Einführung in die Jahreslosung und ihre Bedeutung
Wir wollen uns auch in diesem Jahr so ausrichten, dass wir in diesem Gottesdienst auf die Jahreslosung hören. Sie steht in der Apostelgeschichte 5,29. Es ist ein Wort des Apostels Petrus, als er damals vor dem Hohen Rat bedroht wird und man ihm verbietet, weiterhin zu evangelisieren.
Das war nach der Heilung des Lahmen, der an der Pforte des Tempels saß. Petrus sagt dort zum Hohen Rat: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Herr, segne uns jetzt dieses Wort. Amen.
Wenn das Gedächtnis nachlässt, ist es gut, wenn man heute eine Pinnwand hat. Meine Kinder haben mir eine geschenkt. Das ist immer praktisch, wenn meine Frau einen Zettel daraufmachen kann, zum Beispiel: „Du musst dort anrufen“ oder „Bei den Nachbarn muss man die Blumen gießen“ oder „Nach den Kanarienvögeln schauen“. Auch Arzttermine oder der TÜV für das Auto werden darauf notiert.
Das sind Termine, die man nicht vergessen oder versäumen darf. Ich denke, Sie alle haben zu Hause auch einen Platz, wo solche Merkzettel hängen. Dort steht, was man noch tun muss und was man nicht vergessen darf.
Ich möchte jetzt mitten auf Ihre Pinnwand einen großen Zettel kleben, auf dem steht, was man vor allem tun muss: Vor allem muss man Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Prioritäten im neuen Jahr setzen
Das gilt im Hinblick auf Ihre vielen Termine, die Sie im neuen Jahr haben. Sie haben viele Verpflichtungen, und schon vieles ist festgelegt. Da kommen Termine, vor denen Ihnen mulmig wird. Sie haben Verpflichtungen, und im Kalender ist alles bereits eingetragen. Jetzt müssen Sie wissen: Das Allerwichtigste ist, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.
Wir haben ja in Stuttgart weiße Stadtväter, die Gemeinderäte genannt werden. Diese Stadtväter verfolgen seit Jahren eisern eine Losung: Vorfahrt für die Straßenbahn. Vorfahrt für die Straßenbahn! Es soll nicht sein, dass ein Fußgänger irgendwo die Straßenbahn blockiert. Am höchsten Punkt haben sie sogar eine Brücke mit Kinderwagenauffahrt und einen Aufzug gebaut, damit ja niemand die Straßenbahn kreuzt. Vorfahrt für die Straßenbahn.
Jetzt wünsche ich mir, dass Sie im neuen Jahr genauso resolut und entschlossen vorgehen und sich als Motto setzen: Bei mir soll es heißen: Vorfahrt für die Sache Gottes. Am Morgen des Tages, bevor die vielen Termine kommen und der Druck richtig beginnt: Vorfahrt für Gott! Ich will zuerst einmal hören.
Theoretisch könnte man ja auch sagen, man könnte die stille Zeit am Abend halten. Aber es ist doch einfach schön, wenn Gott Vorfahrt bei uns hat, mitten im Gedränge des Tages. Vorfahrt für Gott! Und wenn noch so viele Telefone klingeln, möchte ich zuerst einmal hören, was mir Gott heute sagt.
Wunderbar ist es, wenn Sie auch in einer anspruchsvollen Position zur Sekretärin sagen können: „Entschuldigung, ich möchte mal fünf Minuten allein sein.“ Und dann sitzen Sie da, schlagen Ihre Bibel auf und beten. Vorfahrt für die Sache Gottes! Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Ohne Gehorsam geht es nicht
Jetzt können wir die Predigt abschließen. Ich möchte das jedoch nicht einfach tun, sondern die Jahreslosung noch von verschiedenen Seiten betrachten. Damit es etwas interessanter wird, beginne ich damit, meinen ersten Teil zu überschreiben: Ohne Gehorsam geht es nicht, ohne Gehorsam geht es nicht.
Wissen Sie, warum Jahreslosungen entstehen? Diese fallen nicht auf goldenen Zetteln vom Himmel. Es sind auch keine Offenbarungsworte. Stattdessen sitzt eine Kommission von kirchlichen Funktionären zusammen und berät, welche Losung wohl für das jeweilige Jahr die beste wäre.
