Heute wollte ich mit Ihnen den Psalm 22 lesen. Wir haben schon immer darauf hingewiesen, dass die Psalmen das beliebteste Buch der Bibel sind.
Warum sind die Psalmen so beliebt? Weil sie persönliche Erfahrungsberichte und Gebete enthalten. Das ist auch der Grund, warum ich Sie bitte, in Ihrem eigenen Leben immer wieder von Ihren Glaubenserfahrungen zu erzählen.
Wissen Sie, das ist ein großer Reichtum, wenn wir einander berichten, wenn wir diese Erfahrungen weitergeben und im Hauskreis voneinander lernen. Es ist nur manchmal schwierig, wenn wir im Hauskreis problematisieren. Aber wenn wir von dem erzählen, was wir mit Gott erleben, oder miteinander beten, dann nehmen wir die anderen in unsere Glaubenserfahrung mit.
Bei den Psalmen fällt besonders auf, wie viele verzweifelte Menschen dort gebetet haben. Wir kennen die sieghaften Psalmen, bestimmte Psalmen, aber wir kennen auch die angefochtenen Psalmen – jene, die in Angst gebetet wurden.
Ich habe Ihnen ja früher schon einmal von dem Professor der Neurologie in Heidelberg erzählt, von Professor von Behr. Er sagt, es gäbe in der gesamten Weltliteratur kein Zeugnis, das so gut für die schlimmsten Formen der Depression geeignet wäre wie der Psalm 22.
In diesem Psalm wird eine große Tiefe des Durchlittenwerdens sichtbar. Und wenn einer sagt: „Niemand kann mich verstehen“, dann kann das nur jemand sagen, der die Bibel nicht kennt. Denn wer die Bibel kennt, weiß, dass man in allen Nöten Gott anrufen darf.
Die Bedeutung der Psalmen als Glaubenserfahrungen
Ich möchte Sie, bevor wir Psalm 22 lesen, zuerst auf Psalm 69 hinweisen.
Psalm 69 ist ebenfalls ein sehr tiefgehendes Klagelied, ein Lied der Verzweiflung und ein Gebet. Es enthält das Bild: „Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist.“ Dieses Bild ist sehr eindrücklich. Das Besondere daran ist, dass der Beter trotz seiner Not zu Gott betet. Das unterscheidet ihn vom Zweifler. Er wendet sich an Gott.
Am Ende des Psalms steht: „Die, die Gott suchen, werden aufleben.“ Weiter heißt es: „Der Herr hört die Armen, es lobe ihn Himmel und Erde, die Meere mit allem, was sich darin regt, denn Gott wird Zion helfen.“
Das Bemerkenswerte ist, dass hier der Bogen von Verzweiflung zu Trost und Glauben gespannt wird. Ich möchte Psalm 69 heute nicht ausführlich auslegen, aber ich empfehle Ihnen, die Psalmen auch in schlaflosen Nächten zu lesen. Es macht eigentlich nichts aus, wenn man ein paar Stunden wach liegt – in dieser Zeit kann man viel nachdenken.
Im Psalm heißt es: „Ich bin fremd geworden meinen Brüdern.“ Der Beter hat sogar die Bruderschaft verloren.
Nun kommen wir zu Psalm 22. Wir wissen, dass dieser Psalm von Jesus im Sterben am Kreuz gebetet wurde. Deshalb möchte man ihn nicht einfach mit der eigenen Not vergleichen. Psalm 22 geht noch einige Stufen weiter als Psalm 69.
Heute Abend soll Psalm 22 hier nur stellvertretend für manche biblische Zeugnisse stehen.
Leiden und Glaube im Leben der Gläubigen
Warum lesen wir an so einem schönen Sommerabend einen Psalm wie diesen? Weil wir wissen, dass gläubige Menschen durchs Leiden gehen.
Ich habe Ihnen ja beim letzten Mal erzählt, dass ich durch eine Schrift wieder angeregt wurde, über dieses Thema nachzudenken. Dabei wurde die Diskussion eröffnet, inwieweit Christen leiden müssen. In einer charismatischen Gruppe vertrat ein Berliner Mediziner die Ansicht, dass durch den Tod Jesu alle krankmachenden Energien gebüsst seien. Deshalb müssten gläubige Menschen nicht mehr die Krankheit in ihrem Leiden durchmachen.
Ich frage mich dann: Was ist Krankheit überhaupt noch? Wer ein wenig mit Kranken zu tun hat – unsere lieben Krankenschwestern wissen das – der weiß, dass man das nicht so einfach trennen kann. Was wir aber sagen können, ist, dass auch das schlimmste Leiden mich nicht im Glauben irre machen darf. Das ist wichtig. Doch dass das Leiden schwer bleibt, auch bei gläubigen Menschen, das ist wahr.
Was mich am meisten schockierte, als ich diese Schrift las, war, dass dort ganz unverblümt gesagt wurde, dass in den letzten Jahrhunderten das Leiden anders gesehen wurde. Man hat immer vom Kreuz der Christen gesprochen, dass wir unser Kreuz tragen müssen. Aber im zwanzigsten Jahrhundert sieht man das anders.
