Gemeinsames Bibellesen als geistliche Praxis
Wir als Gemeinde hier in Stuttgart machen es immer wieder so, und gerade jetzt geht eine solche Phase zu Ende. Für einige Wochen, zwei bis drei Monate, lesen wir anhand eines gemeinsamen Bibelleseplans Abschnitte aus der Bibel.
Das hat den Vorteil, dass man, wenn man sich begegnet, vielleicht am Morgen oder am Tag zuvor dasselbe in der Bibel gelesen hat. Man hat darüber nachgedacht, Fragen sind aufgekommen oder man hat Neues gelernt. Trifft man sich dann oder telefoniert miteinander, hat man gleich ein sehr gutes Gesprächsthema.
Heute werden wir eine solche Phase wieder abschließen. So war es geplant, und so haben wir es auch durchgeführt. Ich hatte es bereits letzten Sonntag angekündigt. Es handelt sich um einen Abschnitt aus dem Buch der Psalmen – einige Gebete und Lieder, die verschiedene Autoren geschrieben haben. Der bekannteste davon ist König David.
Der Abschnitt, um den es in den letzten sieben Tagen ging, umfasst die Psalmen 58 bis 72. Das heißt, wenn man jeden Morgen und jeden Abend einen Psalm gelesen hätte, hätte man es gerade geschafft. Aus diesem Abschnitt möchte ich einige Dinge weitergeben, die mich besonders angesprochen haben.
Die Realität des Leidens und der Angst im Glaubensleben
Ich habe diese Predigt mit dem Titel „Corona – Gott mahnt und ermutigt“ überschrieben.
Christen, gottesfürchtige Christen, gläubige Christen und traditionelle Christen leiden wie alle anderen Menschen an der Mühsal dieser Welt. In der Bibel steht, dass Gott es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte. Das bedeutet: Vieles Gute, das Gott uns schenkt, kommt allen zugute – unabhängig davon, ob sie mit Gott etwas anfangen können, ob sie Gott ernst nehmen oder nicht. Umgekehrt gilt dasselbe.
Wenn über unsere Welt eine schwierige Zeit hereinbricht, sind davon Menschen betroffen, die Gott ganz ausklammern oder ihre eigenen Vorstellungen von Gott haben. Ebenso trifft es jene, die sich minutiös an die Bibel halten, um Gott zu verstehen.
In den Psalmen, die wir in der letzten Woche gelesen haben und die weitgehend von König David verfasst wurden, geht es um Themen, die uns ebenfalls betreffen können. David schreibt davon, dass er Feinde hatte – Menschen, die ihn ohne Grund verfolgten, bekämpften und hassten. Das begann bereits bei dem gottesfürchtigen Abel ganz am Anfang der biblischen Menschheitsgeschichte und setzte sich bis zu Jesus Christus fort. Diese Realität sehen wir auch heute.
David berichtet von Kriegen, die er erlebt hat. Manche Ältere von uns und viele, die in den letzten Jahren in unser Land geflohen sind, haben ebenfalls Kriege erlebt. David schreibt auch von Angst. Er war nicht immer souverän in all den Dingen, die er erlebt hat. Situationen, Menschen und die Fragen der Zukunft waren nicht mehr in seinem Griff. Das erzeugt Angst – denn wir alle fürchten uns, wenn wir die Kontrolle verlieren.
David erzählt von Verleumdung und Boshaftigkeit. Diese Woche las ich den Bericht von einem pakistanischen Ehepaar, das beschuldigt wurde, den Gott der Muslime gelästert zu haben. Deshalb wurden sie angeklagt. Sehr wahrscheinlich haben sie das nie getan, denn es war nicht ihre Absicht. Doch Boshaftigkeit geschieht.
David schreibt auch von Verzweiflung, wenn er nicht mehr weiter wusste. Im Psalm 69 sagt er zum Beispiel: „Gott, hilf mir, denn das Wasser steht mir bis zum Hals. Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist. Ich bin in tiefen Wassern, und die Flut will mich ersäufen.“ So hat dieser Mann es erlebt, obwohl er Gott doch so nahe kannte.
Er erlebte Beleidigungen, manchmal von Menschen, die ihm sehr nahe standen. Schließlich berichtet er auch von Erfahrungen des Älterwerdens und des nahenden Sterbens. Nicht alle sterben gesund, wie man sagt. Manche durchleben ein schweres Alter und vielleicht auch ein schweres Sterben.
