Herr, ich freue mich, hier zu sein. Gestern Abend bin ich schon einmal kurz in die Räumlichkeiten gekommen und war ein wenig überwältigt von der Größe. Ich hatte mir die ganze Veranstaltung etwas kleiner vorgestellt. Beeindruckend, wirklich.
Das hat dazu geführt, dass ich heute Nacht ein paarmal aufgewacht bin und dachte: Wird das etwas? Umso schöner ist es, wenn wir mit einem Vortrag beginnen, der zu diesen Bedenken wunderbar passt – nämlich „Aus der Gnade leben“.
Was ich mit euch machen möchte, erfordert zunächst eine Entschuldigung von meiner Seite. Das möchte ich gleich zu Beginn sagen.
Erstens haben wir hier einen Zusammenstoß der Kulturen: Stadt gegen Land, Preußen gegen Bayern. Das wird sich an der einen oder anderen Stelle in der Art und Weise zeigen, wie ich Witze mache oder welche Vokabeln ich verwende beziehungsweise nicht verwende. Ich bitte euch, mir das von Anfang an nachzusehen und mit heiliger Gelassenheit auf die Unterschiede einzugehen, die uns einfach ausmachen.
Zweitens ist mir in diesem Jahr noch einmal ganz deutlich geworden: Ich war bei einer anderen Glaubenskonferenz eingeladen. Dabei dachte ich mir, wenn ich dort hingehe, muss ich mich dem Publikum anpassen, das etwas älter und reifer ist – also älter und gesetzter. Ich komme jedoch aus der Jugendarbeit. Mein Spaß ist nicht nur Gemeindegründung, sondern vor allem die Arbeit mit Jugendlichen. Ich werde heute Nachmittag noch etwas dazu sagen.
Gerade komme ich von der Jugendferien-Bibelschule, wo man mich zwei Tage lang einfach ausgesaugt hat. In diesen zwei Tagen habe ich 14 Vorträge über Malachi gehalten. Danach denkt man: „Boah, da ist nichts mehr im Kopf drin, der ist einfach nur noch leer.“ Ich komme also aus der Jugendarbeit, und das muss ich ehrlich sagen: Meine Sprache klingt manchmal nicht so, wie sie ein 47-Jähriger klingen müsste. Ich habe dieses Jahr versucht, so zu sprechen, wie man es mit 47 tun sollte – und es ist mir einfach nicht gelungen.
Deshalb bitte ich euch: Wir haben den Konflikt der Kulturen und dazu noch den Konflikt, dass ich vielleicht zu oft mit Jugendlichen arbeite. Seht mir das bitte nach. Wenn ihr im Nachhinein denkt: „Oh, das war aber hart“, dann erinnert euch an Titus 2, wo es heißt, dass wir würdig predigen sollen. Und der eine oder andere wird vielleicht denken: „Ah, das Beispiel – ja, seht mir das bitte nach.“ Dreht mir daraus keinen Strick. Nehmt euch das mit, was Gott durch seinen guten Geist euch durch diese Predigten sagen möchte. Den Rest, bei dem ihr vielleicht denkt: „So hätte ich es nicht gemacht“, vergesst ihn einfach.
So, erster Vortrag: Aus der Gnade leben.
Was ist eigentlich Gnade, wenn ich diesen Begriff verwende? Er wird im Neuen Testament sehr unterschiedlich gebraucht. Ich möchte hier über die Gnade Gottes sprechen.
In 2. Mose 34,6 stellt sich Gott vor. In seiner Selbstbeschreibung sagt er über sich, dass er barmherzig und gnädig ist, langsam zum Zorn und reich an Gnade. Darüber möchte ich reden.
Gott ist ein gnädiger Gott, und diese Gnade trifft unser Leben.
Was ist Gnade? Gnade ist etwas, das Gott uns erweist. Wenn wir Begnadigte sind, bedeutet das immer, dass wir von Gott Beschenkte sind. Das merkt man besonders an Bibelstellen wie Lukas 1,30. Diese Stelle passt gut zur Weihnachtszeit, die bald kommt, auch wenn es noch ein bisschen früher ist.
In Lukas 1,30 begegnet Maria ein Engel, der zu ihr sagt: „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade bei Gott gefunden.“ Gott sieht dieses junge Mädchen und sagt: Ich möchte dich beschenken. Ich möchte dir etwas geben, das du dir auf keinem anderen Weg erarbeiten kannst. Ich mache dich zum Teil meiner Heilsgeschichte.
Wenn wir über Gnade reden, meinen wir immer, dass Gott es gut mit uns meint.
In Epheser 2,8 heißt es: „Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben.“
Ich möchte am Anfang einfach ein wenig über das Thema Gnade sprechen: Was ist Gnade? Wie fühlt sich Gnade an? Danach gehe ich mit euch darauf ein, was es bedeutet, aus Gnade zu leben.
Gnade heißt: Gott meint es gut mit mir.
Gott sieht mich in meiner Not und sagt: „Hey, du hast ein Problem, und dieses Problem möchte ich angehen. Ich möchte dir an dieser Stelle etwas schenken, das du brauchst.“
In Römer 5 beschreibt Paulus, was Gott uns schenkt. Er schreibt, dass wir in der Gnade stehen. Im Vers davor, Römer 5,2, heißt es: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus dem Glauben, so haben wir Frieden mit Gott.“
Frieden mit Gott – das bedeutet, Gott beschenkt mich mit seinem Frieden.
Damit wir jetzt nicht zu sentimental werden: Es gibt auch manches an Gnade, das bereits in der Geschichte von Maria anklingt.
