Ich möchte euch heute Abend wieder in die fremde, andersartige und doch manchmal so ganz ähnliche Welt der ersten Christen mitnehmen. Gestern haben wir begonnen, dort hineinzuschnuppern und zu sehen, wie es diesen Menschen ergangen ist.
Ich habe darauf hingewiesen, dass es in erster Linie die ganz einfachen Menschen waren, die Träger und Verbreiter des Evangeliums. Es waren nicht in erster Linie die Hohen, Bekannten, Berühmten oder Theologen, sondern die einfachen Menschen.
Außerdem habe ich betont, dass dies auch in späteren Jahrhunderten so geblieben ist. Auch die Träger der weltweiten Mission im 19. Jahrhundert waren vor allem Bauern und Handwerker, die sich von Gott berufen fühlten.
Ich habe dann darauf hingewiesen, dass es in den ersten drei Jahrhunderten eine explosionsartige Ausbreitung des christlichen Glaubens gab. Innerhalb relativ kurzer Zeit verbreitete sich der christliche Glaube in der damals bekannten zivilisierten Welt.
Diese Ausbreitung erfolgte in verschiedenen Stufen, die einer gewissen Systematik folgten. Zuerst wandte man sich an die großen Städte, weil dort die meisten Menschen lebten und viele auf einmal erreicht werden konnten.
In einer nächsten Stufe wurden von den Städten aus die Menschen an den Verkehrswegen, an den Straßen, an den Flussläufen und am Meer erreicht.
Schließlich erreichte man in einer dritten Stufe die Menschen auf dem Land, in den kleinen Dörfern. Auch dort entstanden Gemeinden.
Schon in den ersten drei Jahrhunderten gab es auch die ersten Christen in Deutschland. Wir lesen davon, dass bei verschiedenen Gemeindetreffen, sogenannten Synoden, wichtige Fragen besprochen wurden. Zum Beispiel: Wann sollen wir Ostern feiern? Oder: Wie sollen wir den Gottesdienst gestalten?
Bei diesen Treffen waren auch Vertreter aus verschiedenen deutschen Städten anwesend. Besonders aus Städten in Süddeutschland, die damals unter römischer Herrschaft standen, bis zum Limes und bis nach Frankfurt hinauf. Durch die römischen Soldaten und Kaufleute kam der christliche Glaube auch nach Nordeuropa.
In Frankreich war das Christentum noch früher verbreitet, ebenso in Irland und Schottland. Dort waren die römischen Soldaten noch stärker vertreten. So kam es zu einer explosionsartigen Ausbreitung des christlichen Glaubens in den größten Teilen Europas, Nordafrikas und Kleinasiens. Das heißt: Von Syrien, der heutigen Türkei, bis zu den Ländern, die wir heute als muslimisch wahrnehmen.
Syrien war in diesen ersten drei Jahrhunderten eine Hochburg des christlichen Glaubens, ebenso wie die heutige Türkei. In diesen Gebieten lebten wesentlich mehr Christen als in den germanischen Gebieten, den Vorläuferstaaten des heutigen Deutschlands. Auch Nordafrika, mit den heutigen Ländern Marokko, Tunesien, Algerien und Ägypten, war damals christlich geprägt.
In diesen ersten drei Jahrhunderten gab es wichtige Theologen aus Nordafrika. Wenn wir ihre Namen hören, wie zum Beispiel Augustinus oder Tertullian, denken wir oft, das seien Europäer gewesen, die so aussahen wie wir. Doch wir müssten uns eher vorstellen, dass sie etwa wie Marokkaner oder Algerier ausgesehen haben.
Manchmal gibt es auch Probleme bei der Inkulturation des Bildes Jesu. Wenn wir uns Jesus vorstellen oder in eine Kinderbibel schauen, sieht er oft aus wie ein Deutscher. Dabei sah er selbstverständlich nicht so aus. Wahrscheinlich war er schwarzhaarig, braunhäutig und trug einen großen, wallenden, schwarzhaarigen Bart. So sahen die meisten Rabbiner jener Zeit aus, also ganz anders als auf den meisten Gemälden.
Diese ganzen Gebiete waren christlich geworden – und nicht nur dort. Häufig liest man in kirchlichen Geschichten nur von diesen Regionen. Warum? Weil sie uns interessieren. Wir sind es aus der Schulbildung gewohnt, dass das römische Reich der Mittelpunkt der Welt gewesen sei und später natürlich Deutschland. Dabei vergessen wir oft andere Regionen und verlieren den Blick darauf, dass schon früh Mission stattgefunden hat.
Beispielsweise im dritten Jahrhundert in Äthiopien. Dort gab es sogar früher ein Staatschristentum als im Römischen Reich. Der äthiopische König entschied sich, den christlichen Glauben anzunehmen und wollte seinen ganzen Staat christlich machen. Es gab bereits eine Bibelübersetzung ins Äthiopische in dieser frühen Zeit.
Auch im Königreich von Edessa am Schwarzen Meer nahm der Fürst den christlichen Glauben an, während im Römischen Reich Christen noch verfolgt wurden. Er richtete dort eine Art Staatschristentum ein – allerdings nicht im negativen Sinne, wie wir es heute kennen. Vielmehr betrachtete er den christlichen Glauben als bevorzugte und zu fördernde Religion.
In den Jahrhunderten danach kam es zu einer Ausbreitung des christlichen Glaubens. Im gesamten Osten, insbesondere in Indien, entstanden die später so genannten Thomaskristen. Diese lassen sich auf den Apostel Thomas zurückführen, der dort missionierte. Historisch ist dies nicht ganz genau belegbar, da es nur wenige archäologische Ausgrabungen aus dieser Zeit gibt. Aus späteren Quellen wissen wir jedoch, dass schon sehr früh Christen in Indien lebten.
Noch ausgeprägter war die Verbreitung in China, besonders während einer Missionswelle katholischer, jesuitischer Mönche im 16. Jahrhundert. Diese waren überrascht, dort christliche Grabsteine zu finden. Diese Funde stammen von den sogenannten Nestorianer-Mönchen, die im 4. und 5. Jahrhundert bis nach China vorgedrungen waren und dort missionierten. In dieser Zeit entstanden blühende Gemeinden.
