Einführung in die Bedeutung von Gebeten als Lieder
Gebete als Lieder – Fünf besondere Psalmen
Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag. Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um Psalm 90, die Verse 11 und 12.
Wir schauen uns diese Woche Gebete an, die zu Liedern wurden und im Buch der Psalmen, also in der Mitte der Bibel, zu finden sind. Es sollte uns klar sein, dass es kein tiefes geistliches Leben ohne ein reifes Gebetsleben geben kann. Deshalb lohnt es sich, einen interessierten Blick auf die Gebete zu werfen, die wir in der Bibel finden.
Heute gehen wir ganz weit zurück und studieren einen Psalm, den Mose geschrieben hat: Psalm 90. Auch dieser Psalm ist ein Gebet. Psalm 90, Vers 1: „Ein Gebet von Mose, dem Mann Gottes.“
Mir geht es in dieser Woche darum, uns auf Dinge hinzuweisen, die unser eigenes Gebetsleben bereichern können und die man in unserer Zeit vielleicht schon mal übersieht.
Rückblick auf vorherige Psalmen und Gebetsinhalte
Aus Psalm 86, Vers 11 haben wir gelernt, wie wichtig es ist, Gott mitten in der Not darum zu bitten, dass er uns seinen Weg weist. Dabei geht es nicht darum, dass er uns die Angst nimmt, sondern darum, dass wir ihn mehr fürchten als die Umstände.
Gestern haben wir in Psalm 17 gelesen, wie David im Gebet seine Aufrichtigkeit, seine Integrität und seine Heiligkeit betont. Das erinnert uns an 1. Timotheus 2,8, wo Paulus Männer – gläubige Männer – dazu auffordert, an jedem Ort zu beten, indem sie heilige Hände aufheben.
Es ist wichtig, dass wir als Gerechte Gott gegenübertreten. Heute wollen wir uns mit einem Aspekt Gottes beschäftigen, von dem man aktuell nicht mehr so viel hört: seinem Zorn.
Aber fangen wir mit Psalm 90 ganz vorne an.
Die Anbetung Gottes in Psalm 90: Ewigkeit und Schöpferkraft
Der Psalm beginnt, wie übrigens auch das Vaterunser, mit Anbetung.
Psalm 90,1-6 ist ein Gebet von Mose, dem Mann Gottes. Dort heißt es: „Du bist unsere Wohnung gewesen von Generation zu Generation. Ehe die Berge geboren waren und du die Erde und die Welt erschaffen hattest, von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du Gott. Du lässt den Menschen zum Staub zurückkehren und sprichst: Kehrt zurück, ihr Menschenkinder! Denn tausend Jahre sind in deinen Augen wie der gestrige Tag, wenn er vergangen ist, und wie eine Wache in der Nacht. Du schwemmst sie hinweg, sie sind wie ein Schlaf, sie sind am Morgen wie Gras, das aufsprosst, am Morgen blüht es und sprosst auf, am Abend welkt es und verdorrt.“
Das ist Anbetung pur. Mose feiert die Ewigkeit Gottes, die Nähe zu seinem Volk, seine Schöpferkraft und seine Souveränität – gerade wenn es um Dinge wie den Todestag eines Menschen oder Zeit an sich geht. Gott ist der ganz andere. Das ist Mose bewusst, und das weiß er im Gebet zu formulieren.
Er macht es richtig gut und kann uns darin ein tolles Vorbild sein. Anbetung darf frisch, tief und poetisch sein. Aber darum geht es mir heute nicht, denn Mose fährt so fort:
Gottes Zorn als Thema im Gebet
Psalm 90,7: „Denn wir vergehen durch deinen Zorn, und durch deinen Grimm werden wir erschreckt.“ Zorn und Grimm – das sind nicht gerade Themen, die wir heute gerne ansprechen. Wahrscheinlich finden sie in unseren Gebeten noch weniger Platz. Doch Mose tut es. Er kennt einen Gott, für den tausend Jahre wie ein Tag sind. Ein Gott, der die Lebenszeit der Menschen in seiner Hand hält und dessen Ewigkeit ihn über die ganze Schöpfung erhebt.
Ihm nahen zu dürfen, ist so, als würde eine Mücke es mit einem Hochofen aufnehmen wollen. Im Angesicht seiner Majestät und Göttlichkeit muss mir ein Schauer über den Rücken laufen, wenn ich ihm als Geschöpf nahekomme. Hier ist der, der mich kennt, der mich erdacht hat und der mich ins Dasein gesprochen hat.
