Einführung in das letzte Kapitel des Propheten Micha
Dass wir so und nur so vor dir bestehen können und darum wissen dürfen, dass wir fest geborgen sind in deinem liebenden Arm. Herr, sprich du nun zu uns, ermutige uns und gib uns Wegweisung für unser Leben.
Herr, mach uns bereit, auf dein Wort zu hören. Hilf mir, treu zu sein und dein Wort so zu verkündigen, wie du es verkündigt haben möchtest. Amen.
Wir sind jetzt schon seit einer ganzen Zeit im kleinen Propheten Micha. Die letzten beiden Wochen gab es eine Pause, und heute kommen wir zum allerletzten Kapitel. Einige werden das hoffentlich bedauern, andere hingegen werden sich freuen, endlich nicht mehr im kleinen Propheten zu sein. Denn es ist ja schon ein bisschen schwere Kost, diese Prophetenbücher.
Wir haben sechs Kapitel lang immer wieder eigentlich die gleichen Dinge gehört. Der Prophet Gottes spricht von Gott her die Menschen in Juda und auch in Israel, im Nordreich und im Südreich, an. Das geschieht ungefähr um das Jahr 750 bis 700 v. Chr. Er klagt an, er klagt die Sünden des Volkes an. Er verkündet dem Volk, dass Gott sieht, dass er das weiß und dass es ihm nicht egal ist. Er sagt, dass er alles Ungerechte, alles Böse, alles Gottlose richten wird.
Aber wir haben auch immer wieder gehört, dass das nicht das letzte Wort ist. Micha schaut immer hinaus über den Horizont des kommenden Gerichts hin zu einer Zeit der Gnade. Er weist darauf hin, dass Gott selbst eingreifen wird zum Wohle seines Volkes. Er wird einen Hirten senden, der Gottes Volk aus aller Gottlosigkeit befreien wird. Er wird es sammeln und in wahre Freiheit hineinführen.
Der persönliche Höhepunkt des Buches Micha
In Kapitel sieben werden uns all diese Dinge noch einmal vor Augen geführt: Gottes Anklage, das kommende Gericht, aber auch die Verkündigung von Gottes Treue und seiner Gnade. Kapitel sieben ist dabei in gewisser Weise der absolute Höhepunkt des Buches.
Dieser Höhepunkt ergibt sich aus zweierlei Gründen. Zum einen wird es hier jetzt richtig persönlich. Bisher war Micha eher distanziert. Er hat einfach nur Gottes Wort weitergegeben, was auch seine Aufgabe als Prophet ist. Doch jetzt merken wir, dass Micha ein Mensch mit Gefühlen, Gedanken und inneren Bewegungen ist. Meine Hoffnung ist, dass gerade dieses sehr persönliche Wort Michas uns mit hineinnimmt und dass wir mit ihm zusammen die Sehnsucht entwickeln können, dass alle Gottlosigkeit und alles Böse eines Tages ein Ende haben mögen.
Zum anderen ist dies der Höhepunkt des Buches Micha, weil es hier auf einer Note von Lobpreis endet. Es ist echte Begeisterung über die Gnade Gottes, die uns hier auf herrliche Weise vor Augen geführt wird. Beides wollen wir betrachten.
Ich möchte den Predigttext im Prinzip in vier Teilen betrachten. Der Text teilt sich, wie man auch in den ausliegenden Bibeln leicht erkennen kann, eigentlich in zwei große Abschnitte. Die Verse 1 bis 7 zeigen uns die Klage Michas über die Gottlosigkeit in seinem Land. Die Verse 8 bis 20 lassen sich noch einmal unterteilen, und zwar in die Verse 8 bis 13, 14 bis 17 und 18 bis 20.
Wir werden dann sehen, warum ich diese Unterteilung so vornehme, wenn wir den Text gemeinsam durchgehen.
Die Klage Michas über die Gottlosigkeit (Verse 1–7)
Lassen Sie uns zuerst die ersten sieben Verse betrachten. Micha gibt uns hier Anteil an seinem Leiden. Diese Worte zu Beginn von Vers 1 klingen fast wie ein Psalm, etwas anders als das, was wir sonst von ihm gehört haben: ein Stöhnen, ein Seufzen. Er sagt: „Ach, wie geht es mir! Es geht mir wie einem, der Obst pflücken will, der im Weinberg Nachlese hält, da man keine Trauben findet zu essen, und ich wollte doch gerne die besten Früchte haben.“
Das ist sehr poetische Sprache, wie sie immer wieder bei Micha zu finden ist. Er sagt: „Ich habe Verlangen nach guten Dingen, nach dem, was man normalerweise finden sollte.“ Man sollte die Felder ja nicht ganz abernten; am Rand sollte zumindest noch etwas sein. Er erhofft das, was froh macht und erfrischt. Doch er findet nichts, nichts, was ihn froh machen könnte.