Diese Gemeinden wurden später vernichtet und unterdrückt, unter anderem durch den Buddhismus und durch die Ausbreitung des Islams. Ab dem 8. Jahrhundert, genauer im 8. und 9. Jahrhundert, breitete sich der Islam in diesen Regionen aus und führte zu dieser Unterdrückung.
Man erkennt also, dass sich der christliche Glaube nicht erst durch Hudson Taylor oder die neuzeitliche Missionsbewegung verbreitete. Schon die ersten Christen nahmen ihre Mission ernst.
Ich lese gerade nebenbei etwas über die Bibelübersetzung und deren Verbreitung und bin immer wieder erstaunt, wie intensiv sich Christen schon damals darum bemühten, die Bibel zu übersetzen. Nicht erst durch die Wycliffe-Bibelübersetzer oder durch Luther, der die bekannte deutsche Übersetzung anfertigte, sondern schon in den ersten Jahrhunderten wurden Bibeln in viele verschiedene Sprachen übersetzt.
Allein in Ägypten gab es vier verschiedene Dialekte, in denen die Bibel in den ersten drei Jahrhunderten übersetzt wurde, da dort viele Christen lebten. Außerdem wurde die Bibel in Syrisch, Aramäisch, Latein und Griechisch übersetzt – Sprachen, die wir gut kennen – sowie in zahlreichen anderen Sprachen.
Bereits damals war man sich bewusst, dass Menschen das Wort Gottes am besten verstehen, wenn sie es in ihrer Muttersprache lesen. Dieser Punkt sollte deutlich geworden sein.
In den ersten drei Jahrhunderten gab es eine explosionsartige Ausbreitung des christlichen Glaubens im Römischen Reich und darüber hinaus. Es gab jedoch keine fest organisierte Kirche. Auch wenn die katholische Kirche in ihren Schriften auf Petrus verweist und behauptet, deshalb die älteste aller Kirchen zu sein, muss man sagen: Das ist Werbung, eine Selbstdarstellung. Diese Behauptung entspricht nicht der historischen Wahrheit, denn eine katholische Kirche im heutigen Sinne gab es damals nicht.
Der Begriff „katholisch“ bedeutet ja nichts anderes als „allgemein“. In diesem Sinne gehören wir alle zur katholischen Kirche, ob wir das wollen oder nicht, denn wir gehören zur allgemeinen Gemeinde Jesu Christi. Auch deshalb sind wir Teil der katholischen – also der allgemeinen – Kirche, wenn wir das Wort im Lateinischen verwenden. Aber wir meinen hier nicht die römisch-katholische Kirche im engeren Sinne.
Es gab damals keinen Papst, zum Beispiel.
Es gibt eine Papstliste, die man im Vatikan an der Peterskirche sehen kann, wenn man mal nach Rom fährt. Dort sind in Marmor die Namen aller Päpste von Petrus bis heute eingemeißelt – natürlich mit den jeweiligen Jahreszahlen. Dadurch soll der Eindruck entstehen, dass eine unmittelbare Verbindung zur Urgemeinde besteht.
Vor ein paar Jahren habe ich auch ein solches Blatt in die Hand bekommen. Darauf standen nebeneinander verschiedene christliche Konfessionen, die zu Fragen befragt wurden, wie etwa: Was glauben sie? Wie führen sie Gottesdienste? Wann sind sie entstanden? Und wer hat sie gegründet?
Die Lutheraner schrieben: „Entstanden 1517, als Luther seine Thesen an die Schlosskirche schlug – das ist das Gründungsdatum. Gründer: Martin Luther.“
Bei den Katholiken stand hingegen: „Gegründet durch Jesus Christus, Gründung am Pfingstfest 33 nach Christus.“ Dieses Selbstbewusstsein ist bemerkenswert, muss man sagen.
Wir sollten uns davon allerdings nicht beeindrucken lassen, denn so stimmt es nicht. Jesus hat nicht die römisch-katholische Kirche gegründet, und ebenso wenig war Petrus der erste Papst.
Man bezieht sich oft darauf, dass Jesus sagt: „Du bist der Fels, auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen.“ Das sagt Jesus tatsächlich zu Petrus. Aber wo steht, dass er sagt: „Du und deine Nachfolger in Rom“? Das steht nicht da. Es heißt einfach: „Du, Petrus.“
Als Petrus starb, war sein Auftrag erfüllt. Er hat die Gemeinde gegründet. Es steht nicht, dass er die römisch-katholische Kirche gegründet hat, sondern dass er „meine Gemeinde hier in der Welt“ gründet. Genau das hat er getan – nicht mehr und nicht weniger.
Die katholische Kirche versucht manchmal, mehr daraus zu machen, indem sie sagt, das sei der Vorläufer des Papsttums. Manche evangelikale Christen versuchen hingegen, weniger daraus zu machen. Sie sagen, Petrus habe keine besondere Bedeutung, das spiele keine Rolle. Das stimmt nicht. Jesus sagt, Petrus hat eine besondere Rolle in der Urgemeinde, aber nur Petrus – niemand anders, keine Nachfolger.
Das sehen wir auch daran, dass die Bischöfe von Rom, also die Leiter der Gemeinde in Rom, in den ersten drei Jahrhunderten keine besondere Autorität hatten, wie die Päpste heute. Keiner dieser Gemeindeleiter kam auf die Idee, sich als Stellvertreter Christi zu sehen. Sie waren einfach Gemeindeleiter einer großen und wichtigen Gemeinde in der Hauptstadt des Römischen Weltreichs.
Das war natürlich schon etwas, aber sie standen ungefähr auf der gleichen Stufe wie die Gemeindeleiter von Alexandrien, Jerusalem oder Antiochien. Auch das waren wichtige, große Städte mit vorbildlichen Gemeinden.
Wenn ihr dann lest, dass sich jemand „Bischof“ nennt, denkt nicht an die heutigen Bischöfe mit spitzer Mütze, goldbesticktem Gewand und Siegelring, den man als Gläubiger höchstens noch küssen darf. So sah das damals nicht aus.
