Ja, es ist schön, dass wir durch das Lied diese Wahrheit gesagt bekommen: Gott kennt unsere Namen, er liebt uns und er geht uns nach – trotz all unserer Unzulänglichkeiten und Fehler.
Darum wird es heute Morgen in der Bibelarbeit allerdings nicht gehen. Es wäre schön, jetzt gleich daran anzuknüpfen und noch irgendwie darauf zu kommen, aber der Text geht in eine andere Richtung.
Wir haben uns gestern mit den Einleitungsworten zum ersten Timotheusbrief beschäftigt, den Versen 1 und 2. Folgerichtig schauen wir uns jetzt den anschließenden Text an, das heißt ab Kapitel 1, Vers 3. Ich habe mir vorgenommen, zunächst bis Vers 11 zu lesen, weil das ebenfalls ein Sinnabschnitt ist.
Wenn ich es grob zusammenfassen würde, bevor ich den Text lese, dann würde ich sagen: Hier geht es um Leute in der Gemeinde, die Ärger machen. Eigentlich ein unangenehmes Thema. Aber es gibt immer wieder solche Menschen in der Gemeinde, die Ärger verursachen. Genau um diese Leute geht es an dieser Stelle.
Wenn wir das lesen, können wir es aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachten. Wir können nämlich danach suchen, wo die anderen sind, die uns ärgern. Zugleich sollten wir auch ein wenig darauf achten, ob nicht vielleicht an der einen oder anderen Stelle eine Wahrheit enthalten ist, die uns selbst betrifft – ob wir vielleicht diejenigen sind, die Ärger machen.
Ich gehe mal davon aus, dass hier unter uns niemand ist, der es so arg betreibt wie diejenigen, die Paulus hier aufs Korn nimmt, als er an Timotheus schreibt. Aber es können durchaus Ansätze sein, bestimmte Eigenschaften, die zu Problemen in der Gemeinde führen können – und darum geht es.
Ich lese jetzt erst einmal den Text im Zusammenhang und werde anschließend auf die einzelnen Verse, insbesondere 1. Timotheus 1,3-11, eingehen.
Einführung in das Thema der Gemeindeprobleme
Ich habe dich ja bei meiner Abreise nach Mazedonien ermahnt, in Ephesus zu bleiben. Dort solltest du gewissen Leuten gebieten, keine fremden Lehren zu verbreiten und dich auch nicht mit Legenden und endlosen Geschlechtsregistern zu beschäftigen. Solche Dinge führen mehr zu Streitfragen als zur göttlichen Erbauung im Glauben.
Das Endziel des Gebotes ist jedoch Liebe aus reinem Herzen, gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben. Davon sind einige abgeirrt und haben sich unnützem Geschwätz zugewandt. Sie wollen Lehrer des Gesetzes sein, verstehen aber nicht, was sie verkündigen und als Gewiss hinstellen.
Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn man es gesetzmäßig anwendet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einem Gerechten kein Gesetz auferlegt ist, sondern den Gesetzlosen und Widerspenstigen, Gottlosen und Sündern, Unheiligen und Gemeinen. Das sind solche, die Vater und Mutter misshandeln, Menschen töten, Unzüchtige, Knabenschänder, Menschenräuber, Lügner, Falschaussager und was sonst der gesunden Lehre widerspricht.
Dies alles steht im Einklang mit dem Evangelium der Herrlichkeit des glückseligen Gottes, das mir anvertraut worden ist.
Kontext und Hintergrund der Gemeinde in Ephesus
Soweit, also der große Gedanke, glaube ich, der hinter all dem steht: Paulus beschreibt einige Personen aus der Gemeinde. Die Frage ist ganz klar: Welche Gemeinde ist das? Paulus schreibt ja von Ephesus.
In der Gemeinde in Ephesus schreibt Paulus dem Timotheus, der an seiner Stelle die Gemeinde leiten, führen oder zumindest Probleme schlichten soll. In dieser Gemeinde gibt es ein paar Leute, die Ärger machen. Hier stellt Paulus gegenüber, wie diese sich verhalten und was sie tun. Er kennzeichnet ihr Verhalten und stellt dem gegenüber, wie es eigentlich sein sollte. Das wollen wir uns jetzt im Detail anschauen.
Zuerst also Vers 3: „Ich habe dich ja bei meiner Abreise nach Mazedonien ermahnt, in Ephesus zu bleiben.“ Erstmal Punkt bis dahin.
Hier kommt ein kleines bisschen Biografisches mit hinein. Wir finden wiederum eine Unterstützung dafür, dass Paulus eine ganz besonders innige Beziehung zu Timotheus gehabt hat. Das haben wir ja gestern, obwohl ich nur kurz darauf eingegangen bin, schon einmal angeschaut. In Kapitel 1, Vers 2, da sagt er: „Du bist mein echtes Kind im Glauben.“ Da merken wir diese innige Beziehung. Zu keinem anderen seiner Mitarbeiter sagt er das so.
Timotheus, und auch das wird uns sowohl in den beiden Timotheusbriefen als auch in der Apostelgeschichte vorgestellt, kommt eigentlich aus Lystra. Seine Mutter wird mit Namen genannt, Eunike, seine Großmutter Lois wird auch erwähnt. Im zweiten Timotheus 1,5 werden sie als Vorbilder erwähnt. Sie sind jüdischer Herkunft, aber beide sind auch gläubige Christen geworden und haben Timotheus von Jugend an in den christlichen Glauben eingeführt.
Von dem Vater hören wir nichts, weder seinen Namen noch sonstigen Hintergrund. Wir wissen, dass er kein Jude war, sondern Grieche. Das war übrigens für Timotheus manchmal ein gewisses Problem, gerade da, wo er im jüdischen Umfeld auftrat. Er war zwar formal Jude, aber na ja, ein Jude mit Makel. Denn normalerweise sollte eine Jüdin natürlich nur einen Menschen aus dem Volk Israel heiraten, und das hat sie hier nicht getan. Aber Paulus sagt, die beiden waren fromm.
Dann geht Timotheus, und das lesen wir in der Apostelgeschichte, mit Paulus nach Athen. Später wird er als Bote nach Mazedonien und nach Korinth gesandt. Nach Korinth wird er unter anderem im zweiten Korintherbrief erwähnt, wo Paulus den Timotheus als engen Vertrauten schickt, um dort den Streit, der zwischen ihm und der Gemeinde ausgebrochen ist, zu schlichten.
Er wird dann nach Thessalonich gesandt, um die Gemeinde zu beraten, und ist auch als Stellvertreter des Paulus unterwegs nach Philippi. Also viele der Gemeinden, die Paulus besucht hat, wo er selbst nicht mehr hingehen kann, entweder weil er anderweitig gerade unterwegs ist, wie hier in Mazedonien, oder in späterer Zeit, wo er in der Gefangenschaft ist, sendet er Timotheus, der ganz in seinem Sinn weitergeben und Probleme schlichten soll, die in der Gemeinde auftreten.
Das ist also der kleine biografische Hintergrund, den wir haben. Insofern können wir davon ausgehen, Paulus ist in Mazedonien und schreibt jetzt dem Timotheus, der in Ephesus die Schwierigkeiten dort regeln soll, die es in der Gemeinde gibt.
Dann geht es weiter: Was soll er da nämlich tun? „Dass du gewissen Leuten gebietest, keine fremden Lehren zu verbreiten.“
Erstmal klingt das für uns schon ein bisschen ungewohnt. Diese Wortwahl trifft Paulus: „gewisse Leute“. Oder könnten wir sagen: „Ja, was meinst du denn damit?“ Ich glaube, zu diesen gewissen Leuten gehören zwei Personen, die uns am Ende des Kapitels genannt werden.
