Vater, schenke uns jetzt, dass das, was wir gesungen haben, aus unserem Herzen kommt und dass wir es glauben dürfen und festmachen können. Denn wenn du in uns bist, dann darf dieses Lied aus vollem Halse gesungen werden – dir zur Ehre. Hab Dank dafür.
Legen wir dir diese ganze Versammlung mit deinem Wort, das Reden und das Hören hin. Schenk du dazu deinen Heiligen Geist vermehrt und schenke uns auch deinen Frieden hinein in uns und die Stille – deine Gottesstille. So dürfen wir spüren, dass wir hier nicht allein sind, sondern dass du mitten unter uns bist, in ihm, deinem geliebten Sohn.
So danken wir dir. Rede du und schenke uns offene Herzensohren! Amen!
Einführung in das Thema der Leidensgemeinschaft
Die heutige Morgenverkündigung steht unter dem Thema 2. Korinther 4,6-18.
Der Schatz in irdenen Gefäßen, oder in der Bibel überschrieben mit der Leidensgemeinschaft mit Christus, ist in unseren Tagen dadurch gekennzeichnet, dass wenig über diese Leidensgemeinschaft gesprochen wird. Auch gibt es kaum neuere Lieder, die davon handeln.
Die Sache ist, Herr Jesu Christ, wie es heißt: "Woll an, so führe uns allzugleich zum Teil am Leiden und am Reich." Das ist eine harte Bitte, die man hier ausspricht – wir wollen mit dir leiden.
Diese Leidensgemeinschaft kommt sehr häufig in den Paulusbriefen vor. Wir lesen sie nun hier, ab Vers 7. Dort wird die Leidensgemeinschaft mit Christus deutlich: „Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.“
Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht.
Das Leiden als Normalfall im Christenleben
Heute Morgen haben wir alle eine wunderbare Gastfreundschaft erlebt und ein herrliches Frühstück genossen. Gleichzeitig fühlen wir mit denen mit, die heute am Leib Christi bedrängt sind.
Es ist hier an der Langensteinbar Höhe gut, dass gleich daneben diese große Klinik liegt, in der viele schwere Leiden behandelt werden. So ahnt man, wie viele heute seufzen und bedrängt sind.
Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.
Das Leiden ist der Normalfall des Christenlebens, obwohl viele alles in Bewegung setzen, um das Leiden wegzubeten. Man muss noch viel mehr beten, dass Gott das Leiden wegnimmt. Oft hört man auch die etwas merkwürdige Fürbitte, dass Gott die Verfolgung und die Drucksituation beenden soll.
Ihr habt ja nie ein ganzes Jahr dazu. Der Herr hat aus dem Leiden solch einen Segen geschaffen, auch in der verfolgten Gemeinde. Haben wir das Recht, einfach zu sagen: Herr, gib ihnen rasch Freiheit?
In Russland sehnen sich heute viele Christen wieder nach der Verfolgung. Dort waren die Fronten klar. Heute kommt der Teufel so verführerisch, dass die ganzen Gemeinden darüber zerbrechen. Das gibt es auch.
Die Offenbarung des Lebens durch das Leiden
Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben von Jesus an unserem Leib offenbar werde. Denn wir, die wir leben, werden dennoch immerdar dem Tod übergeben um Jesu willen. So soll auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar werden.
Der Tod ist nun mächtig in uns, aber das Leben in euch. So ist es verschieden verteilt: Die einen tragen das Leiden, die anderen das Leben.
Weil wir aber denselben Geist des Glaubens haben, wie geschrieben steht: „Ich glaube, darum rede ich“, so glauben wir auch und reden darum.
Denn wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, uns auch mit Jesus auferwecken wird. Er wird uns vor sich stellen, zusammen mit euch.
Dies geschieht alles um eurer Willen, damit die überschwängliche Gnade durch die Danksagung vieler noch reicher werde zur Ehre Gottes.
Die Erneuerung des inneren Menschen trotz äußerer Schwäche
Darum werden wir nicht müde. Wie wir bereits in den ersten Versen gestern gelesen haben: Wir werden nicht müde, sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, wird der innere von Tag zu Tag erneuert.
Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft für uns eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit. Dabei sehen wir nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, ist ewig.
Der Traum von ewiger Jugend und die Realität des Alterns
Sie kennen alle den Namen des berühmten Professors Barnard, der als erster eine Herzverpflanzung in Südamerika vorgenommen hat. Er wurde oft zu Medizinerkongressen eingeladen. Ich erinnere mich, das ist schon viele Jahre her, dass er dort einen Aufsehen erregenden Vortrag gehalten hat. Er sagte, er wolle nur noch erleben, dass es gelingt, jenes Medikament zu entwickeln, durch das die Menschen nicht mehr altern, sondern ewig jung bleiben.
Wenn jetzt jemand in unsere Versammlung käme, würde er vielleicht sagen: „Ach, da sind die Zivis und die Haustöchter zusammen“, weil wir äußerlich alle die Jugend behalten. So könnte man die Senioren äußerlich gar nicht mehr unterscheiden. Es ist ein uralter Traum. Man hat schon viel entdeckt, zum Beispiel das Hormon, das dafür nötig ist, und so weiter.
Es ist eine grausame Vorstellung, aber in unserer Gesellschaft zählt ja nur das junge Fleisch. Das sportliche Fleisch, das gedupte Fleisch, kräftig und mächtig. Das Altwerden ist schwierig, wenn man es am eigenen Körper erlebt. Manche versuchen es noch ein wenig zu verbergen, obwohl ich sie immer wieder warnen möchte.