Die Bischöfe der damaligen Zeit waren ganz normale Leute. Ein Bischof hat vielleicht tagsüber sein Handwerk ausgeübt, zum Beispiel Tische hergestellt, und abends Gottesdienst gehalten. Besonders in der Anfangszeit waren die Bischöfe ganz normale Menschen, die Gemeindeleiter waren.
Der Begriff „Bischof“ wird in manchen älteren Bibelübersetzungen an Stellen verwendet, wo von Ältesten oder Gemeindeleitern die Rede ist. Das griechische Wort dafür ist „Presbyteros“.
Wir müssen das Wort „Bischof“ also erst einmal im biblischen Kontext verstehen. Deshalb nannten sie sich Bischöfe. Daneben gab es auch die Diakone. Das waren diejenigen, die praktische Arbeit verrichteten, wie wir es in der Apostelgeschichte finden. Sie halfen den Witwen und Bedürftigen.
In den ersten drei Jahrhunderten zeichnete sich die Gemeinde in Rom unter anderem durch eine ausgedehnte Sozialarbeit aus. Beispielsweise gab es dort, wie bereits erwähnt, die Praxis der Abtreibung. Die Gemeinde sprach sich deutlich gegen Abtreibung für ihre eigenen Mitglieder aus. Allerdings war es so, dass diejenigen, die sich eine Abtreibung nicht leisten konnten, das Kind oft austragen mussten.
Im Römischen Reich galt ein geborenes Kind noch nicht als schützenswerter Mensch. Diese Regelung ist im Grunde genauso absurd wie unsere heutige Gesetzgebung. Heute kann man ein Kind bis zu zwei Stunden vor der Geburt töten, ohne dass es als Mensch im rechtlichen Sinne gilt. Ein paar Minuten nach der Geburt ist es jedoch ein schützenswerter Mensch, und dann darf man es nicht mehr einfach töten. Diese Regelung wirkt auf den ersten Blick vollkommen absurd.
Natürlich gibt es heute eine Fristenregelung, aber auch diese kennt Ausnahmen, etwa bei Behinderungen. Dann darf ein Kind auch später noch getötet werden. Das ist im Grunde genommen ebenfalls absurd. Die Römer hatten damals eine andere absurde Regelung: Sie führten Abtreibungen in späteren Phasen nicht mehr durch, weil das zu gefährlich war. Stattdessen sagte man: „Trage das Kind aus, und danach wird es getötet.“ Das war eine gängige Praxis.
Wer nicht den Mut hatte, das Kind nach der Geburt zu töten, handhabte es ähnlich wie manche Tierhalter, die ihre Katzen nicht sterilisieren lassen und dann mit den Jungtieren nicht wissen, was sie tun sollen. Abtreibung war nicht möglich, also wurden die Neugeborenen oft irgendwo ins Wasser geworfen oder anderweitig entsorgt. So ähnlich lief das damals ab.
Eine in Rom weit verbreitete Sitte war es, ein unerwünschtes Kind einfach auf dem Marktplatz vor dem Kapitol abzulegen. Dort konnte es entweder von jemandem aufgenommen werden, von wilden Hunden gefressen werden oder verhungern. Spätestens am Morgen kam dann die Müllabfuhr, die die Leichen entfernte. So ging man damals mit Kindern um.
Ein Kind galt erst als schützenswertes Wesen, wenn der Vater der Paterfamilie es als sein Kind akzeptierte und annahm. Bis dahin wurde das Kind als eine Art Wesen betrachtet, aber nicht als schützenswert. Die Christen waren dafür bekannt, dass sie häufig an solche Orte gingen, diese Findelkinder aufnahmen und großzogen. Sie nahmen also nicht nur ihre eigenen Kinder auf, sondern sorgten auch für andere.
Eine weitere wichtige soziale Aufgabe war die Versorgung der Alten. Hier sind wir bald an einem Punkt, der auch heute noch aktuell ist. Sterbehilfe gibt es bereits in Teilen Belgiens und den Niederlanden. Dort gibt es Berichte über eine Bewegung älterer Menschen, die lieber in Deutschland in ein Altenheim gehen, weil in den Niederlanden eine größere Anzahl von Menschen gegen ihren Willen euthanasiert wird.
Manchmal werden die Kinder gefragt, ob ihre Eltern, wenn sie nicht mehr ansprechbar sind, eigentlich sterben wollten. Wenn die Antwort „Ja“ lautet, kommt der Arzt mit der Spritze, grüßt freundlich und die Person schläft ein. Das klingt übertrieben, doch tatsächlich gibt es in den Niederlanden Menschenrechtsbewegungen, die Fälle von Tötungen gegen den Willen der Betroffenen aufgedeckt haben.
Es wurde festgestellt, dass etwa zehn Prozent der Sterbefälle ältere Menschen betrifft, die am selben Tag noch getötet werden, nachdem man sie gefragt hat. Man stelle sich vor, man hat einen schlechten Tag, ist depressiv, hört vom Scheidungswunsch der Kinder und sagt beim Mittagessen: „Gut, ich will sterben.“ Beim Kaffeetrinken kommt dann der Arzt, und es ist vorbei.
Diese Diskussion ist heute sehr aktuell. Auch im römischen Reich war das Thema präsent. Damals gab es in Rom das Sprichwort „die Alten von den Brücken“. Wenn man einen alten Großvater mit Alzheimer hatte, ging man mit ihm über eine Brücke des Tibers, und dann fiel er ins Wasser. Damit war die Sorge um ihn beendet.
Die Christen waren dafür bekannt, dass sie solche alten Menschen aufnahmen, unterstützten und versorgten. Das regte viele Leute auf. Ein römischer Jurist sagte damals, die Christen seien besonders schlimm, weil sie sich nicht nur um ihre eigenen Angehörigen kümmern, sondern auch um die Angehörigen der Ungläubigen. Deshalb gewännen sie so viele Anhänger. Diese Haltung erregte damals große Aufmerksamkeit.