Was uns dabei eigentlich gar nicht so als Gnade erscheint, ist die Situation, in der Maria morgens aufsteht und überlegt, wie wohl dieser Tag verlaufen wird. Dann kommt der Engel herein und sagt: „Du, ich habe da etwas für dich. Du bist schwanger.“ Maria antwortet: „Hallo, ich weiß von nichts.“ Der Engel erwidert: „Stimmt, deswegen sage ich es dir ja. Du bist schwanger.“ Das ist schon eine Überraschung. Stell dir vor, du würdest das einfach so erfahren: „Ich habe da etwas für dich.“
Vielleicht hat Maria im ersten Moment ein wenig gebraucht, bis sie verstanden hat, dass diese Gnade eigentlich darin besteht, dass alle ihre Träume sich in Luft aufgelöst haben. Denn natürlich geht man nicht mit der Idee ins Rennen: „Na ja, jetzt, wenn das rauskommt, werden alle mich für ein Flittchen halten.“ Man denkt: „Ich muss das meinem Verlobten irgendwie erklären.“ Der wird das wahrscheinlich erst einmal nicht verstehen. Das ist ja so ein Ding. Da war ein Engel, der Heilige Geist – das braucht einfach einen Moment, bis das dem Verlobten erklärt ist.
Und was wird aus unserer Zukunft? Wir hatten uns das so schön geplant, die Hochzeitsfeier, dass der so hintereinander wegläuft, so wie man sich das halt vorstellt. Das geht ja alles nicht mehr. Das wird ganz anders. Und deswegen ist Gnade, wenn wir den Begriff hören, ja, Gott beschenkt uns. Aber manchmal fühlt sich Gnade im ersten Moment gar nicht nach Gnade an.
In 1. Petrus 2,20 heißt es: „Denn was für ein Ruhm ist es, wenn ihr ausharrt, indem ihr sündigt und geschlagen werdet? Ja, was habt ihr davon, wenn ihr sündigt und geschlagen werdet? Wenn ihr aber ausharrt, indem ihr Gutes tut und leidet! Das ist Gnade bei Gott.“
Und ich weiß nicht, wie es bei dir ist, wenn du so ein Vater bist. Es ist Gnade bei Gott, wenn ich ausharre, indem ich Gutes tue und leide. Hallo, das hört sich so gar nicht nach Gnade an. Das hört sich nach Leid an. Das hört sich nach Leid an, und ich tue noch das Richtige. Ich versuche es irgendwie richtig zu machen. Das funktioniert nicht.
Aber doch: Gott ist Gnade. Gott meint es gut mit uns. Und in einer Welt, die völlig durcheinander ist, kennt Gott den Weg, den wir gehen sollen. Manchmal ist das ein ganz merkwürdiger Weg. Manchmal ist es die Weisheit Gottes, einen Weg zu gehen, der in den Augen der Welt Torheit ist.
Und das ist so ein Punkt hier: Wir sind Begnadigte, wir sind mit Gott unterwegs, wenn wir das genau so machen, wie es hier steht. Es ist Gnade bei Gott, Gutes zu tun und im Leid auszuharren.
Ich will jetzt nicht darüber reden, warum das so ist, sondern erst einmal sagen: Gnade ist etwas, was Gott uns schenkt, weil er es gut mit uns meint. Aber Gnade ist noch mehr. Gnade ist auch etwas, was uns verändert.
Der Begriff Gnade taucht im Neuen Testament in Zusammenhängen auf, aus denen deutlich wird, dass Gnade eine Macht ist. In Römer 5,21 heißt es: „Damit, wie die Sünde geherrscht hat im Tod...“ Was das bedeutet, verstehen wir alle. Wir kommen aus einer Vergangenheit, in der unser Leben von Sünde geprägt war. Aus unserem Innersten heraus gab es Bedürfnisse, die einfach schlecht waren. Diese schlechten Bedürfnisse haben wir gelebt. Das kennen wir.
Jetzt sagt Paulus: „Damit, wie die Sünde geherrscht hat im Tod, so auch die Gnade herrscht durch Gerechtigkeit.“ Gnade ist eine Macht, die in dir wirkt und in dir herrschen möchte. Eine Gnade, die dich verändern will.
Im Titusbrief, Titus 2,11-13, wird die Gnade in uns beschrieben als ein Lehrer. Dort heißt es: „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend allen Menschen, und unterweist uns.“ Gnade ist also nicht nur eine Macht, die in uns wirkt, sondern auch ein Lehrer, der uns weiterbringen will.
Was will die Gnade? Sie unterweist uns, damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste verleugnen und besonnen, gerecht und gottesfürchtig leben in dem jetzigen Zeitlauf. Dabei erwarten wir die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus.
Gnade ist eine Macht, die in uns wirkt – mehr als nur ein Prinzip à la „Aha, Gott möchte uns beschenken.“ Am Ende des ersten Korintherbriefes spricht Paulus in 1. Korinther 15,10 davon, was die Gnade in ihm gewirkt hat. Er kommt aus einem Hintergrund, in dem er als spätberufener Apostel quasi als Außenseiter galt, als jemand, der eigentlich nicht in den Kreis der Apostel gehörte.
Daraus ergibt sich sein Verständnis von Gnade: „Aber durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und seine Gnade mir gegenüber ist nicht vergeblich gewesen. Sie hat an mir gehandelt; dennoch habe ich mehr gearbeitet als sie alle.“ Hier wird deutlich, dass Paulus begnadigt ist und Gnade so versteht, dass sie ihn motiviert, sein altes Leben hinter sich zu lassen und nach vorne durchzustarten.
Er vergleicht sich mit einem Läufer, der zu spät an den Startblock gekommen ist, während alle anderen schon losgelaufen sind. Das bedeutet, er muss schneller laufen, und genau dazu motiviert ihn die Gnade Gottes.
