Das Gefühl der Unwichtigkeit in persönlichen und gesellschaftlichen Krisen
Ja, oft fühlen wir uns irgendwie unwichtig. Manche Menschen verspüren das nie, aber viele haben das Gefühl, sie seien unbedeutend. Man fragt sich: Wenn ich nicht da wäre, welchen Unterschied würde das machen? Es entsteht der Eindruck, dass die Geschichte und die Ereignisse der Zeit einfach über einen hinweggehen. Man fühlt sich wie ein Spielball der Umstände oder manchmal auch der Mächtigen, die das Sagen haben.
Wenn man dieses Gefühl persönlich erlebt, kann das schnell zu depressiven Verstimmungen führen. Doch manchmal ist es nicht nur etwas Persönliches, sondern etwas, das in der Luft liegt – für eine bestimmte Gesellschaftsschicht. Es gab Jahrzehnte und Jahrhunderte, in denen sich das einfache Volk den Mächtigen und den von ihnen diktierten Umständen ausgeliefert fühlte. Manchmal betrifft dieses Gefühl auch eine ganze Zeitspanne und ganze Gesellschaften, nicht nur einzelne Schichten.
Ich weiß nicht, wer von euch sich noch an den Geschichtsunterricht in der Schule erinnert – bei mir ist das schon sehr lange her. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland war geprägt von einem Gefühl ungerechter Friedensbedingungen. Diese Bedingungen ließen kaum Lebensraum, weder finanziell noch wirtschaftlich. Es herrschte ein tiefes Gefühl der Niederlage und des Ausgebeutetwerdens. Dazu kam eine Weltwirtschaftskrise, die viele Menschen ohne Hoffnung und Perspektive zurückließ. Das führte letztlich zu einer Art gesellschaftlicher Depression, zu Zorn und schließlich zu einem neuen Weltkrieg. Das war jetzt nur ganz kurz zusammengefasst.
Man kann diese Stimmung vielleicht mit der vergleichen, die man heute aus Armenien hört. Dort hat man gegen den aggressiven Nachbarn in den letzten bewaffneten Auseinandersetzungen kaum eine Chance gehabt. Stück für Stück wurden Land und Bevölkerung weggenommen. Die Menschen fühlen sich unterlegen und haben den Eindruck, niemand auf der Welt interessiert sich wirklich ernsthaft für sie oder ergreift Partei.
Es ist dieses Gefühl: Wem bedeuten wir überhaupt etwas? Sind wir etwas wert in der Weltgeschichte? Zählen wir etwas, zählen unsere Interessen? Dieses Gefühl kann auf persönlicher Ebene auftreten, aber auch auf einer sehr politischen Ebene. Eigentlich bin ich nicht wichtig, eigentlich sind wir niemandem wichtig.
Der Einstieg in Jesaja: Ein dunkler Tunnel der Unverständlichkeit
Ich möchte heute mit euch einen Abschnitt aus dem Propheten Jesaja betrachten, der für mich immer wie ein dunkler Tunnel war. Meistens mache ich meine stille Zeit, indem ich fortlaufend durch biblische Bücher lese. Lange Zeit habe ich einfach stur jeden Tag ein Kapitel gelesen.
Wenn dann Jesaja an der Reihe war – ich meine, die Kapitel gehen bis Kapitel zwölf – hatte ich ab Kapitel dreizehn den Eindruck, ich lese ein Kapitel und verstehe nichts. Es vergingen eine, zwei, drei Wochen, jeden Tag ein Kapitel, und ich fragte mich immer wieder: Was soll mir das sagen?
Irgendwann kommt man bei Kapitel 36 an und denkt, jetzt verstehe ich wieder etwas. In den Kapiteln 36 bis 39 schreibt Jesaja einfach reine Geschichte. Es sind im Grunde die gleichen vier Kapitel, die auch im 2. Königebuch stehen. Ich vermute, dass Jesaja diese Kapitel im 2. Königebuch mitgeschrieben hat.
Plötzlich geht es einfach um historische Ereignisse: Hiskia ist König, Jerusalem wird belagert und wunderbar gerettet, Hiskia wird krank und ebenfalls wunderbar geheilt. Dann kommt eine Delegation aus Babylon, und er zeigt ihnen all seine Schätze – was sich später als nicht gut herausstellt. Vier Kapitel, und man hat das Gefühl, plötzlich wieder etwas zu verstehen. Der dunkle Tunnel scheint vorbei zu sein.
Wir stehen jetzt in dieser Bibelstundereihe über Jesaja noch am Anfang dieses dunklen Tunnels, denn heute beginnen wir mit Kapitel 13. Warum verstehen wir gerade die Kapitel 13 bis 23 so wenig?
In den Kapiteln 13 bis 23 spricht Jesaja über verschiedene Völker. Er beginnt mit Babylon und Assyrien, geht dann zu den Nachbarvölkern Israels – den Philistern, Moab –, dann zum Nordreich und den Syrern. Er spricht auch über Ägypten und Kusch, irgendwo in Afrika, und über Völker in der Wüste, die wir kaum kennen. Schließlich erwähnt er noch Tyrus.
Jesaja sagt viele Dinge, die wir nicht einordnen können. Wir wissen nicht genau, wann sich diese Prophezeiungen erfüllt haben. Historische Aufzeichnungen aus dieser Zeit über diese Völker sind kaum vorhanden. Von Ägypten und Assyrien haben wir einige Aufzeichnungen, aber von all den kleinen Völkern gibt es faktisch keine historischen Dokumente.
Das heißt, wir wissen nicht, wie sich das damals erfüllt hat oder ob sich manches erst in der Zukunft, vielleicht in einer Endzeit, erfüllen wird. Und so stehen wir da und denken: Ja, und jetzt?
Die falsche Frage beim Verstehen der Prophezeiungen
Ich glaube, ein Grund dafür ist, dass wir die falsche Frage stellen. Wir versuchen, diese Texte zu verstehen – und genau darin liegt unser Problem. Denn wir haben eine ganz bestimmte Vorstellung davon, was Verstehen bedeutet.