Ich werde immer stutzig, wenn mir heute jemand eine Schriftauslegung bringt und sagt: Wir denken da anders als Martin Luther, wir denken anders als Bodelschwing, wir denken anders als Spörcken, wir denken anders als Augustinus, wir denken anders als die Kirchenväter. Ich meine, wir sollten in der Spur bleiben.
Denn ich glaube nicht, dass sich das Evangelium im Laufe der Jahrhunderte wandelt. Wir wollen das Zeugnis der Schrift haben, aber auch wissen, dass wir uns immer wieder in der Gemeinschaft der Väter und Mütter korrigieren lassen sollten. So wie wir heute die Gemeinschaft der Glaubenden suchen und uns korrigieren lassen wollen.
Es geht also heute um die Frage: Wie sehr gehört das Leiden zum Christenstand?
Leiden als Teil des Glaubensweges
Nun erleben wir Wunder Gottes und Siege. Das hätten wir vorhin in einer Gebetsgemeinschaft nicht erwartet. Wir wissen, dass Gott viel tut, aber wir wissen auch, dass Gott sein Volk im Ofen des Elends auserwählt.
Es ist merkwürdig, dass Gott oft dort die größten Wirkungen zeigt, wo er seine Gemeinde ins Leiden führt. Häufig waren solche Zeiten auch Zeiten des Wachstums für die Gemeinde. Wenn man auf das eigene Glaubensleben zurückblickt, waren gerade die Zeiten von Krankheit und Not oft die Phasen, in denen man im Glauben am meisten vorangekommen ist.
Das ist interessant, denn ein sicheres und gutes Leben hilft uns nicht zum Wachsen. Deshalb möchte ich nicht sagen, dass Sie Angst haben müssen, dass morgen Ihr Haus zusammenstürzt oder dass Gott Ihnen Böses will. Dennoch habe ich den Eindruck, dass viele von Ihnen mit beiden Füßen in großen Schwierigkeiten stehen.
Sie erleben Nöte und fragen sich: Warum komme ich gesundheitlich nicht voran? Warum sind die Probleme in unserer Familie so groß? Warum sind die beruflichen Schwierigkeiten so schwer? Ich glaube, wir sollten genau diese Leiden akzeptieren und uns ihnen stellen. So können wir auch die Nähe Gottes erfahren.
Einführung in Psalm 22 und seine musikalische Tradition
Deshalb lesen wir einmal diesen Psalm. Die Einleitung ist ungewöhnlich: "Einem Psalm Davids vorzusingen nach der Weise, die Hinde oder die Hirschkuh, die früh gejagt wird." Das war offenbar die Melodie des Psalms.
Wir haben im August, wenn viele im Urlaub sind, hier die messianischen Juden aus San Francisco. Sie führen am zwölften August ein Musical auf, das "Die befreite Klagemauer" heißt. Alles ist im Notizzettel vermerkt. Ich bin gespannt, denn ich glaube immer, dass die Juden selbst noch mehr aus ihrer Tradition verstehen, wie Musik war.
Ich denke, es wird manche Ähnlichkeit mit der alttestamentlichen Musik geben. Trotzdem sind wir an dieser Stelle völlig im Dunkeln. Wir wissen nicht genau, wie die Musik zu den Psalmen war. Es muss eine Weise gewesen sein, "von der Hinde, die früh gejagt wird". Aber das ist sicher kein Siegeslied, sondern eigentlich ein Trauerlied von der Hinde, die früh gejagt wird.
Ist das lustig? Ich finde das nicht sehr lustig. Es muss offenbar eine Klage-Melodie gewesen sein.
Die ersten Klagen und das Vertrauen in Gott
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, doch meine Hilfe ist fern. Meinen Gott rufe ich am Tag an, aber du antwortest nicht. Auch in der Nacht finde ich keine Ruhe.
Du aber bist heilig und thronst über den Lobgesängen Israels. Unsere Väter hofften auf dich, und weil sie hofften, hast du ihnen geholfen. Zu dir schrien sie, und sie wurden errettet. Sie setzten ihre Hoffnung auf dich und wurden nicht enttäuscht.
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und verachtet vom Volk. Alle, die mich sehen, verspotten mich. Sie sperren ihr Maul auf und schütteln den Kopf.
Sie sagen: „Er soll es dem Herrn klagen, der helfe ihm heraus! Wenn er Gefallen an ihm hat, soll er ihn retten!“ Du hast mich aus dem Mutterleib gezogen und mich geborgen an der Brust meiner Mutter. Von meiner Geburt an bin ich auf dich geworfen. Du bist mein Gott von meiner Mutter Schoß an.
Sei nicht fern von mir! Denn Angst ist nahe, und es gibt hier keinen Helfer.
Jesus und David im Leiden vereint
Dass Jesus diesen Psalm gebetet hat, darf uns nicht dazu verleiten, ihn ausschließlich aus der Perspektive Jesu zu deuten. Diese Sichtweise kann uns zwar helfen, doch wir lesen, dass es ein Psalm Davids ist. Das weist bereits darauf hin, dass David viel erlitten hat, was an das Leiden Jesu erinnert.