Da steht nämlich in Vers 20, Ende des Kapitels, dass es einen Hymenäus und einen Alexander gibt, von denen Paulus dann sagt, dass er sie dem Satan übergeben hätte. Was das nun im Genauen bedeutet, das kommt später. Das müssen wir jetzt noch nicht anschauen.
Auf jeden Fall nennt Paulus hier zwei Namen. Diese gehören, soweit ich es einordnen würde, zu diesen gewissen Leuten, nämlich Leuten, die Unruhe in der Gemeinde bringen und falsche Lehre verbreiten.
Wobei wir bei den falschen Lehren noch feststellen werden, dass es häufig darum geht, wie sie mit dem Wort Gottes umgehen und wie sie ihr Leben falsch führen. Das sind zwei wesentliche Punkte, die hier mit erwähnt werden.
„Gewisse Leute“ beinhaltet allerdings auch die Feststellung, dass es nicht der Großteil der Gemeinde ist. Es ist kein Problem, das die ganze Gemeinde betrifft, wo alle falsch sind, sondern es sind einige wenige. So ist es häufig auch in Gemeinden, aber diese wenigen machen den Mund auf und verführen dadurch viele.
Deshalb geht Paulus auch stärker mit ihnen ins Gericht. Deshalb steht so scharf: „Dass du ihnen gebietest, keine fremden Lehren zu verbreiten.“
Diese gewissen Leute werden uns auch in Vers 7 genannt. Dort wird gesagt, dass sie Lehrer des Gesetzes sein wollen. So kommen wir gleich noch dazu.
Ich habe den Eindruck, dass Paulus auch deshalb, und hier haben wir wieder den Zusammenhang im ersten Timotheusbrief, später auf die Qualifikation der Ältesten eingeht, vermutlich waren das Leute, die sich selbst herausgekehrt haben: „Wir sind die richtigen Gesetzeslehrer, wir wissen genau, wie es laufen muss.“
Sie haben die Gemeinde eher verführt, als sie richtig angeleitet. Scheinbar gab es in der Urgemeinde viele Gemeindeleiter oder Älteste, die keinen Durchblick hatten und die Gemeinde nicht richtig angeleitet haben. So dass Paulus dem Timotheus hier noch mal ganz deutlich schreiben muss: „Das sind die Kriterien, auf die es ankommt.“ Das muss er wahrscheinlich insbesondere schreiben, weil es in Ephesus eben nicht so gelaufen ist.
Da sind einige dieser Lehrer, die er kritisiert, die die Gemeinde in die Irre geführt haben. Es scheint so, dass beide ausgeschlossen worden sind, im Vers 20, wo Paulus schreibt, dass er sie dem Satan übergibt. Was das im Detail heißt, werden wir noch sehen. Aber zumindest scheint es so zu sein, dass sie jetzt nicht mehr in verantwortlicher Position in der Gemeinde sind.
Dass diese Irrlehrer das waren, davon müssen wir ausgehen. Denn es steht ja im Folgenden, dass sie viele Leute verführt haben. Gerade deshalb ist Paulus so streng vorgegangen.
Wenn das nur eine Privatmeinung gewesen wäre, wenn sie nicht als Lehrer aufgetreten wären, hätte Paulus dem Timotheus hier ganz andere Regeln gegeben. Er hätte gesagt: „Führe mal seelsorgerliche Gespräche und kümmere dich um die Leute, führe sie wieder auf den richtigen Weg.“
Das war an dieser Stelle aber nicht möglich, weil diese Leute in aller Öffentlichkeit andere mit auf ihren falschen Weg geführt und diejenigen, die Gott richtig nachfolgen wollten, sogar diskreditiert haben.
Deshalb musste man hier stärker eingreifen. Wenn Paulus von „gebieten“ spricht, dann ist das eigentlich ein Begriff aus der militärischen Sprache. Normalerweise wurde er gebraucht, wenn ein Offizier seinen Soldaten einen Befehl gab.
Insofern ist auch das, was Paulus hier schreibt, nicht nur: „Na ja, rede mal mit ihnen, und wenn sie sich bei einem Gespräch überzeugen lassen, ist das schon alles.“
Sie sind im Moment zumindest unbelehrbar. Hier müssen stärkere Seiten aufgezogen werden. Deshalb gebiete, befehle du so, wie ein Offizier seinen Soldaten befiehlt: Schluss, kein Wort mehr! Ihr dürft nicht mehr reden.
Das ist auch gerade ein Problem dieser falschen Lehrer. Die würden dich nämlich in endlose Diskussionen verstricken. Dann bist du endlos am Diskutieren und kannst dich nicht mehr um die Gemeinde kümmern. Die drehen dir das Wort im Munde um.
Deshalb sagt Paulus: „Nein, Schluss, sag ihnen einfach kein Wort mehr!“ Manchmal braucht es das.
Das klingt uns heute, mit Demokratie und Meinungsfreiheit, richtig radikal. Aber hier an dieser Stelle ist Paulus radikal. Er sagt, die diskutieren nur um des Diskutierens willen. Sie wollen nur die Leute auf ihre Seite bringen. Hier ist Diskussion nicht angesagt, sondern Gebieten.
Sag einfach: Schluss, es geht nicht mehr weiter!
Und was machen diese Leute? Sie bringen fremde Lehren. Fremde Lehren heißt: welche, die nicht dem Evangelium entsprechen.
Dazu gibt es einen Widerstand, einen Gegensatz. Wir lesen übrigens dieselbe Formulierung noch einmal in Kapitel 6, Vers 3, wo wir merken, dass das Paulus die ganze Zeit beschäftigt.
Dort heißt es: „Wenn jemand fremde Lehre verbreitet und nicht die gesunden Worte unseres Herrn Jesus Christus annimmt und die Lehre, die der Gottesfurcht entspricht, so ist er aufgeblasen und versteht doch nichts, sondern ist krank an Streitfragen und Wortgefechten.“
Dann geht es noch weiter, was passiert.
Hier hat Paulus scheinbar dieselben Menschen im Blick, die eine falsche Lehre bringen und die, wie wir im Folgenden lesen, leere Streitgespräche führen und theologisch wichtige oder scheinbar wichtige Sachen behandeln, die aber das Wesentliche aus dem Blick lassen.
Das Wesentliche ist das Evangelium, und darauf kommt Paulus im Folgenden noch zu sprechen. In den folgenden Versen werden wir das noch sehen.
Die Art der falschen Lehren und ihre Folgen
Was lehren diese Leute nun im Detail? In Vers 4 finden wir einige Hinweise. Dort steht, dass Paulus diesen Leuten gebieten soll, aufzuhören, fremde Lehren zu verbreiten und sich nicht mit Legenden und endlosen Geschlechtsregistern zu beschäftigen. Hier nennt er einige Details, die gerade diese Irrlehrer in Ephesus betrafen und welche Ideen und Lehren sie verbreiteten.
Wenn wir das lesen, heißt es, sie hätten sich mit Legenden beschäftigt. Was ist damit gemeint? Heute würden wir sagen: Es gibt ja Legenden. Wir waren gerade als Familie im Urlaub und haben am letzten Tag in Nördlingen das Stadtmuseum besucht. Dort gibt es eine Geschichte über ein Schwein: Im Mittelalter wollte ein Graf die Stadt einnehmen, doch des Nachts lief ein Schwein davon. Eine Frau lief ihm nach, wodurch die ganze Stadt aufwachte und der Graf die Stadt nicht einnehmen konnte. Eine schöne Geschichte, oder? Sehr wahrscheinlich stimmt sie nicht, sie ist eine Legende.
Jetzt könnten wir sagen: Paulus sagt, wir sollen uns nicht mit Legenden beschäftigen. Also müsste ich sagen: Michael, was hast du gemacht? Du hast dir das im Museum durchgelesen und sogar angeschaut. Nein, darum geht es hier nicht. Wenn du Legenden zur Unterhaltung liest oder um Geschichte besser zu verstehen, ist das nicht gemeint. Hier sind Legenden gemeint, die in den Glauben einbezogen werden. Denn darum geht es ja in der Gemeinde.