Das ist so seit dem Anfang der biblischen Menschheitsgeschichte. Nach dem sogenannten Sündenfall sagte Gott, dass die Erde Dornen und Disteln hervorbringen würde. Das betrifft nicht nur unsere Äcker oder Gärten, sondern auch unser Leben. In unserem ganz normalen Leben, selbst wenn wir keine Gärten haben, sind Dornen und Disteln Begleiter unseres Lebens.
Auch der Tod mit all seinen Vorboten – Krankheit, Schmerz und Leid – gehört dazu.
Gottes Bewahrung trotz der Härten des Lebens
Als Jesus einmal für seine Jünger betete, ist uns im Johannesevangelium Kapitel 17 aufgeschrieben. Er sagte zu seinem Vater: „Ich bitte dich nicht, dass du meine Nachfolger aus dieser Welt nimmst, sondern dass du sie in dieser Welt bewahrst.“
Übrigens hatte David selbst eine Seuche erlebt, die viel gravierender war als das, was wir zumindest im Augenblick mit Corona erfahren. Innerhalb von drei Tagen wurden 70 Menschen dahingerafft.
Wir sehen, dass die Bibel Lebenssituationen beschreibt, wie wir sie alle auf die eine oder andere Weise erleben können. In diesen Situationen dürfen wir wissen, dass Gott uns nicht alleine lässt. Gleichzeitig mahnt er uns und ermutigt uns.
Gottes Mahnung zur Umkehr
Ein erster Punkt, den ich in dieser Predigt behandeln möchte, ist: Gott mahnt uns.
Als ich ein ganz junger Bursche war, etwa vierzehn Jahre alt, durfte ich in unserer Jugendgruppe eine Andacht halten. Diese hielt ich zu dem Vers, den du gerade mitlesen kannst. Ich habe keine Ahnung mehr, was ich damals gesagt habe und was ich überhaupt dabei verstanden habe. Aber ich denke, der Vers passt vielleicht gerade gut zu diesem Tag.
Gott sagt dort: „Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Umkehr leitet?“ (Römer 2,4). Ja, Gott will uns zur Umkehr leiten, vielleicht auch in diesen Tagen.
Es gibt Kollegen von mir, die populärer sind als ich, und die heute sagen, Corona hätte gar nichts mit Gott zu tun. Sie behaupten, Gott habe uns nichts zu sagen und von Gott käme immer nur Gutes. Aber das stimmt nicht. Gott wird als Vater beschrieben. Haben wir unseren Kindern immer nur gegeben, was ihnen gefiel? Mussten wir ihnen nicht auch manches verbieten und manchmal sogar Dinge verweigern? Manchmal haben wir unsere Kinder vielleicht sogar bestraft. Auf die eine oder andere Weise – ist Gott da wirklich so viel anders?
Gott mahnt uns, dass wir uns nicht selbst überschätzen sollten. In den Psalmen, die wir letzte Woche lasen, kommen diese beiden Verse vor: „Gott allein ist mächtig.“ Und in einer anderen Passage heißt es: „Siehe, meine Tage sind eine Handbreit vor dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Ach, wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben.“ (Psalm 39,6-7).
In der ganzen Corona-Diskussion hat sich vor einigen Tagen auch unser Fußball-Bundestrainer Jogi Löw gemeldet. Nun, er ist kein Pfarrer und soll uns nicht Gott erklären. Aber er hat gesagt, wie er die Dinge wahrnimmt. Er meinte, unsere Welt sei wie in einem kollektiven Burn-out. Das Tempo sei nicht mehr zu stoppen. Machtgier, Profit und Rekorde würden sich jagen.
Wir dürfen uns fragen: Wer jagt uns denn?
Als ich einmal ganz am Ende der Bibel im Buch der Offenbarung las, fand ich auch den Satz über den Teufel, der diese Welt mit seinen bösen Gedanken plagt. Dort steht, dass er wisse, dass er nicht viel Zeit hat (Offenbarung 12,12).
Manchmal denke ich, genau so ist unsere Welt. Man glaubt, man hätte gar keine Zeit mehr. Man müsse alles noch erleben, alles, was uns wichtig ist, intensiv erfahren – Geld, Erfolg, Spaß. Und wir sind gejagte Menschen.
Aber Jogi Löw sagte auch noch weiter: Er denke, dass wir Menschen hier angesprochen werden. Der Mensch, der denkt, dass er alles kann und alles weiß. Und ich glaube, da hat er eine wichtige Wahrheit ausgesprochen.
Will Gott uns vielleicht nicht mahnen und uns sagen: Schau, du lebst so, als wüsstest du alles und vor allem alles besser? Du denkst, du könntest alles. Uns seien keine Grenzen gesetzt mit all unserem medizinischen und technischen Fortschritt, mit all den gewaltigen Werken, die wir zuwege gebracht haben. Vielleicht sind wir manchmal so weit, dass wir meinen, Gott nicht mehr zu brauchen.