Wenn ich richtig informiert bin, hat unser baden-württembergischer Justizminister Schäuble bereits den Verdacht geäußert, dass diese Jahreslosung bei manchen Leuten auch jetzt nur dazu dienen könnte, den zivilen Ungehorsam deutlich zu demonstrieren. Er erinnerte daran, dass er das oft von solchen Demonstrierenden gehört habe, gerade aus dem kirchlichen Raum, die dies als Grundlage ihrer Aktionen nehmen. Dazu werde ich im Verlauf der Predigt noch etwas sagen.
Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Ich möchte bei dieser Losung zunächst einmal sagen, was genau darin steht. Dort heißt es zuerst: Man muss Gott gehorchen. Das will ich nicht übergehen, zum anderen komme ich darauf noch zurück.
Man muss Gott gehorchen. Ob die, die die Losung ausgesucht haben – ich weiß nicht, ob das stimmt, was meine wilde Fantasie zusammenträgt – wirklich bedacht haben, dass dies die Hauptaussage ist: Man muss Gott gehorchen. Denn heute steht Gehorsam nicht mehr hoch im Kurs.
Wir leben in einer antiautoritären Zeit, in der auch unter Christen viele sagen: „Ach, Gott gehorchen, das kann man heute doch nicht mehr verlangen.“ Der Mensch ist autonom, das heißt, er bestimmt selbst, was für ihn gilt. Auch in Glaubensdingen sucht er sich zusammen, was ihm Spaß und Freude macht.
Sie kennen doch die Bibel. Das war für den Apostel Paulus der Kern seines Evangeliums, wenn er im Römerbrief, Kapitel 6, sagt: Ein Christ steht immer in einem Dienstverhältnis. Er ist immer gehorsam – entweder ist er ein Sklave der Sünde oder ein Sklave Jesu. Er sagt: „Ihr, die ihr einst der Sünde gehorsam wart, Knechte der Sünde wart, seid nun Knechte Jesu Christi geworden.“
Martin Luther hat daran seine große Erkenntnis geknüpft in der Freiheit eines Christenmenschen: Ein Christ ist nur frei, wenn er im gehorsamen Jesus steht. Das ist heute ganz unpopulär.
Aber ich bin so froh über die Jahreslosung. Ich freue mich, dass gerade in unserer Zeit einmal wieder laut gesagt wird – und eigentlich müsste das jeder hören können, auch dort, wo heute über die Jahreslosung gepredigt wird: Man muss Gott gehorchen!
Wir alle hatten schon so freiheitsdurstige Zeiten, in denen wir meinten, wir könnten von Gott weglaufen und nach unserer eigenen Spur selig werden, nach unserer eigenen Fasson. Und dann haben wir plötzlich erlebt, dass unser eigenes Ich uns versklavt hat.
Dort liegt oft die tiefste Abhängigkeit und Sklaverei: mein Ich, meine Lust, mein Wille, meine Wünsche, mein Hass, meine Bitterkeit, meine Gefühle. Diese haben uns terrorisiert und letztlich von Gott weggezogen in den Ungehorsam hinein.
Nein, man kann gar nicht Christ sein, ohne gehorsam zu sein.
Die Bedeutung des Gehorsams im Glauben
Wissen Sie, wer nach Martin Luther am besten über dieses Thema geschrieben hat? Es war Dietrich Bonhoeffer in seinem unvergleichlichen Buch „Von der Nachfolge Christi“. Ich habe es noch nie so hart gehört. Und ich kann Ihnen sagen, ich bringe es nicht über die Lippen, Ihnen so hart zuzumuten, wie Dietrich Bonhoeffer es sagt.
Er sagt klipp und klar: Ein Christ, der in einem Teil seines Lebens Gott nicht gehorsam ist, kann gar nicht wirklich glauben. Er kann nicht glauben, er bleibt im Zweifel. In der Seelsorge begegnet man Menschen, die sagen: „Mir macht das Bibellesen keine Freude mehr, ich habe meine Zweifel.“ Als Seelsorger muss man dann hart mit ihnen reden und fragen: Wo in deinem Leben sind die Felder, die Ecken, die du vor Gott versteckst, wo du ihm ungehorsam bist? Denn solange du Gott noch etwas verweigerst, kannst du nicht wirklich glauben.