Die Römer und Griechen, das Umfeld, in dem die Menschen damals lebten, waren sehr begeistert von solchen Legenden. Wenn ihr Berichte aus dieser Zeit gelesen habt, wurde für alles Mögliche eine schöne neue Legende erfunden. Vielleicht kennt ihr die Gründung der Stadt Rom: Romulus und Remus, die beiden kleinen Jungen, die von einer Wölfin gesäugt wurden. Alles natürlich nur Legende. Solche Legenden sind gemeint, die eine religiöse Bedeutung haben.
In der frühen Christenheit gab es solche Leute, die aus der Begeisterung der Römer und Griechen für solche Legenden, die das gegenwärtige Leben erklären sollten, zusätzliche Geschichten erfanden. Sie wollten zum Beispiel wissen, wie es zu Abraham kam, und haben allerlei dazu erfunden. Manche dieser Legenden finden sich in den apokryphen Evangelien. Ich weiß nicht, ob ihr da mal gelesen habt. Dort gibt es Geschichten über Jesus als kleinen Jungen.
Eine bekannte Geschichte aus dem Thomas-Evangelium beschreibt, dass Jesus mit seinen Freunden aus Lehm kleine Vögelchen und Tierchen formte, mit denen sie spielen wollten. Weil das langweilig war, blies Jesus sie an, und plötzlich konnten sie sich bewegen: Das Vögelchen flog weg und die Tierchen liefen herum. Eine schöne Legende, oder?
Man könnte sagen, Jesus hätte das theoretisch machen können, denn er war ja Gott. Aber wahrscheinlich hat er es nicht getan, zumindest gibt es keine glaubwürdige Quelle dafür. Diese Geschichten stammen aus späterer Zeit und sind fromme Fantasie. Solche Legenden sind hier gemeint.
Übrigens sind die apokryphen Evangelien heute wieder in Mode. Ihr könnt heute im Supermarkt Bücher kaufen, die „verbotene Evangelien“ heißen. Das weckt natürlich Neugier, denn es klingt so, als seien sie verboten, vielleicht von der katholischen Kirche oder dem Papst. Aber wenn ihr sie lest, werdet ihr feststellen, dass sie ziemlich langweilig sind. Die Hälfte versteht man sowieso nicht – nicht, weil ich euren Intelligenzquotienten in Frage stelle, sondern weil sie sich stark auf damalige Diskussionen beziehen. Wenn man die Spätantike nicht studiert hat, versteht man nicht, was gemeint ist.
Zum Beispiel wird dort erwähnt, dass man die Achonten durch den Kosmos begleitet. Was soll man damit anfangen? Dann folgen seitenlange Beschreibungen, was diese Achonten tun und sagen. Wenn du dich nicht mit der Spätantike auskennst, sagt dir das nichts. Solche Legenden waren damals in Mode.
Auch Geschlechtsregister waren beliebt. Römer und Griechen waren begeistert davon. Jeder, der etwas auf sich hielt, hatte ein eigenes Geschlechtsregister, in dem seine Abstammung aufgelistet war. Ihr wisst ja zum Beispiel, wie das bei Julius Caesar war: Er meinte, von einer Göttin abzustammen – ich erinnere mich nicht mehr genau, aber es könnte Venus gewesen sein. Auf jeden Fall wurde ein ganzes Geschlechtsregister aufgezählt.
Das war auch bei den Deutschen noch vor zweihundert, dreihundert Jahren in Mode, allerdings nur bei den Adligen. Die, die es werden wollten, beauftragten jemanden, ein Geschlechtsregister zu erstellen. Dabei landete man schnell in der Mythologie, denn es ging nicht darum, ob der Vorfahr Bauer oder Schreiner war – das wäre langweilig gewesen. Vielmehr sollten die Vorfahren Kaiser sein, bei den Nibelungen dabei, letztlich sogar Götter. Das ist mit den Geschlechtsregistern gemeint.
Auch die Judenchristen achteten auf Geschlechtsregister. Besonders im Zweiten Buch Mose und an anderen Stellen wurden sie ausführlich gelesen. Dabei interpretierten sie die Namen oft sehr wild. Sie drehten jeden Namen mehrfach um, rechneten Quersummen und versuchten herauszufinden, welche geheime Lehre dahinterstecken könnte. Solche Leute gab es damals und gibt es heute manchmal auch.
Man liest die Geschlechtsregister und fragt sich, was daraus alles entstehen kann. Es gibt wirklich gute Erkenntnisse, aber auch wilde Spekulationen. Häufig wurden die Register allegorisch ausgelegt, also übertragen verstanden. Es ging nicht um reale Menschen, sondern die Register sollten bestimmte Lehren enthalten. Darauf bezieht sich Paulus hier.
Paulus stellt dem diese Irrlehren gegenüber. Er sagt, es gibt Leute, die Legenden nachgehen – frei erfundene Geschichten, apokryphe Evangelien und endlose Geschlechtsregister mit wilden Spekulationen. Ich glaube, so eine Tendenz gibt es auch heute in christlichen Gemeinden.
Manche haben Lieblingsideen, aus denen sie etwas herauslesen und daraus eine riesige Sache machen. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt. Zum Beispiel gibt es Leute, die sich lange und intensiv mit sogenannten Präadamiten beschäftigen. Niemand ruft jetzt, dass das euer Hobby sei. Präadamiten sind Menschen, die vor Adam gelebt haben sollen.
Vielleicht denkt ihr: Was sind das für seltsame Lehren in der Bibelschule Brake? Ich glaube nicht, dass es vor Adam Menschen gab, denn die Bibel sagt das nicht so. Aber es gibt diese Lehre, dass es vorher schon Menschen gegeben habe. Dann kann man das Alte Testament durchgehen und überall noch Hinweise darauf suchen oder nicht finden.
Diese Lehre beruht im Grunde auf einer kleinen Aussage im Schöpfungsbericht: „Und Gott schuf die Erde, und die Erde war wüst und leer.“ Daraus wird geschlossen, dass es vorher schon eine Welt gegeben haben müsse, die verfallen sei. Vielleicht durch einen Atomkrieg oder Ähnliches. Man kann das noch mit Erich von Däniken vermischen, der von früheren Hochkulturen und der Bagdad-Batterie berichtet, die vor Jahrtausenden Batterien gebaut haben soll. So entsteht eine riesige Geschichte.
Also so kann das heute aussehen. Nicht, dass ihr mir böse seid, wenn ihr an Präadamiten glaubt – seid selig darin. Aber vergesst nicht das Wesentliche, das Evangelium. Wenn ihr als Lehrer solche Sachen vortragt und die Leute auf falsche Gleise führt, sodass sie endlos darüber spekulieren, dann ist Vorsicht geboten.
Es gibt auch andere Beispiele, etwa Christen, die eine riesige Sache aus Dämonen machen. Ich habe ein Buch gelesen, in dem 250 Dämonennamen genannt wurden, die überall unterwegs seien. Man müsse sie alle kennen und aus der Bibel herauslesen, wo welcher Dämon mit welchem Namen vorkommt. Natürlich steht kein einziger dieser Dämonen in der Bibel. Aber es klingt spannend und geistlich.
Solche Leute müssen es hier gewesen sein: Legenden, also freie Phantasien, die fromm klingen, oder die allegorische Auslegung von Geschlechtsregistern, um Streitfragen zu erzeugen. Die Folge ist, dass sie mehr Streit als göttliche Erbauung im Glauben bringen.
Paulus sagt, diese Streitfragen sind sinnlos. Sie führen nicht zur Erbauung, sondern zu Auseinandersetzungen. In Kapitel 6, Verse 3 bis 5 spricht er von sinnlosen Grübeleien. Man kümmert sich nicht mehr um das praktische Christentum und die klaren Lehren der Bibel, sondern um Randbereiche, die spannend klingen, aber meist nur zu Streit führen.