Gnade ist also etwas, was Gott uns erweist. Gnade bedeutet, dass Gott es gut mit uns meint. Gnade ist eine Macht, die in uns wirkt. Irgendwie ist Gnade das Gegenteil von Dingen, die uns zurückhalten oder uns schwächen.
Man kann manchmal das, was man nicht genau greifen kann, gut durch das Gegenteil erklären. Es gibt verschiedene Stellen in der Bibel, die uns zeigen, was Gnade nicht ist. So heißt es in Römer 4,4: Dort wird ein Gegensatzpaar aufgebaut: „Dem aber, der Werke tut, wird der Lohn nicht nach Gnade angerechnet, sondern nach Schuldigkeit.“ Gnade und Schuldigkeit.
Schuldigkeit bedeutet, dass du arbeitest und dann sagst: „Jetzt habe ich so und so viel gearbeitet, jetzt bekomme ich etwas dafür.“ Gott hingegen sagt: So funktioniert das geistliche Leben nicht. Du kannst dich nicht hinstellen und sagen: „Gott, schau mal, ich habe so und so viel gearbeitet, jetzt musst du mir dafür das ewige Leben schenken.“ Diese Rechnung funktioniert einfach nicht. Das liegt an einem einfachen Grund: Du hast nie genug gearbeitet. Du wirst nie an dem Punkt sein, an dem du dich vor Gott hinstellen und sagen kannst: „Hallo Gott, ich bin fertig, kann ich jetzt das ewige Leben haben?“ Das wird es nie geben.
Wir werden immer als Bettler vor Gott stehen, immer defizitär, immer mit dem Gefühl: „Ich bin blank, es reicht nicht.“ Weil Gott das weiß, dass wir nach Schuldigkeit keinen Stich machen, sagt er: „Ich finde einen anderen Weg. Wie wäre es mit Gnade? Wie wäre es, wenn ich dich einfach beschenke?“ Und ich beschenke dich an dem Punkt, an dem du sagst: „Ich glaube.“ Das wäre doch toll.
Es geht also gar nicht um das, was du tust. Schauen wir ein bisschen weiter in Römer 6,14: „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade.“ Eben hatten wir noch Schuldigkeit und Gnade, jetzt haben wir Gesetz und Gnade.
Wenn du „Gesetz“ im Römerbrief hörst, denke bitte nicht nur an das Gesetz Israels. Exkurs: Darf ich euch duzen? Okay, Punkt. Mir ist gerade aufgefallen, dass ich mich hätte noch einmal entschuldigen müssen, weil ich das mit dem „Sie“ nicht schaffe. Ich habe es mal bei einem Ehekurs probiert, aber ich kriege das einfach nicht hin. Das ist einer dieser „Sorry“, also bitte, falls ich jemandem mit dem Du auf die Füße getreten bin, es tut mir leid, aber ich kann es anders nicht. So, ich mache mal weiter.
Das neue Gegensatzpaar lautet also Gesetz und Gnade. Wenn du über Gesetz im Römerbrief nachdenkst, dann denke bitte nicht nur an das Gesetz Israels. Es gibt Menschen, die sich eigene Gesetze machen, einen eigenen Regelkatalog haben. In dieser Idee steckt: Wenn ich mich nur an ein bestimmtes Regelwerk halte, kann ich vor Gott einen bestimmten Status gewinnen. Dann bin ich ein bisschen höher als die anderen.
Paulus sagt nun: Nein, Freund, das wird nichts. Wenn du glaubst, bist du nicht unter Gesetz. Diese Idee, dass du dir etwas erarbeiten musst, kannst du vergessen. Du bist unter Gnade.
Wenn ihr weiter im Galaterbrief lesen würdet, würdet ihr ein Wechselspiel finden. Dort tauchen zwei Begriffe auf: Paulus sagt, du bist Sohn und nicht Sklave. Dazu werde ich später noch mehr sagen.
Gnade ist das Gegenteil der Idee, dass ich mir etwas erarbeiten kann. Wenn man in Galater 5,4 liest, dass jemand aus der Gnade fällt, dann plumpst er zurück in die Idee: „Ich kann es mir doch erarbeiten, es geht um die Regeln.“ „Wenn ich nur beschnitten bin und den Sabbat halte und Weihnachten feiere oder auf der Allgäuer Glaubenskonferenz am 1. November bin, dann bin ich irgendwas.“ Das stimmt nicht. Das macht dich erst einmal zu nichts.
Das sind Regeln, die mögen gut oder schlecht sein, keine Frage, aber vor Gott machen sie dich zu nichts. Deshalb bleiben wir in der Gnade, lassen uns weiter beschenken und hören auf zu glauben, dass wir Gott etwas beweisen können.
Auf der anderen Seite, das möchte ich auch betonen: Gnade ist kein Freibrief zum Sündigen.
Man hört oft, dass Gnade das Gegenteil von Werken und Schuldigkeit sei, dass Gnade das Gegenteil von Gesetz ist. Das möchte ich kurz an Judas 4 zeigen. Dort heißt es: „Denn gewisse Menschen haben sich heimlich eingeschlichen, die längst zu diesem Gericht vorher aufgezeichnet sind, gottlos, welche die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung verkehren.“ (Judas 4)
Das ist ein spannender Vers. Ja, ich bin begnadigt, und jetzt denke ich: Aha, es geht nicht nach Regeln, es geht nicht nach Schuldigkeit, es geht nicht... Und manchmal kommt dann der Gedanke auf: Na ja, dann kann ich ja machen, was ich will. Dabei spielt es ja auch keine Rolle mehr.