Wenn wir nun biblisch überprüfen wollen, wie es gerade mit dem Leiden aussieht, was sagt Paulus dazu? In Philipper 3 spricht er davon, dem Leiden Christi gleichgestaltet zu werden. Er sagt, dass er die Wundmale Jesu tragen muss. Paulus betont jedoch, dass nicht jeder Christ dies tun muss. Es gibt aber Christen, die ganz besonders in die Nachfolge des Leidens auf dem Passionsweg Jesu geführt werden.
Mir ist das deshalb immer wichtig, weil wir oft nicht in die Tiefe geführt werden – besonders wir im Westen, in der großen Freiheit und der sicheren Lage, in der wir leben. Oft müssen wir selbst nicht viel durchmachen. Umso mehr gilt es, besonders mit denen zu leiden, die schwer durch schwere Zeiten gehen müssen.
Zuerst in unserer Mitte sollten wir die Kranken nicht vergessen oder verdrängen. Wir dürfen die nicht aus unserer Gemeinschaft ausschließen, die besonders angefochten sind. Ebenso sollten wir an die Mitchristen denken, die unfassbar schwere Zeiten durchleben. Die Christen im Iran, in Libyen, im Jemen und derzeit auch im Sudan tragen schwere Lasten. Wir sind aufgerufen, sie mitzutragen.
Die Erfahrung der Gottesferne im tiefsten Leiden
Es gibt eine Situation, in der man das tiefste Leiden empfindet: wenn man den Eindruck hat, Gott hat mich verlassen. Nicht das Leiden an sich ist schwer, sondern das Gefühl, unter der Rute Gottes zu stehen und von ihm geschlagen zu werden. Man meint, Gott hasst mich, er kann mich nicht ausstehen, ich bin von Gott verlassen.
Wer durch tiefe Schmerzen hindurchgeht, weiß, wie das kommt. Wir waren junge Burschen im Jugendkreis, als damals der dritte Pfarrer in der Johanniskirche kam und erzählte, dass das, was gerade im Fernsehen gezeigt wird, er selbst erlebt hat. Er war im Generalstab der Panzerarmee unter Guderian. Als junger Mensch sah er zum ersten Mal, wie einer seiner Kameraden beide Füße abgerissen wurden. Dieser Mann saß da, hockte und übergab sich mit einem Schwall Blut aus seinem Mund. Er schrie: „Er schießt mich doch, er schießt mich doch.“ Die anderen standen herum und wussten nicht, was sie tun sollten, bis der Verletzte schließlich starb.
Das Leiden, das in dieser Welt getragen wird, ist unermesslich. Wo Menschen es nicht mehr aushalten können – nach allem, was wir wissen, war kein Sanitäter da. Dieses ungeheure Leiden lässt sich kaum beschreiben. Wir verdrängen es oft. Wenn man die Geschichte liest, sieht man zum Beispiel in einem schönen Bild in der Zeitung vom letzten Samstag, wie die spanischen Eroberer den Inkas die Hände abgehackt haben. Noch einmal: Was die Welt schon an Leiden gesehen hat, ist unfassbar.
Doch das schwerste Leiden ist, wenn man meint, von Gott verlassen zu sein. Dazu möchte ich ein klares Wort sagen, besonders zu Vers 2. Leider wird dieser Vers in der Passionsauslegung oft von modernen Theologen so interpretiert, dass Jesus an Gott gezweifelt habe. Das ist Quatsch. Es ist doch ein Gebet! Da heißt es: „Mein Gott“. Und das Erstaunliche ist, dass jemand seine Gefühle der Gottverlassenheit nimmt und sie zu Gott hinträgt. Das ist der Triumph des Glaubens, gerade bei Jesus im Sterben.
Nach allem, was er fühlt – „Ich bin von Gott verlassen“ –, trägt er den Fluch der Welt. Er schlägt die Brücke und sagt trotzdem: „Aber mein Gott.“ Er hält an Gott fest, ruft ihn zweimal an: „Eli, Eli, Lama Asabtani?“ – „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Nicht der Schrei der Verlassenheit ist entscheidend, sondern in diesem tiefsten Leiden liegt der Trost des Geborgenseins.
Die Beziehung zu Gott wird ihm selbst fraglich. Es mag sein, dass wir es in Stunden der Verzweiflung und Anfechtung ähnlich erleben, besonders wenn wir unter unserer Schuld leiden. Das ist ja das Schwerste: zu spüren, ich habe gesündigt und kann Gott gar nicht mehr anrufen. Bis man wieder den Mut findet und sagt: Ich darf doch zu ihm kommen, mit all meiner alten Schuld, ich darf wieder zu Gott rufen.
Hier haben wir den tiefsten Punkt der Depression, der Gottverlassenheit – und doch auch die Überbrückung im Glauben. Darum spricht dieser Psalm so mächtig zu uns. Im Alten Testament gibt es auch die Gestalt Hiobs, der mit Gott ringt. Er diskutiert noch mit seinen Freunden, aber dann ist es dieser Psalm Davids, Psalm 22, der uns viel tiefer führt – bei Jesus am Kreuz bis hin zu der Stelle: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.“
Deshalb ist es ein Trostpsalm. Für uns kann es nie möglich sein zu sagen: „Ja, ich zweifle an Gott und bin in der Anfechtung von Gott verlassen.“
Die Klage Davids und das Festhalten an Gottes Heiligkeit
Jetzt wollen wir doch noch hören, was ihn so bedrückt. David schreit: Er erlebt keine Hilfe, Gott antwortet nicht. Er findet keine Ruhe mehr, keine Stille, und mit seinen schweren Gedanken findet er keinen Frieden in seiner Seele.