Für uns heißt Verstehen, dass wir das, was Jesaja aussagt, zeitlich einordnen können. Wir möchten sagen, wann, wo und in welcher Reihenfolge das passiert. Wahrscheinlich ticken wir so, weil wir Westeuropäer sind. Für uns bedeutet Verstehen, einen Text zu lesen und ihn einzuordnen – und zwar am besten auf einer Zeitskala. Wir wollen wissen, was wann passiert.
Gerade wenn es um die Endzeit geht, sind wir neugierig. Wir möchten gern wissen, was wann geschieht, in welcher Reihenfolge und wo auf dieser Erde. Wenn uns Jesaja oder Gott diese Informationen nicht geben, sind wir frustriert. Er entwirft ein Bild, und dann stehen wir da und fragen uns: Hat sich das jetzt dreißig Jahre nach Jesaja erfüllt oder wird sich das in einer noch zukünftigen Endzeit erfüllen?
Wir müssen uns damit abfinden, dass diese Frage, die wir stellen, Jesaja gar nicht interessiert. Ihn interessiert nicht, wann genau was passiert. An manchen Stellen schon, aber meistens geht es ihm eher um den Anlass der Prophezeiung, nicht um den exakten Zeitpunkt ihrer Erfüllung.
Jesaja geht es um Prinzipien, um Wahrheiten. Er nimmt manchmal Szenen, die wir als aus völlig verschiedenen Zeitaltern stammend ansehen würden, und verbindet sie, um uns ein Bild zu geben. Er möchte uns eine Wahrheit über Gott vermitteln, einen Trend aufzeigen.
Das werden wir dieses und nächstes Mal ein bisschen sehen. Wir werden nicht die Möglichkeit haben, bei allem ins Detail zu gehen. Deshalb lade ich euch zu einer etwas anderen Reise durch die vor uns liegenden Kapitel ein.
Ich werde nicht versuchen, ständig alles einzuordnen – manches schon – aber ich werde nicht um jeden Preis versuchen, alles zeitlich einzuordnen und mit euch zu diskutieren, ob diese Einordnung und Reihenfolge wirklich stichfest ist. Stattdessen werden wir uns an manchen Stellen eher mit den Fragen beschäftigen, die Jesaja stellt: Um was geht es? Wie ist Gott? Wie handelt Gott? Was hätten die Menschen tun können?
Es sind viel grundlegendere Fragen, als wir sie oft aus unserer Neugier heraus stellen. Wir sind es so gewohnt, bei Prophetien auf Chronologie zu achten, weil manche Propheten das tun. Ich sage nicht, dass dieses Prinzip, wie ich es gerade beschrieben habe, überall in der Bibel gilt.
Daniel ist ein Beispiel für jemanden, der an vielen Stellen viel Wert auf Chronologie legt – und zwar nicht nur in der Geschichte. In der hebräischen Bibel ist Daniel sogar kein prophetisches Buch, sondern ein Geschichtsbuch. An vielen Stellen beschreibt er Geschichte, und wenn er zur Prophetie übergeht, gibt er manchmal keine Zeitabstände an, doch zumindest ziemlich genaue Chronologien, was genau in welcher Reihenfolge passiert.
Wir kommen also ein bisschen von Daniel und solchen Propheten und denken, wir können das überall anwenden. Aber bei Jesaja funktioniert das, glaube ich, nicht.
Überblick über die Kapitel 13 bis 23 und deren Einteilung
Nach dieser langen Einleitung steigen wir nun in Jesaja 13 und 14 ein. Beim letzten Mal hatten wir zu den Kapiteln 1 bis 12 ein ähnliches Schema. Ich habe die Kapitel 13 bis 23 in fünf Teile aufgeteilt.
Ihr werdet wahrscheinlich, wenn ihr Bücher oder Schemata zu Jesaja findet, auch etwas andere Aufteilungen entdecken. Die meisten nehmen jedoch die Kapitel 13 bis 23 zumindest zusammen.
Es beginnt mit Kapitel 13 und dem größten Teil von Kapitel 14. Ganz links hier stehen Prophezeiungen über Babylon und Assyrien. Damit werden wir uns gleich beschäftigen. Dieser Abschnitt endet damit, dass die assyrische Armee irgendwann auf den Bergen Israels zerstört wird.
Ich habe diese fünf Blöcke gewählt, weil sie jeweils mit etwas Besonderem abschließen. Es gibt, wie gesagt, Prophezeiungen über die Nachbarländer, und sie enden mit dem Schicksal derer, die das Land Gottes plündern.
Wir haben einen Block über die Prophezeiung zu Kusch und Ägypten, der mit dem Aufstieg Israels in der Weltgeschichte endet. Außerdem gibt es Prophezeiungen über die Verbündeten und über Jerusalem selbst. Erstaunlicherweise endet dieser Abschnitt auch mit der Geschichte über zwei einzelne Menschen. Das fällt etwas aus dem Rahmen.
Der letzte Block schließt mit einer Prophezeiung über Tyrus ab. Diesen ersten und den letzten Block habe ich farblich hervorgehoben, weil ich glaube, dass sie zusammengehören. Jesaja versucht, ihnen einen Rahmen zu geben, indem er über zwei Städte spricht.
In den Kapiteln 13 und 14 redet er über die Stadt Babylon. Ich glaube, er meint wirklich die Stadt und nicht das Reich Babylon, das zu einer späteren Zeit existierte. Der Abschnitt endet damit, dass er wieder über eine Stadt spricht, nämlich über Tyrus.
Auch thematisch wird in Kapitel 23 auf Kapitel 13 und 14 zurückgegriffen. Die Themen sind ähnlich, wie ihr in der Mitte sehen könnt. Ich habe dem einen das Thema „Gottes Leute sind nicht unwichtig“ gegeben und dem anderen „Gottes Leute sind wichtig“. Das ist kein großer Unterschied.