Vers 2 macht dann ganz deutlich, was er konkret beklagt: Die frommen Leute sind weg in diesem Land, und die Gerechten sind nicht mehr da. Die Frommen und die Gerechten sind verschwunden. Über die, die da sind, heißt es dann: „Sie lauern alle auf Blut. Ein jeder jagt den anderen, dass er ihn fange. Ihre Hände sind geschäftig, Böses zu tun.“
Der Fürst und der Richter fordern Geschenke, sie sind korrupt. Die Gewaltigen reden nach ihrem Mutwillen, um Schaden zu tun. Sie missbrauchen ihre Macht und reden, wie sie es wollen. Der Beste unter ihnen ist wie ein Dornstrauch, nicht wie Obst und Wein. Der Beste, der redlichste, ist wie eine Hecke, mit der man nichts anfangen kann.
Micha spricht hier das Volk Gottes an, das Volk, von dem er eigentlich weiß, dass es den Charakter Gottes widerspiegeln sollte. Das ist der Auftrag an das Volk Gottes: So wie Gott heilig ist, so soll sein Volk heilig sein. Sein Volk soll Zeugnis sein der ganzen Welt darüber, wie man leben sollte. Aber das ist eben nicht der Fall. Und das klagt er an. Und darunter leidet er.
Ich habe diese Verse gelesen und mich gefragt – ich weiß nicht, vielleicht ging es Ihnen genauso, als Christian den Predigttext vorgelesen hat – ist das bei uns eigentlich so ganz anders? Wie ist das in unserem Land? Erleben wir hier, dass die Frommen überall sind, dass Gerechtigkeit Standard ist, dass die Mächtigen ihre Macht zum Wohle des Volkes einsetzen, dass immer Gerechtigkeit herrscht?
Ich glaube, gesellschaftlich sehen wir Dinge, die dem überhaupt nicht entsprechen, sondern eher so sind wie das, was hier angeklagt wird. Das ist zweifelsfrei so. Micha spricht hier natürlich das Volk Gottes an. Wenn wir das auf die Menschen in unserem Land übertragen, die sich Christen nennen, müssen wir auch feststellen: Die Gottlosigkeit breitet sich immer mehr aus.
Ich habe vor einiger Zeit für einen Artikel ein paar Statistiken gewälzt. Vor 60 Jahren waren in Deutschland über 95 Prozent aller Deutschen Mitglied einer Kirche oder Gemeinde. Heute sind es noch circa 60 Prozent. Der Bevölkerungsanteil derer, die sich zumindest Christen nennen, ist also von 95 auf 60 Prozent geschrumpft – innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten.
Gleichzeitig ist die Gottesdienstbesucherzahl um ein Vielfaches geschrumpft. In der evangelischen Kirche liegt die Gottesdienstbesucherzahl heute bei ungefähr 3,6 Prozent der Mitglieder. Doch nicht nur dieser Niedergang in den Zahlen ist zu beachten, sondern auch der in der Lehre.
In den letzten Jahrzehnten wurden letztendlich alle wesentlichen christlichen Lehren selbst in der Kirche zur Disposition gestellt. Der historische Adam, die Jungfrauengeburt Christi, sein stellvertretender Sühnetod am Kreuz, seine leibliche Auferstehung – all das wird in Frage gestellt. Führende Kirchenleute bezeichnen diese Lehren heute immer wieder als falsch oder nicht zutreffend.
Und wenn wir auf die freikirchliche Seite schauen – wir wollen ja nicht nur die Landeskirchen betrachten –, dann sehen wir ähnliche Entwicklungen. Letzte Woche kam in der Mitgliederversammlung die Frage auf, warum wir in ein Pastorenprofil reinschreiben müssen, dass wir einen Pastor suchen, der die Irrtumslosigkeit der Schrift hochhält. Denn auch in Freikirchen ist das heute nicht mehr selbstverständlich.