Doch eines tut er nicht: Er tastet den heiligen Gott nicht an. Er weiß, dass Gott heilig ist und über den Lobgesängen Israels thront. Aber Gott ist ihm unerreichbar – er mit seiner Not, und dort die unantastbare Größe Gottes. Selbst die Erfahrungen, die die Väter in den vorigen Generationen gemacht haben, sind ihm jetzt kein Trost. Er sagt: Ja, denen hast du geholfen, bei mir ist aber gar nichts sichtbar.
Wie es in einem Psalm heißt, muss er lange auf seinen Gott harren. Das Warten ist schwer. Ich habe diesen Psalm heute Abend gewählt, weil ich weiß, dass ich auch am letzten Dienstag manchen von Ihnen mit dem Psalm 91 Not bereitet habe. Dort steht klar: „Du wirst deinen Fuß nicht an einen Stein stoßen.“ Und doch erfüllt sich das bei vielen nicht. Das mag ganz verschieden sein.
Es gibt auch das Schreien durch wochenlange Ungewissheit, durch jahrelanges Verlassenwerden. Die Väter wurden nicht zu Schanden, ich werde zu Schanden, sagt David. Man spürt auch, wie er von seinen Mitmenschen verspottet wird, wahrscheinlich von seinen Brüdern. War es schon die Anfeindung Davids in seiner eigenen Familie?
Es ist schwierig, das jetzt genau auf eine Lebensphase Davids zu beziehen. Aber es ist wichtig für uns zu wissen, dass auch David von solchen Anfechtungen nicht verschont blieb. Er sagt: „Ich bin ein Wurm und kein Mensch.“ Er zweifelt an seiner Würde als Mensch. „Ich bin unter die Tiere gefallen.“ Ich bin nichts mehr – ein Spotter unter Leuten, unverachtet.
Unter Spottern, die sagen: „Der mit seinem Glauben – jetzt soll er doch einmal zu seinem Gott gehen, ob der ihm wirklich helfen kann.“ Das ist noch die Verhöhnung. Wir wollten es ja so gern für die Ungläubigen, dass wir sagen: „Jetzt, Gäbele, jetzt guckst du. Jetzt hilft mir Gott, jetzt reißt du die Augen auf.“ Doch Gott macht das nicht. Er zeigt nicht die Demonstration, die wir uns so sehr wünschen – dass für die Ungläubigen rasch Hilfe hereinbricht.
Trost in Gottes Schöpfung und Geburt
Was tröstet ihn in dieser Lage? Vers 10 sagt, dass er seine Geburt nicht selbst gemacht hat. „Ich wurde geboren“ – das ist passiv. Gott hat mich in dieses Leben hineingestellt.
Ein Bibelausleger bezieht dies besonders auf Jesus und seine Geburt. Jesus ließ sich vom Vater senden. Das war sein einziger Trost: die Geburt in Bethlehem. Seit diesen Tagen, seit Maria schwanger wurde, ist das der Plan Gottes. Und ich werde still.
Es ist auch ganz wichtig zu erkennen, dass ich mein Leben nicht selbst meistern kann. In der Seelsorge erlebe ich oft, dass es für Menschen tröstlich sein kann, wenn sie sagen: „Was soll ich machen? Es gibt kein Rezept mehr.“ Gott hat uns hineingestellt, wir sind jetzt hier, und ich kann es nur Gottes Sache sein lassen.
Er erinnert sich sehnsüchtig an die Geborgenheit an der Brust der Mutter, an die Geborgenheit im Mutterleib. „Du bist mein Gott von meiner Mutter Schoß an“ – das ist nie angetastet, dass er Gott gehört. Doch er bekommt es nicht mehr zusammen in der totalen Nichtigkeit seines Lebens. Es ist kein Helfer mehr da, kein Ausweg mehr.
Ich habe es am Sonntag im Gottesdienst noch einmal versucht zu sagen: Das tiefste Leiden Jesu war nicht die Angst vor dem Tod, nicht die Schmerzen, sondern das Leiden unter der Gottesferne. Das ist das allerschwerste. Wenn ich mich dem stellen muss, wenn man sieht: Ich bin von Gott davongelaufen, und jetzt muss ich auslöffeln, was mein Leben war.
Man sieht auch David als Sünder nach seinem Ehebruch mit Bathseba. Psalm 51 ist dafür bekannt. Aber es gibt noch andere Stellen bei David, etwa als er das große Morden in der Wüste Juda anrichtete – zum Beispiel Psalm 27. Es sind viele dunkle Stellen darin, an denen man spürt: Das ist mein Leben in der Schuld.
Vorhin hat ein Bekannter angerufen, den ich seit vielen Jahren kenne. Er leidet unter schweren Depressionen, seit ein junges Mädchen totgefahren wurde. Schwer, nicht wahr? Als Lehrer hat er die Kinder so lieb gehabt. Und da muss man sich gar nichts vorwerfen. Deshalb ist es so schwer. Es gibt so viel Schweres im Leben.