Bonhoeffer bringt immer wieder einen Satz: Nur der Gehorsame glaubt. Man meint oft, man könne auch mit dem Intellekt glauben. Bonhoeffer sagt: Nein, das geht nicht. Da betrügt man sich nur eine kurze Zeit. Nur wenn man mit Haut und Haar den Worten seines Meisters folgt und das auch im täglichen Leben umsetzt, kann man an Jesus glauben.
Heute wird das schnell verpönt. Manche sagen: „Das ist doch gesetzlich.“ Aber sie verwechseln das. Wenn ich mit meinem Glaubenseifer und meinen guten Taten mir den Himmel erkaufen wollte, dann wäre das das, was Paulus mit gesetzlich bezeichnet. So ist es ja bei den Juden, die sagen, wenn wir einen Tag alle Gebote befolgen, dann kommt der Messias.
Wir können uns nicht mit frommem Gehorsam den Himmel erkaufen. Den Himmel bekommen wir nur gnadenweise, gratis durch das Blut Jesu, durch seine Versöhnungstat. Aber jeder, der Jesus glaubt, folgt ihm nach. Und das kann ich nur tun im völligen, totalen Gehorsam.
In der Bibel wird eine schöne Formulierung für den Vorgang gebraucht, wenn jemand zum Glauben kommt. Etwa zwei Kapitel nach der Erwähnung einiger Priester in Israel heißt es: „Und sie wurden dem Glauben gehorsam.“ Das haben wir oft unterschlagen, vielleicht weil es nicht sehr populär ist. Aber das ist ja gerade der Punkt, an dem viele im Glauben stranden.
Wir können es Menschen nicht vorenthalten. Wir müssen ihnen sagen: Wenn sie zu Jesus kommen, sagen wir: Der Preis ist teuer. Bist du bereit, auch das einzubringen? Sonst brauchst du nicht mit Jesus gehen.
Ich lege mir manchmal auf meinen Schreibtisch – vielleicht machen Sie das auch so – gute Worte hin, goldene Worte. Irgendwo hat man sie aufgeschnappt. Es ist ein Wort in englischer Sprache, aber ich will es Ihnen auf Deutsch zitieren. Auf diesem Wort steht: „Die Kosten für den Gehorsam sind nichts verglichen mit den Kosten des Ungehorsams.“ Das will ich mir täglich vergegenwärtigen.
In unserem Leben tun wir manchmal so, als sei es schwierig, Jesus mit Haut und Haar zu folgen und ihm gehorsam zu werden. Wir meinen, wir könnten so ein Opfer nicht bringen und müssten auf so viel verzichten. Wissen Sie, dass die Kosten des Ungehorsams in Ihrem Leben unbezahlbar sind? Es sind die vielen schlimmen Irrwege, die Sie jahrelang tragen, die Sie niederdrücken und oft zur Verzweiflung bringen.
Wir können nur beten: „Weise mir, Herr, Deinen Weg!“ Du hast doch gute Wege, Wege, die mich fröhlich machen. Ich will deine Wege gehen. Diese Wege machen nie unglücklich. Man verliert nicht einmal etwas, es sind keine Opferwege, sondern Wege, auf denen man reich gesegnet wird und glücklich wird.
Beispiel Saul: Die Folgen des Ungehorsams
In der Bibel finden wir das Beispiel eines frommen, gläubigen Mannes, der Gott dienen wollte. Er war ein Mensch, zu dem wir immer hochschauen, nicht nur wegen seiner Körpergröße. Dieser Mann war Saul.
Wie hat Gott sein Werk gesegnet, als Saul die Stadt Jabesch in Gilead in großer Bedrängnis befreite! Ach, wie hat er das Volk Israel führen können, und die Herzen fielen ihm zu. Doch dann zog Gott plötzlich seine Hand von ihm zurück. Warum eigentlich? Wegen einer Sünde, wegen eines Ungehorsams.