Das Vertrauen in die Autorität und Zuverlässigkeit von Gottes Wort ist im Niedergang. Selbst in Freikirchen wird heute diskutiert, ob Homosexualität – wohlgemerkt gelebte Homosexualität – Sünde ist. Es wird diskutiert, ob es nicht vielleicht doch okay ist, Sexualität und Geschlechtsverkehr auch außerhalb der Ehe zu leben. Ebenso wird diskutiert, ob die Ehe nicht eher eine Institution auf Zeit ist, die gegebenenfalls auch geschieden werden kann.
Was macht das mit uns? Wie geht es uns damit? Das ist das Land, in dem wir leben. Nehmen wir das zur Kenntnis, sagen wir: „Das ist halt so“, oder zerreißt uns das innerlich? Sind wir betroffen, so wie Micha betroffen ist, der die Gottlosigkeit um sich herum sieht und klagt, der schreit: „Ach!“?
Ich wünsche mir, dass es uns immer mehr so geht, dass wir ein Verlangen danach haben, dass Gottes Name wieder groß gemacht wird, dass Menschen wieder aus vollem Herzen für ihn leben, dass wir Wiederbelebung erleben – auch in den Kirchen. Dass wir in drei Jahren nicht nur das Reformationsjubiläum feiern, sondern Reformation erleben in unserem Land.
Micha ist tief betroffen, er leidet, und er scheut sich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Er erlebt, dass sein Wort, das Wort Gottes, das er in diese Situation hinein spricht, kein Gehör findet. Er wird verspottet. So ist das Gericht Gottes über die Gottlosigkeit unausweichlich. Das hören wir am Ende von Vers 4: „Aber es kommt der Tag, den deine Speer – das sind übrigens die Propheten – geschaut haben, da sollst du heimgesucht werden, da werden sie nicht wissen, wo aus noch ein.“
Ab Vers 5 erklärt Micha, dass diese Gottlosigkeit sich nicht allein auf die Mächtigen, die Regierenden und Richter beschränkt, sondern dass sie selbst die kleinsten Einheiten im Volk betrifft: Freunde, Ehegatten, Familienmitglieder. Auf niemanden ist mehr Verlass. Das verkündet er hier in aller Klarheit.
Ab Vers 5 heißt es: „Niemand glaube seinem Nächsten, niemand verlasse sich auf einen Freund. Bewahre die Tür deines Mundes vor der, die in deinen Armen schläft. Denn der Sohn verachtet den Vater, die Tochter widersetzt sich der Mutter, die Schwiegertochter ist wider die Schwiegermutter, und Menschenfeinde sind seine eigenen Hausgenossen.“
Es ist von der Anordnung her nicht ganz klar, ob das vielleicht schon Teil des Gerichts Gottes ist, das er ja direkt davor verkündet hat, oder ob es einfach eine andere Anklage über weitere Missstände im Volk ist. Letztendlich spielt das keine große Rolle, denn die Sünde trägt immer auch ihre Strafe schon in sich.
Und auch das sind Dinge, die wir erleben. Christian hat gerade für Familien in unserem Land gebetet. Heute wird diskutiert, was überhaupt Familie konstituiert. Politisch werden Weichen gestellt, dass die Einheit der Familie – Vater, Mutter und Kinder, generationenübergreifend – auseinandergerissen und neu definiert wird.
Ich will hier keine politische Rede halten, aber ich möchte uns Mut machen, uns diesen Dingen entgegenzustellen. Uns dem entgegenzustellen, ja, indem wir an politischen Diskussionen teilnehmen, aber auch indem wir ganz bewusst in einer Gegenkultur leben und der Welt zeigen, wie gut es ist, entsprechend dem guten Plan unseres liebenden Gottes zu leben.
An der Ehe festzuhalten, auf unsere Kinder wirklich Acht zu geben, miteinander so zu leben, dass sichtbar wird, dass wir dem Wort des Herrn Jesus Aufmerksamkeit schenken und das bewusst auch zeugnishaft tun. Dass wir Liebe untereinander haben, sodass die Welt erkennen kann, dass wir seine Jünger sind.
Der Prophet Micha leidet unter all dem. Er leidet unter dem sittlichen Verfall seines Volkes, er leidet darüber, dass selbst die kleinsten Einheiten zerbrechen und kein Verlass mehr ist. Aber in all dem ist er nicht hoffnungslos. In all dem hat er Hoffnung, weil er den kennt, auf den immer Verlass ist.