Das ist falsch! Echt verstandene Gnade ist eine Macht, die mich erzieht. Sie ist eine Kraft, die mich zu Gott hinzieht und dazu führt, dass aus einem Unheiligen ein Heiliger wird.
Von daher verkehren manche Leute hier Gnade in Ausschweifung. Sie sagen: Ich bin begnadigt, jetzt darf ich machen, was ich will. Judas sagt dazu klar: Stopp! Das sind Gottlose. Der Gedanke „Ich kann leben, wie ich will, weil ich begnadigt bin“ ist völlig absurd, völliger Blödsinn.
So, jetzt habe ich euch zumindest, das war meine Idee, den Begriff Gnade ein bisschen vorgestellt. Ich will aber keinen Vortrag darüber halten, was Gnade ist. Das war nur ein Einstieg, um ein bisschen warm zu werden – ihr mit mir, ich mit euch.
Der Vortrag heißt ja eigentlich „Aus der Gnade leben!“
Zu wissen, was Gnade ist, bedeutet noch nicht, dass ich aus der Gnade lebe. Gnade ist – ich habe versucht, das so zu formulieren – die Sphäre, in der ich lebe. Es ist das, was mich von Gottes Seite her umgibt. Man kann es vergleichen mit einer Familienkultur.
Wenn Gott ein gnädiger Gott ist, reich an Gnade, dann ist das wie in einer guten Familie, die den Charakter des Vaters prägt. Diese Gnade ist die Familienkultur. Wenn du einen Vater hast, der zum Beispiel gerne an seiner Modelleisenbahn arbeitet und im Keller ein vier mal fünf Meter großes Diorama mit 15 Tunneln und allem Drum und Dran stehen hat, dann verspreche ich dir: Das wird einen Einfluss auf die ganze Familie haben. Es wird die Familie prägen.
Und wenn du einen jähzornigen Vater hast, der bei jeder kleinen Bemerkung schon ausrastet, dann wird das die Familienatmosphäre prägen. Wir haben jedoch einen Gott, der sich selbst als gnädig beschreibt, als reich an Gnade. Deshalb ist Gnade Teil unserer Familienkultur.
Wenn mich jemand fragt: Was heißt es eigentlich, aus Gnade zu leben? Dann komme ich an einen Vers in Römer 8, wo es heißt: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!“ (Römer 8,15).
Wenn du „aus Gnade leben“ verstehen willst, musst du verstehen, was es heißt, ein Kind Gottes zu sein. Du bist Teil einer Familie, in der der Familienvater von reiner Gnade gekennzeichnet ist.
Und wisst ihr, was ich glaube? Dass das etwas ist, was wir nicht vollständig verstehen. Ich werde gleich noch ein bisschen mehr dazu sagen, aber ich möchte jetzt mit euch einen Versuch machen. Macht mal so. Okay, wir üben das noch einmal so: eins, zwei, drei, vier, eins, zwei, drei, vier, eins, zwei, drei, vier.
Okay, jetzt wisst ihr, was ich will. Ein Snap auf zwei und vier.
Ich werde jetzt etwas tun, wo mein Freund Ingmar vorgestern meinte: „Nee, das machst du nicht, oder?“ Aber ich dachte mir: Doch, weil ich möchte, dass die ganze Mannschaft hier eines versteht: Aus der Gnade leben heißt, zutiefst zu verstehen, dass wir Teil einer geistlichen Familie sind.
Das ist das A und O, was wir verstehen müssen, wenn wir aus Gnade leben verstehen wollen.
Jetzt für alle, die mit dem englischen Problem haben: Wir sind Familie. Und ich möchte, dass ihr euch das merkt, denn aus der Gnade leben heißt, ich bin angekommen als Teil einer geistlichen Familie, in der ich einen Vater im Himmel habe, der mich wirklich zutiefst liebt.
Ich bin angekommen in der Begeisterung Gottes – das heißt aus der Gnade leben.
Ich möchte euch das anhand von drei Bibelversen zeigen, von denen ich mir wünsche, dass ihr sie in euren Alltag mitnehmt. Das erste ist Prediger Kapitel 9, und ich werde mich hauptsächlich auf Vers 7 konzentrieren.
Zunächst möchte ich etwas zum Buch Prediger sagen. Im Buch Prediger zeigt uns Salomo, wie sinnlos es ist, zu versuchen, das Leben als Ganzes zu verstehen. Das wird einfach nicht klappen. Wenn jemand behauptet, er habe das Leben verstanden, dann vergiss es – das stimmt einfach nicht. So sehr man sich auch anstrengt, das Leben bleibt, wenn man es in seiner Gesamtheit betrachtet, einfach nicht fair. Es bleibt nicht logisch, es ist nicht der Himmel.
Wenn du in dieser Welt lebst, garantiere ich dir Frust und Kopfschütteln. Und auch wenn du Christ wirst, wird es nicht unbedingt besser. Leben ist so, diese Welt ist so, wie sie ist. Dazu gehört, dass sie verworren ist, eine Herausforderung darstellt und sich manchmal vor unlösbare Aufgaben stellt. Das ist einfach Realität.
Falls du jetzt denkst, weil du Christ geworden bist, nimmt Gott irgendwie diese Verrücktheit und Unberechenbarkeit der Welt weg, dann stimmt das nicht. Das wird Gott zwar irgendwann machen, wenn er Welt 2.0 erschafft. Es gibt diesen Moment, in dem wir auf einer Erde leben werden, wo wir wissen, was kommt. Aber im Moment ist das einfach noch nicht so, das dauert noch eine Weile.