Das Hauptaugenmerk eines Lehrers in der Gemeinde soll nicht sein, seine privaten Hobbys oder Spezialkenntnisse vorzutragen, egal ob wahr oder nicht. Es geht in erster Linie um die Erbauung der Gläubigen – ganz pragmatisch.
Allerdings gilt auch: Die Lehre der Bibel ist nicht Selbstzweck. Es geht nicht darum, die Lehre auswendig zu können. Der beste Christ ist nicht derjenige, der auf jede dogmatische Frage eine Antwort hat. Das heißt nicht, dass Dogmatik, also die systematische Theologie und die Auseinandersetzung mit biblischen Lehren, nutzlos ist. Im Gegenteil, sie ist sehr wichtig.
Aber sie hat einen Zweck: Gott besser zu erkennen und unser Leben mit Jesus besser zu führen. Dogmatik ist nicht Selbstzweck. Sonst müsste der beste Christ derjenige sein, der am längsten Theologie studiert hat, alle Fachworte kennt und Gott erklären kann, wie er ist. Manchmal hat man den Eindruck, manche Theologen könnten das. Dabei fehlt oft die Demut.
Paulus führt im Folgenden aus: Wie sieht es mit deinem Leben aus? Mag sein, dass du alles richtig weißt, aber wie sieht es mit dem täglichen Leben aus? Deshalb diese Sache.
Übrigens richtet sich Paulus an dieser Stelle wahrscheinlich auch an die Gnostiker, auf die ich hier aber nicht im Einzelnen eingehe.
Das Ziel des Gesetzes und die Gefahr der Gesetzlichkeit
Dann geht es in Vers 5 weiter: Das Endziel des Gebotes aber ist die Liebe. An dieser Stelle wird die Liebe noch etwas näher beschrieben. Hier greift Paulus sehr wahrscheinlich wiederum eine Lehre dieser Irrlehre an. Diese Irrlehre hat also nicht nur Legenden verbreitet und endlose Geschlechtsregister aufgeführt, die dann willkürlich ausgelegt wurden, sondern sie haben sich scheinbar auch intensiv mit dem Gebot auseinandergesetzt. Mit dem Gebot ist hier das Gesetz des Alten Testaments gemeint.
Scheinbar waren das auch irgendwie judaistische Lehrer, die gefordert haben, dass man bestimmte Gebote in der Gemeinde einhalten müsse. Dieses Einhalten der Gebote haben sie aus dem Alten Testament, aus den Geschlechtsregistern und den Legenden abgeleitet. Paulus will hier sagen: Ja, das Gebot ist schon ganz gut. Das sagt er ja auch in Vers 8: „Wir wissen, dass das Gesetz gut ist.“ Also geht er wieder auf diese Irrlehre ein, die das Gesetz sehr stark betont und sagt: Du musst dich doch nach dem Gesetz halten.
Dann sagt er aber, wir dürfen dabei nicht aus dem Blick verlieren, dass das Endziel des Gebotes die Liebe ist. Das finden wir zum Beispiel auch im 1. Korinther 13. Liebe meint hier nicht eine allgemeine Sentimentalität, also etwas Konturloses, nicht bloß eine Emotion. Das Gebot ist nicht dafür da, dass wir uns einfach wohlfühlen. Vielleicht habt ihr euch gestern im positiven Sinne wohlgefühlt, weil ihr Freunde wiedergetroffen habt, die ihr seit einem Jahr nicht gesehen habt, und man knüpft irgendwo dabei an. Das ist gut, aber das ist nicht die Liebe, die hier gemeint ist. Das ist das rein Menschliche.
Leute aus dem Fußballverein, die sich lange nicht gesehen haben, werden sich wahrscheinlich auch herzlich begrüßen und sich freuen, sich wiederzusehen, und sich über das Fußballspielen austauschen. Das ist gut, das ist menschlich, da ist kein Problem dabei. Aber das ist keine Spezialeigenschaft des geistlichen Lebens. Da kommt noch etwas dazu: eine tiefergehende Liebe, wie sie im 1. Korinther 13 beschrieben wird. Das ist das eigentliche Ziel des Gebotes.
Hier gab es Leute, die gefordert haben: „Jetzt musst du das Gebot einhalten, und das Gebot, und das Gebot.“ Aber sie haben ganz außer Acht gelassen, wofür Gott diese Gebote überhaupt gegeben hat. Sie missbrauchen die Gebote, und das werden wir im folgenden Text noch näher sehen. Sie missbrauchen die Gebote, um die Gemeinde zu unterdrücken, also um die Leute noch mehr unter Druck zu setzen: „Ihr müsst noch das tun, ihr müsst noch das tun, und dann seid ihr richtige Christen. Wenn ihr das nicht tut, dann eben nicht.“
Was sie vollkommen vergessen, ist die Botschaft des Evangeliums der Gnade – errettet durch Gnade, die Liebe, die Gott den Menschen entgegenbringt. Das kommt dabei unter die Räder. In ganz radikalem Maße sehen wir das bei bestimmten sektiererischen Gruppierungen.
Ich weiß nicht, ob jemand von euch eine besondere Nähe zu den Adventisten hat, aber zum Beispiel bei den Adventisten gibt es einen ganzen Katalog von Verboten und Geboten, was man tun soll und nicht tun soll. Beispielsweise gibt es bestimmte Kleiderregeln: Welche Kleider man tragen darf und welche nicht. Ich meine jetzt nicht Rock oder Hose, sondern zum Beispiel aus dem Alten Testament, dass keine zwei Gewebefasern miteinander gemischt werden dürfen.
Es gibt Speiseregeln. Wusstet ihr übrigens, dass die Adventisten Cornflakes erfunden haben? Ihr dürftet sie trotzdem weiter essen, aber Herr Kellogg war Adventist in den USA, ist längst tot, und er hat die Kellogg-Cornflakes erfunden, weil sie speziell den adventistischen Speiseregeln entsprechen. Man darf sie am Morgen essen, viele andere Sachen eben nicht.
Dann haben die Adventisten ein eigenes Gesundheitswerk in Lüneburg, wo sie eigene Lebensmittel herstellen. Bei den Adventisten darf man den Gottesdienst nicht einfach am Sonntag feiern, das ist ganz schlimm, sondern nur am Sabbat, also am Samstag. Und so weiter und so fort.
Oder dann kommst du zu den Zeugen Jehovas, die machen das genauso: Gesetze aus dem Alten Testament. Du musst Gott Jehova nennen. Wenn du ihn nicht Jehova nennst, ist alles vorbei, du gehst ewig verloren. Und wenn du dann noch die schlimme Sache tust, bei einem Autounfall oder einer Operation eine Bluttransfusion zu machen, dann ist sowieso alles aus, das ist auch vorbei. Oder wenn du Geburtstag feierst, das ist auch ganz, ganz schlimm.
Und da werden immer biblische Sachen herangezogen. Wenn ihr mal mit Zeugen Jehovas diskutiert habt, werdet ihr genau das merken, was Paulus hier zitiert: endlose lehrmäßige Diskussionen, die zu nichts führen. Da werdet ihr genau das erleben.
Dann sagen sie: „Ja, in der Bibel steht doch kein einziges Mal positiv vom Geburtstag feiern.“ Also sei der Geburtstag vom Teufel. Das einzige Mal, wo Geburtstag gefeiert wird, sei zum Beispiel bei Herodes, als Salome tanzte. Das sei ein Geburtstagsfest, und das sei schlecht und negativ, also lassen wir es. Weihnachten feiern ist übrigens auch schlecht, weil Weihnachten heidnisch sei, und so weiter und so fort.