Vers 7 klingt fast ein bisschen trotzig, wenn man ihn so liest: „Ich aber will auf den Herrn schauen und harren auf den Gott meines Heils; mein Gott wird mich erhören.“
Bei aller Betroffenheit, die hoffentlich auch bei uns da ist – über den Verfall in unserer Gesellschaft, über die Gottlosigkeit und das Bösartige um uns herum –, dürfen wir diese Zuversicht haben. Der Blick auf den Gott des Heils schützt vor Resignation. Micha resigniert nicht. Er vertraut auf Gott, auf seinen Herrn, den Herrn des Heils, den Rettergott.
Die Zuversicht und das Gebet Michas (Verse 8–17)
Ab Vers 8 hören wir dann scheinbar eine andere Stimme. Es ist, als ob Micha jetzt für das ganze Volk Juda spricht. Dabei tut er das nicht als externer Beobachter. Bisher hat er das Volk betrachtet, beschrieben, was er sieht, und gesagt, dass es schlimm ist und angeklagt wird. Doch jetzt nimmt er sich selbst mit hinein in dieses Volk. Er zeigt, dass er nicht nur mitleidend ist, sondern sich auch mitverantwortlich fühlt.
Das tut er gleichzeitig mit Worten voller Zuversicht, dass es nicht immer so bleiben wird, dass die Gottlosigkeit ein Ende haben wird. Ich lese uns die Verse 8 bis 13:
„Freue dich nicht über mich, meine Feindin!“ Das sind Worte, die an die Feinde Judas gerichtet sind, vielleicht aus Syrien, vielleicht aus dem babylonischen Reich. Diese Feinde kamen nacheinander und zerstörten erst Israel und dann auch Juda. „Freue dich nicht über mich, meine Feindin, wenn ich auch da niederliege, so werde ich wieder aufstehen. Wenn ich auch im Finstern sitze, so ist doch der Herr mein Licht. Ich will des Herrn Zorn tragen, denn ich habe wieder gegen ihn gesündigt, bis er meine Sache führe und mir Recht schaffe. Er wird mir ins Licht bringen, dass ich seine Gnade schaue. Meine Feindin wird sehen müssen und in Schande dastehen, die jetzt zu mir sagt: ‚Wo ist der Herr, dein Gott?‘ Meine Augen werden sehen, dass sie dann wie Dreck auf der Gasse zertreten wird. Es kommt der Tag, da werden deine Mauern gebaut werden. Da wird weit werden deine Grenze, da werden sie von Assur und von den Städten Ägyptens zu dir kommen, von Ägypten bis an den Euphrat, von einem Meer zum anderen, von einem Gebirge zum anderen. Denn die Erde wird wüst sein ihrer Bewohner wegen, um der Frucht ihrer Werke willen.“
Interessante Worte. Micha spricht hier nicht selbstgerecht und klagt nur die Sünden der anderen an. Er ist sehr demütig. Er weiß, dass auch er nicht immer so gelebt hat, wie er hätte leben sollen, und dass auch er deshalb den gerechten Zorn verdient hat. So heißt es zu Beginn von Vers 9: „Ich will des Herrn Zorn tragen, denn ich habe wieder gegen ihn gesündigt.“
Das macht uns demütig, denn jetzt wird deutlich: Micha sieht nicht nur die Gottlosigkeit um sich herum. Er sieht auch auf sich selbst und erkennt, dass er Teil des Ganzen ist. Sicherlich war Micha als Prophet Gottes ein Mann, der hervorstach. Aber er weiß auch, dass er nicht frei von Schuld ist.
Ich weiß nicht, wie es euch geht oder wie es ihm geht, aber wenn ich so einen Text lese, denke ich schnell daran, mich in die Rolle des Propheten hineinzuversetzen. Ich stehe dann meist auf der Seite dessen, der von Gott her spricht, und entziehe so ein wenig der Anklage – also wenn wir das bisher getan haben, hoffentlich zu Recht, vielleicht zumindest ein bisschen zu Recht. Aber dann sollte uns das jetzt zu denken geben, uns demütig machen und bereit machen, auch unsere eigene Schuld einzugestehen. Nicht nur das um uns herum zu betrachten, sondern unsere eigenen Herzen. Micha tut das.