Gerade im Gebet darf ich mir der Tatsache bewusst werden, was ich bin: ein Geschöpf. Und ich darf erkennen, mit welcher Erwartung mein Schöpfer mir begegnet. Ein heiliger Gott darf von mir erwarten, dass ich heilig lebe. Warum? Weil er mich zu seiner Ehre geschaffen hat und weil bei ihm Zorn und Grimm gegen alles Böse wohnen.
Die Offenbarung der menschlichen Schuld vor Gott
Psalm 90,8: Du hast unsere Ungerechtigkeiten vor dich gestellt, unser verborgenes Tun vor das Licht deines Angesichts.
Es ist gut, dies im Gebet immer wieder zu bedenken. Besonders dann, wenn wir nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Gemeinden oder unser Volk beten.
Was im Verborgenen geschieht, sieht Gott. Er ist bereits in diesem Leben bereit, uns zu vergelten.
Die Vergänglichkeit des Menschen und Gottes Zorn
Denn alle unsere Tage schwinden durch deinen Grimm. Wir bringen unsere Jahre zu wie einen Seufzer. Die Tage unserer Jahre sind siebzig Jahre, und wenn sie in Kraft sind, achtzig Jahre. Ihr Stolz ist Mühe und Nichtigkeit, denn schnell eilt es vorüber, und wir fliegen dahin.
Wer erkennt die Stärke deines Zorns und deines Grimms, wie es der Furcht vor dir entspricht? Das ist wirklich eine gute Frage.
Mose betet hier als Anführer eines Volkes, das Gottes Strafe erlebt. Sie sind auf Standby, wandern durch die Wüste und warten darauf, dass die Generation des Auszugs aus Ägypten stirbt.
Und das alles, weil sie nicht bereit waren, Gott zu vertrauen. Ein Volk, dessen Umgang mit Gott geprägt war von Murren, Misstrauen und Rebellion, endet in der Wüste. Sie enden dort, weil sie Gott nicht genug gefürchtet hatten. Sie hatten seine Entschlossenheit, seinen Zorn und Grimm unterschätzt.
Die Bedeutung der Gottesfurcht im Gebet
Deshalb Psalm 90,11: Wer erkennt die Stärke deines Zorns und deines Grimms, wie es der Furcht vor dir entspricht?
Diese Frage ist bis heute relevant, wenn wir für die Entwicklung der evangelikalen Szene, unserer Ortsgemeinde oder der Gesellschaft beten, in der wir leben. Das Nachdenken über Gottes Strafen und sein Eingreifen ist heilsam, weil es uns lehrt, den Einen zu fürchten, den es allein zu fürchten gilt.
Oder wie der Herr Jesus es in Lukas 12,4-5 formuliert: Ich sage aber euch, meinen Freunden, fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und nach diesem nichts weiter zu tun vermögen. Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet den, der nach dem Töten Macht hat, in die Hölle zu werfen. Ja, sage ich euch, diesen sollt ihr fürchten.
Wir sollen fürchten, weil wir im Angesicht eines Gottes, für den tausend Jahre wie ein Tag sind, nichts sind – wie Eintagsfliegen.
Die Bitte um Weisheit und Gottesfurcht
Und deshalb die Bitte des Mose in Psalm 90,12: So lehre uns, unsere Tage zu zählen, damit wir ein weises Herz erlangen.
Ein weises Herz erkennt sich selbst und die wenigen Tage, die ihm bleiben. Der Ewige hat bereits den letzten dieser Tage festgelegt. Ein weises Herz meidet die Sünde, weil es Gottes Zorn und Grimm fürchtet.
Mose betet hier um Gottesfurcht, denn er wünscht sich Erbarmen, Gnade und einen Neuanfang für sein Volk. Ich finde diesen Psalm besonders wertvoll, weil er uns mit einem Gebetsthema konfrontiert, das wir gern ausblenden: Gottes strafendes Eingreifen in das Leben seines Volkes.
Oder wie zitiert der Hebräerbrief das Lied des Mose aus 5. Mose 32? In Hebräer 10,30-31 heißt es: Denn wir kennen den, der gesagt hat: „Mein ist die Rache, ich will vergelten“, und wiederum: „Der Herr wird sein Volk richten.“ Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.
Lasst uns dies auch im Gebet niemals vergessen.
Abschluss und Einladung zur weiteren Beschäftigung
Was könntest du jetzt tun? Lies Psalm 90 in Ruhe durch und denke darüber nach, wo sich Gottes Zorn heute zeigen könnte.
Das war's für heute. Nächste Woche, am Mittwoch, dem 11.08.2022, findet um 19:15 Uhr auf meinem YouTube-Kanal wieder eine Online-Bibelstunde zum Galaterbrief statt.
Der Herr segne dich! Erlebe seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.