Heute werden wir über diese drei Kapitel sprechen. In zwei Wochen werde ich versuchen, über alles zu reden, was hier grün markiert ist. Dieses Schema werde ich euch mit den Arbeitsblättern zuschicken.
Die Prophezeiung über Babylon: Zerstörung und historische Einordnung
Schon der Anfang ist, glaube ich, verwirrend – zumindest für Leute, die sich schon etwas intensiver mit der Bibel und insbesondere mit Prophetie beschäftigt haben. Das Ganze beginnt in Kapitel 13, Vers 1 mit dem Satz: „Ausspruch über Babel“ – oder auf Griechisch „Babylon“ –, den Jesaja, der Sohn des Amos, geschaut hat.
In Kapitel 13, Vers 19 heißt es: „Und Babel, die Zierde der Königreiche, die Schönheit des Stolzes der Kaldäer“ – das war dieser Volksstamm, der dort lebte – „wird sein wie die Umkehrung Sodoms und Gomorras durch Gott.“ Sodom und Gomorra waren zwei Städte, die von Gott völlig zerstört wurden. Jesaja sagt also, so wird es dieser Stadt Babylon ergehen: Sie wird völlig zerstört werden. Es wird nicht mehr bewohnt werden und keine Niederlassung mehr von Geschlecht zu Geschlecht geben.
In Vers 22 heißt es weiter: „Und seine Zeit steht nahe bevor, und seine Tage werden nicht verlängert werden.“
Okay, hier geht es also um Babylon, um den Untergang Babylons, um eine endgültige Zerstörung. Das klingt zumindest erst einmal so.
Bei manchen kommt jetzt sofort Daniel in den Sinn. Daniel wurde nach Babylon deportiert, und manche haben das schon mit ihren Kindern gelesen oder in Kindermusicals gehört. Einer der Nachfahren Nebukadnezars, der die Deportation der Israeliten nach Babylon veranlasst hatte, war Belsatzer. Er sah die Schrift an der Wand, kurz bevor seine Stadt durch die Perser und Meder eingenommen wurde und das neubabylonische Reich unterging.
Es ist eine gute Möglichkeit, diesen Text einzuordnen: als den Untergang des babylonischen Reiches. Man fragt sich, warum Jesaja das interessiert und warum er diese Prophezeiung als erstes bringt von allen Prophezeiungen. Aber immerhin ist es ein guter Anhaltspunkt.
Im Jahr 538 v. Chr. wurde Babylon von den Medern und Persern erobert. Das war, wie gesagt, das Ende des babylonischen Reiches und der Beginn des medopersischen Reiches. Das ist auch ein wesentliches Thema im Propheten Daniel. Dort wird das Reich noch einmal in Bildern dargestellt, in denen verschiedene Tiere das Reich symbolisieren. Das neue Tier vernichtet immer das alte.
Wir haben gerade Vers 19 aus Kapitel 13 gelesen. Ein weiterer Hinweis, der uns in diese Richtung führen könnte, steht zwei Verse vorher, in Vers 17: „Siehe, ich erwecke gegen sie die Meder, die Silber nicht achten und an Gold kein Gefallen haben. Und ihre Bogen werden Jünglinge zerstückeln, und über die Leibesfrucht werden sie es nicht erbarmen, ihr Auge wird die Kinder nicht verschonen.“
Das heißt, sie sind nicht bestechlich, sie haben keine ethischen Maßstäbe. Sie vernichten Männer, Frauen und Kinder – ganz egal. Die Meder handeln so.
Okay, alles klar?
Na ja, es gibt ein Problem. Das Problem ist die Geschichtsschreibung. Die Geschichtsschreibung sagt uns, dass die Perser und Meder Babylon zwar erobert haben, aber praktisch ohne Zerstörung und Blutvergießen. Die Stadt wurde damals in keiner Weise zerstört, sondern einfach übernommen. Das babylonische Reich war so schwach geworden, dass es kaum Widerstand leistete. Es änderte sich nicht viel, außer den Herrschern.
Das passt jetzt mit einer Zerstörung Babylons, wie wir sie gerade gelesen haben, überhaupt nicht zusammen.
Was machen wir jetzt?
Na gut, jetzt haben wir zwei Möglichkeiten: Entweder wir verlegen die Erfüllung dieser Prophezeiung irgendwann in die Zukunft, oder wir überlegen noch einmal, wo wir eigentlich in der Geschichte stehen.
Historischer Kontext: Babylon im assyrischen Reich und die Bedrohung Assyriens
Wir befinden uns hier nicht irgendwann um 550 vor Christus, sondern etwa 150 Jahre weiter zurück in der Vergangenheit. Zu dieser Zeit existiert das Babylonische Reich noch nicht, und Nebukadnezar ist noch nicht geboren. Die Weltmacht jener Epoche ist das assyrische Reich, das wir bereits kennengelernt haben.
Babylon, sowohl die Stadt als auch die Region, ist damals nichts anderes als eine Stadt innerhalb des assyrischen Reiches. Völkerrechtlich und im allgemeinen Bewusstsein galt sie die meiste Zeit als eine Stadt – und zwar in vielerlei Hinsicht die wichtigste Stadt des assyrischen Reiches. Allerdings war sie nicht der Regierungssitz.
Wenn wir uns etwa im Jahr 705 oder 706 vor Christus befinden, also zur Zeit der Prophezeiung, ist Sanherib der Große gerade auf den Thron gekommen. Er ist der erste Herrscher, der Ninive tatsächlich zu seiner Regierungsstadt macht. Dennoch bleibt Babylon in vielerlei Hinsicht die bedeutendste Stadt innerhalb des Reiches.
Babylon ist die kulturelle und vor allem die religiöse Hauptstadt des assyrischen Reiches. Die Assyrer haben von den Altbabyloniern alle Gottheiten übernommen. Das bedeutet, dass der ursprüngliche Haupttempel jedes assyrischen Gottes in Babylon steht. Für viele war Babylon einfach das Zentrum des Reiches, auch wenn die Regierung nicht dort residierte.