Gleichzeitig vertraut er darauf, dass Gott ein Gott der Gnade ist. Er weiß, dass Gott nicht immer zornig bleiben wird, sondern eingreifen und Dinge verändern wird. Es ist interessant, dieses Bild von der Stadt Gottes, die hier beschrieben wird: Sie liegt erst da nieder. Ich gehe davon aus, dass Jerusalem gemeint ist, vielleicht steht sie auch für das ganze Volk Juda. In gewisser Weise sieht Micha, dass aufgrund unserer eigenen Schuld Gericht und Strafe kommen.
Aber dann beschreibt er später, wie die Mauern wieder aufgebaut werden und wie die Grenzen weit werden. Diese Stadt wird zum Zufluchtsort, und Menschen von allen Seiten kommen, von den Meeren, von den Bergen, aus Ägypten und aus Assur, also aus Syrien. Menschen strömen herbei.
Micha sieht hier prophetisch, dass eines Tages die, die jetzt kommen – die Gott gebraucht, um sein Volk zu züchtigen – nicht die Oberhand behalten werden. Nicht die gottlosen Völker, die Gottes Volk wegen der Gottlosigkeit strafen, werden letztendlich triumphieren.
Das sind die Spötter, die Verächter, die Kirchen und Gemeinden sehen und sagen: „Ha, schau dir die an, wer sind die schon? Wo ist der Herr, dein Gott?“ So heißt es hier. Micha weiß, das ist nicht das letzte Wort. Gott wird eingreifen, Gott wird Dinge verändern.
Micha vertraut auf Gottes Gnade. Er kennt die Verheißung für eine glorreiche Zukunft und weiß um das Gericht über die Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit.
Ich möchte fragen: Hast du diese Zuversicht? Hast du die Gewissheit, dass Gott eingreifen wird? Dass er uns vielleicht die schweren Zeiten schickt, um uns zu züchtigen, aber dass Gott eingreifen wird und alles gut werden wird für die, die auf ihn vertrauen? Hast du diese feste Zuversicht? Glaubst du den Verheißungen Gottes? Micha tut das.
Man könnte denken, das sei alles, was uns bleibt: Hoffen auf bessere Zeiten, Klagen darüber, dass die goldenen Zeiten vorbei sind. Vielleicht. Aber das ist nicht, was Micha tut.
Ab Vers 14 sehen wir, dass diese feste Zuversicht Micha nicht passiv bleiben lässt. Ganz im Gegenteil: Sie treibt ihn ins Gebet. Ab Vers 14 lesen wir ein Gebet des Micha:
„Du aber weide dein Volk mit deinem Stab, die Herde deines Erbteils, die da einsam wohnt im Walde, mitten im fruchtbaren Lande. Lass sie in Baschan und Gilead weiden wie vor Alters. Lass uns Wunder sehen, wie zur Zeit, als du aus Ägyptenland zogst, dass die Heiden es sehen und alle ihrer Macht sich schämen sollen und die Hand auf ihren Mund legen und ihre Ohren zuhalten. Sie sollen Staub lecken wie die Schlangen und wie das Gewürm auf Erden sollen sie zitternd hervorkommen aus ihren Borgen. Sie werden sich fürchten vor dem Herrn, unserem Gott, und vor dir sich entsetzen.“
Ein interessantes Gebet. Micha hat Zuversicht und betet mit Zuversicht. Sein Gebet beruht auf zwei Aspekten.
Das Erste ist, dass Micha die Verheißung Gottes kennt. Das ist für ihn relativ einfach, denn er war das Sprachrohr Gottes. Er hat die Verheißung weitergegeben, unter anderem. Wir haben in Kapitel 2 und dann nochmal in Kapitel 5 gesehen und im Prinzip angedeutet auch in Kapitel 4, dass Gott eines Tages, nach einer Zeit des Leidens, einen Hirten senden wird. Einen guten Hirten, der Gottes Volk sammeln und weiden wird und ihm Gutes tut.
Das sind die Verheißungen Gottes, und genau dafür betet er jetzt. Er betet verheißungsorientiert, dass Gott das tun wird, was er verheissen hat.