Eine andere Sache war die soziale Arbeit der Christen in der damaligen Zeit. Man wurde nicht immer als Christ in der Verfolgung getötet, sondern manchmal begnügte man sich auch damit, dass es mehr Geld einbrachte, wenn Christen lebenslang zum Beispiel in einem Kupferbergwerk versklavt wurden. Das gab es also.
Immer wieder besuchten die Christen, die nicht gefangen waren, auch jene Christen, die in der Sklaverei lebten. Manchmal, wenn sie sahen, dass jemand alt, schwach oder krank war, boten sich junge, starke Männer dem Bergwerksbesitzer an und sagten: „Ich lasse mich für diesen armen Alten versklaven, wenn du ihn frei lässt.“ Das war natürlich ein beeindruckendes Zeugnis.
Stellen Sie sich vor: Du bist jung und stark, hast deine Zukunft vor dir, und könntest vielleicht auch einfach sagen: „Der Alte dort im Bergwerk hat es zwar schlimm, aber beten wir, dass er bald stirbt. Dann ist er im Himmel, und es geht ihm besser.“ Das wäre eine Variante gewesen, nicht wahr? Aber die Christen sagten: „Nein, das ist mein Bruder. Ich bin bereit, für ihn als Sklave zu arbeiten und mein Leben hinzugeben.“ So wie Jesus es getan hat, nahmen sie ihn als Vorbild. Das war radikal, aber es beeindruckte die Menschen, weil es so unnormal und unmenschlich war.
Normalerweise hätte man vielleicht gesagt: „Ich gebe auch mal eine Spende, zum Beispiel an das Rote Kreuz.“ Das gab es damals zwar noch nicht, aber irgendwo anders hin – ja, das wäre normal gewesen, das machten ja auch alle anderen Heiden. Aber so etwas Verrücktes, was die Christen da taten, machte kein Heide.
Andere Fälle sind bekannt, zum Beispiel als die Pest ausbrach. Das gab es schon im Altertum, etwa in Ägypten, in Alexandria. Das war eine Katastrophe. Die Angehörigen der Heiden, also der normalen Menschen, warfen ihre eigenen Kranken auf die Straße, sobald sie nur irgendwelche Ausschläge bemerkten. Gepflegt wurde dort niemand, weil die Menschen Angst hatten, sich anzustecken.
Was haben die Christen getan? Sie sammelten die Kranken von der Straße auf, pflegten sie und starben oft selbst daran. Das war natürlich ein durchschlagendes Zeugnis. Diese Tat war vielfach eine Form der Evangelisation in der Urgemeinde.
Die Christen beriefen sich dabei auf das, was Jesus gesagt hatte: „Was ihr einem meiner Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“ Wo ihr den Nackten angezogen habt, wo ihr den Gefangenen besucht habt – das ist ein Dienst, wie Jesus ihn getan hat. Darauf bezogen sie sich und sagten: „Das nehmen wir wörtlich und machen es genauso.“
Natürlich erzählten sie auch vom Evangelium, das war klar. Aber für sie gehörte das praktische Helfen im Alltag ebenso dazu, nicht nur das Reden.
Im Jakobusbrief lesen wir: „Wenn du zu deinem Bruder, der leidet, an seiner Haustür kommst und sagst: ‚Sei gesegnet!‘, und dann einfach weitergehst, ohne ihm zu helfen, dann hast du die Liebe Gottes nicht in dir.“
Ganz ähnlich steht es im ersten Johannesbrief: „Wenn du deinen Bruder, den du siehst, nicht liebst und ihm nicht konkret hilfst, dann bist du ein Lügner, wenn du sagst, du liebst Gott, den du nicht siehst.“
Das sind harte Worte in der Bibel, und die Christen nahmen sie ernst. Sie versuchten, sie möglichst konkret umzusetzen. Manchmal vielleicht etwas zu radikal, wie wir heute sagen würden, aber Gott hat es in seiner Zeit gebraucht.
Ich möchte euch zum Thema Abtreibung zwei Stellungnahmen der Christen aus der frühen Zeit vorlesen. Die erste stammt von Athenagoras, einem Christen der ersten Jahrhunderte. Er verfasste die „Bittschrift für die Christen“, die sich an einen lokalen Herrscher, einen Prokurator, richtete. Darin bittet er ihn, die Christen nicht zu verfolgen, und beschreibt, wie die Christen leben.
Athenagoras schreibt: „Wir sagen doch, dass die Frauen, die Abtreibungsmittel anwenden, Mörderinnen sind und von Gott Rechenschaft für ihre Abtreibung ablegen müssen. Wie sollten wir dann fähig sein, Menschen umzubringen?“ Hier wird deutlich, wie die Christen damals über Abtreibung dachten.
Damals wurde den Christen unter anderem vorgeworfen, sie seien Menschenmörder. Könnt ihr euch vorstellen, warum? Das lag daran, dass man ihnen unterstellte, Menschenfleisch zu essen und Menschenblut zu trinken. So mussten sie doch Mörder sein, dachte man. Vielleicht fragt ihr euch, wo sie das tun sollten. Die Antwort findet sich in den Einleitungsworten zum Abendmahl: „Das ist mein Fleisch, das ist mein Blut.“ Stellt euch vor, ein Nachbar hört das und fragt sich, was der christliche Nachbar da macht. Er hört: „Das ist mein Fleisch, esst davon, bis ich wiederkomme.“ Dann denkt er vielleicht, der hat einen Kannibalen als Freund. Die Heiden kannten das Abendmahl nicht, und so entstanden solche Vorwürfe, dass Christen Menschenfresser seien und Menschen töten würden.
Athenagoras versucht nun zu erklären, dass es bei den Christen sogar verboten ist, kleine Babys zu töten oder abzutreiben, was in der damaligen Umwelt erlaubt war. Wenn die Christen so streng sind, dass sie nicht einmal kleine Babys töten, wäre es doch absurd anzunehmen, dass sie erwachsene Menschen töten würden. So argumentiert er und gibt uns gleichzeitig einen Einblick, wie streng Abtreibung bei den Christen im Gegensatz zur damaligen Umwelt verboten war.