Diese Situation verschob sich erst etwas bei den Nachfolgern Sanheribs, die Ninive immer weiter ausbauten und zu einer prächtigen Königsstadt machten. Doch zu jener Zeit war es noch so, wie beschrieben.
Werfen wir noch einmal einen Blick auf das assyrische Reich in seiner größten Ausdehnung. Diese liegt etwa 35 Jahre nach der Zeit Jesajas. Wir können uns ungefähr vorstellen, wie groß es war: Das Mittelmeer liegt an der einen Seite, und das Gebiet südlich von Juda war damals noch nicht erobert. Zu Jesajas’ Zeit gehörte dieser Teil nicht zum assyrischen Reich, der Rest jedoch größtenteils schon.
Hier befinden sich Babylon und Ninive. Die Bedrohung für alle Völker dieser Zeit kam nicht von Babylon, sondern von Assyrien. Babylon war in vielerlei Hinsicht die wichtigste Stadt Assyriens.
Assyrien hatte bereits den Nordstaat Israel deportiert. Die Deportierten waren irgendwo im assyrischen Reich verteilt. Zur Zeit Jesajas unternahm Sanherib eine seiner jährlichen Militärkampagnen, um auch Juda und Jerusalem zu erobern – das war das zentrale Ereignis jener Zeit.
Assyrien und der König Hiskia hatten bereits alle befestigten Städte Israels erobert. In den assyrischen Chroniken steht, dass es 42 oder 46 Städte waren. Das einzige, was übrig blieb, war Jerusalem.
Vor den Toren Jerusalems entschied sich zu dieser Zeit das Schicksal Judas, das im Vergleich zum assyrischen Großreich klein war. Jeder zitterte vor den Assyrern, jeder fürchtete Sanherib.
Er war die reale Bedrohung – nicht nur für den Staat, sondern für jeden Einzelnen. Denn wenn die Assyrer kamen, die Stadt eroberten und die Menschen, einschließlich ihrer Kinder, deportierten, war das ein sehr persönliches Schicksal. Es betraf nicht nur eine Nation, sondern jede einzelne Familie.
Nicht nur jeder König zitterte vor den Assyrern, sondern auch jeder Familienvater. Das war das beherrschende Thema jener Zeit: Wie wird es ausgehen? Wie wird es uns treffen? Die eigentliche Frage war nur: Wann wird es uns treffen?
Die komplexe Bedeutung von Babylon und Assyrien in Jesajas Prophezeiungen
Ich persönlich glaube, dass es hier, obwohl von Babylon die Rede ist – dieser wichtigen Stadt im assyrischen Reich –, nicht nur um Babylon allein geht. Vielmehr betrifft es Babylon und seine Wechselwirkung mit dem großen assyrischen Reich. Manche Aussagen beziehen sich auf den Untergang Babylons, andere auf den Untergang des assyrischen Reiches selbst.
Weil das zu dieser Zeit ein zentrales Thema war, stellte Jesaja es an den Anfang der Prophezeiungen über verschiedene Nationen.
Welche prophetischen Ereignisse sind hier verarbeitet? Ich lasse offen, ob auch zukünftige Ereignisse eine Rolle spielen. Aber zur damaligen Zeit hatte Babylon trotz allem eine gewisse Sonderrolle. Warum? Es gab immer wieder Bestrebungen, sich vom assyrischen Reich unabhängig zu machen. Dazu werden wir beim nächsten Mal noch einmal kommen.
Babylon war eine immer wieder aufrührerische Provinz. Mehrfach hatte es Aufstände und Unabhängigkeitserklärungen gegeben. Jedes Mal hatten die Assyrer Babylon erobert und wieder in ihr Reich eingegliedert. Der assyrische König führte einen seiner wichtigsten Titel als König von Babylon. Er war also nicht nur König von Assyrien, sondern ausdrücklich auch König von Babylon.
Im Jahr 712 gab es einen Aufstand, der niedergeschlagen wurde. 705 folgte ein weiterer Aufstand, der ebenfalls niedergeschlagen wurde. 689 hatte Sanherib genug. Als es erneut einen Aufstand gab, eine weitere Unabhängigkeitserklärung und sozusagen einen Bürgerkrieg in seinem Land, zerstörte Sanherib Babylon wirklich.
Dies ist die einzige echte Zerstörung Babylons, die wir aus der Geschichte kennen. Und „wirklich zerstört“ heißt auch wirklich zerstört. Es blieb kein Stein auf dem anderen, keine Straße war mehr vorhanden. Sanherib staute die Flüsse und machte das Stadtgebiet von Babylon zu einem See, nachdem alles abgerissen war.
Sein Nachfolger baute Babylon wieder auf. War das eine Zerstörung für immer? Das hängt von der Definition ab. Es war kein Wiederaufbau im eigentlichen Sinne. Man konnte kein Haus wieder errichten, weil keines mehr da war. Auch keine Straße konnte repariert werden, weil keine mehr vorhanden war. Die Stadt war so zerstört, dass sie nicht wiederaufgebaut werden konnte. Man konnte nur an der gleichen Stelle wieder eine neue Stadt errichten – und genau das taten die Nachfolger Sanheribs.
Ich glaube, dies ist das, worauf sich die Zerstörungsgeschichte Babylons in diesem Zusammenhang bezieht.
Die Folgen der Zerstörung Babylons für Sanherib und das assyrische Reich
Das Zweite, was in diesen zwei Kapiteln eine große Rolle spielt, ist der König von Babylon und sein Untergang. Sanherib hatte nicht mit der Reaktion seines Volkes gerechnet. Er hatte nicht erwartet, wie religiös letztendlich viele Schichten seines Volkes waren, auch viele aus der Oberschicht.
Historiker sagen, dass wahrscheinlich die Zerstörung Babylons mit all seinen Tempeln, wo die Religion Assyriens ihren Ursprung hatte, ihm politisch das Genick gebrochen hat. Seine eigenen Söhne – und Jesaja erwähnt dies auch ganz kurz – haben ihn kurz danach umgebracht. Ein dritter Sohn ist aus dem Land geflohen, und ein weiterer Sohn hat schließlich die Herrschaft übernommen.