Ursprung der Selbstüberschätzung und Gottes Warnung
Ich glaube, das hat seinen Ursprung schon in dem, was die Bibel ganz am Anfang beschreibt – über die Entstehung der Menschheit und den sogenannten Sündenfall. Ich lese uns dazu aus dem ersten Buch Mose im Kapitel drei vor.
Dort wird beschrieben, dass Satan, der Teufel, in der Gestalt einer Schlange zu den Menschen kam und mit ihnen sprach. Er erwähnte, dass sie anscheinend ein Verbot hätten, von gewissen Früchten im Garten zu essen. Tatsächlich hatte Gott eine Frucht verboten, nämlich die Frucht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.
Satan trat zu den Menschen und sagte, sie könnten doch ruhig essen. Die Frau antwortete jedoch: Nein, Gott hat gesagt, wir würden sterben. Dann heißt es dort, die Schlange sagte zu der Frau: „Ihr werdet ganz sicher nicht sterben.“ Mit anderen Worten: Ihr seid unverwundbar, euch passiert nichts. Ach, Gott und Sünde und die Folge der Sünde und Gericht und Hölle und Teufel – das gibt es ja alles gar nicht.
Liebe Freunde, leben wir nicht manchmal so, als hätte der Teufel wirklich Recht? Als hätten wir keine Verantwortung vor Gott, als würde uns Gott nicht eines Tages zur Rechenschaft ziehen? Als hätten wir nicht vielleicht auch Folgen unserer Schuld ihm gegenüber zu tragen? Fühlen wir uns nicht manchmal auch unverwundbar?
Die Schlange sagte weiter: „Sondern Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr doch davon esst, eure Augen aufgetan werden.“ Das heißt, ihr werdet ganz neue Wege entdecken. Ihr werdet die Welt entdecken, nicht mehr so eingeschränkt, dass man nur auf Gott vertraut und auf Gott horcht, sondern ihr macht euch selbst auf die Suche. Und so sagt die Schlange weiter: „Ihr werdet sein wie Gott.“
Manchmal scheint es mir so, als lebte der große Teil unserer Bevölkerung hier in Deutschland so, als wären sie selbst Gott. Als bräuchten sie ihn nicht, als hätten sie alles im Griff, als wüssten sie alles selbst und dass jeder nach seiner Fasson selig werden könnte.
Wir haben uns vielleicht auch weitgehend zu unseren eigenen Herren gemacht. Ein unbegrenztes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl durchströmt uns, und wir machen uns ein eigenes Bild von Gott. Das sagen mir manchmal Menschen: „Ach, weißt du, Gott ist für mich so und so“ oder „Ich stelle mir Gott so und so vor.“ Als könnten wir Gott erschaffen, als wäre Gott so, wie wir es uns erträumen – so wie kleine Kinder das machen, wenn sie in ihren Kinderzimmern irgendwelche Fantasiefiguren erfinden.
Wer Gott kennenlernen will, der kann das hier aus Gottes Wort lernen. Gott hat sich geoffenbart, sich mitgeteilt, wer er ist, wie er ist, was er denkt und was er will.
Zum Schluss sagt die Schlange noch: „Ihr werdet wissen, was gut und böse ist.“ Das heißt, ihr werdet eure eigene Moral schaffen. Ihr werdet entscheiden, was gut und böse ist, und was für dich gut ist, ist gut, und was für dich böse ist, ist böse. Und das darf jeder so ein Stück weit selbst entscheiden.
Ich glaube, das ist der Ausdruck dessen, was wir hier betrachten: Wir überschätzen uns selbst, wir haben uns zu hoch gehängt. Und vielleicht ist Corona genau eine Zeit, in der wir unsere Gefahr erkennen – nämlich, dass wir Gott unterschätzen.
Gottes Souveränität und die menschliche Rebellion
Wir lesen im Psalm 2 folgende Sätze: Die Mächtigen dieser Welt rebellieren, sie verschwören sich gegen Gott und den König, den er auserwählt und eingesetzt hat. Dabei ist von Jesus Christus die Rede.
Sie sagen: „Kommt, wir wollen uns befreien.“ Das heißt, sie wollen sich befreien von Gott und den Einschränkungen, etwa davon, nicht vom Baum der Erkenntnis essen zu dürfen, wie wir es eben betrachteten. Sie wollen sich befreien, sagen sie, und ihre Herrschaft abschütteln.