Wenn Kinder das Altern erleben, schauen sie plötzlich ganz genau ins Gesicht und sagen: „Oh, was hast du für Falten?“ Dann schämen wir uns und denken: „Ich bin alt, das gefällt mir aber nicht.“ Dabei gefällt Kindern ein altes Gesicht. Wissen Sie das? Sie lieben die Oma, und das ist für sie das schönste Frauengesicht.
Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Blick der Welt übernehmen. Die Welt heute will nur junge Leute in den Illustrierten und Filmen sehen – sportliche, braun gebrannte Menschen. Wir müssen uns bewusst machen, dass Gott es zulässt, dass wir altern.
Mit dem Altern ist auch verbunden, dass wir schwächer werden. Es ist wunderbar, wenn Menschen bis ins hohe Alter ihren Körper fit halten – so fit, wie es eben möglich ist. Ich habe mich neulich sehr gefreut: In einer Gymnastikgruppe war eine über 80-Jährige dabei, die mich noch in die Tasche gesteckt hat. So hatte sie ihr Muskelaufbautraining beibehalten.
Das ist eine gute Sache, wenn man die Gabe seines Körpers so weit wie möglich erhält. Wenn man sich informiert, was einem guttut, wie man Schmerzen mit natürlicher Fitness überwinden kann und auf schädliche Dinge verzichtet. Aber das Altwerden bleibt eine große Herausforderung.
Die Realität von Krankheit und Schwäche im Glaubensleben
Nun wissen Sie auch, dass das immer wieder eine Rolle spielt: Wir begegnen immer wieder Leuten, die sagen, wenn ich richtig glaube, werde ich gar nicht krank. Mein jüngerer Mann, der in den Entwicklungsdienst in die Dritte Welt gehen wollte, hat gesagt, wer richtig an Christus glaubt, braucht nie im Leben zum Zahnarzt.
Ich sagte zu ihm: „Du bist zwanzig, das ist super. Jetzt warte mal, bis du dreißig bist, dann fällt das schon an.“ Aber schon bei jungen Leuten wissen Sie, wie sie daherkommen, ihre Schmerzen haben, Bänderrisse und vieles mehr. Da merkt man plötzlich: Nein, auch Glaubende tragen die Vergänglichkeit unseres Leibes.
Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Je älter wir werden, desto größer wird dieses Problem. Manchmal sage ich auch ganz flapsig: „Ich wünsche Ihnen nicht, dass Sie alt werden“, weil es oft eine schwere Last ist, alt zu werden. Aber das ist natürlich nur flapsig gesprochen.
Es ist doch ein Leben, ein gottgegebenes Leben, das man nutzen darf und benutzen soll – trotz aller Beschwerden. Wir werden später noch hören, dass wir gerade in den vielen Belastungen umso mehr den Sieg von Jesus erleben.
Für unsere heutige Betrachtung dieses Abschnittes ist es wichtig, dass wir uns einfach damit auseinandersetzen und sagen: Das Altwerden und das Schwachwerden unseres Leibes ist von Gott zugelassen. Manche kämpfen schon von Geburt an damit, leben nur, weil sie dauernd gepflegt werden, weil sie schwere Behinderungen mit sich tragen. Andere wiederum sind durch Unfälle oder Verletzungen nicht mehr im Vollbesitz ihrer Kräfte.
All das gehört zum Leben, das wir brauchen. Deshalb sagt Paulus: „Wir haben solchen Schatz in irdenen Gefäßen.“ Was ist denn der Schatz? Das wurde gestern Abend besprochen. Der Schatz ist das Gute, das Licht des Glaubens, das angezündet wird.
Das Allerherrlichste, was passieren kann, ist das neue Leben, der Beginn: Christus ist der Herr. Dieses neue Leben überstrahlt alles andere – das ist der Schatz. Der Schatz ist nicht meine Frömmigkeit, nicht, dass ich lieb und gut bin, sondern der Schatz ist, dass Christus für meine Schuld bezahlt hat. Dass Christus meinen Namen ins Buch des Lebens schreibt, dass er der Herr meines Lebens sein will und sein Geist mächtig wird – das ist der Schatz.
Man muss immer aufpassen: Der Schatz ist uns ganz allein in Christus, in seiner Gnade geschenkt. Aber wir haben diesen Schatz in irdenen Gefäßen. Wenn Sie in der Bibel nachschauen, kommen solche Worte oft vor. Zum Beispiel in den Klageliedern Jeremias.
Das Bild der irdenen Gefäße als Symbol für menschliche Zerbrechlichkeit
Da wird erzählt – ich weiß nicht, ob Ihnen das noch ganz bewusst ist – von Jeremia, der den Untergang Jerusalems ankündigen muss. Wenn Sie einmal ins Rijksmuseum nach Amsterdam kommen, schauen Sie sich das Gemälde von Rembrandt an. Man kann dort sogar eine Kopie, einen Druck, kaufen.
Darauf sitzt Jeremia da und blickt zu Boden. Im Hintergrund sieht man das brennende Jerusalem. Auf dem Boden sind goldene Schmuckstücke verstreut. Jeremia sagt nämlich in den Klageliedern: „Wie sind die goldenen Gefäße?“ Ich möchte es im richtigen Wortlaut zitieren, aus Klagelieder 4,1:
„Wie ist das Gold so ganz dunkel und das feine Gold so hässlich geworden? Wie liegen die Edelsteine an allen Straßenecken zerstreut! Die edlen Kinder, die uns dem Golde gleichgeachtet, wie sind sie nun den irdenen Töpfen gleich, die ein Töpfer macht?“
Unser Leben war einst ein großes Geschenk, die Idee Gottes, wie er uns geschaffen hat, seinem Bild gleich. Doch dann werden wir zu irdenen Töpfen. Was ist ein irdener Topf? Er ist nicht wie ein Goldpokal, sondern rissig, rau und abgegriffen. Wenn man ihn fallen lässt, zerbricht er, er zerspringt.