Diese Flut von Zerstörung, die Sanherib über die Stadt Babylon, also über seine eigene Stadt, gebracht hat, schlug irgendwie auf ihn zurück und zerstörte ihn. Das ist das zweite geschichtliche Ereignis, das Jesaja in sein Bild einfließen lässt und hier in zwei Kapiteln entfaltet.
Das dritte geschichtliche Ereignis ist noch bedeutender. Etwa 70 bis 75 Jahre später vernichteten die Babylonier gemeinsam mit den Medern das syrische Reich in einem brutalen Feldzug. Dies geschah erstaunlich schnell im Jahr 612 v. Chr. Dabei wurde die assyrische Armee grundlegend besiegt. Danach gab es noch etwa drei Jahre einzelne Scharmützel, aber im Jahr 609 v. Chr. existierte das assyrische Reich nicht mehr.
Dieses Reich, das damals die bekannte Welt umfasste, brach innerhalb von drei Jahren zusammen. Ich glaube, diese drei Ereignisse – die Zerstörung Babylons, der Tod seines Königs durch die eigenen Leute und der Untergang des assyrischen Reiches – verarbeitet Jesaja hier in seinem Bild. Er möchte uns so einen Eindruck von den mächtigen politischen Ereignissen seiner Zeit und der nahen Zukunft vermitteln.
Jesaja schreibt an den König: „Denn du hast dein Land zugrunde gerichtet, dein Volk hingemordet.“
Jesajas Vision vom Ende der Assyrer und die Hoffnung für Israel
Kapitel 14, Vers 4 behandelt den Untergang, sowohl den Untergang Sanheribs als auch den Untergang des assyrischen Reiches. Ich lese mal ein paar Sätze vor:
„Schau, wie der Betrücker sein Ende fand. Das Anstürmen ist beendet, zerbrochen hat der Herr den Stab der Gottlosen, den Herrscherstab, der Völker niederschlug im Krieg. Schläge ohne Unterlass, der Nationen unter Joche, im Zorn Unterdrückung ohne Einhalt. Es ruht, es rastet die ganze Erde, man bricht in Jubel aus. Diese Macht, vor der alle gezittert haben, ist zu einem Moment auf den anderen zerstört.“
Vermutlich bezieht sich Jesaja 14, ab Vers 9, wenn tatsächlich vom Untergang und vom Tod dieses Königs die Rede ist, auf den Untergang Sanheribs und seinen Tod.
„Der Scheol unten ist deinetwegen in Bewegung deiner Ankunft entgegen, aufgestört sind deinetwegen die Schatten aller Mächtigen der Erde. Er lässt von ihren Thronen aufstehen alle Könige der Nationen. Sie alle heben an und sagen zu dir: Auch du bist kraftlos geworden wie wir, bist uns gleich geworden. In den Scheol hinabgestürzt ist deine Pracht, das Rauschen deiner Pracht ist unter dir ausgebreitet, und Würmer sind deine Decke.“
Viele mussten bei dieser Beschreibung an den Fall Satans selbst denken. Politisch gesehen war es zu dieser Zeit wahrscheinlich die Voraussage des Falls von Sanherib, des Königs der Assyrer und des Königs Babylons.
„Wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzstern, Sohn der Morgenröte, zur Erde gefallen, Überwältiger der Nationen! Du sprachst in deinem Herzen: Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über die Sterne Gottes meinen Thron erheben! Doch in den Scheol wurdest du hinabgestürzt, in die tiefste Grube. Die, die dich sehen, starren dich an, schauen dich genau an: Ist das der Mann, der die Erde erbeben ließ, Königreiche zum Zittern brachte, der den Erdkreis der Wüste gleichmachte und dessen Städte niederriss, dessen Gefangene nicht in die Heimat entließ?“
Das ist eine ziemlich genaue Beschreibung von Sanherib, der wirklich alle bekannten Reiche der damaligen Zeit erobert und zerstört hat. Er nahm Gefangene, und seine Politik war es, Völker aus ihren angestammten Besitzungen herauszureißen und zu deportieren. Gefangene ließ er nicht in die Heimat zurückkehren, sagt Jesaja.
Jesaja offenbart den Menschen das Ende dieses unbesiegbaren Königs, das Ende dieses unbesiegbaren assyrischen Reiches und das Ende seiner prächtigsten Städte.
Diese drei Ereignisse – die Zerstörung Babylons, die Ermordung Sanheribs und die plötzliche, brutale Zerstörung des assyrischen Weltreichs – stellt Jesaja wie ein Kaleidoskop zusammen. Ohne Geschichtsbücher würden wir nicht wissen, wo das eine Ereignis aufhört und wo das andere anfängt. Er beschreibt es wie eine Flut, eine Sturmflut, die über alles hinweggeht.
Die Assyrer waren, wie Jesaja schon vorher beschrieben hat, wie eine Sturmflut, die auch Juda bedrohte, die das Nordreich Israel unter sich begraben hatte und die Juda bedrohte. So ging es nicht nur diesen beiden Staaten, sondern der damaligen Welt insgesamt. Dann schwappt diese Sturmflut zurück, und das Reich selbst wird zerstört.
Jesaja zeigt uns riesige politische Ereignisse dieser Zeit. Ganze Völker und Reiche gehen unter – Weltreiche, nicht nur Kleinfürstentümer.
Und dann stehst du da, als Israelit um 700 v. Chr. oder 705 v. Chr., und denkst: Bei solchen Umwälzungen, bei solchen politischen und geschichtlichen Umwälzungen wie in unserer Zeit, welche Bedeutung haben wir denn noch? Von persönlicher Bedeutung gar nicht zu reden.
Immer wenn es große politische Umwälzungen gibt, hat man das Gefühl, dass einzelne Menschen und einzelne Schicksale nicht mehr zählen. Aber auch so Kleinstaaten wie Juda – was zählen wir noch? Die Deportierten aus dem Nordreich, irgendwo verteilt im assyrischen Reich, hier geht es um ganze Städte, die untergehen, Weltstädte. Hier geht es um einen Riesenkönig, der untergeht, hier geht es um ein Riesenreich, das untergeht.