Er fährt fort: „Denn derselbe Mensch kann nicht einerseits glauben, auch das Kind im Mutterleib sei schon ein Lebewesen und liege deshalb Gott am Herzen, und andererseits das Kind, wenn es zur Welt gekommen ist, töten. Er kann auch nicht einerseits verbieten, ein Neugeborenes auszusetzen — was ich euch eben vorhin erzählt habe, weil diejenigen, die Kinder aussetzen, nach unserer Auffassung Kindermörder sind — und es andererseits, wenn es aufgezogen worden ist, umbringen. Wir sind aber gleich und konsequent in allen unseren Handlungen, denn wir dienen der Vernunft und tun ihr keine Gewalt an.“
Er versucht hier nicht, mit Bibelversen zu überzeugen — denn die Heiden kannten diese ohnehin nicht — sondern argumentiert mit Logik. Er fordert zum Nachdenken auf: Das geht doch gar nicht. Gleichzeitig merken wir, dass die Christen damals eine viel strengere Vorstellung hatten.
Die zweite Stellungnahme stammt von Tertullian, einem sehr bekannten Autor der frühen Kirche, der um 180 nach Christus lebte. Er schreibt in seinem „Apologetikum“ über die Abtreibung: „Wir aber dürfen, weil Mord ein für allemal untersagt ist, auch die im Mutterleib empfangene Leibesfrucht nicht zerstören, während noch Blut für einen neuen Menschen abgezweigt wird. Es ist ein vorweggenommener Mord, wenn man eine Geburt verhindert, und es ist nicht ausschlaggebend, ob man einer Seele, die schon geboren ist, das Leben nimmt, oder einer, die gerade geboren wird, vernichtet. Ein Mensch ist auch, wer erst künftig ein Mensch sein soll. Auch sonst ist jede Frucht schon in ihrem Samen enthalten.“
Tertullian argumentiert also ebenfalls logisch. Genau das, was wir heute tun: Ein gezeugtes Kind ist ein vollwertiger Mensch, und auch ein ungeborenes Kind ist ein vollwertiger Mensch. So wenig, wie man einen geborenen Menschen töten darf, so wenig darf man einen ungeborenen töten.
Das waren die beiden Stellungnahmen zur Abtreibung.
Wir sehen, dass dies das Alltagsleben der Christen war. Ich werde später noch einige weitere Details zum Alltagsleben nennen und beschreiben, wie es ausgesehen hat. Zunächst möchte ich jedoch diesen Teil abschließen, den ich gestern bereits angesprochen habe: die Verfolgung.
Gestern habe ich euch einen Teil vorgelesen, den ihr auch nachlesen konntet, über die Verfolgung der Christen in Ägypten. Ich möchte gleich noch einen zweiten Text vorlesen, der uns ebenfalls eindrücklich zeigt, wie solche Verfolgungen abliefen.
Ich habe euch gestern schon gesagt, dass die Verfolgungen nicht durchgehend waren. Sie waren zeitweilig begrenzt und es gab mehrere Verfolgungswellen. Diese waren meistens auch nicht über das gesamte Römische Reich verteilt. Wenn so eine Verfolgungswelle ausbrach, hatten die Christen verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren.
Einige Christen sind einfach geflohen. Das war möglich, und damit hat man Jesus ja nicht verleugnet. Das ist ähnlich wie in der Bibel beschrieben. Ich habe gestern schon auf Priscilla und Aquila hingewiesen, die einfach woanders hingezogen sind. Man muss sich ja nicht umbringen lassen. Genau so haben es viele getan. Das Römische Reich war groß, also zog man in eine andere Provinz.
Auch als die Kinder ermordet werden sollten, haben die Eltern ihre Kinder geschützt, indem sie nach Ägypten geflohen sind. Wir sehen also, dass man sich nicht unbedingt dem Martyrium stellen muss. Man muss nicht sagen: „Bring mich um, hier bin ich.“ Wenn wir die Möglichkeit haben, dürfen wir unser Leben auch schützen.
Das war eine Möglichkeit, die allerdings mit großen Opfern verbunden war. Für uns klingt das vielleicht leicht, aber damals bedeutete es oft, das Haus oder das Hab und Gut zu verkaufen. Es bedeutete eine kostspielige Reise und das Ansiedeln an einem völlig neuen Ort, wo man niemanden kannte. Man musste ein neues Geschäft aufbauen und neue Kontakte knüpfen. Das bedeutete finanziellen und persönlichen Verlust. Und man wusste nie, ob nicht ein paar Jahre später wieder eine Verfolgung ausbricht und man erneut fliehen muss.
Es war also nicht so einfach, wie wir uns das heute vorstellen. Reisen war damals auch nicht so unkompliziert wie heute, wo man einfach ins Flugzeug steigen kann und an einem anderen Ort wieder aussteigt. Aber immerhin war das eine Möglichkeit.
Andere Christen haben sich während kurzer Verfolgungswellen versteckt. Manchmal halfen auch Nachbarn, die selbst keine Christen waren, aber gut mit ihnen befreundet waren. Diese versteckten die Christen für eine Zeit lang.
Wir wissen auch von den Katakomben in Rom, den unterirdischen Grabgängen, in denen die Toten beerdigt wurden. Die Römer betraten diese normalerweise nur bei Beerdigungen mit viel Licht. Wenn es schummrig war, wagten sie sich nicht hinein – ähnlich wie heute niemand bei Mitternacht über einen Friedhof geht. In diesen Städten in Italien, wo es solche Katakomben gab, zogen sich Christen manchmal über Wochen oder Monate zurück.
Sie versuchten natürlich, Nahrungsmittel hineinzubringen oder in der Nacht irgendwo welche zu bekommen. Sie wurden dabei von Freunden versorgt. Sie bauten ganze Kapellen, um Gottesdienste zu feiern. Diese Kapellen kann man heute noch in der Nähe von Rom besichtigen. An den Wänden malten sie Bilder vom Tod Jesu und von Jesus als dem guten Hirten. Dann sangen sie dort unterirdisch.