Das ist ein eindrückliches Bild für unser Leben. Unser irdisches Leben ist ein irdener Topf, vom Töpfer gemacht, zerbrechlich und vergänglich. Das ist ja das Schwerste beim Altwerden: Wenn man mit seinem eigenen Körper Probleme bekommt.
Diejenigen, die eine schwere, unheilbare Krankheit haben, sehen ihren Körper plötzlich von außen und merken, wie dieser Körper zerfällt. Philipp Friedrich Hiller hat es als Schwabe einmal sehr derb in einem Lied ausgedrückt: „Wenn mein Leib schon als ein Kranker sich der Fäulnis überlässt.“
Das ist so schrecklich, wenn die Krankheit diesen irdener Topf zerbrechen kann. Das ist so schwer im Alter. Man muss dem in die Augen sehen und erkennen, dass der Herr das zulässt. Man darf das nicht einfach wegdrücken und sagen: Wenn du richtig glauben würdest, hättest du die Probleme nicht.
Wir erleben es ja auf den Pflegestationen überall, wie diese Not alle heimsucht. Das ist ein Wegstrecken, wo viele sagen: „Ich habe gar keine Kraft mehr, diesen schweren Weg zu gehen.“ Mein irdener Topf, mein Leben, meine äußere Hülle zerfällt und vergeht.
Gottes Kraft in zerbrechlichen Gefäßen
Jetzt ist es viel schöner, sonst wäre alles deprimierend. Was ich Ihnen sagen möchte, ist, dass Jesus, der ewige Gott, solche zerbrechlichen irdenen Gefäße benutzt, um seine Herrlichkeit darin aufstrahlen zu lassen. Das ist die Botschaft heute Morgen.
Verstehen Sie, das ist nur der Rahmen. Ich möchte es noch einmal kurz erklären. Heute spielt die Verpackung in der Industrie eine ganz wichtige Rolle. Es gibt die Interpack, das ist die große Ausstellung, zu der all die Firmen gehen, die Verpackungen herstellen.
Sie wissen ja, man könnte es im Laden testen. Wenn Sie zu Lidl, Aldi oder einem anderen Geschäft gehen und einkaufen, nehmen Sie meistens das Produkt, das am schönsten verpackt ist. Das gefällt uns. Wenn Sie genau nachrechnen würden, würden Sie merken, dass da oft 20 Gramm weniger drin sind. Aber die Verpackung macht heute den Unterschied aus. Die Verpackung entscheidet, welches Produkt wir nehmen.
In der Welt ist die Verpackung also sehr wichtig. Wenn ein Politiker gewählt werden will, muss er richtig an die Leute herangetragen werden. Er muss so aufgebaut sein, dass das Prinzip der Verpackung, das Äußere, überall wirkt.
Für uns Christen ist das oft auch eine Sache. Man sagt: „Ach, einer mit einem schönen Gesicht, braun gebrannt, der soll vielleicht den Dienst machen, das kommt besser an.“ Wir legen sehr viel Wert auf das Äußere. Aber Gott macht das gar nicht. Gott legt gar keinen Wert auf das Äußere.
Er legt seinen Schatz, diesen großen Schatz der Gotteserkenntnis, in ein irdenes Gefäß. Und das ist gut, wenn wir das immer wissen. Wir dürfen ja auch unser Gesicht lieben, wir dürfen unseren Körper liebhaben und Gott dafür danken. Aber wir sollten doch wissen: Es ist ein irdenes, zerbrechliches Gefäß, das verwäscht und zerfällt.
Das Große ist nicht die Verpackung, das Äußere. Entscheidend ist, was Gott in dieses zerbrechliche Gefäß hineinlegt.
Die Kraft Gottes in menschlicher Schwäche
Warum macht Gott das? Es steht in der zweiten Hälfte des siebten Verses: „Wir haben diesen Schatz in irrenden Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.“
Die entscheidende Wirkung unseres Lebens kommt nicht aus unserer Muskelkraft, nicht aus unserer Vernunft oder unserer Denkkraft, sondern aus dem Christus, der in uns wohnen will.
Wenn Sie einen Krankenbesuch machen, können Sie sich überlegen, was Sie sagen wollen. Aber das Entscheidende ist, dass Christus durch dieses Wort zu einem Menschen kommt. Dann hat es Wirkung.
Und das muss der Herr machen; es ist ein Gnadengeschenk. Wir wünschen uns doch, wie wir gestern sagten, dass wir auf die kommende junge Generation noch einmal Einfluss nehmen können.
Der Herr muss das tun, und zwar durch schwache Menschen hindurch. Die Boten der Apostel waren ja keine Namen von Welt. Das braucht die Gemeinde. Von Jesus nie, sondern Menschen, die vollmächtig sind von Christus.
Das ist entscheidend: eine Glaubensfrage, ob Gott uns gebraucht.
Segen durch Leid und Zeugnis in der Gemeinde
Nun erleben wir, dass in einer Gemeinde, in einer Gruppe oder auch zu Hause ein ganz besonderer Segen von den Menschen ausgeht, die besonders schwer geführt werden und diesen Leidensweg gehen.
Es ist interessant: Wenn es uns gut geht, verflacht unser Glaubensleben oft sehr schnell. Aber wenn man plötzlich jemanden trifft, der leidet, ist das etwas ganz anderes. So war es damals zum Beispiel mit der gelähmten Zoni aus dem Film, die als junges Mädchen schon gelähmt war. Wenn sie über ihren Gehorsam gegenüber Jesus spricht, ist das beeindruckend!
