gesetz“ ist sicherlich eine Formulierung, die darauf hinweist, dass unser König, unser Herr Jesus Christus, uns ein neues Gebot gegeben hat. Dieses Gebot ist wirklich die Zusammenfassung aller Gebote, das Doppelgebot der Liebe. Wir sollen Gott lieben mit allem, was wir haben und sind, und wir sollen unseren Nächsten lieben wie uns selbst.
Jesus hat dieses Gebot nicht nur gegeben, es ist nicht nur sein königliches Gebot, sondern er hat es uns vorgelebt. Er hat die Menschen geliebt, er kam zu uns voller Barmherzigkeit und Liebe. Als Menschen, die das erfahren haben und erlebt haben, wie er uns so nahe gekommen ist, sollten auch wir Menschen sein, die ihrem Nächsten, egal wie er aussieht oder wer er ist, nahekommen. Auch wir sollten unseren Nächsten lieben.
Wenn wir bestimmte Menschen aufgrund von Äußerlichkeiten geringer achten, dann verstoßen wir gegen dieses Gebot unseres Herrn. Jakobus lässt hier keinen Zweifel zu. Er sagt, wir tun Sünde, wenn wir so handeln. Wir tun Sünde und werden vom Gesetz als Übertreter überführt. Er macht deutlich, dass das allein ausreichen würde, um uns für ewig zu verdammen. Das sind harte Worte, die er hier gebraucht, aber er sagt: Ein Gebot gebrochen heißt, das ganze Gesetz ist dahin.
Es ist wie ein Stein, den man durch eine Scheibe wirft. Auch wenn der Stein nur ganz klein ist und die Scheibe nur an einer bestimmten Stelle zerstört wird, die Scheibe ist gebrochen. Ein Gebot gebrochen heißt, wir sind vor Gott schuldig.
In Vers 11 bringt er dann eine etwas seltsame Formulierung. Er spricht plötzlich von Ehebruch und Töten. Vielleicht kommt euch das etwas merkwürdig vor. Gerade haben wir nur über Nächstenliebe und dieses göttliche Gebot gesprochen, und jetzt kommt er mit dieser Nummer. Das klingt ja nach einer ganz anderen Kategorie von Sünde. Einmal jemanden weniger wertzuschätzen und ihm einen schlechteren Platz in der Gemeinde zuzuweisen, ist doch etwas ganz anderes, als Ehebruch zu begehen oder zu töten, oder?
Nein, ist es nicht. Denn Gottes Wort sagt uns, dass das Gebot der Nächstenliebe das königliche Gebot ist, die Zusammenfassung aller anderen Gebote. Tatsächlich ist der Mangel an Nächstenliebe, der sich in dieser Geringachtung anderer Menschen zeigt, nur der erste Schritt in eine Richtung, die dann zu Ehebruch und Töten führen kann.
Das gehört alles in eine große Box. Wir haben angefangen, das Gesetz zu brechen. Wir haben gezeigt, dass uns Gottes gute Gebote nicht wichtig sind, wenn wir unseren Nächsten nicht lieben wie uns selbst.
Wir leben als Menschen, die um die Nächstenliebe unseres Gottes wissen und sie erfahren haben. Deshalb sollten wir diese Liebe weitergeben. Das bedeutet, dass wir alle Vorurteile vermeiden. Wir dürfen andere nicht gering schätzen oder schlecht behandeln, nur weil sie weniger haben oder anders sind als andere.
4. Vorurteile widersprechen dem Gesetz der Freiheit und Barmherzigkeit
Und dann kommen wir zum vierten und letzten Grund, den Jakobus uns nennt. In den Versen 12 bis 13 zeigt er uns, dass wir Vorurteile vermeiden sollen. Weil wir das Gesetz der Freiheit kennen und wissen, wie Gott uns Christen richtet, sollen wir so reden und handeln wie Menschen, die durch das Gesetz der Freiheit gerichtet werden.
Denn es wird ein unbarmherziges Gericht über denjenigen ergehen, der nicht Barmherzigkeit gezeigt hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht.
Wir haben bereits bedacht, dass wir so reden und leben sollen wie unser Herr. Dass wir unseren Nächsten lieben sollen, wie unser Herr es getan hat, und dass wir die Gnade, die wir empfangen haben, weitergeben sollen. Nun wissen wir aber, wenn wir ehrlich sind, dass keiner von uns das perfekt lebt. Wir alle verstoßen gegen Gottes gute Gebote.