Ich will euch jetzt nicht durcheinanderbringen, indem ich euch all diese Sachen aufzähle. Ich will euch nur sagen: Das gibt es. Es gibt Leute, die sich auf Gebote des Alten Testaments stützen, aber sie vollkommen missbrauchen, um Christen unter Druck zu setzen. Die Erlösung allein genügt nicht. Du musst noch das und das und das tun, und dann bist du erst richtiger Christ. Gegen diese Haltung wendet sich Paulus hier.
Er sagt also, diese Leute beschäftigen sich mehr mit Streitfragen, die mehr Streit hervorrufen als göttliche Erbauung im Glauben. Das Endziel des Gebotes aber ist Liebe aus reinem Herzen, gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben. So sollen wir es eigentlich machen.
Hier heißt es: reines Herz. Wir sollen in uns hineinschauen und sehen, wo das Böse und Schlechte ist. Das soll ausgeräumt werden und durch Jesus vergeben werden, und dann können wir ein reines Herz haben. Damit ist nicht gemeint, dass wir das von Natur aus haben können.
In dieselbe Richtung geht das gute Gewissen. Von Natur aus können wir ja gar kein gutes Gewissen haben. Ich habe nur ganz wenige Leute erlebt, die mit gutem Gewissen auftraten, und meistens waren das Leute, die gar nicht gläubig waren, weil sie ihre Maßstäbe des Lebens so umgebaut haben, dass sie genau auf ihr Leben passen. So funktioniert das mit dem Gewissen auch.
Du sagst: „Wenn du dich durchsetzt, ist das gut.“ Aber wenn du dich durchsetzt und rechts und links fallen alle um und sind fertig, dann hast du gutes Gewissen, weil du genau das gemacht hast, was nach deinem Maßstab richtig ist. Das sollte natürlich nicht so sein. Ein Gewissen sollte nach den Ordnungen Gottes ausgerichtet sein, und dafür sind die Gebote da.
Die Gebote sind nicht da, um Leute unter Druck zu setzen, sondern als Gewissen: Achte darauf, Gott will dir sagen, du bist da noch falsch. Und zwar damit du Gott um Vergebung bittest, damit er dir Vergebung gibt und du neu anfangen kannst. Wenn Gott dann alles offenbart hat in deinem Leben an Sünde und vergeben hat, kannst du ein reines Gewissen haben. Vorher nicht.
Also sollten wir kein reines Gewissen haben, indem wir die biblischen Ordnungen so weit herabsetzen, dass sie mit unserem Leben übereinstimmen. Das tun manche Menschen auch, aber das bringt nichts. Wir sollten unser Gewissen fein spüren lassen, wo etwas falsch ist. Wir sollten Gott reden lassen in unserem Leben. Wir sollten auch die Gebote Gottes lesen, um zu sehen, wo wir nicht dem Denken Gottes entsprechen.
Aber dann sollen wir nicht versuchen, das mit eigener Gesetzlichkeit auszuführen, sondern zu Jesus kommen und sagen: „Vergib du mir, ich bin da falsch.“ Dann können wir ein reines Gewissen haben. Das wird hier gesagt, zusammen mit der Liebe und ungeheucheltem Glauben.
Das Thema Heuchelei wird hier am Rande berührt und ist immer eine Gefahr für jeden Christen. Je länger wir Christen sind, desto mehr wissen wir, was eigentlich im Alltag von Christen erwartet wird. Umso größer ist die Gefahr, dass wir genauso leben und reden, wie es erwartet wird, aber in Wirklichkeit kein echtes geistliches Leben dahintersteckt.
Das muss nicht unbedingt böse gemeint sein. Man kann ganz leicht hineinstolpern. Das merken wir vielleicht, wenn wir selbst sensibel sind. Wenn wir fromme Ausdrücke gebrauchen, aber in uns hineinhören und merken, dass wir diese Ausdrücke eigentlich gar nicht verstehen oder nicht meinen, was wir sagen. Schon ist das Heuchelei.
Heuchelei ist natürlich tödlich für das geistliche Leben und auch für die Gemeinde, aber Heuchelei ist weit verbreitet. Warum? Weil Heuchelei so einfach ist. Du kannst viel besser ein geistliches Leben heucheln, als es echt zu führen.
Vor allem wirst du als Heuchler in der Gemeinde viel mehr anerkannt als als ehrlicher Christ. Das ist leider so. Wenn du als Heuchler auftrittst und sagst: „Halleluja, mir geht es gut, im geistlichen Leben ist alles super,“ dann bist du der Held. Wenn du aber sagst: „Ich habe hier ein Problem und bin in Sünde gefallen, vergebt mir,“ dann bist du der Verlierer.
In manchen Gemeinden ist das stärker, in anderen weniger. In manchen Gemeinden werden Christen regelrecht zu Heuchlern erzogen. Besonders stark merkt man das bei Kindern. Die haben eine Sensibilität und merken oft, dass die Eltern zwiespältig sind: In der Realität sind sie so, im Gottesdienst aber ganz anders. Plötzlich ändert sich der Tonfall, es kommen fromme Ausdrücke, und die Kinder verstehen nicht mehr, wie die Eltern sprechen.
Wenn Kinder sensibel sind und das merken, wenden sie sich oft ab und wollen nichts mehr davon wissen. Andere Kinder übernehmen es und machen es genauso. Das sind manche Jugendlichen, die sich taufen lassen, aber nie zum Glauben gekommen sind. Warum? Weil sie vor der Gemeinde genau wissen, was sie sagen müssen.
Sie sagen: „Ich bin ein Sünder, Jesus ist für mich gestorben, ich will mich taufen lassen.“ Und welche Gemeinde würde da Nein sagen? Zuerst sagt man Ja. Ich habe selbst erlebt, dass bei Evangelisationen Leute zum Glauben kamen, die schon seit Jahren in der Gemeinde waren, zum Teil sogar Mitarbeitende, aber noch nicht gläubig.
Das kann genau dadurch kommen, dass Jugendliche merken, in der Gemeinde herrscht eine Atmosphäre der Heuchelei, die sie übernehmen und dann sagen, was die Leute hören wollen. Im Grunde bringt das nichts. Viele sind dann frustriert von ihrem geistlichen Leben, weil sie nichts mit Gott wirklich erleben, sondern nur so reden.
Deshalb warnt Paulus hier davor. Das bringt alles nichts. Dein Glaube muss aus ungeheucheltem Glauben sein, ebenso aus gutem Gewissen und reinem Herzen.
Davon sind einige abgeirrt und haben sich unnützem Geschwätz zugewandt. Das heißt, scheinbar ist es möglich, als guter Christ zu beginnen und dann irgendwo fernab des richtigen Glaubens zu landen.
Ich möchte jetzt keine große Diskussion darüber losbrechen, ob es eine Verlierbarkeit des Heils gibt oder nicht. Ich weiß, manchen ist das egal, anderen ist das die entscheidende Lehre in der Bibel. Deshalb will ich das jetzt nicht aufgreifen. Das können wir gesondert mal an einem Nachmittag an biblischen Stellen nachgehen.
Aber was hier steht, ist: Davon sind einige abgeirrt. Einige hatten scheinbar die richtige Erkenntnis vom Glauben, hatten gutes Gewissen und ungeheuchelten Glauben, sind dem nachgefolgt und dann abgeirrt. Sie wollten nichts mehr davon wissen und sind jetzt weg – weg vom Glauben, weg von der Gemeinde zumindest. Das ist nicht erstrebenswert.
Das fordert uns heraus, die wir meinen, wir sind auf dem richtigen Weg. Denkt daran: Das muss nicht ewig so bleiben. Es gibt Verführung, die Möglichkeit, dem Glauben den Rücken zu kehren und in tiefe Krisen zu geraten.