Oder warum hat Korinth so viele junge Menschen angesprochen? Weil dort Menschen Schreckliches erlebt haben, etwa im Konzentrationslager. Das ist für alle Menschen hochinteressant – nicht nur sportliche Erfolge bei der Tour de France, sondern was Menschen dort erleben, wo man eigentlich nur noch verzweifeln könnte. In den Tiefen des Lebens machen sie Erfahrungen, die ganz unsagbar schwer sind.
Man sollte sich viel mehr auch untereinander aufmerksam machen. Ich habe in einem Buch etwas Interessantes gelesen: Es hilft auch denen, die schwer geführt werden, wenn man sagt, da ist eine Mutter, die auch zwei Kinder durch einen Unfall verloren hat. Es gibt so schreckliche Dinge. Neulich ist es einer befreundeten Familie passiert: Die Großmutter wollte in der Garage das Auto einparken, doch ihr eigenes Enkelkind lief davor über den Hof und wurde totgefahren. Das war furchtbar!
Und wie wird das im Glauben verarbeitet, auch in einer Gemeinde, wenn der Herr einen solchen Leidensweg führt? Das will man oft nicht sagen: „Das hat Gott nicht zugelassen.“ Doch, er hat es zugelassen – ganz bewusst. Denn die schweren Dinge gehören zu unserer Welt, in der es so viel Leiden gibt.
Ich behaupte noch einmal: Von den Krankenbetten geht am allermeisten Segen aus – von den gläubigen Leuten in der Gemeinde. Jeder Krankenbesuch, den sie bei gläubigen Christen im Leiden machen, ist ein Segen. Sie gehen als Gesegnete und Beschenkte wieder weg.
Das ist so groß, wenn sie nur einen Liedvers miteinander sprechen und der andere sagt: „So ist es wirklich.“ Das können sie oft kaum fassen, dass der andere, der so schwer geprüft ist, sagt: „Doch, so ist es wirklich.“
Der Schatz des Glaubens in schweren Stunden
Der Schatz in einem irdenen Gefäß – die Krankheit, die einen Körper zerbricht, wenn menschlich keine Hoffnung mehr besteht – und doch lebt dieses helle Licht des Glaubens, dieser Schatz, diese Gegenwart von Jesus Christus.
Wir erleben das oft noch in den Sterbe- und Todesstunden. Neulich hatten wir unser 50-jähriges Abitreffen. Jetzt wissen Sie schon, wie alt ich bin. Ich bin nie zu einem Klassentreffen gegangen, da ich noch traumatische Verletzungen aus meiner Kindheit in der Schule habe. Ich denke so wenig gern an die Schule zurück wie an ein Gefängnis. Dort war ich zwar noch nicht eingesperrt, aber in der Schule fühlte ich mich eingesperrt.
Dann hat meine gute Frau gesagt: „Jetzt mit deinem Alter ist es Zeit, dass du deine Jugendverletzungen verarbeitest. Du gehst zum Abitreffen, zum fünfzigjährigen Abitreffen.“ Es war toll. Die meisten kannte ich gar nicht mehr, aber es war interessant. Da war ein Katholik dabei, der eigentlich katholischer Priester werden wollte. Das hat er nicht gemacht. Stattdessen hat er verschiedene Berufe ergriffen und schließlich in München einen Dienst aufgebaut, der Sterbende betreut.
Er erzählte, dass ihr Geschäftsprinzip war, so lange bei den Leuten zu bleiben, wie sie es wollten. Die Menschen bezahlten ihnen viel mehr Geld, weil sie so froh waren, dass sie nachts nicht gegangen sind. Sie blieben bis zum Sterben. Eine tolle Idee! Ich glaube, heute gibt es viele, die darauf warten, dass wir diesen Dienst tun, weil sie selbst nicht die Kraft dazu haben.
Da fragte ich ihn: „Was war denn deine Erfahrung? Du bist Katholik – sterben Christen leicht?“ Er antwortete: „Das ist doch gar keine Frage, wie Christen sterben.“ Dann erzählte er, dass das Allerschlimmste war, wenn gottlose Leute gestorben sind. Er berichtete von etwas, das ich noch nie erlebt habe: Viele verfluchten sich im Sterben dafür, dass sie geboren wurden. Sie litten so schwer, weil sie keine Hoffnung hatten.
Jetzt wird uns erst wieder bewusst, wie wichtig es ist, gerade in diesem Prozess, wenn das irdische Leben verlischt, dass umso mehr die ewige Gotteshoffnung leuchtet. Was für einen Schatz haben wir in Liedversen und Bibelworten, mit denen wir auch diese schweren Stunden überbrücken dürfen und beten können.
Schönste Verse, oft in anderen Liedern versteckt, wie im Lied „Geh aus mein Herz und suche Freud“. Dort heißt es: „Ach, wäre ich da, stünde ich schon vor deinem Thron, großer Gott.“ Wie leuchtet das plötzlich auf in einem Augenblick, wenn unser irdisches Leben verlischt! Da wird der Schatz unseres Glaubens so ungeheuer groß.
Das ist auch so wichtig bei Begräbnissen. Neulich bei einer Trauerversammlung war ich belastet. Ein guter Freund von mir, der viel gewirkt hat und ein fröhlicher Jesusjünger war, wurde verabschiedet. Es wurde viel vom Schweren des Todes gesprochen, statt von der großen Ehre und Freude, wenn Jesus einen heimruft in die Schar vor seinem Thron.
Zur Vollendung unseres Lebens, wo Leid und Schrecken zu Ende sind, gibt es doch keinen Moment der Traurigkeit. In Afrika holen sie die Trompeten raus, da wird geblasen, gelacht und der Herr gelobt. Sie freuen sich, dass der Sieg errungen ist.
Der Schatz des Glaubens wird erst sichtbar, wenn das Äußere zerbrochen wird – so schwer das auch ist. Wenn das Äußere zerbrochen wird, leuchtet dieser Schatz umso heller.