Wenn du damals jemanden gefragt hättest: Welche Bedeutung haben diese Deportierten aus Israel, wo auch immer im assyrischen Reich sie gerade sind? Welche Bedeutung hat dieser Kleinstaat Juda oder das, was von ihm übrig geblieben ist, und die Leute, die dort leben? Jeder hätte dir gesagt: In unserer Zeit keine Bedeutung, nichts im Vergleich zu den Umwälzungen, die wir gerade erleben.
Die Zusage Gottes: Israel bleibt wichtig trotz Umwälzungen
Aber als Jesaja mitten in diesem Abschnitt einen Blick in die Zukunft wirft, taucht aus dieser Flut, aus dieser Sturmflut etwas auf wie eine Arche im Meer – etwas, mit dem niemand mehr gerechnet hätte.
Mittendrin, in diesen zwei Kapiteln, schreibt Jesaja in Kapitel 14, Vers 1: „Denn der Herr wird sich über Jakob erbarmen und Israel wieder erwählen und wird sie in ihr Land einsetzen. Und Fremde werden sich ihnen anschließen und sich dem Haus Jakob zugesellen. Die Völker werden sie nehmen und sie an ihren Ort bringen. Das Haus Israel wird sie sich zu Knechten und Mägden aneignen im Land ihres Herrn, und sie werden die Gefangenen wegführen, die sie gefangen hielten, und werden herrschen über ihre Bedrücker.“
Ich kann euch nicht sagen, wann genau das passiert oder wie viel davon sich bereits erfüllt hat, ob irgendwann in der Geschichte oder noch in der Zukunft. Das ist auch nicht das, worauf er hinaus will. Er möchte uns sagen: Wisst ihr was? Ihr seid nicht vergessen.
Trotz all dieser politischen Umwälzungen seid ihr nicht unwichtig. Die Welle der Geschichte geht nicht einfach über euch hinweg – egal wie hoch diese Wellen sind und egal, ob sie die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ihr seid nicht vergessen, nicht zerstreut in einer fremden Umgebung.
Wenn die Mächtigsten dieser Erde untergegangen sind, wie Sanherib, wenn das mächtigste Reich dieser Zeit zerschlagen ist, wie das assyrische Reich, werdet ihr noch da sein. Gott wird euch nehmen, egal wo ihr gerade seid, und euch zurückbringen in euer Land.
Und alle werden sehen, wer wirklich wichtig war in dieser Zeit – Menschen, an die keiner mehr gedacht hat. „Ihr seid Gottes Leute“, sagt Jesaja, „und deswegen seid ihr wichtig.“ Vielleicht hat uns das etwas zu sagen.
Jesajas Abschlussprophezeiung über Tyrus und die Bedeutung des Welthandels
Wechseln wir kurz zu Jesaja 23. Jesaja schließt seine Prophezeiung mit Kapitel 23 ab und spricht erneut von einer Stadt. Babylon war die prächtigste Stadt des syrischen Reiches – eine Hauptstadt von Kultur, Religion und Handel. Am Mittelmeer lag jedoch die mächtigste Handelsstadt jener Zeit: Tyrus.
Tyrus war die wichtigste Stadt und der bedeutendste Hafen der Phönizier. Die Phönizier hielten den Welthandel zu einem großen Teil am Laufen, denn sie waren die einzigen, die die Technologie beherrschten, Schiffe über das Mittelmeer zu schicken. Deshalb waren die Assyrer lange Zeit sehr vorsichtig, Tyrus zu erobern oder gar zu zerstören. Selbst wenn ihnen die Schiffe in die Hand gefallen wären, hätten sie nicht das Know-how gehabt, sie zu bedienen.
Die Phönizier waren diejenigen, die das seit Generationen taten. Das sehen wir auch schon viel früher, wenn wir die Bibel lesen. Salomo zum Beispiel war bei seinen großen Schatz-Expeditionen auf das Know-how der Phönizier angewiesen, um seine Schiffe zu bauen und mit Seeleuten auszurüsten. Viele schauten voll Neid auf Tyrus, auf seinen Reichtum und die Macht, die es dadurch besaß.
Lesen wir ein paar Sätze aus Jesaja 23. Vers 1: Ausspruch über Tyrus. „Heult, ihr Tarsischiffe“ – das waren diese großen Handelsschiffe der Phönizier zu jener Zeit. Tarsis war eine Stadt in Spanien, also auf der anderen Seite des Mittelmeers. Es waren die Schiffe, die bis dorthin und zurückfahren konnten. Die Phönizier haben sich sogar ein Stück weit in den Atlantik mit ihren Schiffen vorgewagt.
„Heult, ihr Tarsischiffe, denn Tyrus ist verwüstet, zerstört, so dass man dort nicht mehr landen kann.“
Vers 8 fragt: „Wer hat dies beschlossen über Tyrus, die Kronenspenderin?“ Schon damals bestimmten oft jene, die Geld hatten, wer regiert. Viele Kriege und politische Auseinandersetzungen in der Geschichte wurden dadurch entschieden, welches Land von den Banken noch Kredite für Waffen bekam.
Die große Handelsstadt jener Zeit war die Kronenspenderin, deren Kaufleute Fürsten waren, deren Händler die vornehmsten der Erde. „Der Herr der Herrscher hat es beschlossen, diese Zerstörung, um den Stolz und alle Schönheit zu entweihen, um alle Vornehmen der Erde verächtlich zu machen.“
Interessanterweise zieht Jesaja hier eine Parallele zu Babylon, das wir im ersten Teil gesehen haben. Er sagt in Vers 13: „Siehe, das Land der Chaldäer“, das ist das Land um Babylon, „dieses Volk, das nicht mehr ist. Assur hat es den Tieren der Wüste zugewiesen. Sie richteten ihre Belagerungstürme auf, schleiften dessen Paläste und machten es zu einem Trümmerhaufen. Heult, ihr Tarsischiffe, denn auch eure Festung wird verwüstet.“
Er sagt also, Tyrus wird so verwüstet werden wie Babylon. Die Militärmächte werden untergehen, die kulturellen Hauptstädte werden fallen, die Handelsmächte und die Reichen werden untergehen.