Das Interessante ist, dass Christen das oft nicht glauben können. Ich weiß nicht genau, woran das liegt, aber aus dem Wunsch heraus, Gott zu gefallen oder vielleicht auch, Gott etwas beweisen zu wollen – egal aus welchem Grund – neigen hingebende Christen zu einem Lebensperfektionismus. Dieser Perfektionismus versagt ihnen fast schon, sich über das ganz normale Leben zu freuen.
Es gibt ein unausgesprochenes Credo in manchen christlichen Kreisen, besonders bei denen, die wirklich viel für den Herrn schaffen. Dieses Credo lautet: Freude ist eigentlich nur angebracht, wenn ich etwas Besonderes leiste. Jürgen, der da vorne steht und diese Vorträge hält – ja klar, der darf sich heute Abend freuen. Aber ich, mit meinen zwei kleinen Kindern, die nicht so gut hören und auch nicht gut ins Bett gehen, und dem Stress im Büro – für mich gibt es eigentlich keinen Grund, mich über mein Leben zu freuen.
Und das ist falsch. Das muss man ganz festhalten. Diese Einstellung, diese Haltung, dass Freude nur dann angesagt ist, wenn ich etwas Besonderes leiste, ist falsch. Man kann das noch weiter ausführen: Gott freut sich an mir nur, wenn ich etwas Besonderes leiste. Ansonsten ist Gott eher so ein bisschen der, naja, wer sich das halt anschaut und denkt: Naja, war jetzt nicht so dolle.
Wenn das in deinem Herzen drin ist, wenn du das schon mal erlebt hast, dann möchte ich dir Folgendes sagen: Dein ganzes Lebenskonzept ist falsch.
Ich stelle dir jetzt einen Vers vor, über den selten gepredigt wird. Vielleicht auch, weil man von der Kanzel manchmal Angst hat, wenn man das predigt. Wenn das so gilt, wie es da steht, dann ermutige ich die Leute vielleicht zu einem Larifari-Lebensstil. Das ist eine Gefahr, aber das ist halt Gnade, da kann ich nichts ändern.
In Prediger 9,7 heißt es: „Geh, iss dein Brot mit Freude und trink deinen Wein mit frohem Herzen, denn längst hat Gott Wohlgefallen an deinem Tun.“ Ich mag diesen Vers sehr. Er ist einer meiner Lieblingsverse.
Kannst du das glauben? Kannst du glauben, dass dein Leben biblisch gesehen, wenn du einfach mal zurückzoomst auf die Familienkultur, das, was normal sein sollte in unserer „We are family“ – was da normal sein sollte –, dann eigentlich zwei Dinge gilt: freudig essen und trinken? Ja, ich habe nichts Besonderes geleistet, aber ich soll mich freuen? Ja, aber ich weiß gar nicht, ob Gott das wirklich will? Doch, denn längst hat Gott Wohlgefallen an deinem Tun.
Wir denken immer, ich muss etwas Großartiges leisten. Und wenn ich etwas Großartiges leiste, ja irgendwann so am Ende meines Lebens, wenn ich fünf Gemeinden gegründet habe und fünf Heiden zum Glauben gekommen sind und was weiß ich gemacht habe, dann freut sich Gott vielleicht ein bisschen über mich. Jetzt kommt der Vers vorbei und sagt: Lüge! Gott freut sich über dich jetzt.
Wir reden über das Thema Leben aus Gnade. Meine Behauptung ist: Leben aus Gnade bedeutet zu verstehen, was es heißt, Teil einer geistlichen Familie zu sein, mit einem Vater an der Spitze, der mich bedingungslos liebt, der sich über mich freut und der sagt: „Hey, geh hin, hab Freude an diesem Leben!“
Du musst nichts Besonderes tun. Du musst einfach nur, wie es weiter unten in Vers 10 heißt, alles, was deine Hand zu tun findet, in deiner Kraft tun. Wir haben einen Vater im Himmel, der die guten Werke vorbereitet, der uns begabt, der uns kräftigt und der sagt: „Weißt du, lass uns einfach gemeinsam durchs Leben gehen.“
Und das, was du dann tust – und Gott ist nicht für Faulpelze, keine Frage, und auch nicht für irgendwelche Partyhengste – aber schau einfach, was es an Möglichkeiten gibt. Du brauchst nichts Außergewöhnliches. Du musst dich nicht klein fühlen, weil du nicht zu den Shootingstars, zu den geistlichen Leitern gehörst, die überall mit ihren Bildern prahlen, Bücher schreiben, was weiß ich, oder irgendwelche Video-Channels haben.
Hey, du hast dein Leben, und ich möchte dir das von hier vorne sagen: Bitte glaub mir das! Gott sagt dir: „Ich habe längst Wohlgefallen an deinem Tun.“ Ich habe eine Perspektive auf dein Leben, dass ich mich freue an dem, was du tust.
Und jetzt gehe ich noch einen Schritt weiter. Für manche mag das vielleicht ein bisschen emotional werden.
Wenn ich mir die Frage stelle: „Jürgen, was bedeutet für dich eigentlich, aus der Gnade zu leben?“, dann komme ich auf einen Vers, der eigentlich im Alten Testament an das Bundesvolk Israel gerichtet ist. Es ist ein Moment, in dem Gott ihnen zeigen möchte, wie er als Vater über sie denkt.
Ich glaube, es ist zulässig zu sagen, dass Gott im Alten Testament über sein alttestamentliches Bundesvolk so spricht, weil er in gleicher Weise auch über uns empfindet, wenn wir im Neuen Testament leben und in einer ganz besonderen Vater-Kind-Beziehung zu diesem Gott stehen. Irgendwie ist es ja nicht schlechter geworden vom Alten zum Neuen Testament, sondern herzlicher und tiefer.