Die Bedeutung von Gemeinschaft zwischen Jung und Alt
Ich möchte doch noch ein Wort dazu sagen: In unseren Gemeinden darf es diesen Jugendkult nicht geben. Das ist Unsinn. Den Jugendkult, den die Welt treibt, lehnen wir ab. Wir freuen uns mit den jungen Leuten, aber sie brauchen Ergänzung durch die Ältesten.
Man muss sich den jungen Leuten nicht aufdrängen, wenn sie sagen, sie wollen nichts. Aber ich würde Sie immer wieder bitten: Machen Sie die Augen auf und sprechen Sie einzelne an. Erzählen Sie mir doch ein bisschen von Ihrem Jungscharleiter. Ich will immer für Dich beten. Kommst Du bei mir vorbei und erzählst mir von Deinen Problemen? Sie werden überrascht sein, wie dankbar junge Leute sind, wenn sie einen alten Freund finden, der sie geistlich begleitet.
Dabei darf man nicht überheblich oder schulmeisterlich auftreten, denn junge Leute sind da sehr empfindlich. Aber wenn wir sie in Liebe begleiten, braucht eine Gemeinde genau das. Denn in der Bibel steht so viel darüber, dass junge Leute oft törichte Dinge tun.
Da war zum Beispiel König Rehabeam als Kronprinz. Bevor er das Königsamt übernahm, kamen die Vertreter des Volkes zu ihm und sagten: „Du musst die Steuern reduzieren, sonst werden wir erdrückt. Salomo hat viel zu hohe Steuern verlangt.“ Rehabeam fragte daraufhin die Alten, und die sagten: „Das ist klug. Reduziere die Steuerlast, dann wirst du das Volk gewinnen.“
Die Jungen aber sagten: „Ha, wenn du mal König bist, dann musst du erst zeigen, wer Herr im Haus ist!“ Rehabeam folgte diesem Rat, und darüber zerbrach Israel in zwei Hälften. Die Jungen sind oft zu forsch, und sie brauchen die Alten. Das ist biblische Gemeinde: Alt und Jung müssen sich ergänzen, und es muss auch ein kritisches Gespräch stattfinden.
Wir freuen uns, dass die jungen Leute aktiv sind, Dynamik und Mut zeigen. Aber sie brauchen den Rat der Erfahrenen – auch den geistlichen Rat von Menschen, die schon viel erlebt haben und sich oft die Finger verbrannt haben. Das dürfen sie den Jungen sagen: „Ich sage dir das nur, weil ich mich selbst an vielen Stellen verletzt habe. Ich bin viele böse Wege gegangen, und ich warne dich aus der Erfahrung meines eigenen Lebens und Glaubens.“
Darum wollen wir nicht, dass die jungen Leute allein sind und einfach so auftreten. Das gehört zusammen – das Zeugnis der Alten und die Kraft der Jungen. Ich sage: Sie haben einen so wichtigen Auftrag. Wenn man Sie nicht zum öffentlichen Reden holt, dann tun Sie es in der Seelsorge.
Wie viele Menschen sind froh, wenn sie von dem erzählen können, was sie in schweren Stunden ihres Lebens erlebt haben!
Die Herausforderung des Alterns und die Kraft des Glaubens
In ein paar Monaten ziehen wir noch einmal um, da wir uns verkleinern. Das ist gar nicht leicht. Gerade sind die Mülleimer so leer. Wenn man seine guten Bücher aus der Bibliothek in den Mülleimer werfen muss, zusammen mit schönen Sachen und all den Stoffresten, die man gesammelt hat, ist das schwer. Man bastelt noch einmal etwas für die Enkelkinder, und von den Bildern an der Wand kann ich nicht mehr alle hängen. Jetzt sind die Mülleimer damit voll.
Es ist also schwer, wenn man sich reduzieren muss und auf kleinerem Raum zusammenleben soll. Aber wenn wir dort ankommen und sagen: Wir wollen uns reduzieren, wir wollen akzeptieren, dass unser Aktionsradius kleiner wird, dann wollen wir umso mehr unsere ganze verbleibende Kraft dafür einsetzen, dass die Kraft von Christus zum Leuchten kommt. Unser Zeugnis soll noch einmal weitergehen von dem, was wir gehört haben.
Beim Umräumen der Bücher fand ich ein Büchlein, das ich noch nie gelesen hatte, das mir aber großen Eindruck machte: Mit Jesus durch Sibirien. Der Autor gehörte zu den letzten freigelassenen Kriegsgefangenen in Russland. Wenn er alles noch einmal erzählt, soll man sich in Erinnerung rufen, wie die schrecklichen Unfälle beim Bäumefällen passiert sind, wie sie gehungert haben, die schreckliche Lagerbewachung und die Hoffnungslosigkeit.
Dann schreibt er: „Mir graut vor der Heimkehr.“ Warum graut ihm vor der Heimkehr? Weil wir nie mehr die Realität von Jesus Christus so hautnah erleben wie dort in diesen hoffnungslosen Tagen von Sibirien. Und wissen Sie, das ist die Gefahr des Wohlstands, den wir heute erleben.
Deshalb gehört die Krankheit in der Gemeinde als eine Segensgabe mit dazu. Krankheit ist schwer, und am Ende ist sie ja nicht schöpfungsmäßig. Aber Gott lässt sie zu, damit wir darüber reifen. Sie haben einen ganz wichtigen Beitrag, das auch jungen Leuten zu erklären, die manchmal etwas überspannt herkommen und sagen, die Krankheit müsse man bloß wegbeten.