Wenn wir jetzt einfach nach dem Gesetz gerichtet würden, dann wären wir verloren. Aber wir haben Gottes Barmherzigkeit und Liebe empfangen. Wir sind allein gerettet aufgrund seiner großen Gnade, allein durch den Glauben an Jesus Christus. So können wir Sünder vor dem heiligen Gott bestehen.
Wir sind gerechtfertigt, das Gesetz richtet uns nicht mehr. Wir sind begnadigt, wir leben unter dem Gesetz der Freiheit. Wir sind freigesprochen und haben das Gesetz jetzt als freie Menschen. So war Gottes Gesetz überhaupt immer schon gedacht: als ein Gesetz für sein Volk, ein Gesetz, das seinem Volk den Weg zu einem wirklich erfüllten und gesegneten Leben zeigen soll. Er hat sein Volk erst gerechtfertigt, erlöst und dann ihm das Gesetz gegeben.
Nach diesem Gesetz der Freiheit sollten wir nun leben. Unser Glaube an Jesus zeigt sich darin, dass wir wirklich auch so leben. Wir sagen: Ich habe verstanden, dass ich nicht aufgrund meiner Werke vor Gott bestehen muss, denn dann wäre ich ohnehin verloren. Ich habe Gnade verstanden, ich habe dieses Gesetz der Freiheit verstanden. Nach diesem Gesetz, nach dem ich gerichtet werde, will ich nun auch andere richten.
In Barmherzigkeit will ich mit Menschen umgehen, in Liebe. Das sollte unser Reden und Handeln prägen, von dem hier in Vers 12 die Rede ist. Wir sollten Menschen anders behandeln als die Welt es tut.
Die Worte und Handlungen der Welt sind nicht geprägt von Barmherzigkeit. Ich glaube, das wissen wir alle. Wir alle wissen, dass diese Welt alles ist, nur nicht barmherzig. In dieser Welt werden die Reichen, die Mächtigen und die Schönen hofiert. Sie bekommen eine Sonderbehandlung.
Andererseits werden die Armen, die Ausländer, die Ungebildeten, die Behinderten, die vielleicht schon sehr Alten, die nicht mehr mithalten können, vielleicht auch die Mütter mit vielen Kindern, lieber an den Rand gedrängt. Sie sind laut, sie stören, sie sind zu langsam, sie können nicht leisten. Zu ihnen redet man lieblos, sie werden nicht entgegenkommend behandelt.
Ihr Lieben, so ist unsere Welt. Aber so sollten wir doch nicht sein. Wir sollten eine Kontrastgesellschaft sein. Uns sollte das nicht prägen. Das darf bei uns keinen Platz haben. Lasst uns die Welt hier nicht hineinholen. Lasst uns anders leben.
Dazu fordert uns Jakobus heraus.
Abschlussfragen und Ermutigung zur Veränderung
Also möchte ich uns zum Abschluss diese Frage stellen: Reden und handeln wir so wie diese Welt, oder reden und handeln wir so wie unser Herr Jesus?
Lasst uns einen Moment darüber nachdenken. Ich möchte das bewusst als Gemeinschaft ansprechen, als Gemeinde. Kann die Welt an unserem Miteinander erkennen, dass das, was uns verbindet, der Herr Jesus Christus ist, unser Herr der Herrlichkeit?
Die Welt sollte darüber staunen, wie herzlich und barmherzig wir miteinander umgehen – gerade dort, wo wir nach weltlichen Gesichtspunkten nichts miteinander zu tun haben sollten. Dass wir Rücksicht nehmen, zwischen Jung und Alt, zwischen Arm und Reich. Dass wir einander unterstützen und helfen mit allem, was Gott uns gegeben hat. Die Welt muss über die Liebe staunen, die wir füreinander haben.
Als ich damals darüber nachdachte, wurde ich zum einen sehr dankbar, weil mir sofort Beispiele einfielen, wo wir wirklich anders leben als diese Welt. Wo sich Geschwister liebevoll, mit viel Zeit und auch mit Geld investieren. Gut situierte, gut gebildete Geschwister engagieren sich, um anderen aus ganz anderen Gesellschaftsschichten oder vielleicht Flüchtlingen zur Seite zu stehen.