Das war nicht leicht, denn sie hatten keine elektrischen Lampen. Stellt euch vor: Tag ein, Tag aus in den feuchten Katakomben unter der Erde, du siehst nichts, hörst überall Geräusche, hast kleine Kinder, die du ständig zur Ruhe mahnen musst. Du weißt nicht, wie lange die Verfolgung noch dauert oder ob plötzlich ein Soldat oder andere Leute hineinkommen.
Wenn du Stimmen hörst, die jemanden beerdigen wollen, musst du dich schnell zurückziehen, irgendwohin verstecken. Auch das war nicht leicht, aber es war eine Möglichkeit zu überleben.
Dann gab es Christen, die verleugneten. Das waren Christen, die sich sagten: „Ich kann nicht sterben, das geht nicht. Ich habe Angst oder Verantwortung für meine Kinder. Wer wird sie erziehen, wenn ich sterbe?“ Diese Christen verleugneten ihren Glauben.
Häufig waren es Christen, die am Ende einer Verfolgungswelle wieder in die Gemeinde zurückkehren wollten und ihre Verleugnung bereuten. Sie waren innerlich nie vollständig abgefallen, sondern hatten nur äußerlich abgeschworen, um zu überleben. Innerlich blieben sie Christen.
Übrigens bestand die Forderung meistens darin, dass man gefragt wurde: „Bist du Christ?“ Dann musste man abschwören: „Nein, ich bin jetzt kein Christ mehr.“ Anschließend musste man ein Opfer vor dem Standbild des Kaisers darbringen – ein wenig Weihrauch in eine glühende Pfanne werfen. Wenn man das getan hatte, konnte man frei weiterleben.
Manche Christen haben genau das gemacht.
Es gab aber auch Christen, die einen anderen Weg gingen. Sie sagten, die schwerste Sünde sei es, Jesus durch so ein Opfer zu verleugnen. Jesus sagt ja auch: „Wer mich vor den Menschen verleugnet, den werde ich vor meinem himmlischen Vater verleugnen.“ Deshalb taten sie das nicht.
Aber sie sagten: „Die geringere Sünde ist es, Bestechungsgeld zu zahlen.“ Diese Christen bestachen den Richter. Das war nur für die Reichen möglich. Man bestach den Richter, der dann sagte: „Okay, abgehakt, der hat auch geopfert“, obwohl man es gar nicht getan hatte. So war man wieder frei.
Natürlich ist das auch nicht ganz in Ordnung, aber immerhin überlebten sie dadurch.
In späteren Verfolgungen gab es sogenannte Libelli. Die Römer hatten eine ausgefeilte Bürokratie, die später auch von den Deutschen übernommen wurde. Jeder musste so einen Schein bei sich tragen, ähnlich wie ein Ausweispapier. In dem Buch, wenn ihr nachlesen wollt, sind solche Scheine abgebildet.
Dieser Schein musste von mehreren Zeugen unterschrieben sein, die bestätigten, dass jemand vor dem Standbild des Kaisers geopfert hatte. Manche Christen kauften solche Scheine bei Fälschern. Wenn man das nicht bemerkte, wurden sie dadurch nicht verfolgt.
Das war zwar auch nicht ganz korrekt, aber eine Möglichkeit.
Wenn wir ehrlich sind: Ich weiß nicht, welche Variante ihr gewählt hättet. Ich weiß nicht einmal, welche ich selbst gewählt hätte.
Die Verfolgungswellen waren sehr radikal. Besonders die letzten, um das Jahr 300 herum, waren flächendeckend im gesamten Römischen Reich. Man ging systematisch vor: Zuerst wurden alle Christen in der Armee getötet, damit die Armee rein heidnisch war.
Dann wurden die führenden Christen festgesetzt, also die Gemeindeleiter, und eingekerkert oder gezwungen. Man dachte, dass eine hirtenlose Gemeinde schnell aufgeben würde.
Anschließend sammelte man alle Bibelhandschriften ein und verbrannte sie, um ihnen die Grundlage zu entziehen. Schließlich zerstörte man alle Kirchen, damit sie keine Versammlungsorte mehr hatten.
Doch dieser gut durchdachte Plan schlug fehl. Die Christen blieben trotzdem standhaft.
Das führte dazu, dass auch diese letzte Verfolgungswelle ihr Ziel nicht erreichte, obwohl sie jahrelang im Römischen Reich wütete.
Die Christen waren umso froher und dankbarer gegenüber Gott, als Konstantin der Große kam und das Christentum legalisierte. Das erlebten sie als Antwort Gottes auf ihr Leiden.
Also, diese Verfolgung. Die Verfolgung im Römischen Reich kam nicht nur vom römischen Staat. Das war zwar der Staat mit der militärischen Macht, der die Christen verfolgte, aber wenn man ein wenig nachdenkt, von wem wurden die Christen damals noch verfolgt?
Das lesen wir schon in der Apostelgeschichte, und später war es nicht anders. Was hatten die Juden gegen die Christen? Sie gingen davon aus, dass die Christen aus der Bibel „geklaut“ hätten, denn die Juden beanspruchten das Alte Testament für sich. Besonders die Septuaginta, die griechische Übersetzung des Alten Testaments, wurde im ersten Jahrhundert so stark zur christlichen Bibel, dass die Juden sie praktisch nicht mehr benutzten und eine neue Übersetzung anfertigten. Hier gab es also eine starke Konkurrenz.
Zweitens hatten die Juden ein Problem damit, dass die Christen als eine Art „drittes Geschlecht“ galten, also eine besondere Stellung im Römischen Reich hatten. Sie fürchteten, diese besondere Stellung zu verlieren, weil sich die Christen so seltsam verhielten. Viele der ersten Christen waren ja auch Juden, sogenannte Judenchristen, wie Paulus, Petrus und andere. Deshalb wurden sie vom römischen Staat zunächst als jüdische Sekte angesehen.