Aber Gott im Himmel kann darüber nur lachen. Nichts als Spott hat er für sie übrig. Ich glaube, an dieser Selbstüberschätzung, alles zu können und alles zu wissen, leidet unsere Welt seit dem Sündenfall.
Wir merken im Augenblick, wie verwundbar wir sind. Und es könnte ja noch viel dramatischer kommen. Uns in Deutschland geht es ja noch relativ gut, aber denken wir an Italien, an den Süden des Elsass oder an Spanien. Wir wissen nicht, wie sich das alles noch entwickeln wird.
Ein kleines Virus breitet sich über die ganze Welt aus und lässt die Welt gewissermaßen still werden. Was, wenn noch tödlichere Viren kommen? Oder Viren unsere Computersysteme lahmlegen und unsere Weltwirtschaft in ernste Gefahr bringen könnten? Wenn Gott nur den kleinen Finger rührt, werden wir unsere Verwundbarkeit spüren.
Ich meine, Gott will uns jetzt in seiner Güte und Liebe mahnen: Mensch, was denkst du? Ja, wir haben, wie es dieser Psalmtext sagt, den wir hier an der Wand sehen, uns gegen Gottes Herrschaft aufgelehnt. Wir sind selbst zu unseren Herren geworden. Wir haben oft die Wahrheit von Gottes Wort zerrissen und unsere Moralgrenzen selbst gesetzt.
Manchmal sagen mir Menschen: „Ach, wissen Sie, so wie es in der Bibel steht, kann man doch heute nicht mehr leben. Unsere Welt ist anders.“ Als müsste Gott sich an unsere Welt anpassen, als müsste Gott seine Maßstäbe verändern, so wie wir es ihm diktieren.
Im Vers 4 lesen wir: Gott kann darüber nur lachen, über diese Selbstüberschätzung des Menschen, der glaubt, sein eigener Gott zu sein.
Jetzt, im Augenblick, wenn wir das erleben, was uns so tagtäglich beschäftigt und unser Hauptgesprächsthema ist, ist das vielleicht noch zahm. Aber ich lese in diesem Text aus dem Psalm weiter. Dort heißt es: „Einst wird er in seinem Zorn mit ihnen sprechen, und mit seinem Grimm wird er sie erschrecken.“
Ich denke, es ist Zeit, dass wir aufmerksam werden und einmal hinhören, was Gott zu sagen hat. Denn unser großes Problem ist nicht Corona. Ich hoffe und bete wirklich, dass Corona überwunden wird.
Unser großes Problem ist Gott selbst. Ihn können wir nicht einfach mit einem Impfstoff beseitigen. Ihn können wir nicht zum Schweigen bringen, wie wir vielleicht Menschen zum Schweigen bringen.
Wer nur die Symptome behandelt – und Corona ist für mich ein Symptom, ein Weg, auf dem Gott mit uns spricht – wer nur Symptome behandelt und nicht die Krankheit selbst, nämlich dass wir Gott aus den Augen verloren haben, dass wir ihn an den Rand gedrängt haben, dass er nur eine Rolle spielen darf in unserem Leben,
wer nicht die eigentliche Krankheit unseres Lebens wahrnimmt, nämlich die Selbstüberschätzung des Menschen, auch besonders Gott gegenüber, der hat noch nichts verstanden.
Durchhalterparolen wie „Wir schaffen das“ haben uns schon mal nichts genützt, und sie werden uns jetzt vielleicht noch weniger nützen. Ja, vielleicht werden wir in wenigen Monaten Corona überwunden haben. Aber werden wir das mitgenommen haben, was Gott uns mahnend mit auf den Weg gab?
Wenn dann die nächsten Demonstrationen von Fridays for Future wieder stattfinden dürfen, wenn wieder auftritt und uns sagt: „Hey, wir sind dabei, unseren Planeten zugrunde zu richten“, dann glaube ich, dass die Bibel genau das sagt: dass der Mensch das tun wird und Gott auch in diese Welt hineinwirken wird, auch als Reaktion darauf, dass wir Gott an die Seite gerückt haben.
Deshalb gibt uns Gott eine Chance, und ich meine, wir sollten sie nutzen. Das ist unsere Umkehr. Die Bibel nennt das auch Buße.
Wir lesen das in Psalm 65, Verse 3 und 4: „Du erhörst Gebet, darum kommen alle Menschen zu dir. Unsere Missetat drückt uns hart, du willst uns unsere Sünden vergeben.“
Sollten wir nicht einmal innehalten und an den denken, durch den wir sind, der uns geschaffen, der uns gewollt hat, der uns kennt, der uns liebt, der uns im Blick hat, der es gut mit uns meint, der ein Vater sein will?