Das soll uns nicht in Angst und Schrecken versetzen, sondern uns umso mehr in die Abhängigkeit von Gott bringen. Wir sollten uns nicht auf die Schulter klopfen und sagen: „Ich habe die ganze Lehre der Bibel verstanden, alles klar, ich habe ein Buch von Dr. Ryrie ‚Die Bibel verstehen‘ durchgelesen, alle Verse auswendig gelernt, jetzt ist alles klar, es kann mir nichts mehr passieren.“
Denkt daran: Es kann euch genauso passieren. Leider ist es eine schlimme Sache. Es gibt Bibelschüler, ehemalige Bibelschüler, die heute von Gott nichts mehr wissen wollen, keine Gemeinde mehr besuchen, gar nichts.
Wenn ich davon höre oder diese treffe, denke ich immer noch: Gott ist nicht am Ende, das geht noch weiter. Wer weiß, wie es in zehn Jahren ist? Gott will dir ja nachgehen. Aber immerhin ist es schlimm, oder? Ich finde es schlimm, wenn ich daran denke, dass ich drei Jahre hier mit Leuten gelernt habe, die viel im Glauben begriffen haben, genauso wie Paulus hier es beschreibt, die es verstanden haben und nicht geheuchelt haben – und trotzdem sind sie später abgeirrt, wodurch auch immer.
An die wendet sich Paulus hier. Sie haben sich unnützem Geschwätz zugewandt. Dieses unnütze Geschwätz war an dieser Stelle sogar noch frommes Geschwätz. Es bringt für den Glauben nichts. Es werden eher Menschen groß gemacht als Gott durch dieses unnütze Geschwätz.
So gibt es auch Theologen, Prediger und Christen, denen es mehr um sich selbst geht als um Gott. Dann ist es natürlich unnütz und bringt letztendlich nichts.
Die Gefahr falscher Lehrer und ihre Motive
Was ist denn mit denen, die da abgeirrt sind? Das waren nicht einmal totale Atheisten, sondern sie wollten Lehrer des Gesetzes sein. Warum denn das? Ich vermute, es geht hier ein bisschen um das Prestigedenken. Der Lehrer ist derjenige, der vorne steht und anderen sagt, was sie denken und glauben sollen. Das bringt Prestige und Ansehen. Ich habe den Eindruck, genau darauf zielen sie an dieser Stelle ab: falsche Lehrer, Lehrer des Gesetzes.
Besonders wird darauf Wert gelegt, dass sie sich auf das Alte Testament bezogen haben. Lehrer des Gesetzes war auch ein typischer Name für einen rabbinischen Lehrer, so wie Paulus es ursprünglich auch war. Dann steht hier: „Und sie verstehen doch nicht, was sie verkündigen und als Gewiss hinstellen.“
Wenn hier steht, sie verstehen das nicht, könnte man das einerseits so interpretieren, dass sie absolut dumm sind. Sie reden irgendetwas, ohne selbst zu wissen, was sie sagen. Unser Sohn hatte neulich so eine Sache, die er ganz faszinierend fand: er reihte endlos Dinge aneinander. Das ging ungefähr so: „Ich lebe das Leben, in dem ich lebe, was ich lebe, und das Leben, das die anderen leben.“ Dann wollte er uns fragen: „Papa, verstehst du, was das heißt?“ Er hat das mit anderen Sachen genauso gemacht, zum Beispiel: „Ich freue mich mit der Freude, die ich freue, und der Freude von der Freude“ und so weiter.
Das kann man so machen, das hört sich auch gut an. Vielleicht kennt ihr manche Philosophen und Theologen, die so reden. Es klingt toll, aber am Ende fragt man sich: Was heißt das eigentlich? So ähnlich scheint es hier auch zu sein. Bei unserem Sohn war es nur Spaß, nicht ernst gemeint, einfach nur ein Spiel mit Worten. So kann das hier an dieser Stelle auch sein: Sie verstehen selbst nicht, was sie sagen.
Ich glaube allerdings nicht, dass die Lehrer ganz so waren, sonst hätten sie kaum jemanden verführen können. Ich habe den Eindruck, Paulus will hier sagen: Sie verstehen das Thema gar nicht, um das es geht. Sie lehren über etwas, aber sie begreifen nicht, worum die Hauptsache wirklich geht. Sie reden endlos über Gesetze, haben aber nicht verstanden, wofür Jesus eigentlich gekommen ist. Das heißt, sie können Hauptsache und Nebensachen nicht unterscheiden.
Sie lehren vom Gesetz des Alten Testaments, treten auf und sagen: Hier sind die zehn Gebote und dort die Heiligkeitsgebote. Doch sie wissen nicht, wofür die Gebote eigentlich da sind. Das ist ihr Problem. Sie haben ausführliche Theorien darüber, wie man die Gesetze einhält, was dazugehört und was nicht, aber sie verstehen nicht, wofür die Gesetze eigentlich da sind.
Ich glaube, das könnte eine Möglichkeit sein, was Paulus meint, wenn er sagt, sie verstehen nicht, was sie lehren. Es könnte sich auch darauf beziehen, dass sie nicht erkennen, welche Konsequenzen ihre Lehren haben. Was sie lehren, hat die Konsequenz, dass Jesus umsonst gestorben ist, wie Paulus im Galaterbrief sagt, wenn das wirklich stimmt, was sie lehren.
Das ist ihnen offenbar nicht bewusst. Sie treten als Lehrer auf, aus falscher Motivation. Aber die Gemeinde merkt es scheinbar nicht. Für Paulus ist sofort klar: Das stimmt nicht mit dem Evangelium überein. Und sie merken das nicht einmal.
Das Gesetz als gutes Mittel und seine richtige Anwendung
Wir wissen, dass das Gesetz gut ist. Das müssen wir immer im Kopf behalten. An einigen Stellen habe ich Paulus kritisiert, weil wir als Gläubige das Gesetz des Alten Testaments nicht in der gleichen Weise brauchen. Wir müssen es nicht halten, um gerettet zu werden. Paulus schreibt hier, ebenso wie im Römerbrief und im Galaterbrief, genau dasselbe: Das Gesetz ist gut.
Warum schreibt er das? Weil es in jeder Gemeinde Menschen gibt, sogenannte Irrlehrer, die auf die andere Seite umschwenken. Diese behaupten, das Gesetz sei überflüssig, man brauche es nicht mehr, denn wir seien frei. Freiheit kann in verschiedenen Gemeinden unterschiedlich verstanden werden. Manchmal heißt das: Tu, was dir gerade in den Sinn kommt.
Vor einiger Zeit erzählte mir ein Mitglied einer Gemeinde aus der „Wort und Geist“-Bewegung, dass ihm gesagt wurde: Geh ruhig ohne deine Frau in die Disco und sprich dort einige Mädchen an. Vielleicht finden sie dich attraktiv, und wenn sie offen für das Evangelium sind, kannst du ihnen davon erzählen. Ein anderes Beispiel aus derselben Bewegung: Ein Mann verliebte sich in die Frau des Lobpreisleiters. Man sagte ihm, dass Ehen nur für diejenigen gelten, die noch nicht gläubig sind. Gläubige hätten keine festen Ehebeziehungen mehr. Sie könnten sich scheiden lassen und wieder heiraten, wie sie wollen.
Das sind interessante Ideen, nicht wahr? Aber das ist natürlich nicht das, was Paulus meint. Das Gebot gilt weiterhin. Wir halten das Gebot nicht ein, um gerettet zu werden, sondern weil es etwas vom Denken Gottes widerspiegelt. Dafür ist das Gesetz gut.
Es bedeutet nicht, dass man tun kann, was man will. Das Gesetz ist tatsächlich gut. Paulus sagt aber auch: Wenn man das Gesetz gesetzmäßig anwendet, ist das der entscheidende Punkt. Wenn du das Gesetz benutzt, um die Gemeinde oder die Christen zu unterdrücken, dann ist das falsch. Das darfst du nicht tun.