Nein, da hat Gott uns etwas auferlegt, damit wir erleben, wie die überschwängliche Kraft von ihm wirkt. Das Wort „überschwänglich“ ist so groß, dass es das, was der Krug gar nicht mehr fassen kann, überfließt. Diese überströmende und überschwängliche Kraft von Gott ist eine Kraft, die tätig ist – aber nicht mehr im äußeren Körper, sondern die durch das Geheimnis von Christus überströmt.
Sie dürfen wissen, dass Gott im Laufe der ganzen Geschichte der Christenheit durch schwache, sterbende Menschen so ungeheuer viel gewirkt hat. Ich denke an eine Ärztin, die im Ruhestand noch mit uns in der Dritten Welt war. Dann kam sie nach Hause, und es kam die Zeit der Krankheit. Sie schrieb uns einmal, dass die Übersiedlung ins Pflegeheim bevorstand.
Dann schrieb sie, es sei in den letzten Wochen durch unsagbar viel Not und Bedrängnisse gegangen, aber umso mehr habe sie die Nähe von Jesus erfahren. Das ist so wichtig, dass der Herr das so tut.
In unseren Zeiten ist die Not unserer Gemeinde, dass wir am Wohlstand und an der Überversorgung kaputtgehen, weil alles bloß noch darauf ausgerichtet ist, Gesundheit zu haben. Selbst das Geld ist eigentlich kein Problem. Die 850 Euro von Hartz IV sind ja auch nicht so schlecht, wenn Sie an die Dritte Welt denken, wo viele Menschen keinen Euro am Tag verdienen, selbst wenn sie arbeiten.
Verstehen Sie: Das Materielle ist uns weitgehend abgenommen. Aber was bleibt? Die letzte Lebensfrage: Wofür leben wir? Das ist die bedrängendste Frage, die wir gegenwärtig in der Welt haben – nicht die Brotfrage.
Ich sage immer wieder: In den Elendsgebieten, in den Slums von Bombay, fragen die Leute: Wo ist Gottes Liebe zu finden? Sie suchen sie. Und das ist die brennendste Frage, die wir beantworten können: Er ist dir nah. Auch in schweren Stunden darfst du seine Nähe erfahren, und er hilft dir. Das ist ganz wunderbar.
Zeugnis von Ludwig Hofacker über Glaubensschwäche und Gnade
Ich war dreißig Jahre Gemeindepfarrer in der Stuttgarter Ludwig-Hofacker-Gemeinde. Diese Gemeinde trägt den Namen von Ludwig Hofacker, obwohl er dort nie war. Die Kirche wurde erst 1930 gebaut. Es ist ein kleines Kirchlein. In der Muttergemeinde war jedoch sein Vater tätig, in der Leonhardtskirche. Dort hat Ludwig Hofacker als junger Mann seinen kranken Vater vertreten und die ersten Predigten gehalten, bevor er in das Dorf Rielingshausen bei Marbach kam.
Ludwig Hofacker war schon im Studium ein schwer kranker junger Mann. Mit dreißig Jahren war er bereits tot. In seinem ganzen Leben hat er knapp hundert Predigten gehalten – mehr nicht. Es ist keine Attraktion darin, aber ein Mensch erlebt die letzte Frage: Was ist das, was mein Leben hält?
Da kam sein Studienfreund Albert Knapp zu ihm. Albert Knapp war ein Literat, der später auch eine literarische Zeitschrift herausgab. Er brachte dem kranken Studienfreund Ludwig Hofacker an sein Krankenbett ein Gedicht von Jean Paul. Hofacker sagte daraufhin: „Albert, das hilft mir doch nichts. Wir sind doch alle verlorene Leute vor Gott.“
Er hungerte nach der Gnade Gottes, nach der Zuwendung Gottes. Diese grenzenlose Gnade, die in Jesus erschienen ist, hat er verkündet.
Ich lese aus einem Brief von ihm, weil wir vielleicht immer meinen, Herr Hofacker sei ein großer Glaubensmann gewesen. Er selbst schrieb: „Mein Glaube ist klitzeklein, ich habe Angst, er wird umgeblasen.“
Er schreibt weiter: „Weiter kann ich nichts sagen von mir. Mein Glaube ist noch sehr klein, schwach und wankend. Ich würde, denke ich, durch eine kleine Anfechtung zerbrochen werden. Das Schwerste ist das innere Leiden, wo man sich selbst die Schuld geben muss. Man ist nicht so, wie man sein wollte. Da bleibt nichts, als dass ich als Bankrotteur die Gnade von Jesus ergreife. Das Herz ist blöde und verzagt beim Blick auf sich selbst. So schleppe ich mich herum, dann wage ich wieder, den Blick auf das freie Erbarmen von Jesus zu richten. Er hat es angefangen, er wird es auch vollenden.“
Jetzt verstehen Sie, warum die Leute zu Hofacker gelaufen sind. Er hat es in dieser Klarheit gesagt: „Wenn ich auf mein Leben schaue, verzweifle ich. Ich bin nicht, wie ich sein sollte, aber ich ergreife die Gnade in Christus. Und das ist der Schatz, der ganze große Schatz.“
Wir müssen immer einseitiger werden, auch im Alter, um der kommenden Generation zu sagen: „Die haben so viel Flauschen im Kopf, auch geistliche Ideen, die sie am Ende nicht weiterbringen.“
Wir müssen sagen: „Dort liegt es, in Christus liegt das Heil und seine Gnade, die er dir gewährt. Du darfst Zuflucht finden unter seinen Armen.“
Darum geschieht auch nur von Christus her Mission und Zeugnisdienst.
Mission und die Sehnsucht nach Christus in der Welt
Wir haben ja immer Anfang Januar so eine große Jugendkonferenz für Weltmissionen in Stuttgart, zu der 5000 junge Leute zusammenkommen. Es ist ein alter Kampf, dass so viele Leute sagen, das müsste man in der Zeitung bringen. Tut mir bitte das eine zu lieb und bringt kein Wort in der Zeitung.