Sollten wir nicht innehalten und an den denken, für dessen Ehre wir geschaffen wurden, die wir oft missbrauchen und nur zu unserer eigenen Ehre leben?
Müsste nicht der Mensch, der das Vergängliche wie Ruhm, Erfolg, Vergnügen und Selbstverwirklichung zum Zentrum hat, der sich dadurch selbst entwürdigt, weil er sein Leben nur auf diese Zeit hier begrenzt und die ewige Dimension unseres Daseins aus dem Auge verliert,
der sein Leben missbraucht, weil er nur an diese Welt denkt, aber nicht an seine Verantwortung vor Gott – müsste nicht unser Herz einmal nachdenken und wir uns mahnen lassen, wie es einmal heißt im Alten Testament: „Bereite dich, deinem Gott zu begegnen!“?
Ich glaube, dass Jogi Löw Recht hat, aber ich glaube vor allen Dingen, dass Gottes Wort Recht hat und dass wir vielleicht von unserer Selbstüberschätzung umkehren sollten und Gott ernst nehmen, wenn er sagt: „Lasst euch versöhnen mit mir, kehrt um, hört mir zu, nehmt mich ernst!“
Wir sagen manchmal unseren Kindern, wenn sie uns nicht ernst nehmen: „Ich kann auch anders.“ Und wir wissen, wenn wir das vielleicht mit hochgezogenen Augenbrauen mal sagen, dann wissen unsere Kinder: Jetzt ist aber High Noon.
Vielleicht muss uns Gott durch diese oder will uns Gott durch diese momentane Krise sagen: Leute, ich habe euch so viel Gutes gegeben, gerade auch in Deutschland. Deutschland hat sich so wunderbar erholt, aber ich kann auch anders.
Die Einladung zum Vertrauen und zur Ermutigung
Lasst uns Gottes Wort zur Hand nehmen. Ich rate Ihnen: Lesen Sie die Psalmen. Sie finden sie genau in der Mitte der Bibel. Lesen Sie ein Evangelium oder mehrere im Neuen Testament, um zu sehen, wie Gott ist. Denn Gott ist Mensch geworden in Jesus Christus, damit wir erkennen können, wer Gott ist und wie Gott ist. So können wir uns Realitäten stellen und nicht unseren kindlichen Gottheitsfantasien verfallen.
Gott mahnt uns. Aber zum Glück ist das nicht alles, was Gott uns zu sagen hat. Es war mir wichtig, das auch einmal zu betonen, damit wir nachdenken. Aber wir wissen auch: Gott ermutigt uns. Er ermutigt uns zum Vertrauen und lässt uns auch jetzt nicht alleine.
Im Neuen Testament gibt es ein schönes Wort, das in der griechischen Ursprache für Ermutigung oder Ermahnung verwendet wird. Es bedeutet so viel wie: Gott tritt an unsere Seite. Er tritt an unsere Seite, um zu uns zu reden, gewissermaßen den Arm um uns zu legen und mit uns zu sprechen. Er lädt uns ein, und das ist unsere große Chance – dieser Einladung Gottes zu folgen und ihm zu vertrauen.
Zum Beispiel in diesen Versen, in denen Gott sich als unsere Zuversicht darstellt. Ich lese:
„Aber sei nur still zu Gott, meine Seele, denn er ist meine Hoffnung, er ist mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz, dass ich nicht wanken werde. Bei Gott ist mein Heil und meine Ehre, der Fels meiner Stärke, meine Zuversicht ist bei Gott.“
Ich glaube, das wird nur der wirklich wollen, finden und erfahren, der Gott auch ernst nimmt im Sinne des ersten Teils dieser Predigt: still zu werden vor Gott. Für mich ist es seit Jahrzehnten eine tägliche Freude, meinen Tag mit der sogenannten stillen Stunde zu beginnen. Dabei lese ich die Bibel, lasse Gott zu mir reden, stelle ihm Fragen, bete zu ihm und komme immer wieder neu mit meinem Herzen in Berührung.
Im Augenblick haben wir alle nicht, aber die meisten von uns haben mehr Zeit. Corona entrümpelt gerade unsere Kalender – vielleicht mehr, als uns lieb ist. Wie nutzen wir diese Zeit zur Stille vor Gott, zum Lesen der Bibel? Und ihr Christen, die ihr es gewohnt seid, die Bibel zu lesen, sie im Alltagsstress aber vielleicht oft vernachlässigt habt: Ich mache euch Mut. Nehmt euch jetzt vor allem Zeit für die Bibel, denn wenn nicht jetzt, wann dann? Hört auf Gott, was er euch sagen will. Fragt vielleicht auch euer eigenes Herz: Warum fürchtest du dich vor Corona? Ich will doch deine Zuversicht sein.