Man könnte sich fragen: Ist das denn so schlimm? Wenn Sie noch einmal genau in der Bibel nachlesen, was der ungehorsame Saul getan hat, sehen Sie, dass er schnell in die Schlacht eingreifen wollte. Es war nicht bloß böser Wille. Sie wissen ja, wie es in Schlachten zugeht: Wenn der Feind Frauen vergewaltigt und Häuser niederbrennt, ist jeder Tag, an dem man nicht handelt, schädlich. Saul wollte handeln!
Doch der Prophet Samuel kam nicht sofort. Sieben Tage wartete Saul, dann zündete er das Opfer an. Ist es so schlimm, wenn man Gott ein Opfer bringt? Es war nicht der Wille Gottes. Nur Samuel sollte dieses Opfer darbringen.
Als Samuel schließlich kam, sprach er hart zu Saul. Er sagte: „Seit meiner Jugend sitzt das Meer in den Knochen.“ So ist es, wenn man Gott ungehorsam ist. Gott sagt klipp und klar: Gehorsam ist besser als Opfer. Ich brauche deine Opfer nicht, wenn du mir nicht gehorchen willst.
Wenn Sie Ihre Bibel jetzt zur Hand nehmen, schlagen Sie diese Stelle auf. Dieses Wort sollten Sie kennen und mit der Jahreslosung verbinden: 1. Samuel 15,23. Dort sagt der Prophet, der die Offenbarung Gottes weitergibt, dass man es mit seinem Ohr vernehmen kann: Ungehorsam ist Sünde wie Zauberei. Widerstreben ist wie Abgötterei und Götzendienst.
Samuel dreht sich um, und Saul versucht noch, den Propheten festzuhalten. Er reißt am Umhang des Samuels einen Zipfel ab und sagt: „So lässt dich Gott stehen.“ Mit dem zerrissenen Gewand hat Gott das Königreich von Saul genommen.
Diese Geschichte steht nicht allein in der Bibel. Für uns ist sie wichtig, besonders am Anfang des neuen Jahres. Wir sollten sie mit der Jahreslosung verbinden: Gehorsam – das ist nötig.
Salomos Gebet um ein gehorsames Herz
Einer der Nachfolger Sauls war Salomo, der große Friedenskönig. In der Nacht vor seiner Amtseinführung hat er nicht noch einmal das Protokoll studiert. Es war ihm nicht wichtig, die richtigen Schritte zu kennen oder seine Rede auswendig zu lernen.
Wichtig war ihm nur eines: „Gib mir ein gehorsames Herz, gib mir ein gehorsames Herz, sonst scheitere ich.“ Ohne Gehorsam geht es nicht.
Freiheit durch Gehorsam gegenüber Menschen
Jetzt kommt das spannende Thema: Wie ist es dann mit dem gehorsamen Menschen gegenüber?
Ich habe das überschrieben mit: Das macht uns frei von dem Terror der Menschen. Genau so war die Jahreslosung ja gemeint, als Petrus damals dem Hohen Rat zurief: „Wir beugen uns nicht euren Anordnungen.“ Das macht sich natürlich prima, wenn heute ein Demonstrant im Talar den Staatsbehörden zuruft. Aber ursprünglich war es an die frommen Behörden gerichtet, an die fromme Kirchenverwaltung.
Natürlich hatten Christen das Recht und auch die Pflicht, kritische Entscheidungen des Staates zu begleiten. Wir wollen aber einmal aussprechen, dass wir dankbar sind, in einer Freiheit zu leben, in der jeder seine kritische Meinung heute in einem wirklich offenen Diskussionsprozess einbringen kann. Das ist eine schöne Sache.
Und da darf jeder mitwirken, sich den meinungsbildenden Parteien anschließen und den langen Prozess mitbegleiten. Dabei gilt: Auf keinen Fall darf ich mich mit der Menschenmeinung gegen Gottes Willen unterordnen. Das muss für Christen klar sein.
Ich schaue auf Petrus, wie er stolz und erhaben sagt: „Ich beuge mich doch nicht vor euren Ordnungen.“ Er spricht die Würde des Hohen Rates an, aber er hat ein höheres Kommando von Gott.