Die Juden wollten sich deutlich von den Christen abgrenzen und hatten nichts mit ihnen zu tun. Deshalb verfolgten sie sie zusätzlich. Außerdem glaubten sie, die Christen würden Juden zum Abfall verführen. Paulus’ Strategie zeigt das: Er kam in eine Stadt, predigte zuerst in der Synagoge, bis man ihn hinauswarf. Oft waren die ersten Christen in einer Stadt Juden, und deshalb wurden sie verfolgt. Man merkt hier einen richtigen Hass der Juden gegen die Christen, der geschürt wurde.
Dann gab es als nächste Gegner die Anhänger der heidnischen Religion. Für sie waren die Christen eine Konkurrenz. Das finden wir auch schon in der Bibel, denken wir an Demetrios, den Silberschmied. Bei ihm ging es ums Geschäft, und da hört die Liebe auf: „Wenn man nach Ephesus kommt, wollen wir doch unser Geld verdienen, und jetzt kommen die Christen und sagen, die kleinen Artemisfiguren braucht man nicht mehr. Wovon soll ich denn bitte leben?“ Die katholische Kirche hat später gesagt: „Stell keine Artemisfiguren mehr her, nimm stattdessen Marienfiguren.“ So hatte man wieder Arbeit. Das kam aber erst im Mittelalter. Damals musste Demetrios erst seinen Job aufgeben, und erst sein Urururenkel stellte wieder Reliquien her.
Zu der Zeit aber war das ein großer Hass auf die Christen, die die Tempel zerstörten. Stellt euch vor, ihr seid Priester in einem solchen Tempel, und plötzlich sagen die Christen: „Tempel braucht man nicht mehr, Gott ist unsichtbar, diese Götterfiguren sind nichts.“ Da würde man erst einmal Aggressionen bekommen. Das ist doch mein Lebenswerk, meine Existenz hängt daran. Deshalb haben die Heiden auch richtig gegen die Christen gestänkert.
Außerdem hatten die Christen Gegner unter den Philosophen. Die Philosophen lächelten über die römischen Götter und glaubten nicht an sie. Sie hielten sich für sehr klug. Dann kamen die Christen und sagten: „Die Weisheit der Menschen ist Torheit bei Gott.“ Das ärgerte die Philosophen sehr. „Was du, hergelaufener Bauer, willst du mir sagen, was wahr ist? Ich habe studiert, ich bin Philosoph.“ Das hat sie richtig geärgert.
Im Römerbrief und im ersten Korintherbrief lesen wir, dass das Wort vom Kreuz eine Torheit ist, in der viele verloren gehen. Diese Feinde des christlichen Glaubens sind genau die Leute, die viel auf ihren Verstand und ihre Erkenntnis geben und sich als Elite über der Gesellschaft sehen.
Übrigens sind all diese Gruppen bis heute Feinde des christlichen Glaubens geblieben. Das gibt es auch heute noch. Gerade an Universitäten, bei besonders intellektuellen Menschen, lächeln sie über die „dummen Christen“, die solche Dinge glauben. Diese Intellektuellen meinen, dass das alles nicht stimmt, alles nur Phantasieprodukte sind.
Geht man an Universitäten, trifft man Philosophiestudenten oder Theologiestudenten, die so etwas sagen. Auch Soziologie und Psychologie können erklären, dass Christen unter einer kollektiven Psychose leiden. Solche Dinge hört man.
Ich habe mit jemandem gesprochen, der in der Psychiatrie arbeitet. Er erzählte mir, dass Christen, die eingeliefert werden, gleich den Vermerk „religiöse Wahnvorstellungen“ bekommen, weil sie beten und glauben, dass Gott zuhört. Das ist bis heute nicht anders.
Heute gibt es natürlich auch Vertreter anderer Religionsfeinde, die Christen ablehnen. Denken wir an den Hass von Muslimen. Ich schreibe gerade im Internet mit jemandem, der pro Islam ist. Er hat mir eine E-Mail geschickt, in der ein Muslim schreibt, wie böse die Christen seien und dass Jesus die Christen aufgefordert hätte, alle Andersgläubigen umzubringen. Das ist natürlich total absurd.
Dieser Muslim fordert auch, dass Christen umkehren müssten, weil sie die Bibel verfälscht hätten und Muslime werden sollten. So etwas werden wir in Deutschland noch erleben. Es gibt bereits muslimische Traktate, die Christen zur Umkehr zum Islam aufrufen. Ich kenne Gemeinden, die solche Schriften zugeschickt bekommen haben. Das wird in Zukunft noch zunehmen.
Auch der Staat wendet sich immer stärker gegen Christen. Denken wir an Aktionen wie „Kraft durch Leben“ oder ähnliche Aktionen mit Büchern, die im Fernsehen beworben werden sollten. Dann gab es sofort ein Fernsehverbot, weil religiöse Werbung im Fernsehen nicht erlaubt ist.
Vor ein paar Jahren gab es eine Lehrerin aus der Schweiz, die ein Disziplinarverfahren bekam, weil sie ihren Schülern von Jesus erzählt hatte. Der Staat, in dem wir leben, ist nicht religionsneutral. Er hat eine atheistische Philosophie. Deshalb darf Religion nur in einem kleinen privaten Rahmen existieren, solange sie nicht gefährlich wird.
Wenn Religion aber Anspruch erhebt, das gesamte Leben der Menschen zu bestimmen, wird sie eingeschränkt und verurteilt. Denken wir auch an das Diskriminierungsgesetz und ähnliche Regelungen, die in diese Richtung wirken.
Ich will keine Angst machen, sondern nur sagen: Wir leben in einer Zeit, die der der ersten Christen nicht so fern ist. Natürlich gibt es heute nicht dieselbe Verfolgung wie damals, zumindest nicht in Deutschland. Aber wir haben ähnliche Gegnerschaften.
Wir haben gesehen: Die Juden. Das ist in Deutschland heute nicht so relevant, weil es hier nicht viele Juden gibt. In Israel sieht das anders aus. Dort gibt es orthodoxe Juden, die Kirchen anzünden. Das ist keine Seltenheit. Ich habe selbst einen Steckbrief gesehen, in dem ein christlicher Missionar von orthodoxen Juden aufgefordert wurde, seine Scheiben einzuschlagen und ihn fertigzumachen. Das gibt es also auch.