Ich wurde dankbar dafür, dass wir eine Liebe haben für die Ausgegrenzten und Benachteiligten. Wenn ich sehe, wie einige Frauen ins Rotlichtviertel gehen, um diesen Frauen ganz praktisch Gutes zu tun und ihnen die frohe Botschaft von Jesus Christus zu bringen.
Ich wurde dankbar, als ich darüber nachdachte, wie manche Singles in der Gemeinde Senioren unterstützen, wie manche Familien sich um Alleinstehende kümmern. Ich sehe, dass der Geist Gottes in dieser Gemeinde wirkt.
Aber ich sehe auch Bereiche, in denen wir noch Veränderung brauchen. Ich sehe immer wieder, dass man sich doch eher zu denen hält, die so sind, wie man selbst ist. Wir teilen uns ganz schnell auf nach Altersgruppen, nach sozioökonomischem Hintergrund, nach Bildungshintergrund.
Wir gehen auf die zu, die so sind wie wir, und die, die ganz anders sind – die nicht cool sind, die nicht besonders schön sind, die nichts darstellen – auch um die sollen sich die anderen kümmern.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir brauchen Veränderung. Ich weiß, ich brauche Veränderung. Dieses Wort trifft und überführt mich. Aber ich habe für mich persönlich und für uns als Gemeinde die tiefe Sehnsucht, dass wir dieser Welt immer unähnlicher werden und unserem Herrn Jesus Christus, unserem Herrn der Herrlichkeit, immer ähnlicher.
So soll in dieser Gemeinde oberflächliches Beurteilen und Vorurteile keinen Raum mehr haben.
Ermutigung durch die Barmherzigkeit Gottes
Nur nachdem ich diesen Text so überarbeitet hatte, kam ich zu den letzten Worten. Diese Worte waren für mich persönlich ungemein tröstlich, und ich hoffe, sie sind es auch für dich.
Habt ihr gehört, wie Jakobus endet? „Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht.“ Dieses Wort lag schwer auf mir und drückte mich nieder, weil es mir meine Schuld zeigte. Doch dann spricht Jakobus am Ende von Barmherzigkeit, die triumphiert. Ich weiß: Mir ist vergeben in all meinem Versagen, weil mein Herr Jesus meine Schuld auf sich genommen hat.
Ich setze meinen Glauben auf ihn, denn er ist mein Retter, den ich so dringend brauche. Ich verlasse mich nicht auf irgendetwas, was ich zu bieten habe, denn da habe ich nichts. Ich verlasse mich auf seine freie Gnade. Ich weiß, dass er mich in seiner großen Barmherzigkeit und Liebe angenommen hat und mir Leben eingehaucht hat, als ich geistlich tot war.
Das Wissen um seine große Gnade und seine wunderbare Barmherzigkeit sollte uns doch nun auch verändern, uns prägen und Einfluss darauf haben, wie wir denken, reden und handeln. Dafür möchte ich beten:
Himmlischer Vater, danke, dass du ein Gott der Gnade bist. Dein Wort trifft und überführt, aber es zerstört nicht. Du machst uns nicht nieder, sondern zeigst uns, wo wir Veränderung brauchen. Du gibst uns die Kraft, um verändert zu werden.
Durch deinen Heiligen Geist, durch diese Kraft aus der Höhe, erfüllst du uns. Ich bete, Herr, dass du uns neu erfüllst. Wir haben deinen Geist schon in uns, aber wir geben ihm oft nicht den Raum. Nimm mehr Raum in unseren Herzen ein, damit unser Reden und Handeln immer mehr dem entspricht, was wir bei dir sehen und erleben durften.
Hilf uns, immer mehr eine Gemeinschaft von Menschen zu werden, die geprägt sind von herzlicher Liebe und Barmherzigkeit. Dass wir nicht die Personen nach den Äußerlichkeiten dieser Welt ansehen, sondern sie mit deinen Augen sehen und sie in deiner Art und Weise behandeln.
O Herr, tu das, damit wir immer mehr eine Gemeinde werden, die etwas darstellt zum Lobpreis deiner herrlichen Gnade und zum Wohle der Menschen, mit denen wir in Kontakt kommen.
Das beten wir durch unseren Herrn Jesus Christus, unseren Herrn der Herrlichkeit. Amen.