Jetzt überlegen Sie mal: Wo hat Petrus das genau gesagt? War das ziviler Ungehorsam? Es war doch die Pflicht zu evangelisieren, den Namen Jesu in der Welt kundzumachen. Ich wünsche mir diese Leidenschaft im neuen Jahr, dass alle Protestanten auftreten und protestieren und sagen: Vorfahrt für die Verkündigung des Jesusnamens und seines Evangeliums!
Nichts kann uns in diesem Eifer bremsen. Keine oberkirchliche Anordnung darf uns hier hemmen. Und dann haben Sie die Jahreslosung im Rücken – wunderbar, da passt sie hin.
Ein wunderbares Wort: Von Jesus muss gesprochen werden! Manche wollten das vielleicht nur im privaten Raum erlauben, sagten, in ihren Wohnungen dürfe man es gern tun, in Hausversammlungen. Aber Petrus wollte es öffentlich tun, auch im Tempel. Von Jesus muss in dieser Welt gesprochen werden.
Wir gehen wirklich nicht fehl, wenn wir sagen: Die Jahreslosung bedeutet zuerst einmal Vorfahrt für die Sache Gottes, auch in unserer Welt. Ganz egal, was die Menschen heute für wichtig ansehen – wir müssen wieder sagen: Vor allem anderen muss das Evangelium verkündet werden.
Mut und Widerstand gegen den Zeitgeist
Aber ganz soll es nicht unter den Tisch fallen, dass wir auch in unseren Glaubenstraditionen wunderbare Beispiele haben. Dort haben Menschen kühn und mutig dem Terror der Menschen widerstanden.
Ich habe immer den Eindruck, unsere Staatsordnung ist gar nicht so, dass man hier mit äußeren Mitteln entgegentreten muss. Viel schwieriger ist es heute, wenn man als gläubiger Christ unter ungläubigen Kollegen steht, dem Terror der Menschen zu widerstehen und seinen Glauben zu bekennen.
Wenn zum Beispiel zwei junge Leute sich verloben und sagen: „Wir wollen unsere Ehe rein beginnen und uns nicht nach der Zeitmode richten“, dann sagen die Freunde oft, das sei altmodisch. Heute sei es doch nichts Besonderes, wenn man zusammen schläft. Junge Leute gehen ihren Weg, vielleicht sogar verlacht von ihren eigenen Eltern.
Da gilt: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Genau hier gehört die Jahreslosung hin. Sie können sich jetzt all die Situationen vorstellen, in denen die Gottesordnung in Ihrem Leben ganz konkret gegen jede Zeitmode steht.
Beispiel Johann Jakob Moser: Treue im Kleinen
Darf ich Sie noch einmal an die unvergessliche Geschichtsgestalt Johann Jakob Moser erinnern? Für uns Schwaben ist er das Urbild des schwäbischen Quadratschädels. Manche sagen, er sei der bedeutendste Pietist des achtzehnten Jahrhunderts gewesen.
Er war Jurist und hat als Professor in Wien 50 Folianten geschrieben. In den Zwanzigerjahren war er dort noch ein junger Mann. Johann Jakob Moser lebte von 1701 bis 1785, also zur Zeit von Zinzendorf. Seine 50 Folianten handeln über das deutsche Staatsrecht. Anschließend schrieb er 27 Bände zum deutschen Staatsrecht. Zum Beginn des europäischen Binnenmarktes darf ich sagen, dass er zehn Bände über das europäische Staatsrecht verfasste.
Er war Direktor der juristischen Fakultät in Frankfurt an der Oder und wurde später nach Württemberg geholt – auf einen Schleudersitz. Herzog Karl Eugen, der die Solitude erbaut hat und vor dem Schiller geflohen ist, musste sich den Landständen beugen. Es gab nur eine Stelle, an der die absolute Autorität des Herzogs damals eingeschränkt war: der Landschaftskonsulent. Dieser musste wichtige Steuergesetze gegenzeichnen.
Die Württemberger wussten nicht mehr, wer dem Herzog Karl Eugen Paroli bieten konnte. Deshalb holten sie Moser als Staatsrechtler – den richtigen Mann für diesen Posten. Karl Eugen, der ja ein brutaler Wüstling war, änderte sich am Ende seines Lebens noch. Er ließ Johann Jakob Moser morgens ins Ludwigsburger Schloss bestellen.