Es gibt einen Vers, der mich immer wieder umhaut, weil er mir mehr als jeder andere zeigt, was es heißt, begnadigt zu sein und in der Gnade Gottes zu stehen. Ich möchte euch diesen Vers vorlesen: Zephanja 3,17.
Ich weiß nicht, ob du, wenn ich dir das so zusage, es glauben kannst. Aber wenn du anfängst, das zu glauben, dann fängst du an zu verstehen, dass wir aus Gnade leben.
Dort heißt es: „Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte.“ Und da würden wir sofort sagen: Amen, der Herr, Gott ist hier, Amen. Okay, machen wir weiter.
„Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der rettet.“ Immer noch alle, Amen, ja. So ist es: ein Held, der rettet, Amen!
Und jetzt gehen wir einen Schritt weiter. Gott sagt zu seinem Volk: „Er freut sich über dich in Fröhlichkeit, er schweigt in seiner Liebe, er jauchzt über dich mit Jubel.“
Darf ich dir eine Frage stellen? Wenn du heute hier sitzt – ich weiß nicht, wie dein Start heute Morgen war. Vielleicht hast du schlecht geschlafen, hattest zu wenig Zeit zum Gebet, Kopfschmerzen, musstest deine Predigten noch ein bisschen vorbereiten. Oder du hast einen tollen Kaffee bekommen, das war super.
Ich weiß nicht, wie dein Tag war, aber kannst du jetzt in diesem Moment daran glauben, dass Gott im Himmel als Vater so über dich denkt? Kannst du glauben, dass wenn Gott jetzt hier runterschaut, er dich sieht und sagt: „Ich freue mich über dich, ich freue mich über dich in Fröhlichkeit, ich juble über dich“?
Kannst du das glauben? Dass du einen Vater im Himmel hast, der in diesem Moment über dich sagt: „Yahoo“, so ungefähr in diese Richtung, ja, ja, ja? Sorry, das wird nicht wieder vorkommen.
Aber kannst du das glauben? Kannst du glauben, dass Gott im Himmel ist, der dich anschaut und sagt: „Ich habe dich so lieb, mir fehlen die Worte, ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll, ich bin so begeistert von dir, mir bleiben förmlich die Worte weg, wenn ich dich nur anschaue“?
Kannst du das glauben?
Wenn ich etwas erklären möchte, benutze ich gerne das Bild von einem Kleinkind. Kennt ihr diese kleinen Steppkes, die gerade anfangen zu laufen? Es ist so niedlich: Sie sind noch sehr klein, haben eine dicke Windel an, stehen wackelig und halten sich oft noch mit einer Hand fest. Dann machen sie einen Schritt, und dahinter steht ein Vater. Er ist total begeistert und ruft: „Komm, noch ein Schritt, noch ein Schritt!“ Väter sind oft leistungsorientiert, aber hier feuert er einfach an. Irgendwann macht es „plopp“ und das Kind sitzt wieder auf seinem dicken Windelpopo.
Kannst du dir vorstellen, dass du einen Vater im Himmel hast, der dich so sehr liebt, dass er bei jedem kleinen Schritt, den du machst, sagt: „Boah, weiter, weiter, go!“? Oder denkst du, Gott ist ein Vater, der zu dir kommt, wenn du auf deinem Windelpopo sitzt, und sagt: „Du blöde kleine Ratte, wann lernst du endlich laufen?“ Wie denkst du über Gott? Ist er jemand, von dem du weißt, dass er bedingungslos hinter dir steht, so wie ich als Vater bedingungslos hinter meiner Tochter stehe?
Mir ist völlig egal, ob meine Tochter gerade studiert oder bald eine Hebräischprüfung hat. Es ist mir egal, ob sie die Prüfung mit einer Fünf oder einer Eins besteht. Selbst wenn sie durchfällt und wiederholen muss – obwohl ich das bezahle, kostet es mich also schon etwas – ist mir das im Blick auf meine Liebe zu ihr völlig egal. Wirklich völlig egal, was dabei herauskommt.
Ich kenne viele Christen, die Gott nicht als einen Vater sehen, der sagt: „Boah, ich freue mich über dich, genial, komm noch ein Schritt!“ Stattdessen sehen sie Gott eher wie einen Grundschullehrer, der fragt: „Wer meldet sich?“ Meldet sich keiner, gibt es schlechte Noten. Oder wie einen Polizisten mit Knöllchenblock, der sagt: „Was hast du heute wieder ausgefressen?“ Und wenn genug zusammenkommt, heißt es: „Dann schäm dich und geh ins Bett.“
Wie denkst du über Gott? Kannst du glauben, dass Gott, weil er reich an Gnade, Vergebung und Barmherzigkeit ist, dich in eine Familienkultur hineingestellt hat? Eine Atmosphäre des Lebens, in der du auf Gnade leben darfst – wirklich auf Gnade, ohne dir seine Liebe verdienen zu müssen? Das geht ja auch gar nicht. Er liebt dich am Kreuz bedingungslos und endgültig. Diese Liebe zieht sich für den Rest seines Lebens durch.
Wenn Gott im Himmel auf dich herabschaut – egal, ob du schlecht geschlafen hast, wenig stille Zeit hattest oder dir gewünscht hast, es wäre besser – oder vielleicht warst du gerade genial unterwegs, hast zwei Stunden in der Bibel gelesen, eine famose stille Zeit gehabt, gebetet und alles in deinen Augen richtig gemacht: Kannst du glauben, dass es ihm egal ist, wie du dich benimmst? Dass Gott erst einmal sagt: „Ich freue mich über dich, ich juble über dich mit Jauchzen, ich bin auf deiner Seite“?