Das Zweite ist, dass er sein Gebet auf dem gründet, was Gott schon in der Vergangenheit getan hat. Micha sagt: Ich kenne meinen Gott, ich weiß, wie Gott ist, ich weiß, was Gott tut. So hat er Gott schon vorher beschrieben: als Gott des Heils, als Rettergott. Er erinnert sich an die Zeit, als Gott sein Volk aus Ägypten befreit hat, aus der Sklaverei.
Das stärkt ihn in seinem Vertrauen, dass Gott auch heute wieder eingreifen kann.
Nun ist dieses Gebet in gewisser Weise schon erhört worden. Die Verheißungen Gottes sind in gewisser Weise schon eingetroffen. Wir bedenken, dass die Worte vom Beginn des fünften Kapitels des Propheten Micha nach der Geburt Jesu zitiert werden. Der Hirte, der kommen soll aus Bethlehem, Ephrata, ist gekommen.
Das heißt, die Verheißungen Gottes sind eingetroffen. Jesus Christus ist der Hirte Gottes, der gute Hirte, der in diese Welt gekommen ist. Er hat den Menschen zugerufen: Tut Buße! Das heißt, wendet euch ab von der Gottlosigkeit um euch herum und in euch drin. Glaubt mir, vertraut mir, dass ich der gute Hirte bin, der euch auf einem guten Weg führen wird. Es ist der gute Hirte, auf den Micha hingewiesen hat und für den er gebetet hat.
Doch natürlich ist die Heilung noch nicht vollkommen erfüllt. Noch ist nicht alle Gottlosigkeit ausgemerzt. Noch ist die herrliche Stadt Gottes, das neue Jerusalem, in das Menschen aus allen Völkern und Nationen hineinströmen werden, nicht da.
Wir haben heute das Privileg, dass wir zum einen zurückschauen können und sagen: Das, was Micha verheißt hat, ist schon gekommen. Zum anderen können wir sagen: Bestimmte Teile der Verheißung stehen uns noch bevor.
Micha hatte Zuversicht, weil er zurückschauen konnte auf Gottes Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Hast du die Hoffnung, dass der Gott, der selbst Mensch geworden ist, um all deine Schuld zu sühnen, eines Tages auch wiederkommen kann und wiederkommen wird, um allem Leid ein Ende zu machen?
Noch ist es nicht so weit. Noch ist es nicht so weit, und deswegen können wir tun, was Micha tut. Wir können verheißungsorientiert beten, im Vertrauen darauf, dass Gott der gleiche ist, gestern, heute und für alle Ewigkeit.
So möchte ich uns ermutigen, immer wieder das zu tun, was Christian vorhin in der Gebetsgemeinschaft stellvertretend für uns als Gemeinde getan hat: vor Gott einzutreten, für unser Land, für unsere Welt, aber auch für unsere Gemeinde und füreinander.
Gott zu bitten, dass er eingreifen möge und allem Leid ein Ende macht. Alles, was Micha so innerlich zerreißt, treibt ihn ins Gebet. Möge das bei uns auch so sein, dass das, was uns zu schaffen macht, alles, was wir an Leid erleben, was wir an Gottlosigkeit erleben, uns ins Gebet treibt.
Und möge es so sein, dass wir mit der gleichen Zuversicht beten können, mit der Micha gebetet hat. Micha konnte das, weil er den Charakter Gottes kannte und seine Verheißung.
Der Lobpreis der Gnade Gottes (Verse 18–20)
Ihr Lieben, ich weiß, dass diese Teile der Bibel manchmal nicht die spannendsten sind, wenn es um die Anwendung geht – sie handeln oft nicht direkt von Gottes Verheißungen oder seinem Charakter. Dennoch möchte ich uns ermutigen, den Charakter Gottes und sein Handeln in der Geschichte genauer zu betrachten. Das wird uns in unserer Zuversicht stärken und unsere Gebete bereichern.
Wenn wir beten, erleben wir immer wieder, dass sich etwas verändert. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber vielleicht sind Sie schon einmal aus einer Phase des Klagens und Leidens herausgekommen, haben die Kurve gekriegt und sind ins Gebet gegangen. Sie haben mit Gott gerungen und seine Verheißung im Gebet für sich in Anspruch genommen. Dabei haben Sie neu bedacht, wer Gott ist. Was tut das in Ihnen? Was tut das in mir? Es stärkt unsere Zuversicht, nicht wahr? Und es führt hin zum Lobpreis Gottes.