Heute in der Süddeutschen Zeitung steht wieder so ein dummer Artikel über die Entwicklungshelferin der Organisation ORA. Den Christen sollte es verboten sein, in ferne Länder zu gehen, die Welt zu kolonisieren und zu meinen, sich auf diese Weise selbst heiligen zu sollen. Sie verstehen doch Mission nicht.
Was ist denn das? Mission ist doch, wie wenn man einem verzweifelten Mann, der Selbstmord begehen will, ein Taschentuch reicht. Sie gehen zu Menschen, die keine Hoffnung haben, und erzählen von Christus.
Es hat doch noch nie einen Missionar gegeben, der einem anderen irgendetwas aufgezwungen hat oder mit materiellen Vorteilen etwas verkauft hat. Es hat sich auch niemand mit materiellen Vorteilen auf die Lauer gelegt. Sondern wir gehen, wenn wir Speise bekommen. Das ist der Witz des Dienstes. Und das, was wir weitergeben, kommt aus der Fülle der Glaubenserkenntnis.
Das kann die Welt nicht verstehen: dass Muslime nach Jesus hungern. Es ist unglaublich. Reden Sie mit gläubig gewordenen Muslimen! Die Sehnsucht nach Jesus zieht sich durch alle Weltreligionen hindurch.
Ich habe einen Freund in Sri Lanka, das ist Doktor Ajith Fernando, Leiter von Jugend für Christus. Dort sind sie in einem schweren Verfolgungskampf: Die Buddhisten jagen die wenigen Christen. Das ist eine ganz kleine Christengemeinde, aber mutig und bekennend.
Doktor Ajith Fernando hält hier immer wieder Vorträge. Er ist einer der glänzendsten Theologen Afrikas, aber ein sehr bescheidener Mann. Wenn man ihn fragt, was unser Problem im Glauben in Deutschland sei, sagt er: „Ich kann es euch schnell sagen, ihr habt ein Problem. Ihr könnt keine Frustrationen aushalten.“
Frustration sind ausweglose Situationen. „Frustra“ bedeutet vergeblich. Eine hoffnungslose Situation wird durchgestanden. Wir wollen gleich die Lösung haben. Es muss sofort klappen, alles muss sich auflösen.
Und er sagt: „Wir leben seit Jahrzehnten in Ausweglosigkeit. Wir wissen nicht, wie das werden soll. Der Buddhismus hat uns die Vernichtung angesagt. In Sri Lanka soll eine buddhistische Republik entstehen, in der es keine Christen mehr geben darf. Und wir wissen nicht, wie wir weiterkommen sollen. Wir leben mit dieser Lage.“
„Christus ist unser Sieg, Christus ist der Herr, der uns durchführt, dem wir vertrauen. Und das müssen wir lernen: in Frustrationen zu leben und ausweglosen Situationen standzuhalten.“
Er sagt: „Wir sind immer darin den Tod gegeben.“ Wenn ich das lese, denke ich: Das ist doch gar nicht der Fall. Wir sind von allen Seiten bedrängt, uns ist bange, wir leiden Verfolgung, wir werden unterdrückt.
Aber er macht die Erfahrung: Auch wenn wir unterdrückt werden, werden wir immer tiefer in die Gnade von Jesus hineingedrückt. Sie können uns nicht in den Abgrund stürzen.
Und wenn sie uns auch von allen Seiten schieben und Angst machen, sie können uns keine Angst machen, weil Christus diese Welt überwunden hat.
„In der Welt habt ihr Angst, aber seid mutig und getrost, ich habe diese Welt überwunden“ – das ist der Sieg.
Darum bin ich gewiss, dass das Leben von Christus an unserem Leib offenbar wird.
Dankbarkeit für das Leben und Gottes Nähe
Da erleben wir natürlich große Wunder, da erleben wir dauernde Wunder. Jeder Atemzug ist ein Wunder. So sagen es manche: Jedes Löffelchen Suppe nach der Operation ist ein Wunder, dass ich es wieder schlucken kann, dass der Herr so gnädig ist. Jede Mahlzeit, die wir haben – wer von Ihnen die Hungerjahre miterlebt hat, der vergisst bis heute nicht, wie es ist, an den vollen Tisch zu sitzen. Ich kann Gott nur rühmen, dass er mir das heute gibt.
Auch die ganzen natürlichen Dinge meines Lebens, dass wir Hände und Füße, Zunge und Lippen bewegen können, das haben wir seinem Segen zu danken. Wir danken auch für die natürlichen Dinge. Gestern sind wir durch den schönen Wald gelaufen und haben die Bäume wieder bestaunt. Was uns der Herr alles schenkt, der Herr, der uns mit seiner Nähe umgibt.
Aber wir wollen auch in den schweren Stunden das Loben nicht aufgeben, sondern trotzdem in großer Dankbarkeit dabei bleiben. Ich bin in Situationen, in denen ich nichts sehe und nichts fühle. Das ist ein ganz großer Irrtum, den ich schon aus dem Munde von Verkündigern gehört habe – als ob die sichtbare Erfüllung meiner Wünsche die größte Offenbarung Gottes sei. Das stimmt nicht.
Die größte Offenbarung Gottes ist sein Wort. Und wenn ich auch nichts sehe und dennoch glaube, das ist das Größte. Ich sage: Herr, ich vertraue mich dir an, auch in der Nacht, und darf ganz fest auf dich bauen – gerade in den Tiefen.
Die Kraft der Schwachheit und die Erneuerung des Glaubens
Paulus sagt dann später in Kapitel zwölf des zweiten Korintherbriefs: „Ich will mich am liebsten meiner Schwachheit rühmen. Mit ihr will ich prahlen und mit ihr vorangehen, denn darin zeigt sich die Kraft Christi.“ Es ist ein Wunder, dass ich noch lebe, und es ist ein Wunder, dass ich hier bin.