Und wenn jemand keinen Frieden mehr findet, dann stehen wir als Seelsorger da und fragen uns: Was kann man immer wieder sagen? Ich bin überzeugt, dass man immer wieder nur zu Gott hinfliehen darf – auch mit den Dingen, bei denen man sagt, es ist doch Schuld.
Und wenn wir heute unser Leben ganz plötzlich beschließen müssten, hoffe ich, dass auch über sie ein heilsamer Schrecken fallen wird. Doch es ist so viel in meinem Leben falsch gewesen, und ich kann es nicht mehr zurechtbringen. Ich kann nur in die Arme Gottes fallen.
Bilder der Angst und Ohnmacht im Psalm
Jetzt erzählt er hier noch einmal von der großen Anfechtung. Diese ist auch in den Bildern dargestellt. Gerade das ist etwas, das sicher besonders unsere Kranken, die an psychischen Krankheiten leiden, verstehen können.
Gewaltige Stiere haben mich umgeben, mächtige Büffel haben mich umringt. Was ein Stier ist, kennen wir vielleicht noch aus einem Film, in dem der Stierkampf in Spanien gezeigt wurde. Aber wenn man einem Büffel allein gegenübersteht, spürt man eine unheimliche Kraft. Das sind Angstbilder, die man aus Träumen kennt.
Haben Sie auch schon so schreckliche Träume gehabt, in denen man nachts aufwacht und irgendwo über einem Felsabgrund hängt? Solche Bilder sind es, die Angst auslösen. Es sind Gefühle der Angst, der Ohnmacht und das Gefühl, unlösbaren Herausforderungen gegenüberzustehen.
Diese Bilder erinnern an die Angst und die Situation des Sisyphus. Viele Menschen kennen das aus ihrer Berufstätigkeit: Man muss einen Berg hinauf, schafft es aber nicht und rutscht immer wieder herunter. Man muss immer wieder hoch, kommt aber nicht voran. So kann man an seinem Leben verzweifeln.
Überhaupt ist der Psalm eine Frage, wie man das Leben meistert. Ich spüre: Ich werde in Herausforderungen gestellt. Jeder Mensch fühlt sich im Leben oft unterbewertet. Man meint, nie richtig mit seinen Gaben geachtet zu werden.
Wenn wir in Positionen stehen, merken wir, dass wir alle überfordert sind. Man verlangt mehr von uns, als wir leisten können. Und jetzt soll ich die Leistung bringen? Ich kann ja nicht ständig funktionieren. Wie soll ich das schaffen? Zeitlich schaffe ich es nicht, kräftemäßig auch nicht. Und wenn herauskommt, dass ich versage?
Ich habe immer auch ein Herz für Politiker. Wenn man über sie herzieht und sagt, er hat Schwächen, dann ist das ja auch ein Mensch mit all seinen Ängsten und Komplexen. Jeder erwartet von ihnen, dass alles perfekt, alles richtig und fehlerlos ist. Welcher Mensch kann das denn?
Irgendwann muss das doch zerbrechen. Ein Mensch sagt dann vielleicht: „Ich bringe mich um“ oder „Ich gehe nicht mehr.“ Genau an dieser Stelle setzt der Psalm an. Dort will Gott mit mir reden.
Die Bedrohung durch Feinde und die Verzweiflung
Ihren Rachen sperren sie gegen mich auf wie ein brüllender und reißender Löwe. Dieses Bild findet man auch häufig in ägyptischen Darstellungen, zum Beispiel in alten Pharaonen-Darstellungen, in denen Menschen gegen Löwen kämpfen. Man kann sich kaum vorstellen, wie Menschen dabei siegen könnten. Ich kann mein Leben nur noch um ein paar Minuten verlängern.
Das nächste Bild ist ähnlich: Ich bin ausgeschüttet wie Wasser. Mein Leben rinnt davon, es bleibt nichts zurück. Wenn man Wasser ausschüttet, ist es verflossen und weg. Er hat keinen Mut mehr für sein Leben. Alle meine Knochen haben sich voneinander gelöst. Das sind körperliche Schmerzen, die überall spürbar sind.
Es war interessant, dass heute in der Zeitung stand, dass Mediziner im Kampf gegen Krebs verstärkt auf psychologische Methoden setzen, um die Kräfte gegen die Krebserreger oder die Immunkräfte wieder zu beleben. Man sieht also, dass alles tief in uns miteinander zusammenhängt. Das lässt sich nie ganz lösen. Es ist doch ganz klar: Wenn ich seelisch unten bin, ist auch mein Körper unten, und das eine hängt mit dem anderen zusammen.
Ich kann mich nicht mehr aufbauen, ich bin eben unten. Mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs, meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, und meine Zunge klebt mir am Gaumen. Das ist so treffend beobachtet. Sie wissen doch, wie der Mund in der Angst trocken wird. Man kann nicht mehr sprechen, der Atem stockt, und das Herz schlägt nicht mehr richtig.
All das ist eine Kehrtwendung, die von der Nebenniere ausgeht und sich über alle Blutgefäße erstreckt. Es ist eine Kette. Und sie sagen: „Jetzt musst du ruhig sein.“ Das kann ich eben nicht mehr. Und du legst mich in des Todes Staub.