Doch oft wird gar nicht mehr klar, wofür das Ganze eigentlich da ist. Man feiert den Gottesdienst am Sabbat und ist einfach froh, dass man das Gebot gehalten hat. Dabei stellt man sich nicht mehr die Frage, warum der Gottesdienst eigentlich da ist und warum man ihn am Sabbat halten sollte. Man hält sich nur an das Gesetz, weil es so vorgeschrieben ist.
Warum steht das Gesetz im Alten Testament? Es geht darum, die Ausrichtung auf Gott zu suchen. Doch oft wird das vergessen. Man ist nur froh, das Gebot eingehalten zu haben, und alles andere gerät in Vergessenheit.
Wenn Gesetze so angewandt werden, sind sie eher tödlich. Sie führen vom Glauben weg, weil das Gesetz dann gesetzmäßig und nicht im Geist angewandt wird.
Die Zielgruppe des Gesetzes und die Aufzählung der Sündergruppen
Und dann Vers neun berücksichtigt, dass einem Gerechten kein Gesetz auferlegt ist, sondern dem Gesetzlosen und Widerspenstigen. Hier wird eine ganze Reihe von Personengruppen aufgezählt, denen das Gesetz auferlegt ist. Das klingt zunächst vielleicht seltsam, nicht wahr? Es wird gesagt, das Gesetz sei für die, ich sage mal ganz allgemein, die Gottlosen und die Sünder. Und tatsächlich schreibt Paulus das hier.
Jetzt müssen wir natürlich immer die Frage stellen, inwiefern wir selbst noch Sünder sind. In dieser Hinsicht gilt das Gesetz auch für uns, denn wir sind ja nicht von dem Moment an, als wir zum Glauben kamen, für alle Zeiten sündlos. Leider haben wir immer noch mit der Sünde zu tun. Genau an dieser Stelle brauchen wir das Gesetz.
Wenn du aber in der Nähe Jesu bist, wenn du Jesus nachfolgst, dann musst du nicht von außen noch Gesetze aufgezwungen bekommen, nach dem Motto: „Jetzt musst du noch dies tun, und jetzt noch das.“ Wenn Gott dir aber anhand des Gesetzes aufzeigt, dass in deinem Leben etwas falsch ist, dann ist das Gesetz da.
Einige wollen das Gesetz, um dadurch gerettet zu werden oder um noch bessere Christen zu sein – so genannte Christen höherer Stufe, Elitechristen. Es gibt tatsächlich Gemeinden, in denen gesagt wird, es gäbe die normalen geretteten Christen und dann die Elitechristen, die reinen, die alle Gebote erfüllen. Das ist falsch und vollkommen daneben.
Aber wenn das Gesetz dazu dient, deine Sünde in deinem Leben aufzuzeigen, dann ist es genau richtig. Denn das brauchen wir. Uns muss immer wieder gezeigt werden, wo wir falsch liegen. Doch das ist eben der unterschiedliche Gebrauch des Gesetzes.
Ich möchte kurz darauf eingehen, welche verschiedenen Personengruppen hier genannt werden. Zuerst sind die Gesetzlosen genannt. Das Wort, das hier steht, ist a-nomoi. „Nomoi“ bedeutet Gesetz. Das sind also diejenigen, die ohne oder gegen das Gesetz sind. Es gibt gesetzlose Gemeinden, die bewusst Gebote überschreiten. Sie wissen, dass Morden verboten ist, Stehlen verboten ist, aber es kümmert sie nicht. Ihnen ist es total egal. Sie meinen, es ginge ihnen besser, wenn sie rauben, also bestehlen sie ihre Nachbarn.
Als Nächstes sind die Widerspenstigen genannt. Andere Bibelübersetzungen sprechen von den Ungehorsamen. Das sind diejenigen, die keine Autorität akzeptieren wollen, die zügellos und hochmütig sind oder nur ihrem eigenen Gefühl und ihrer Lust folgen. Diese brauchen das Gesetz, weil es ihnen deutlich zeigt: Du liegst falsch, das, was du tust, ist nicht richtig. Du richtest dich nur nach den Maßstäben deines Gefühls oder deines eigenen Willens. Autorität willst du nicht akzeptieren, aber du musst hören, dass es Autorität über dir gibt.
Dann sind die Gottlosen genannt, das griechische Wort hier ist asebeys. Das sind diejenigen, die regelrecht gegen Gott kämpfen, die meinen, ein Recht auf Sünde zu haben. Und zwar nicht, weil sie die Bibel nicht kennen, sondern weil sie die Bibel kennen, aber das Leben nach ihren eigenen Maßstäben führen wollen. Gott stört sie dabei nur. Das sind vielleicht die bekennenden Atheisten, die bewusst gegen Gott kämpfen.
Dann sind die Sünder genannt. Hier ist nicht jemand gemeint, der einmal eine Sünde tut, sondern jemand, dessen ganzer Lebensstil von Sünde geprägt ist. Im weltlichen Bereich wurden mit diesem Begriff liederliche, nachlässige und unnütze Sklaven bezeichnet, die nicht das tun, was sie eigentlich tun sollten.
Unheilig sind diejenigen, die die allgemeinen Ordnungen des Lebens nicht erfüllen. Dabei müssen keine christlichen Ordnungen gemeint sein. Zum Beispiel sind das Menschen, die ihrer Arbeit nicht nachkommen, die nicht fleißig oder nicht treu sind. Solche Dinge sind hier angesprochen.
Dann sind die Gemeinen genannt, oder in manchen Bibelübersetzungen die Ungeistlichen. Das sind diejenigen, die alles, was geistlich ist, entheiligen, lächerlich machen und darüber spotten. Auch sie brauchen das Gesetz.
Weiter geht es mit denen, die Vater und Mutter misshandeln. Man fragt sich: Was waren das für heftige Typen damals in der Gemeinde? Dort gab es offenbar Leute, die ihre Eltern misshandelten. Für sie ist das Gebot „Ehre Vater und Mutter“ da. Übertragen auf die Gegenwart gibt es leider auch heute Fälle, zum Beispiel im Zusammenhang mit Pflegeversicherungen. Viele ältere Menschen, die zu Hause gepflegt werden, werden misshandelt. Es gibt leider viele Fälle, in denen ältere Menschen oder auch Kinder gequält werden – etwa aus Rache oder weil sie früher etwas nicht erlaubt haben. Das kann für die Öffentlichkeit zunächst unsichtbar sein: Ein Rollstuhl kippt mal um, die Eltern werden nicht sauber gemacht oder nicht richtig gefüttert. Solche Dinge gab es offenbar auch damals schon. Für diese Menschen ist das Gesetz da.
Dann sind Menschen genannt, die andere töten. Hoffentlich tun wir das nicht, aber es ist ein Problem, das angesprochen wird.
Unzüchtige sind all diejenigen, die ihre Sexualität außerhalb der Ehe ausüben. Das heißt: vorehelicher Geschlechtsverkehr, Prostitution, Homosexualität – all diese Dinge sind unter dem Begriff „unzüchtig“ zusammengefasst.
Dann sind die Knabenschänder genannt. Hier ist speziell Homosexualität angesprochen.
Menschenräuber sind ebenfalls genannt. Damals gab es eine blühende Entführungsindustrie. Das ist in Deutschland heute nicht mehr ganz so aktuell.
Lügner und Meineidige werden auch genannt. Dazu braucht es nicht viel Erklärung.
Und schließlich all das, was sonst der gesunden Lehre widerspricht. Paulus nennt hier nur Beispiele. Er will sagen: All das, was der Ordnung Gottes widerspricht.
Für diese Menschen ist das Gesetz da. Sie müssen hören: Du liegst falsch. Aber nicht mit der Aufforderung: „Jetzt mach es selbst besser!“ Sondern erkenne deine Schuld und bitte Gott um Vergebung. Das ist dann die Botschaft des Evangeliums.