Johann Jakob Moser sagte noch zu einem der Diener das Lied, das sich seitdem immer mit ihm verbindet: "Unverzagt und ohne Grauen soll ein Christ, wo er ist, stets sich lassen schauen." Der Herzog fragte, ob Moser endlich unterschreiben wolle unter diesem Steuererlass. Moser antwortete in seiner bescheidenen Art: „Euer Durchlaucht werden einen ehrlichen Mann finden.“
Wissen Sie, das war nicht das Protestantische, das man so gern sagt. Es war ganz schlicht: „Ich kann nicht von der Wahrheit abweichen.“ Ich weiß auch nicht, ob Luther am Reichstag zu Worms es so pathetisch gesagt hat: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“, wie es oft in den Geschichtsbüchern erzählt wird. Das klingt oft eher mit zitternder Stimme leise bei uns, aber so, dass wir nicht weichen können.
Die Bekehrung bei Moser war einst geschehen über das Wort Johannes 7, Vers 17: „So jemand den Willen tut, der wird erkennen, ob die Lehre von Gott ist.“ Er sagte: „Ich habe erst die Wahrheit des Gotteswortes erkannt, als ich mich gehorsam ihm unterworfen habe.“ So wurde er Pietist.
Dann brachten ihn Husaren, Dragoner oder was es war, in einer achtunddreißigstündigen Fahrt auf den hohen Weg. Fünf Jahre lang war er dort. In diesen fünf Jahren starb seine Frau, er war nicht bei ihr, durfte keinen Besuch empfangen, war allein und durfte kein Blatt Papier, kein Buch und keine Bibel haben. Trotzdem hat er tausend Lieder gedichtet.
Dieser geistreiche Mann wollte um Jesu Willen gehorsam sein. Weil er die Unterschrift unter einem Steuererlass verweigerte, ist für uns die Treue im Kleinen sehr, sehr wichtig. Wo wir die Unterschrift hinsetzen, ist entscheidend. „Ich kann nicht, ich will nicht, dass von unrechtem Gut auch nur ein wenig Untermengen sei.“ Das sind Christen, die ganz kleinlich erscheinen.
„Ich will mit niemandem, soweit an mir liegt, Streit haben“, verstehen Sie? Denn das erfordert Gehorsam – all die Dinge, die der Herr von mir will. Und das will ich konsequent leben. Ja, wir sind dafür auch ziviler Ungehorsam. Aber auch ziviler Ungehorsam gegen den Terror des Zeitgeistes und der Zeitmeinung.
Unterordnung unter Menschen aus Jesu Willen
Um Jesu Willen kann man auch Menschen untertan sein – oder muss man Menschen untertan sein? Das wollen wir noch hinzufügen, dann haben wir alles abgedeckt. Gott muss man mehr gehorchen als den Menschen, aber man muss auch Menschen gehorchen.
Es steht in Lukas 2, wo die Weihnachtsgeschichte erzählt wird, und es passt gut in die Zeit nach Weihnachten: Als der zwölfjährige Jesus mit seinen Eltern nach Nazaret zurückkehrt, heißt es: „Und er war ihnen untertan.“
Wir erleben in der Jugendarbeit oft schwierige Konflikte mit unseren jungen Leuten, wenn Eltern kein Verständnis für den Weg der Nachfolge Jesu zeigen, den die Kinder gehen. Wir versuchen dann oft zu erklären, wie es ist, dass man dennoch den Eltern, soweit es irgend geht, gehorsam sein soll. Denn gerade in der Jugendarbeit wollen wir dieses Gebot nicht einfach auflösen und sagen: „Das sind ungläubige Eltern, deshalb gilt das nicht.“
Jesus hatte einmal mit einigen frommen Leuten eine Auseinandersetzung. Diese kamen zu ihm und wollten, dass Jesus etwas Bestimmtes tut. Dabei erinnert Jesus an das Beispiel, wenn jemand ein Opfer bringt. Er sagt: „Aber wenn du es damit deinen Eltern vorenthältst, die es zuerst haben müssen, hat Gott keine Freude daran.“ Erst die Eltern, dann Gott.