Hunde haben mich umgeben, und die böse Rotte hat mich umringt. Sie haben meine Hände und Füße durchgraben; ich kann alle meine Knochen zählen. Sie aber schauen auf mich herab, teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand.
Die Bitte um Gottes Nähe und die Kraft des Glaubens
Aber du, Herr, sei nicht ferne, meine Stärke, eile, mir zu helfen.
In der größten Not weiß er: Gott lebt, er ist der Herr. Und das ist so wunderbar, wenn man sich das immer wieder bewusst macht. Dann mitten in diesem Psalm weht der Gedanke: „Aber du, Herr, ich will mich nie an dir versündigen.“ Das dürfen wir nicht.
Das ist heute in der modernen Religiosität und im modernen Christentum so schrecklich, dass Leute sagen: Ja nun, man darf doch an Gott zweifeln. Nein, an Gott darf ich nie zweifeln. Ich darf so weit gehen, dass ich dich nicht verstehe.
Sie kennen doch die Geschichte, die ich so oft erzählt habe: William Bush, dieser glaubensstarke Mann, saß am Sterbebett seiner Frau, die an einem furchtbaren Brustkrebs litt. Sie verblutete in der Nacht, kurz vor ihrem Tod, in einem furchtbaren Zustand. Als er an seinem Schreibtisch niederkniete, schrieb er diesen Satz: „Herr, ich verstehe dich nicht, aber ich vertraue dir.“
Und das ist der Unterschied zum Zweifel. Verstehen Sie? Das darf ich sagen: Ich verstehe Gott nicht. Und ich bin auch immer dagegen, dass wir an Gräbern oder bei schwerem Leiden so tun müssen, als ob wir sagen würden: Ach, das hat alles bei Gott einen heimlichen Segen. Ich soll nicht so tun, als könnte ich das erkennen.
Wir dürfen doch auch sagen: Herr, wir verstehen dich nicht. Gott erlaubt uns das. Aber wir sagen: Ich sage mich von dir nicht los.
Das ist bei Hiob auch so groß. Er sagt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt und dass er sich als der Letzte über meinem Staub erhebt.“ Und er weiß, dass er thront über den Lobgesängen Israels. Und er weiß auch, dass ihn nichts und niemand aus der Hand Jesu reißen kann.
Da gibt es ja noch diesen tollen Satz aus Johannes 10 vom guten Hirten: „Ich bin in seine Hände hineingezeichnet.“ Und das ist mir so wichtig, dass wir auch den Sterbenden diesen Dienst tun und ihnen das sagen: Niemand kann dich da lösen, weil Jesus für die Verlorenen gestorben ist. Das ist der Grund.
Nicht, weil ich irgendwo etwas Besonderes habe – ich habe es am Sonntag so schön gesagt und dann wieder vergessen –, habe ich von Betzel übernommen, dass er sagt: Der gute Hirte sucht uns nicht, weil wir ein Genie sind oder weil er unsere Gaben bräuchte, sondern weil er Verlorene sucht. Das ist seine Festlegung.
Darum habe ich das Pfand in der Hand, dass er mich nicht hinausstößt, weil ich ein Verlorener bin, weil ich ein Gescheiterter bin. Nur so kann ich bei ihm ankommen. Und das ist das Pfand: Jesus lässt mich nicht fallen.
Da kennen Sie all die schönen Lieder, die Sie wieder singen: „Was ein starker Halt ist meines Jesu Hand“ und so weiter. Das ist der Grund. An dem zweifle ich nicht – alles andere vielleicht.
Die Unbegreiflichkeit des Leidens und die Hoffnung auf Gottes Gerechtigkeit
Und das muss auch klar sein: Ich werde es nicht durchschauen können. Ich weiß nicht, warum Menschen leiden, ich weiß nicht, warum Menschen verhungern, ich weiß nicht, warum es manchen Menschen so schwerfällt. Die einen haben es gut, und die anderen haben es schwer.
Diese Fragen werden Sie nie beantworten können, wenn Sie mit einem Menschen sprechen, der von Geburt an verkrüppelt ist oder dessen Geist krank geboren wurde. Was wollen Sie dem sagen? Sie verstehen es doch nicht.
Wir sollen nicht immer so tun, als ob wir irgendetwas von Gott verstehen. Wir wissen nur das, was wir verstanden haben: Der einzige Lichtblick ist seine Liebe, die am Kreuz offenbart wurde und die die Verlorenen annimmt. Und das ist das Evangelium. Alles andere bleibt uns verschlossen.
Ob wir in der Ewigkeit noch viel fragen werden, weiß ich nicht. Wir werden auch dann nicht alles lösen können. Warum hat es den einen im Krieg getroffen und den anderen nicht? Psalm 73 beschreibt es: Den Gottlosen geht es oft so gut, sie haben den fetten Wanst, sie kommen so fett daher, und die Gerechten sind oft so geschlagen.