Vielleicht haben wir, ohne es zu merken, zu sehr auf uns selbst vertraut. Auch als Christen sind wir selbst sicher geworden und haben nicht mehr gemerkt, wie das sichere Leben, das wir in Deutschland haben, uns von Gott losgelöst hat. Vertrauen in Gott war nur eine Floskel. Jetzt dürfen wir neu ermutigt werden, diesen Gott zu suchen und, wie es in unserem Text heißt, uns auf einen Felsen zu stellen, damit wir sicher stehen und nicht im Schlamm unserer Furcht untergehen.
Wir dürfen in diesen Zeiten beten. Damit meine ich nicht nur irgendwelche Worte plappern, sondern unser Herz ausschütten. So sagt es uns Psalm 62, Vers 9: „Hofft auf ihn allezeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus; Gott ist unsere Zuversicht.“
Ich darf mein Herz vor Gott ausschütten. Wissen Sie, manchmal finde ich die Worte nicht. Dann sage ich zu Gott: „Lieber Herr, ich weiß nicht, wie ich beschreiben soll, was ich empfinde, was ich denke und was ich ahne, aber du verstehst mich auch ohne Worte.“ Ich darf alles sagen, was mich beschäftigt – auch Angst, Furcht, Frust, große Fragen. Vielleicht sage ich ihm auch: „Herr, ich will mein Herz ausschütten vor dir, wo ich an dir und anderen Menschen schuldig geworden bin.“ Ich darf ihm alles sagen, wie es ist, ohne Show, ohne wohlklingende Worte. Denn wir wissen: Er hat gesagt, ich bin bei dir alle Tage.
Beten macht uns demütig, weil wir bezeugen: „Herr, meine Hände sind leer, ich habe es nicht im Griff.“ Und weißt du, manchmal ist es gut, wenn wir unseren Glauben verlieren – das heißt unsere Vorstellung von Glauben, die dann nicht trägt, wenn echte Proben kommen. Manche haben nur einen Glauben für Sonnentage. Und dann merken wir in Zeiten wie diesen: Hey, mit meinem Glauben stimmt irgendwas nicht. Ich habe nicht diese Ruhe, nicht diesen Frieden, nicht diese Gewissheit. Es ist gut, wenn du solche Art Glauben verlierst, um zu lernen, was es bedeutet, dass Gott deine Zuversicht ist.
Wir lesen weiter im Psalm 59, Vers 17: „Ich aber will von deiner Macht singen und des Morgens rühmen deine Güte, denn du bist mir Schutz und Zuflucht in meiner Not.“
Wissen Sie, auch wir Christen haben keine Garantie, nicht an Corona zu erkranken. Ich las diese Tage – vielleicht Sie auch – einen ergreifenden Bericht von einem Kollegen von mir, einem Pastor in Italien. Er war Mitte siebzig und wurde mit schweren Corona-Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert. Jeden Tag nahm er seine Bibel, ging von Bett zu Bett und las mit den anderen Kranken die Bibel. Er las sie auch den Ärzten und dem Pflegepersonal vor. Das berichtete uns ein Mann, der selbst Atheist gewesen war. Man muss inzwischen sagen, dass er sehr berührt war von der lebendigen Hoffnung, die dieser Mann hatte.
Dieser Pastor starb dann an den Folgen von Corona. Aber er hinterließ ein beeindruckendes Zeugnis. Durch sein Vorbild wurden Menschen, die bisher so selbstsicher gelebt hatten – wie wir es im ersten Teil der Predigt besprachen –, wachgerüttelt. Sie merkten: Das trägt mich einfach nicht. Ich habe nichts, keine lebendige Hoffnung, ich bin haltlos. Jetzt darf ich Gott zu meinem Schutz machen. Er trägt uns hindurch, auch durch Krankheiten hindurch.
Es ist das Ergebnis wahren Betens, dass wir zur Ruhe kommen, dass unser Blick wieder auf Gott gerichtet wird, dass wir wieder klar sehen und der Blickkontakt zu Gott wiederhergestellt wird. Auch als Christen können wir das so schnell aus den Augen verlieren. Der Alltag hat uns so im Griff, wir sind so bewegt von dem, was uns passiert, von dem, was wir planen und uns vorgenommen haben. Der Blick auf Jesus geht verloren.