Genau das erlebt Micha hier. Er bringt es in den ersten Versen von Kapitel 7, Vers 18, zum Ausdruck: „Wo ist ein Gott wie du?“ Micha ist eine Kurzform eines hebräischen Namens, der im Grunde mehrere Begriffe zusammenfasst und letztlich bedeutet: „Wer ist ein Gott wie du?“
Er sagt hier: Wo ist ein Gott wie du, der die Sünde vergibt und die Schuld erlässt denen, die von seinem Erbteil übrig geblieben sind? Ein Gott, der seinen Zorn nicht ewig festhält, weil er barmherzig ist? Er wird sich unseres Widererbarmens annehmen, unsere Schuld unter die Füße treten und all unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du es unseren Vätern vor Zeiten geschworen hast.
Was Micha hier beschreibt, ist letztlich das, was Jesus getan hat. Jesus Christus ist gekommen als derjenige, der Gottes Gnade und Barmherzigkeit in der sichtbarsten Form zu uns gebracht hat. Die Vergebung unserer Schuld erhalten wir, indem wir sie Jesus geben. Er ist für unsere Schuld am Kreuz von Golgatha gestorben. Er hat unsere Schuld von uns genommen, und wenn wir sie Jesus anvertrauen, sind wir frei von dieser Schuld.
Das betont Micha hier deutlich: Unsere Schuld und unsere Sünden werden weggeworfen in die Tiefen des Meeres.
Interessant ist, dass dieser Lobpreis der Gnade Gottes politisch inkorrekt ist. Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Verse 18 bis 20 lesen? Sagen Sie: „Herrlicher Lobpreis!“ oder denken Sie: „Oh, warte mal, da muss man ja eigentlich dreimal piepen, weil da Wörter stehen, die man nicht sagen soll: Zorn, Sünde, Schuld. Das muss man rausredigieren.“
Nein, gerade nicht. Diese Worte gehören hier unbedingt hinein, denn die Gnade Gottes ist erst dann wunderbar und herrlich, wenn wir verstehen, was sie bewirkt. Wir brauchen keine kleine Verbesserung oder ein einfaches Übersehen der Sünden. Nein, da ist ein realer Zorn Gottes. Und es gibt Sünde, die Gott wirklich ein Dorn im Auge ist, vor der er handelt und vor der er Gericht hält.
Gerade deshalb ist die Gnade Gottes so umwerfend großartig. Deshalb war es notwendig, dass Jesus am Kreuz gestorben ist – ein brutaler, aber wunderbarer Akt der Liebe. Jesus musste sein Leben geben, es ging nicht anders. Sünde und Schuld sind keine Kavaliersdelikte. Der Zorn Gottes ist real.
Ich befürchte, dass wir das heute oft aus dem Blick verloren haben. Deshalb preisen wir die Gnade Gottes nicht mehr aus vollem Herzen. Die Gnade Gottes setzt uns frei. Dann können wir Sünde bekennen und sie Gott geben.
Wenn meine Annahme bei Gott darauf beruht, dass ich irgendwie gut genug bin, dass ich vielleicht nicht zu viele Sünden begangen habe, dann ist ein echtes Sündenbekenntnis eine Kapitulation. Aber wenn ich weiß, dass Gott mich einlädt und sagt: „Bring mir deinen ganzen Schmutz. Es ist nicht zu groß. Du darfst mir alles geben.“ – und er nimmt es an und setzt dich frei –, dann ist das Bekennen der Schuld der Weg zu wahrer Freiheit.
Wenn du diese Freiheit noch nicht erlebt hast, wenn du heute hier sitzt und denkst, du musst noch irgendwie gut genug sein für Gott oder vielleicht glaubst, du bist es schon, möchte ich dir Mut machen: Schau in dein Herz, nicht nur auf die Welt um dich herum. Schau in dein Herz und gib Gott deinen ganzen Schmutz, alle Schuld. Erlebe, wie wunderbar es ist, frei zu werden, wenn die Fesseln abfallen, wenn man niemandem mehr etwas vormachen muss und einfach sagen kann: „Ich habe die Gnade Gottes in meinem Leben.“
Wer will schon wieder ich sein, wenn Gott für mich ist?
Wenn du das noch nie getan hast, kannst du es jetzt in aller Stille tun. Du kannst es gleich jetzt tun. Und wenn du möchtest, kannst du gerne mit mir oder jemand anderem darüber sprechen, damit wir gemeinsam weiter darüber reden können, wie dieser Weg weitergehen kann.