Diese Frage kann man nicht auflösen. Aber Psalm 22 ist ein schönes Beispiel: „Herr, sei mir nicht ferne, eile mir zu helfen, errette mich, hilf mir aus dem Rachen des Löwen und vor den Hörnern wilder Stiere.“ Du hast mich erhört, du hast mich erhört – und dann mündet es in Jubel. Es ist so schön, dass man dann singen kann. So weine ich, wenn ich weine, doch noch mit Loben.
„Es jammert, wer nicht glaubt, ich will mich still.“ So schöne Lieder, gerade diese Lieder über Gottvertrauen, Kreuz und Trost. Und ich bitte Sie, sich nicht den modernen Frömmigkeitsströmungen zu öffnen. Darüber kann man streiten, ob wir manchmal das Leidensthema zu stark oder zu wenig stark betonen. Da können wir uns immer wieder gegenseitig korrigieren. Es ist ein Thema unter anderem, das wir letztendlich im Psalm 91 besprochen haben.
Aber dass es in unserem Glaubensleben enthalten sein muss, ist klar. Und dass wir dabei das Loben und Rühmen nicht vergessen dürfen, ist ebenso wichtig.
Heute sind wir schon so weit, dass viele russische Christen sagen: Wir sehnen uns zurück nach den Verfolgungszeiten. Denn die Zeiten der Freiheit sind viel furchtbarer – mit dem ganzen schrecklichen Schmutz, der jetzt aus dem Westen kommt, mit den vielen Sekten. Die werden im Osten regelrecht überflutet. Schon in der DDR waren sie total hilflos.
Es kommen Gruppen, da weiß man nicht, ob das New Age oder Mormonen sind. Sie geben Geld, bauen Häuser und vieles mehr. Und diese schwachen Gemeinden werden überrollt. Es ist oft relativ, was wir uns an Wohlleben erträumen, wenn nur endlich die Zeiten vorüber sind. Das soll Gottes Sache sein.
Lobpreis und Gemeinschaft trotz Leid
Ich möchte den Gemeinden nicht die Verfolgung wünschen, ich höre es nur aus deren Mund. Selbst von leitenden Leuten der evangelischen Agentur, das sind die DDR, sagt man, es war viel, viel leichter für uns drüben, wo der Feind klar war. Da waren wir im Glauben fest. Heute ist alles durcheinander, und wir sehen überhaupt nichts mehr klar.
Wir bekommen Bücher und wissen gar nicht, dass wir sie gar nicht brauchen können, weil sie falsche Lehre enthalten. Oft kommen sie von irgendeiner verrückten Gruppe, und die Amerikaner sind Meister darin, solche Lehren reinzupumpen.
Ich will nur sagen, dass es in einem Lobpreis mündet. Ich will deinen Namen meinen Brüdern kundtun. Er will sogar evangelisieren, er will die anderen stärken. Ich will dich in der Gemeinde rühmen und in der Gemeinde meinen Mund aufmachen, obwohl ich ein depressiver Mensch bin, mitten in der Not.
Rühmt den Herrn! Wer den Herrn fürchtet, der ehrt ihn! Schauen Sie mal, wer die schönsten Lieder immer gemacht hat. Es ist nicht von ungefähr, dass es Paul Gerhardt war, der selbst depressiv war. Wir singen bei den Reichsliedern so gern „Gott wird dich tragen“, die von Menschen gedichtet wurden, die als Kind blind waren und so weiter. Merkwürdig, dass der schönste Lobgesang gerade von Leuten kommt, die durch schwerste Leiden gehen.
Denn Gott hat das Elend der Armen nicht verachtet noch verschmäht, und sein Angesicht vor ihnen nicht verborgen. Als sie zu ihm schrien, hörte er es. Auch Jesus bestätigt das in der Auferstehung.
Dich will ich preisen, der großen Gemeinde. Ich will mein Gelübde erfüllen vor denen, die ihn fürchten, aber nicht erst, wenn es eingetroffen ist, sondern schon vorher.
Wir werden ihn einmal in der Ewigkeit rühmen. Aber es wäre tragisch, wenn wir mit dem Lobgesang erst warten, bis wir in der Ewigkeit sind. Wir wollen ihn hier schon singen, mitten im Leid.
Das ist auch so schön im Lied „In dir ist Freude, in allem Leide“. Wenn wir dich haben, kann uns nichts schaden – weder Teufel, noch Welt, Sünde oder Tod.
Die Elenden sollen essen, damit sie satt werden. Das ist ja im Alten Testament so schön, dass sie nicht immer nur vom Fasten gelebt haben. Manche meinen, im Alten Testament sei das Fasten gewesen. Doch zur Frömmigkeit gehörte auch, dass man mal tüchtig gegessen hat. Das gefällt mir so.
Auch schön ist, dass Feste gefeiert wurden. Wie heißt es bei Nehemia? „Iss das Fette, es tut doch gar nicht gut.“ Es schmeckt so gut, und die Gesellen sagen: „Komm, jetzt iss doch!“
Also, jetzt wollen wir nicht mehr weiter daran herumdoktern. Aber mein Wunsch ist, dass euer Herz ewiglich lebt. Es werden Gedenken und sich zum Herrn bekehren alle Weltenden.
Er sieht schon die Gemeinde aus allen Völkern und Nationen, und er will, dass sein Lob weltweit erklingt. Es ist wunderschön, wenn man auch von anderen Ländern Ermutigungen und Stärkungen erfährt. Vor ihm beten alle Geschlechter der Heiden an.