Die gesunde Lehre des Evangeliums
Dem wird die gesunde Lehre gegenübergestellt. Was kennzeichnet diese gesunde Lehre? Sie basiert auf dem Evangelium der Herrlichkeit des glückseligen Gottes, das mir anvertraut worden ist.
Das, was ein richtiger Christ tun soll, ist hier als gesunde Lehre beschrieben. Gesund bedeutet wörtlich „gesund machend“, also Gesundheit fördernd. Oft wird gesund im geistlichen Sinne verstanden, und das ist auch gemeint. Aber zunächst bezieht sich gesund auf körperliche Gesundheit. Damit ist nicht gesagt, dass jeder, der das Evangelium glaubt, sofort körperlich gesund wird. Es geht hier um die Lehre an sich.
Ich möchte hervorheben, dass falsche Lehre den Menschen krank macht. Besonders die hier angesprochene Gesetzlichkeit führt zu Krankheit. Sie verursacht Minderwertigkeitskomplexe, Depressionen und Ähnliches. Wenn ständig der Druck steigt, was noch alles getan werden muss, um Christ sein zu können, macht das krank. Demgegenüber steht die gesunde Lehre.
Wenn wir das Evangelium hören, in dem uns Vergebung zugesprochen wird, erleichtert uns das sehr. Natürlich vermeiden wir dann auch manche Dinge, die uns im Alltag krank machen. Wenn Gott beispielsweise den Hass in uns aufdeckt, können wir um Vergebung bitten, und Gott nimmt diese Sünde weg. Das spielt eine wichtige Rolle.
Es wird außerdem gesagt: Das Evangelium der Herrlichkeit – welche Herrlichkeit? Die Herrlichkeit Gottes, des glückseligen Gottes. Paulus sagt: „Das ist das, was ich verkündige.“
Der gesamte Text, den wir gelesen haben, stellt die gesunde Lehre des Evangeliums und die Vergebung durch Jesus allein der Lehre gegenüber, die Ärger in der Gemeinde verursacht. Besonders problematisch sind diejenigen, die sich als Lehrer aufspielen. Sie reden fromm, nehmen alttestamentliche Gebote und interpretieren sie so, dass sie Druck auf die Gemeinde ausüben.
Manche haben Lieblingsthemen wie Legenden und Geschlechtsregister. Sie versuchen, daraus geistliche Forderungen abzuleiten, die eigentlich nicht im Wort stehen. Dann verlangen sie, dass alle das glauben müssen, um richtige Christen zu sein. Dem soll sich Timotheus distanzieren.
Er soll keine langen Diskussionen führen, weil die Lage klar ist. Deshalb heißt es: „Gebiete, schweig, hör auf!“ Wenn sie nicht gehorchen, steht am Ende des Kapitels, dass man sie aus der Gemeinde ausschließen soll. Sonst schadet man dem eigenen geistlichen Leben und dem Leben der Gemeinde.
Irrlehre heute und ihre Erscheinungsformen
Irrlehre heute kann sich geistlich anhören. Ich möchte drei Punkte nennen, die bei diesen Irrlehrern besondere Schwierigkeiten verursachten.
Das erste Problem war die Ethik. Das tägliche Leben spielte nämlich keine Rolle mehr. Es heißt, es geht ihnen nur noch um Streitfragen. Die göttliche Erbauung und die Liebe spielten keine Rolle mehr. Das bedeutet eine große Gefahr, die meiner Meinung nach auch heute noch besteht: Menschen, bei denen das Leben plötzlich gar keine Rolle mehr spielt. Du lebst genauso wie die weltlichen Leute um dich herum, aber du redest fromm. Das bringt nichts.
Jesus ist gekommen, um das Leben zu verändern, nicht, damit wir eine neue Philosophie im Kopf haben. Diese ist Nebensache, die wir brauchen, um sein Leben richtig führen zu können. Das kann Irrlehre führen, und das war bei ihnen damals auch so. Deshalb wird ja erwähnt, dass das Gesetz für diejenigen ist, die so unmoralisch leben – wenn ihr dazu gehört, meinetwegen.
Als nächstes gab es Probleme im konsequenten Leben. Diese Leute haben viel geredet, aber sie haben nicht begriffen, was sie da lehrten. Sie lebten auch nicht als Vorbilder. Das wird uns später noch beschäftigen, wenn wir über die Qualifikation der Ältesten sprechen.
Der dritte Punkt ist das Problem im sachgemäßen Umgang mit der Bibel. Hier möchte ich besonders einen Vers hervorheben: „Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn man es gesetzmäßig anwendet.“ Das bedeutet, man kann viel über die Bibel reden – das ist manchmal auch ein Problem in Gemeinden –, aber man geht nicht richtig mit der Bibel um, so wie sie verstanden werden will.
Sie wird benutzt, um sich selbst herauszuheben, um zu zeigen, was man weiß, oder um eigene Interessen durchzusetzen. Es gibt Machtmissbrauch in Gemeinden, bei dem es im Grunde nur darum geht, bestimmen zu wollen. Dann sucht man sich noch ein paar Bibelverse heraus, die genau das sagen.
Das war auch ein Problem bei diesen Leuten damals. Sie zitierten zwar die Bibel, ähnlich wie die Zeugen Jehovas massenhaft, aber sie wendeten sie nicht bibelgemäß an. Und dann bringt sie natürlich nichts.
Ermutigung zum richtigen Umgang mit der Gemeinde und dem Glauben
Ja, das waren einige Gedanken zu diesen Versen. Ich hoffe, dass sie auch ermutigend für euch sind – ermutigend im Sinne von: Wie gehen wir mit schwierigen Menschen in der Gemeinde um? Oder ermutigend dahingehend, dass ich nicht alle möglichen Gesetze und Gebote einhalten muss.
Ich muss nicht jedes kleine Detail der Bibel allegorisch auslegen und verstehen können. Vielmehr verstehe ich das Wesentliche, was das Evangelium betrifft, und lebe danach. Genau das möchte Paulus hier Timotheus und der Gemeinde in Ephesus vermitteln.
Ich bete gerne mit euch an dieser Stelle:
Vater im Himmel, vielen Dank für den Timotheusbrief. Danke, dass wir sehen können, dass diese ersten Christen auch nur mit Wasser gekocht haben. Sie hatten Schwierigkeiten und Probleme, die wir heute in ähnlicher Weise kennen.
Wir bitten dich: Wo es uns betrifft, decke auf, wo wir in Gefahr sind, wie diese Irrlehrer aufzutreten. Hilf uns, die Aussagen der Bibel nicht zu missbrauchen oder zu verdrängen, um sie für unsere eigenen Zwecke zu nutzen oder uns in unwichtigen Einzelheiten zu verlieren, die letztlich das Leben und dein Reich nicht betreffen. So vermeiden wir es, andere Menschen unter Druck zu setzen.
Wir bitten dich auch, uns die Augen zu öffnen für andere Menschen, mit denen wir zu tun haben und die in derselben Gefahr sind, andere zu verführen. Gib uns die Freiheit, so wie Timotheus sie bekommen hat, Nein zu sagen. Lass uns die Autorität haben, zu sagen: Es ist Schluss, es wird nicht mehr diskutiert – zum Schutz deiner Gemeinde. Damit nicht das Unwichtige zum Wichtigen gemacht wird und das Wesentliche in Vergessenheit gerät.
Gebrauche uns, damit wir in der Gemeinde und auch in unserer Freizeit zur Erbauung beitragen können. Hilf uns, dass unser Leben sich wirklich verändert, wir noch näher zu dir kommen, dich besser verstehen und mehr von deiner Liebe wahrnehmen und weitergeben können.
Danke, dass du uns dabei helfen willst. Amen.