Mein Eindruck aus vielen Gesprächen in den letzten zwei Jahren mit Verantwortlichen, besonders Jugendlichen in Gemeinden, ist, dass viele sagen: „Ich wünsche mir mehr Nähe zu Gott, aber ich habe immer das Gefühl, es reicht nicht.“ Und wenn ich das höre, dann reicht es mir. Dann packe ich Zephanja 3,17 aus und frage: „Glaubst du wirklich, dass du dir Gottes Nähe und Liebe durch Leistung erarbeiten kannst? Was hast du für einen Vater erlebt?“
Oft kommt dann die Antwort: „Ich habe einen Vater erlebt, dem man es nie recht machen konnte. Wenn er nicht geschimpft hat, war es gut. Aber Bewunderung, Wertschätzung, Respekt, Liebe, ein Liebesbrief, ein Jubelschrei oder echte Freude – dass er mich jeden Tag in den Arm genommen hätte und gesagt hätte: ‚Ich freue mich an dir, egal ob deine Biologiearbeit klappt oder nicht. Komm nach Hause, ich freue mich über dich, weil du mein Kind bist‘ – das kenne ich nicht.“
Viele sagen, so einen Vater kennen sie nicht. Sie kennen nur einen Vater, der auf Leistung schaut. Waren die Schulnoten nicht richtig? Dann hat man das zuhause gespürt. War das Zimmer unordentlich? Hat man das gespürt. Hat man den Müll nicht runtergebracht? Hat man das gespürt. Und dann nimmt man dieses Bild und sagt: „Na ja, wenn Väter so sind, wird Gott als Vater auch so sein.“ So versteht man nicht, was es heißt, aus Gnade zu leben.
Vielleicht schmunzelst du über Prediger 9 und Zephanja 3 und denkst: „Er geht ganz schön weit mit seiner Auslegung.“ Stimmt, ich glaube, im Zentrum von Gottes Charakter stehen zwei Dinge: Liebe und Heiligkeit. Ich rede jetzt über die Liebe, und die ist nun mal bedingungslos. Wenn du das nicht glauben kannst, verstehst du nicht, was es heißt, aus Gnade zu leben.
Wenn du das verstehst, glaube ich, wird es dir leichter fallen, Zeit mit Gott zu verbringen. Mir geht es jedenfalls so. Stell dir vor, du hast ehrlich verstanden und bist fest davon überzeugt: Wenn ich Gott begegne, dann begegne ich einem zutiefst positiven Gott, einem absolut begeisterten Vater, der sich wirklich über mich freut.
Wenn ich stille Zeit mache, trete ich in die Gegenwart dieses Gottes und lasse mich von ihm beschenken mit Worten der Annahme und Förderung. Ich lasse mir von ihm das geben, was mein eigener Vater mir nie gegeben hat. Und ich lasse zu, dass seine Liebe mich verzeiht – dieses Wort vielleicht ein bisschen – aber dass seine Liebe mich berauscht.
Deshalb predige ich das so. Denn es reicht nicht, zu wissen: „Aha, Gnade ist ein Geschenk, Gnade ist eine Macht, Gnade ist das Gegenteil von Werken und fleischlicher Freiheit.“ Das hilft euch nicht in eurem Leben. Was euch hilft, ist zu begreifen: Ich habe einen Vater im Himmel, der mich bedingungslos liebt.
Mein Eindruck ist, dass viele Christen das nicht glauben. Zumindest ist das Leben vieler Christen von Freudlosigkeit und einem komischen Leistungsdruck geprägt. Oft herrscht eine fast schon perfektionistische Lebenshaltung, bei der ich selbst denke: „Boah, ist das gruselig!“ Wo bleibt da die Freude?
Und jetzt kommt Gott und sagt: „Freu dich, freu dich an den Dingen, die du hast. Ich habe schon längst Wohlgefallen an deinem Tun. Du musst mir nichts beweisen. Ich weiß, wie diese Welt tickt, sie ist chaotisch und du steckst mittendrin. Wenn ich dich sehe, dann freue ich mich über dich in Fröhlichkeit, ich schweige in meiner Liebe, ich jauchze über dich mit Jubel. Das ist das, was ich in dir sehe: Du bist mein Kind.“
Eine dritte Stelle, die ich nur kurz ansprechen möchte und die das sehr schön zum Ausdruck bringt, ist 1. Korinther 13.
Ab Vers 4 wird beschrieben, wie Liebe ist, und ich denke, ihr kennt die Stelle. Sie wird in sehr vielen Hochzeitspredigten verwendet und gehört daher zu den bekannteren Texten.
Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig, sie neidet nicht, sie tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf, sie benimmt sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet Böses nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit an der Wahrheit. Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.
Wenn wir das lesen, werden zumindest die Romantiker unter uns sagen: Ist das schön! Doch die wenigsten, die diese Stelle in einer Predigt für Hochzeitspaare verarbeiten – und ich habe das auch schon gemacht – überlegen sich, ob Gott selbst Liebe ist.
Ist er das? Ja, steht in 1. Johannes 4,16: Gott ist Liebe. Dann müsste ich doch eigentlich diesen Text nehmen und auf mich beziehen können. Wenn Gott mich liebt und er Liebe ist, müssten all die Dinge, die hier von der Liebe gesagt werden, auch für ihn gelten, oder?
Dann müsste Gott ein Gott sein, der langmütig ist. Wenn Gott mit mir unterwegs ist und mich liebt, wird er immer Geduld mit mir haben. Wenn hier steht, Gott ist gütig, dann meint er es immer gut mit mir. Wenn hier steht, die Liebe sucht nicht das Ihre, dann weiß ich, Gott wird im Umgang mit mir immer darauf achten, dass es mir gut geht und dass ich vorankomme. Er wird für mich sein, niemals gegen mich.