Doch Jesaja hat noch mehr zu sagen. Vers 17: „Denn es wird geschehen, am Ende von siebzig Jahren, da wird der Herr sich Tyrus zuwenden, und sie wird wieder zu ihrem Hurenlohn kommen.“
Gott hält also nicht viel von Reichwerden durch Handel, wenn alles käuflich ist und Tyrus Hurerei treiben wird mit allen Königreichen der Erde auf der Fläche des Erdbodens. „Und ihr Erwerb und ihr Hurenlohn wird dem Herrn geweiht sein. Er wird nicht aufgehäuft und nicht aufbewahrt werden, sondern ihr Erwerb wird denen gehören, die vor dem Herrn wohnen, damit sie essen bis zur Sättigung und prächtig gekleidet werden.“
Und wieder muss ich sagen: Wir wissen, glaube ich, nicht genau, wann dieser Teil der Prophezeiung erfüllt worden ist. Tyrus wurde hauptsächlich durch die Babylonier zerstört. Wann diese siebzig Jahre zu Ende waren – war das damals oder liegt das noch in der Zukunft? Das interessiert Jesaja, glaube ich, nicht so sehr.
Seine Botschaft richtet sich an seine Zeitgenossen, an das Volk Gottes: Die Reichen dieser Welt horten ihren Reichtum. Letztlich erwerben sie ihren Reichtum für euch. Ihr werdet davon profitieren. Nach siebzig Jahren wird Gott das Rad des Welthandels wieder anwerfen, um seine Leute zu versorgen.
Wer ist wichtig? Es sieht so aus, als seien es die Reichen, die Händler dieser Erde, die Kronenspender, die bestimmen, wer regiert und wer das Sagen hat. Aber bei Gott sieht es anders aus. Gott wirft das Rad des Welthandels wieder an wegen euch, nicht wegen ihnen. Ihr seid wichtig, auch wenn niemand, der einfach nur auf die Weltgeschichte schaut, das im ersten Moment vermuten würde.
Persönliche Reflexion: Die Bedeutung einzelner Menschen in großen Entscheidungen
Ich erzähle gerne eine Geschichte aus meinen letzten Jahren so: Ich habe in einer großen Firma gearbeitet, die verschiedene Niederlassungen in Deutschland hat. Irgendwann hat ein Vorstand beschlossen, dass es sinnvoll wäre, die gesamte Verwaltung der Firma, also etwa 600 Leute, von Frankfurt nach Düsseldorf zu verlegen. Das lag daran, dass man in Düsseldorf ein Gebäude hatte, das leer stand.
Einige Mitarbeiter haben gekündigt, einige sind mitgegangen und nach Düsseldorf umgezogen, andere sind gependelt. Ich gehörte zu denen, die pendelten. Denn die IT-Abteilung, in der ich gearbeitet habe, gehörte offiziell zur Verwaltung. Somit waren wir Teil der 600 Personen, die von Frankfurt nach Düsseldorf umziehen mussten.
Für viele war das eine bittere Erfahrung. Für mich hingegen war es interessant, weil mein Sohn dort studierte. Meine Firma hat mir drei Jahre lang eine Wohnung in Düsseldorf bezahlt, in der ich zwei Tage die Woche wohnen konnte, während mein Sohn dort sieben Tage die Woche lebte – ohne Kosten für uns.
Durch diese Situation konnte ich irgendwie die Gemeindegründung in Oberhausen begleiten. Das sind Leute, die ich auch heute noch ein wenig begleite. Das wäre sonst wahrscheinlich nie zustande gekommen.
Außerdem habe ich ein Angebot zur Altersteilzeit bekommen. Dieses Angebot entstand auch dadurch, dass nachts etwas unterschrieben wurde, was keiner richtig verstanden hat – ein Sozialvertrag zwischen Parteien. Ein Angebot, das ich sonst nie erhalten hätte.
In den letzten zweieinhalb Jahren, in denen ich offiziell noch bei der Firma angestellt war, erhielt ich knapp über 90 Prozent meines normalen Gehalts, obwohl ich nicht gearbeitet habe.
Das Spannende ist: Als ich ausgeschieden war, also in der passiven Zeit, hat die Firma eingesehen, dass die Versetzung eine völlige Fehlentscheidung war. Sie hat alle Versetzungen zurückgenommen. Jeder, der wollte, konnte wieder zurück nach Frankfurt.
Das galt nur für die Zeit, in der ich noch in der Firma war.
Oft habe ich mir überlegt, ob 600 Leute teilweise ihren Arbeitsplatz und Wohnort wechseln mussten, vielleicht nur wegen mir – vielleicht auch nicht. Manchmal kam mir die Frage: Wer ist wichtig? Wozu werden Entscheidungen getroffen, wenn man den Eindruck hat, dass sie einfach über alles hinweggehen – ohne Rücksicht auf persönliche Verhältnisse? Der einzelne Mensch scheint so unwichtig zu sein.
Doch wenn man sich ansieht, was daraus entsteht, denkt man: Vielleicht sind die Menschen Gottes wichtig. Vielleicht sind wir gar nicht so unwichtig in den Augen Gottes.
Der historische Hintergrund der assyrischen Invasion und die Bedeutung Jerusalems
Wenn man diese Kapitel betrachtet – ich nutze jetzt noch ein paar Minuten, die ich habe, nicht mehr viel – und die Kapitel, die wir auch nächstes Mal lesen werden, dann fällt auf, und ich habe das schon angedeutet, dass das geschichtliche Ereignis für Jesaja zu seiner Zeit die assyrische Invasion in Juda war.