Zwischen dem Alten Testament und dem Neuen Testament gibt es für mich keinen Graben. Ich wüsste nicht, welchen. Bis hin zum Blick auf die Gemeinde aus allen Nationen ist ja schon alles da.
Der Lobpreis, der hier erklingt, und der Lobpreis, der von der Kreuzgemeinde kommt – liebe Schwestern und Brüder – lügt euch nicht in die Tasche. Trotz aller wunderbaren Siege, die wir mit Jesus erleben, bleiben wir Kreuzgemeinde.
Bleiben wir eine Gemeinde, die sehr durch muss. Jedes Sterben in unserer Mitte wird uns hart ankommen, auch unser eigenes Sterben. Wir müssen unsere Sachen ablegen. Es ist nicht so, dass wir sagen können: „Herr, Halleluja, jetzt geht es hinüber.“ Leider nicht.
Ich freue mich, wenn der Bruder Zeiss auf der Autobahn so schnell unterwegs war, dass er den Tod nicht geschmeckt hat. Aber das ist nicht die normale Weise, wie die Gotteskinder sterben. Die Gotteskinder müssen durch.
Leiden und Trost in der Gemeinde
Lesen Sie nun 2. Korinther 4 und 2. Korinther 6, wo Paulus über die Trübsale, Leiden und Nöte spricht. Obwohl wir im Moment relativ verschont sind, wird es sehr hart für uns werden, wenn wir daran denken.
Wenn zum Beispiel Monika Hausmann erzählt, wie die meisten unserer Brüder und Schwestern nicht einmal eine Krankenschwester haben, wenn ihre Frauen bei der Geburt sterben – das muss man wissen. Es läge in unserer Macht, ihnen alle nötige Hilfe zu geben, und doch schaffen wir es heute nicht einmal dazu.
Wir beklagen uns hier, ob unsere medizinische Versorgung noch besser wird, während in der Welt nicht einmal ein Minimum möglich ist. Heute stand auch ein guter Satz darin, der erste Weise zu Uganda und zur Frage der Aidsverhütung sagte, dass es für diese Menschen gar nicht möglich ist, so zu leben, wie wir es tun.
Unser Bruder Wolfgang Heiner, der immer ein Genie im Helfen war, hat jetzt das erste Heim in Uganda gegründet. Dort werden Aidskranke im Sterben gepflegt und im Glauben gestärkt. Das ist doch auch etwas Großes für diejenigen, die noch Ratschläge haben.
Mir geht es einfach darum, dass die Gemeinde Jesu durch alle Jahrhunderte hinter euch steht. Schauen Sie sich die Geschichte an: Was für Menschen waren das? Was für Vorfahren hatten wir auf unseren Dörfern? Was für Leiden und Not gab es dort?
Ich denke immer wieder an die alten Stundenhäuser, wo oben die alte Großmutter mit ihrem Oberschenkelhalsbruch vier, fünf Jahre lang im Leiden lag. Und gerade das hat die ganze Familie immer wieder gestärkt.
Was sind wir für leidensscheue Menschen geworden! Wenn das Leiden kommt, fragen wir sofort: Wo ist Gott?
Die Herrschaft Gottes und die Verheissung der Gerechtigkeit
Das Herrschen gehört dem Herrn, und er herrscht auch unter den Heiden. Alle, die in der Erde schlafen, werden ihn anbeten. Vor ihm werden alle Knie sich beugen, die zum Staub hinabgefahren sind und ihr Leben nicht bewahren konnten. Das sind die Knie, die sich alle beugen werden.
Er wird Nachkommen haben, die ihm dienen. Vom Herrn wird man Kind und Kindeskind verkündigen. Dieser Psalm ist ein Jesuspsalm, der bereits in David zuvor angedeutet wurde.
Die Gemeinde, die in die Leiden Christi hineingestaltet wird, wird kommen und seine Gerechtigkeit predigen. Sie wird dem Volk, das geboren wird, von ihm erzählen, denn er hat es getan. Es ist auch besonders schön, dass seine Gerechtigkeit am Ende verkündet wird.
Doch was ist die Gerechtigkeit Gottes? Die Gerechtigkeit Gottes bedeutet, dass er sündige Menschen gerecht macht. Er nimmt ihnen die Schulden weg und spricht sie frei. Wenn Gott eine strafende Justitia wäre, die mit verbundenen Augen beim Gericht sitzt, dann stünden wir alle verloren da. Schon wegen der kleinsten Dinge könnten wir vor Gott nicht bestehen.
Wir werden die großartige Gerechtigkeit Gottes verkünden, von der Paulus in seinem Römerbrief spricht. Gott macht Sünder gerecht, löscht alle Schuld aus und ist für Sünder gestorben. Er ruht nicht, bis er unser Leben umgestaltet.
Das werden wir vor der Welt verkünden. Ich hoffe, dass auch Sie diesen Psalm lieb gewonnen haben. Es ist immer nur ein kleiner Einblick. Sie können ihn in manchen Nächten nachbeten und immer tiefer in dieses herrliche Geheimnis eindringen.