Vielleicht ist Corona eine Zeit, in der uns Gott mahnt: „Du hast den Blick auf mich verloren.“ Ich ermutige dazu: Komm her zu mir! Lasst uns aufsehen auf Jesus! Das ist einer meiner ganz entscheidenden Lieblingsverse aus der Bibel. Eine andere Übersetzung sagt: „Lasst uns wegsehen von Jesus.“ Das heißt: weg von Corona, weg von meinen Plänen, weg von meinem Versagen – hin zu Jesus! Eine mir sehr liebe englische Übersetzung sagt sogar: „Lasst uns den Blick auf Jesus heften und ihn nicht mehr loslassen.“
Ich ermutige dich: Nimm deine Bibel zur Hand, verbringe Zeit mit Gott im Lesen der Psalmen oder der Evangelien. So kannst du feststellen, wer und wie Gott ist, damit dein Denken wieder klar wird und dein Blick wieder klar wird.
Dann dürfen wir auch singen. Deshalb singen Christen auch in Gottesdiensten. Wir singen nicht, weil man das so macht, sondern weil es Ausdruck unserer Emotionen ist, unseres Vertrauens. Manchmal ist es auch Ausdruck unserer Buße, Umkehr, vielleicht manchmal auch Ausdruck unserer Sorgen, Fragen und Ängste. Wir dürfen das auch im Lied zu Gott bringen.
Deshalb, ihr Christen, nehmt eure Liederbücher zuhause heraus und singt zu zweit oder zu dritt. Und wenn du nicht gut singen kannst, dann lies diese Lieder – sie ermutigen.
Als Christen wissen wir um die Souveränität Gottes, dass er alles in der Hand hat. Das macht mich sehr gelassen. Im Psalm 61 sagt David: „Vom Ende der Erde rufe ich zu dir, weil mein Herz in Angst ist.“ Ich darf lernen, dass Gott souverän ist, dass er allmächtig ist und alles in der Hand hat. Ich habe nichts in der Hand.
Wir merken in Corona-Zeiten, wie schnell uns alle Sicherheit genommen wird. Aber Gott ist und bleibt der Gleiche. Er ist gestern, heute und in Ewigkeit derselbe.
Ich kann mir auch keinen Glauben machen. Manchmal habe ich Angst, und manchmal zittert mein Glaube. Dann darf ich zu ihm kommen und sagen: „Herr, hilf du mir zu glauben, stärke meinen Glauben!“ So heißt es auch in unserer Jahreslosung: „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Und dann dürfen wir erleben, wie Gott Zuversicht gibt.
Der Psalmist sagt an einer anderen Stelle, Psalm 71, Vers 3: „Sei mir ein sicherer Zufluchtsort, wohin ich immer fliehen kann! Du hast zugesagt, mir zu helfen, denn du bist mein Fels und meine Burg.“
Diese Chance, Gottes Einladung zum Vertrauen in ihn zu haben, dürfen wir beantworten. Aber es ist unsere Verantwortung, eine angemessene Antwort auf diesen Herrn zu geben.
Persönliche Hingabe und Erneuerung im Glauben
Ich möchte auch in diesen Tagen mein Vertrauen und meine Hingabe an Gott erneuern. So wie es im Psalm 63 heißt: „Wenn ich mich zu Bett lege, so denke ich an dich, und wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.“ Ich will meine Beziehung zu Gott in diesen Tagen festigen, stärken und immer wieder erneuern.
Vielleicht hat auch dich manchmal der Blick auf diese Welt getäuscht, und die lebendige Beziehung zu Jesus ist dir verloren gegangen. Das selbstverständliche Zwiegespräch, das Hören auf ihn, was er will, und das einfache Befolgen dessen, was er sagt, sind in den Hintergrund gerückt.
Ich wünsche dir als Christ, dass in diesen Tagen deine Hingabe an Gott erneuert wird. Vielleicht, weil er dich auf den Prüfstand gestellt hat oder dich gemahnt hat. Vielleicht fragt er dich: „Wo ist denn dein Herz eigentlich unterwegs? Wonach strebst du eigentlich?“
Ich darf mich in diesen Tagen noch mehr nach ihm sehnen. Ich darf mich nach dem lebendigen Gott sehnen und sagen: „Herr, ich will dich suchen und mich mehr als bisher an dir erfreuen.“ Denn weißt du, es gibt keinen solchen Frieden wie den, den wir in der Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott erleben.
Das ist das eigentliche Ziel Gottes: dass unsere Herzen in ihm ruhen und sich an ihm freuen. Wer über Jesus als den Helfer nachdenkt, beurteilt alles anders – sich selbst und sein eigenes Handeln, aber auch Corona und all das, was die Welt zu sagen hat.
Wer auf Gott vertraut, denkt vom Thron Gottes aus. Er bekommt einen Blickwechsel und lernt, Dinge aus dem Blickwinkel Gottes zu sehen. Das geschieht, weil er auf das achtet, was Gottes Wort uns sagt.