Es ist kein Zufall, dass Jesaja nach 35 Kapiteln plötzlich einen geschichtlichen Einschub macht. Dieser Einschub handelt im Wesentlichen von der assyrischen Invasion in Juda und der Belagerung Jerusalems. Er will uns einen Schlüssel geben, worauf viele der Prophezeiungen in den vorhergehenden Kapiteln sich beziehen. Für viele ist der Dreh- und Angelpunkt das, was 701 vor Christus passiert ist: die Assyrer hatten das Land Juda erobert und standen vor den Toren Jerusalems. Doch Jerusalem war die einzige Stadt, die sie nicht einnehmen konnten.
Das war für Jesaja die geschichtliche Sensation seiner Zeit, um die sich vieles von seinem Denken dreht. Andere, viel mächtigere Nationen wurden erobert. Die Assyrer standen vor Jerusalem. Ich lese jetzt nur noch ein paar Verse aus diesem geschichtlichen Einschub. Berebsake trat hin, rief mit lauter Stimme auf Jüdisch und sprach (Jesaja 36):
"Hört die Worte des großen Königs, des Königs der Assyrer. So spricht der König: Hiskia, euer König, täusche euch nicht, denn er wird euch nicht retten können. Hiskia vertraut nicht auf den Herrn, wenn er spricht: Der Herr wird uns gewiss retten, diese Stadt wird nicht in die Hand des Königs von Assyrien gegeben werden. Hört nicht auf Hiskia!"
Ein bisschen später heißt es:
"Das ist kirchlich nicht verführend, wenn er spricht: Der Herr wird uns retten. Haben die Götter der Nationen – jeder sein Land – aus der Hand des Königs von Assyrien errettet? Wo sind die Götter von Hamath und Arpad, wo die Götter von Sepharvaim? Haben sie etwa Samaria aus meiner Hand gerettet? Nordisrael, Samaria, offiziell derselbe Gott? Samaria ist gefallen. Warum denkt ihr, dass ihr nicht fallen werdet? Welche sind es unter allen Göttern dieser Länder, die ihr Land aus meiner Hand errettet haben, dass der Herr Jerusalem aus meiner Hand retten sollte?"
Hiskia antwortet (Jesaja 37):
"Wahrlich, Herr, die Könige von Assyrien haben alle Nationen und ihr Land verwüstet. Sie haben ihre Götter ins Feuer geworfen. Denn sie waren keine Götter, sondern ein Werk von Menschenhänden, Holz und Stein, und sie haben sie zerstört. Und nun, Herr, unser Gott, rette uns aus seiner Hand, damit alle Königreiche der Erde erkennen, dass du allein der Herr bist."
Das war das, was in Jerusalem, vor den Toren Jerusalems, auf dem Spiel stand: Ist Gott wirklich Gott oder nur einer von diesen vielen Göttern und Götzen der Nationen, die den Assyrern keinen Widerstand leisten konnten? Und darum ging es – dass alle Nationen erkennen, wer Gott ist. Sehr vieles im Denken von Jesaja dreht sich um diese Frage.
Damit endet übrigens auch das Kapitel 14:
"Der Herr der Heerscharen hat geschworen und gesprochen" (Jesaja 14,24-27):
"Ja, wie ich es zuvor bedacht habe, so geschieht es, und wie ich es beschlossen habe, so wird es zustande kommen, dass sich Assyrien in meinem Land zerschmettern und auf meinen Bergen zertreten wird. So wird sein Joch von ihnen weichen, und seine Last von ihrer Schulter. Das ist der Ratschluss, der beschlossen ist über die ganze Erde. Und das ist die Hand, die ausgestreckt ist über alle Nationen, denn der Herr der Heerscharen hat es beschlossen, und wer wird es vereiteln? Und seine ausgestreckte Hand, wer könnte sie abwenden?"
Babylon ist untergegangen, Sanherib ist untergegangen, das syrische Reich ist untergegangen – aber das syrische Heer, nicht sein letztes Heer, aber das Heer zur Zeit Jesajas, das Heer Sanheribs, ist auf den Bergen Judas untergegangen. Darauf werden wir zurückkommen.
Die Bedeutung des Volkes Gottes inmitten großer Umwälzungen
Sind wir unwichtig, wenn die Mächtigen dieser Erde längst untergegangen sind? Ihr aber seid immer noch da und immer noch wichtig für Gott. Vieles, was auf dieser Erde geschieht, geschieht um eures Willen. Irgendwann werden wir das sehen und verstehen.
Ich möchte schließen mit einem Vers aus dem Zweiten Thessalonicherbrief. Auch die Thessalonicher waren versucht zu glauben, dass sie für Gott nicht wichtig seien – irgendwelche Christen irgendwo weit weg von Jerusalem und Juda, weit entfernt vom Zentrum der Geschichte Gottes.
Paulus hatte in Kapitel 1, Vers 3 begonnen und gesagt: „Wir sind schuldig, wir fühlen uns verpflichtet, allezeit für euch zu danken, Geschwister.“ Dann kommt er in Kapitel 2, Vers 13 auf denselben Gedanken zurück. Er sagt: „Wir sind schuldig, wir fühlen uns verpflichtet, allezeit für euch zu danken, Geschwister.“ An dieser Stelle fügt er hinzu: „Vom Herrn, geliebte Geschwister, ich glaube, es ist kein Zufall. Ihr habt euch als Erstlingsgabe zur Rettung, zur Besitznahme der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus, auserwählt.“
Ihr seid vielleicht unwichtig in den Umwälzungen dieser Zeit. Wir erleben eine Zeit mit vielen wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen. Welche Rolle spielt da schon die Gemeinde Gottes? Doch Jesaja sagt uns: Ihr seid nicht unwichtig.
Irgendwann, wenn alle Mächtigen und Reiche dieser Zeit untergegangen sind und die Themen dieser Zeit keine Rolle mehr spielen, wird es wie eine Arche aus den Stürmen dieser Zeit auftauchen – das Volk Gottes. Und irgendwann werden alle sehen, wer wichtig war und wer nicht.