Zeugnis von der Gnade Gottes in Familie und Gemeinde
Ich möchte etwas darüber sagen, wie dieser Weg weitergehen kann und sollte – für all jene unter uns, die Gottes Gnade erfahren haben. Mein Anliegen ist es, uns Mut zu machen, den Menschen um uns herum Zeugnis von der Gnade Gottes zu geben.
Da wir heute eine Kindersegnung hatten, möchte ich ein Wort an die Eltern richten. Dieses Wort gilt nicht nur euch, sondern allen Eltern. Wir haben eine wunderbare Gelegenheit, unseren Kindern etwas von der Gnade Gottes zu offenbaren. Das gelingt, wenn wir bereit sind, Fehler, die wir gegenüber unseren Kindern gemacht haben, einzugestehen. Das passiert mir manchmal, vielleicht ist es bei euch anders. Wichtig ist, dass wir unseren Kindern ehrlich bekennen, dass wir alle abhängig sind von der Gnade Gottes.
Damit zeigen wir unseren Kindern auch, dass es in Ordnung ist, Schuld einzugestehen und diese nicht zu verstecken. Wenn unsere Kinder uns dann nacheifern und zu uns kommen, um zu sagen: „Ja, Papi, da war ich böse“, dürfen wir sie über die Gnade Gottes lehren. Wir können ihnen sagen: „Es ist okay, Gott vergibt dir, und ich vergebe dir auch.“
Vorhin haben wir darüber nachgedacht, wie Ehen und Familien Zerbruch erleiden. Auch hier können wir bewusst gegensteuern. Wir können dafür sorgen, dass die Ehen in unserer Gemeinde und unsere eigenen Ehen gestärkt werden. Das gelingt, wenn wir bereit sind, schnell auf unseren Ehepartner zuzugehen, sobald wir Schuld auf uns geladen haben. Wenn wir unsere Sünde bekennen und sagen: „Sarah, es tut mir leid“, dann erleben wir manchmal, dass unser Ehepartner nicht mit Bedingungen antwortet, sondern sagt: „Nein, komm, es ist okay, ich vergebe dir.“ So wird die Einheit wiederhergestellt, und die Gnade regiert.
Das dürfen wir auch in der Gemeinde leben. Ich preise Gott für ein Gespräch, das ich vor kurzem mit einem lieben Bruder aus der Gemeinde hatte. Zwischen uns gab es ein paar Missverständnisse, einige Dinge standen zwischen uns. Doch wir konnten diese ausräumen. Am Ende haben wir miteinander gebetet. Ich glaube, es ging meinem Bruder ähnlich wie mir: Es war eine Befreiung zu sehen, wie Schuld von Gott vergeben wird und wie Liebe wiederhergestellt werden kann.
All das dürfen wir auch dieser Welt vorleben. Wir dürfen unsere Schuld bekennen – nicht nur vor Gott, sondern auch vor anderen Menschen. Dem Chef bei der Arbeit müssen wir nichts vormachen, genauso wenig wie unserem Nachbarn. Denn gerade so helfen wir diesen Menschen zu erkennen, was uns Christen wirklich ausmacht.
Wir Christen sind nicht per se die besseren Menschen. Wir sind Sünder wie alle anderen auch. Aber wir sind die, die um die Gnade Gottes wissen.
Ihr Lieben, lasst uns mutig sein, unsere Schuld zu bekennen. Lasst uns Zuversicht haben, dass Gott unsere Schuld bereits vergeben hat. Und lasst uns darauf vertrauen, dass Gott unser Bekennen der Schuld gebrauchen kann, damit auch andere in das Reich Gottes hineinkommen.
Denn Gott liebt es, gnädig zu sein. Er rettet jeden, der umkehrt und auf ihn vertraut. Das ist die Botschaft des Propheten Micha für das Volk Juda und für unsere Zeit. Es gibt Hoffnung für Sünder. Sünde ist real. Gott züchtigt diejenigen, die sich gegen ihn stellen. Doch Gottes Zorn währt nicht ewig. Er liebt es, gnädig zu sein denen, die zu ihm kommen.
So wollen wir Gott gemeinsam preisen. Ich lade uns ein, dies in einem Gebet zu tun, das wir singen. Es ist Lied 330, mit Worten aus Micha Kapitel 7.