Wir drehen uns in unserer frommen Phantasie manchmal im Kreis, wenn wir meinen, Jesus habe die weltlichen Ordnungen außer Kraft gesetzt. Darum gilt für uns auch die Mahnung: „Seid Untertan aller weltlichen Obrigkeit.“ So weit es mit unserem Gewissen vereinbar ist.
Das steht auch im Titusbrief. Deshalb haben wir Bibeln ausgelegt, damit Sie das nachlesen können. Im Titus 3,1 heißt es sogar mit dem Wort „gehorsam“: „Erinnere daran, dass ihr der Gewalt der Obrigkeit untertan und gehorsam seid und zu allem guten Werk bereit.“
Wir können nie einwilligen, wenn ein diktatorisches Regime – denken Sie an Karl Eugen – uns zwingt, Dinge zu tun, die gegen Wahrheit und Gerechtigkeit verstoßen. Aber wir sehen es auch nicht als unsere Aufgabe an, die Autorität der Obrigkeit zu untergraben, nur weil wir in einer antiautoritären Zeit leben.
Im Hebräerbrief steht außerdem in Kapitel 13, Vers 17, dass wir den Lehrern untertan sein sollen. Es gibt auch im schwäbischen Raum ein Individualchristentum, bei dem jeder meint, er könne seinen Glauben neu erfinden und sich zurechtlegen. Doch es heißt, man soll auch den Lehrern gehorsam sein. Es gibt Leitpersonen, denen man sich in schwierigen Glaubensfragen unterordnen kann. Sei ihnen gehorsam – fertig. So kann man manchen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen. Das klingt sehr autoritär, aber es ist eine Gottesordnung.
Um Jesu Willen kann man auch den Menschen untertan sein. Ich finde es wunderbar, dass wir in eine Umgebung hineingestellt sind. Wir nehmen unseren Platz wahr in unserer Kirche, in unserem Staat, in unseren Familien, in unserer Nachbarschaft, in unserer Gesellschaft, im Elternbeirat oder wo uns auch immer Verantwortung zufällt. Das Untertansein ist auch etwas Schönes.
Es setzt deshalb nicht die kritische Stimme außer Kraft. Mir ist das Untertansein, das Gehorsamsein, ganz besonders wichtig im Blick auf alle Paare, die heiraten wollen oder verheiratet sind. Eine Ehe kann nur funktionieren, wenn die Eheleute gemeinsam abstecken, wo der eine dem anderen gehorsam ist. Wenn man alles in einer neuen demokratischen Grundentscheidung klären will, kommen sie nicht zum Ziel. „Seid einander untertan in der Furcht Christi.“
Das ist kein Kadavergehorsam. Aber es ist schön, wenn die Felder so verteilt sind: Das ist dein Feld, und da entscheidest du, und im anderen Feld entscheidet der andere. Wenn es keine schwerwiegenden Gewissensbedenken gibt, wollen wir einander diesen Raum zugestehen. Und im Übrigen wollen wir folgen. Das macht die Mutter besser, und das macht der Vater besser.
Wenn sich einer emanzipieren will, gibt es keine Eheordnung mehr, dann kann man die Ehe auflösen. Es geht nicht ohne ein Mindestmaß an Unterordnung – auch zwischen Kindern und Eltern. Und wo wir zusammen sind, gilt bei aller Wertschätzung und Achtung:
Schlussgedanken zum neuen Jahr
Dieses neue Jahr ist uns von Gott gegeben – mit den Aufgaben und Verpflichtungen, in denen wir stehen. Wunderbar ist, dass wir all dies aus der Hand unseres Herrn annehmen dürfen und ihm dienen können, auch innerhalb der menschlichen Ordnungen.
Dabei geht es nicht darum, die Menschen zu sehen, denen wir gefallen wollen. Vielmehr sagen wir: Wir tun all dies um Jesu willen, weil wir sein künftiges Reich bauen wollen.
Weil wir auf dieses Ziel hinarbeiten, dass eines Tages alle Knie sich beugen und alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, können wir auch hier untertan sein – in diesem und jenem Bereich, den Menschen gegenüber. So haben wir diese große Dienstaufgabe und dürfen Gott auch in diesem neuen Jahr dienen. Amen.