Wenn hier steht, die Liebe lässt sich nicht erbittern, dann weiß ich, die Liebe Gottes zu mir lässt sich nicht erbittern. Wenn hier steht, sie rechnet Böses nicht zu, dann heißt das, dass Gott mir, weil er mich liebt und ich in diesem Schutzraum seiner Liebe bin, die Dinge nicht anrechnet. Ich bin nicht mehr sein Feind, ich habe Frieden, er liebt mich, ich bin sein Kind.
Und nehmen wir die letzten vier Verse: Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles. Weißt du, dass du einen Vater im Himmel hast, der, egal wo du heute stehst, sagt: Ich bin derjenige, der, egal was du anstellst, das ertragen wird? Ich habe dich lieb, egal was du anstellst. Ich werde an dich glauben, selbst wenn du nicht mehr an dich glauben kannst. Ich werde an dich glauben, weil ich dich gemacht habe und deinen Lebensweg kenne. Ich werde alles tun, damit du dein Ziel erreichst.
Und wenn du die Hoffnung für dich selbst aufgibst, werde ich hoffen. Ich werde nicht aufhören, in dir zu sehen, was ich in dich hineingelegt habe. Und wenn du glaubst, du bist irgendwann einer, für den ich keine Lust mehr habe: Tut mir leid, ich erdulde alles. Ich bin bereit, die zweite Meile mitzugehen, die dritte, die vierte, die fünfte, die sechste, die zehnte und die tausendste. Ich bin bei dir, ich bleibe bei dir. Warum? Weil ich Liebe bin und du mein geliebtes Kind.
Das heißt: Aus der Gnade leben. Ich hoffe, ihr versteht, wenn das wirklich stimmt, wenn aus der Gnade leben bedeutet: Wir sind Familie, wir gehören dazu. Und wenn aus der Gnade leben bedeutet, ich bin angekommen in der Liebe Gottes, dann heißt das auch, wir sind angekommen im Schutz Gottes. Dann ist Leben wirklich das, was Psalm 23 beschreibt.
Leben aus Gnade heißt, ich habe meine Hand in der Hand des guten Hirten und sage: Wohin geht es? Hilf mir! Bring mich bitte durch.
Leben aus der Gnade heißt auch, dass Gott mich mit allem beschenkt. In Römer 8 fragt Paulus: Wenn Gott uns seinen Sohn geschenkt hat, wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken? Ja! Leben aus der Gnade heißt, ich führe ein beschenktes Leben.
Dann können wir in Epheser 1,17, wo von der Vergebung die Rede ist, wissen: Uns ist vergeben. Leben aus der Gnade bedeutet, dass diese Vergebung Realität ist.
Dann dürfen wir mit Johannes 10,27-28 hören: Meine Schafe hören meine Stimme, ich kenne sie, sie folgen mir, und ich gehe ihnen nach. Dann dürfen wir wissen: Da ist echte Nähe, da ist ein echter Hirte, der mich meint.
Dann dürfen wir mit Matthäus 11 wissen, dass wir am Ende angekommen sind in seiner Ruhe, dass seine Last wirklich leicht ist, dass er es ehrlich gut mit uns meint.
Dann dürfen wir mit Hebräer 7,25 wissen: Wir haben einen Herrn im Himmel, der für uns betet, der für ein leidenschaftliches Miteinander kämpft und seinen Teil dazu beiträgt.
Leben in der Gnade heißt immer auch, angekommen sein im Schutz und in der Sicherheit Gottes, zu wissen: Ich bin beschenkt, mir ist vergeben, ich lebe echte Nähe, ich lebe leidenschaftliches Miteinander.
Und dann heißt das auch – und das ist der letzte Punkt – Leben aus der Gnade ist Angekommensein in der Stärke.
Ich mache jetzt den Sprung zurück an den Anfang. Ich habe gesagt: Gnade bedeutet, dass Gott mich beschenkt. Gnade heißt aber auch, dass Gott mich beschenkt, mich in seine Familie aufnimmt und einen Schutzraum schafft. In diesem Schutzraum darf ich seine Liebe, seine bedingungslose Liebe, genießen. Dort kann ich ein anderer werden, nicht so bleiben, wie ich bin, sondern Veränderung erfahren.
Deswegen ist Gnade eine Kraft, die mich verändert. Gnade heißt nicht, dass Gott mich packt, ins Tierheim steckt und die Tür hinter mir zuschließt. Gnade bedeutet, dass Gott mich in seine Familie aufnimmt und sagt: Schön, dass du da bist. Ich juble über dich, ich freue mich an dir. Du musst mir nichts mehr beweisen. Aber wir haben noch etwas vor miteinander.
Und das, was wir vorhaben, ist konkrete Lebensveränderung. Lebensveränderung in der Kraft des Heiligen Geistes, angetrieben durch die Gnade. Denn wenn ich merke, dass Gott es so gut mit mir meint, und wenn ich glauben kann an seine Liebe – das ist ein schwieriges Ding, an eine solche bedingungslose Liebe zu glauben –, dann möchte ich auf diese Liebe antworten.
In mir entsteht ein heiliger, leidenschaftlicher Wunsch, ihm auf das, was er mir aus freien Stücken geschenkt hat, irgendwie zu antworten. Diese Antwort ist kein Automatismus. Diese Antwort nennt man Gehorsam. Darum wird es im nächsten Vortrag gehen.
Das hier war Leben aus der Gnade. Der nächste Vortrag wird sein: Leben im Gehorsam. Dann schauen wir uns an, wie das aussieht, wenn die Gnade als Kraft in uns wirkt. Wenn aus Sündern, die nicht wissen, wie es geht, Kinder Gottes werden, die genau wissen, wie es geht und ihrem Vater im Himmel gefallen.
Amen.
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