Und das, liebe Freunde, ist die richtige Blickrichtung: vom Blick Gottes aus zu denken. Deshalb brauche ich die Bibel und möchte, dass Gott mich immer wieder daran erinnert: „Michael, so sieh dein Leben, so sieh diese Welt aus meinem Blickwinkel.“ Und das gibt meinem Leben Ruhe und Sicherheit.
Gottes liebevolle Zurechtweisung und Trost
Wir dürfen auch erleben, dass Gott uns in dieser Zeit verändert.
Es gab einen sehr schmerzhaften Moment in meinem Leben, in dem Gott als Vater ganz hart und schmerzhaft in mein Leben eingriff. Damals hat er mich mit einem Bibeltext getröstet. Dieser Text steht nicht in den Psalmen – das mag man mir als Prediger von heute erlauben.
Gott sagt: Wen der Herr liebt, den weist er zu Recht. Ich weiß, dass er mich liebt und auch dich. Ganz egal, wie du zu ihm stehst oder wie du ihn bisher behandelt hast – er liebt dich.
Aber Gott sagt auch, wen der Herr liebt, den weist er zu Recht. Er straft ihn manchmal, damit er die Konsequenzen seines Handelns erkennt. So wie wir als verantwortungsvolle Eltern auch unsere Kinder zurechtweisen.
Wen der Herr liebt, den weist er zu Recht. Und das ist für mich tröstlich: "Er hat Wohlgefallen an ihm, wie ein Vater am Sohn, an dem er gefallen hat."
Was für ein Trost: Gott liebt mich und weist mich zu Recht. Auch in der Mahnung und Zurechtweisung, wenn er vielleicht deutlich macht, dass ich das Vertrauen in ihn verloren habe oder andere Dinge zu groß werden ließ.
Wo er uns zurechtweist, vielleicht gerade durch diese Corona-Zeit, da handelt er aus Liebe. Er ist nicht zornig auf uns, sondern liebt uns, und wir sind ihm wichtig.
Deshalb wollen wir auch in dieser Corona-Zeit lernen: Gott mahnt und Gott ermutigt.
Gottes souveräne Allmacht und unser Vertrauen
Er hatte die Macht zu schaffen, und er hat auch die Macht, diese Welt abzuschaffen. Die Bibel spricht davon, dass auch unsere Welt vergehen wird. Er hat uns als Menschen geschaffen und kann über uns verfügen. Unsere Zeit auf dieser Erde liegt in seinen Händen.
Gott lässt uns oft – verzeih mir dieses vielleicht etwas legere Wort – an der langen Leine gehen. Dann meinen wir manchmal, es gäbe ihn nicht oder er wäre mit allem einverstanden, was wir tun. Doch manchmal zieht Gott die Leine auch kurz an, damit wir merken: Da ist noch ein Herr über mir, der mich mahnt. Aber er will mir auch helfen, mein Vertrauen auf ihn zu setzen statt auf mich selbst.
Gott darf uns Menschen einiges zumuten, auch uns Christen. Trotzdem finden wir täglich Frieden in der Souveränität Gottes. Wir finden Frieden, indem wir uns ihm ausliefern und sagen: Herr, du darfst das. Was immer du auch tust mit dieser Welt und mit meinem Leben – ich bin immer in deiner Hand.
Dieses Ruhen in der Souveränität Gottes, in seiner Allmacht und in seinem großen Überblick, ist tröstlich. Er ist der ewige und unwandelbare Gott, dessen Plan von Anfang bis Ende umgesetzt wird. Ihm entgeht nichts, und nichts gerät außer Kontrolle.
Diesem Gott zu vertrauen hilft mir, mitten im Corona-Wahn, wie im Auge eines Sturms zu sein. Dort ist Ruhe. Gott hat nicht gesagt, dass wir nicht durch Stürme gehen – auch als Christen, die ihm vertrauen. Aber wir dürfen in ihm geborgen sein.
Deshalb glaube ich, dass diese Welt und diese Krise ein Test sind. Ein Test für uns, um uns zu hinterfragen: Wie lebe ich eigentlich? Welche Rolle spielt Gott in meinem Leben? Und was bedeutet es, Gott zu vertrauen? Wirst du dich von Gott mahnen lassen? Wirst du dich von Gott ermutigen lassen?
Das, denke ich, wollte uns David deutlich machen in den Psalmen 58 bis 72. Ich wünsche dir ein gesegnetes Nachdenken über Gott und über das, was er auch dir persönlich zu sagen hat.