Darum werden wir nicht müde, auch wenn unser äußerer Mensch verfällt. Lass ihn doch verfallen! Der äußere Mensch darf schwächer werden, wenn nur der innere von Tag zu Tag erneuert wird.
Das ist eine interessante Formulierung: Was ist denn der innere Mensch? Es ist der Glaube, der Blick auf Jesus, der immer stärker wird und weiter wachsen muss. Der äußere Mensch darf verfallen, doch der innere wird immer größer.
Wenn man all das zusammenfügt, denke ich an viele Menschen, die so etwas erlebt haben. Zum Beispiel an eine wunderbare Großmutter, die an einem schrecklichen Mundkrebs litt, aber deren Blick auf die Ewigkeit so klar war.
Dann merkt man, was das größte Wunder ist: Wenn man sich von den irdischen Dingen löst, die doch vergänglich sind, und seinen Blick ganz auf die neue Welt richtet, die kommen wird. Denn was sichtbar ist, vergeht, es ist zeitlich begrenzt. Das Unsichtbare aber – wir sehen auf das Unsichtbare. Wir werden unseren Blick immer weiter auf diese neue, kommende Welt fixieren.
Diese innere, neue Herrlichkeit ist so gewichtig, sagt Paulus, dass sie nicht hinuntergezogen werden kann in die Schwermut.
Wir alle haben Belastungen mit unserem Körper. Der eine ist seelisch belastbarer, hat seine Depressionen, der andere hat mehr körperliche Krankheiten. Wir müssen damit leben und immer wieder sehen, dass die Glaubensfreude nicht mit hinuntergezogen wird.
Wir wollen uns aber auch den schwer kranken, schwermütigen Menschen zuwenden. In der Gemeinde waren es oft gläubige Menschen, die in solche Tiefen gerieten, dass sie Christus lästerten. Doch Christus lässt dich nicht los.
Sie kennen diese furchtbaren Dinge der Schwermut, was es hier alles gibt. Wir wollen einfach wissen, dass Christus größer ist als diese unheimlichen Abgründe. Stark ist die Hand meines Jesus, und er wird mich ewig festhalten. Er hat so viel an mich gewandt, um mich nicht wieder loszulassen.
Abschluss und Gebet
Wir wollen an dieser Stelle nicht einfach abschließen, sondern wissen, dass das mit dazugehört. Gestern hat mich jemand gefragt, der eine Liedzeile gesucht hat. Dabei sind wir auf Karl Friedrich Hartmann gestoßen. Er war Prediger beim württembergischen Herzog Karl Eugen. Dieser Herzog war ein Lump, aber Hartmann wurde von ihm gesucht. Bald wurde er jedoch weggekickt, weil seine Predigt zu klar erwecklich war.
Karl Friedrich Hartmann hat sehr viel Schweres erduldet. Er hat sein Pfarramt aufgegeben, aus gehorsamem, bibeltreuem Glauben und zu Jesu Willen. Das war vor etwa 300 Jahren. Er hat das Lied gedichtet: "Endlich bricht der heiße Tegel, und der Glaube empfängt sein Siegel, als im Feuer Herr Präsident!"
Meines Wissens ist das das einzige Lied in unserem Gesangbuch, das vom Leiden handelt. Wahrscheinlich gibt es bei den Gemeinschaftsliedern noch mehr Lieder, die das Thema Leiden behandeln. Wir sollten solche Lieder vielmehr auch in unseren großen Leidensnöten durchbeten.
Ich habe das gestern noch erzählt: Bischof Dietz Felbinger hat das in der großen Schwäche seiner Herzinfarktskrankheit gesagt. Er hat dieses Lied leben gelernt und erfahren, dass der Herr auch solche Wege mit uns geht und gerade dabei etwas ganz Besonderes an uns tut.
Ich finde, wenn wir das haben – Seniorenzeit, Reifezeit – ist es ganz wichtig, dass wir dieses Zeugnis der Bibel sehen, das uns an so vielen Stellen entgegenspringt. Es geht um den Schatz, den großen Schatz, der in einem irdenen Gefäß aufleuchtet. Und wir werden einmal ein neues Gefäß bekommen, in der Herrlichkeit.
Dort gibt es kein irrendes Gefäß mehr, keine Schwermut, keine körperlichen Schwächen, keine Krankheit und keine Schmerzen mehr. Die Schmerzen sind vielleicht das Schwerste, weil sie uns so mürbe machen. Schmerzen, die dauernd bohren und nicht aufhören.
Ich weiß, wie furchtbar das ist. Da möchte man nur dabei sitzen und schweigen. Und doch wollen wir unseren Mund auftun und sagen: Du darfst die Herrlichkeit von Christus erfahren, auch in deinen schrecklichen Abgründen.
Wir wollen noch beten: Herr, wir wollen dir danken, dass du das wahr machst, jetzt auch in den schweren Leiden unseres Lebens. Herr, wir sind oft vorbeigegangen an denen, die in unserer Mitte sind und so schwer durchmüssen, weil wir uns hilflos fühlten. Nein, wir können nichts tun.
Wir wollen sie dir anbefehlen, diese lieben Menschen. Wir wollen auch dort deine Worte aussprechen in den tiefen und traurigen Tälern des Lebens. Wir freuen uns, dass du dieses Leben erlitten hast mit all seinen schrecklichen Nöten und Verlassenheiten, dass du es überwunden hast, dass du gesiegt hast und dass du uns Hoffnung schenkst – lebendige Hoffnung durch dein Wort, deine Gegenwart und deine Nähe.