Ich will damit keine antisemitischen Gefühle wecken, sondern nur sagen, dass es durchaus Gegnerschaft gibt.
Bei den ersten Christen gab es also Gegner aus dem Judentum, Heidentum, unter den Philosophen und den Gelehrten sowie vom Staat. Mit diesen Gegnern mussten sie sich auseinandersetzen.
Auf der einen Seite wurden sie getötet, auf der anderen Seite angegriffen. Sie schrieben Verteidigungsschriften, in denen sie Missverständnisse und Vorwürfe aufnahmen und widerlegten.
Einer der Vorwürfe war Kindermord oder Menschenmord. Einen anderen habe ich gestern erklärt: den allgemeinen Menschenhass. Man warf ihnen vor, weil sie von der ewigen Verdammnis predigten, alle Menschen zu hassen und zu wollen, dass alle in die Hölle kommen.
Man warf ihnen auch Atheismus vor. Das ist absurd, oder? Könnt ihr euch vorstellen, warum Christen wegen Atheismus angeklagt wurden? Nein, nicht direkt. Das war nicht der Hauptvorwurf, aber ein Grund.
Sie sagten, Gott sei Geist, also unsichtbar. Für einen Römer oder Griechen konnte man alles sagen: Man konnte Isis aus Ägypten anbeten, hinduistische Götter oder die breite Palette griechischer und römischer Gottheiten, Mysterienkulte – all das war in Ordnung.
Aber wenn man sagte, es gibt einen Gott, den man nicht sehen oder anfassen kann, der eigentlich gar nicht existiert, einen Geist – was ist das schon? Da sagte man: „Das sind Atheisten.“ Deshalb wurden sie angegriffen.
Sie wurden auch wegen Inzest angeklagt. Könnt ihr euch vorstellen, wessen Hass das war? Sie heirateten doch keine Brüder und Schwestern, aber der Vorwurf lautete: „Das ist Inzest.“ Der Heide wusste nicht, dass mit „Brüdern und Schwestern“ nicht leibliche Geschwister gemeint waren. So wurde ihnen Inzest vorgeworfen.
Es gab viele solcher Vorwürfe, die Christen versuchten zu entkräften.
Eine andere Sache: Herr Thulian geht darauf ein, dass Christen vorgeworfen wurde, seit ihrer Existenz gehe es mit dem Römischen Reich bergab. Man sagte: „Hier wurde eine Schlacht verloren, dort gab es ein Erdbeben oder eine Überschwemmung, daran sind die Christen schuld.“
Ganz ähnliche Vorwürfe erhob später die katholische Kirche gegen die Juden: „Hier ist die Pest ausgebrochen, die Juden sind verantwortlich. Die Kühe sind gestorben, die Juden sind schuld.“ So ähnlich wurde es mit den Christen in den ersten drei Jahrhunderten gemacht.
Ja, was kann man darauf antworten? Ich kann euch sagen, was Theatrian darauf antwortet.
Der Mann ist wirklich sehr klug. Es ist brillant zu lesen, wie er das geschrieben hat – besonders seine apologetische Verteidigung des christlichen Glaubens. Davon könnt ihr lernen, wie man bis heute den christlichen Glauben verteidigt.
Er argumentiert hier nämlich rein logisch. Zum ersten Mal sagt er: Wenn eure Götter so mächtig wären, dann würden sie doch uns Christen alle schon umkommen lassen. Warum sind sie dann so schwach, dass sie diese Unglücke nicht verhindern können?
Also müssen wir erst einmal sagen: Wenn eure Götter wirklich so mächtig sind, müssten wir als Christen unter diesen Problemen leiden und nicht ihr als Heiden. Ihr müsst ja geschützt werden, sonst sind eure Götter zu schwach – das ist das erste Argument.
Das zweite Argument lautet: Wir wissen von unseren Geschichtsschreibern schon von Katastrophen und verlorenen Kriegen, bevor die Christen aufgetaucht sind. Wer war denn damals dafür verantwortlich? Es gab ja nur euch als Heiden.
Dann zieht er den logischen Schluss und sagt: Aha, wenn diese Sachen Strafen von Göttern sind, dann ist es eine Strafe des wahren Gottes, der euch aufgrund eurer Ungläubigkeit straft. Und das hat er schon getan, bevor wir als Christen kamen, und tut es jetzt, weil ihr immer noch nicht umgekehrt seid.
Das war natürlich richtig hart und mutig, nicht? Aber logisch und durchaus konsequent. Denn wenn ich eine kontinuierliche Kette von Misserfolgen habe, kann die ja nicht dadurch begründet werden, dass erst viel später die Christen auftauchen. Da muss es vorher schon eine Ursache geben, wenn man so denkt.
So hatten sie sich dann eben verteidigt. Man musste wirklich gut nachdenken und argumentieren, damit sie es auch verstehen. Natürlich wurden auch Bibelverse genannt. Die meisten Christen damals konnten ja schreiben und lesen, denn im Römischen Reich war man im Gegensatz zum damaligen Germanien hochgebildet.
Es gab auch damals viele Bibelhandschriften, manche davon wurden bis heute noch gefunden.
Eine Gruppe, mit der man sich sehr intensiv auseinandergesetzt hat, waren die sogenannten Gnostiker. Ich habe sie bereits in meinem Vortrag über die Akribik kurz erwähnt, da sie auch dort im Hintergrund eine Rolle spielen. Ich möchte sie hier noch einmal aufgreifen, weil wir bis heute mit diesen Gnostikern zu tun haben.
Die Gnostiker gehören zu einer Gruppe anderer Religionen und griffen das Christentum an. Allerdings waren sie klug: Sie polemisierten nicht offen gegen die Christen, sondern gingen in die christlichen Gemeinden und sagten, sie seien ebenfalls Christen. Sie glaubten auch an Jesus Christus, behaupteten jedoch, die anderen Christen befänden sich nur auf einer niedrigeren Stufe der Erkenntnis. Sie wollten ihnen das geheime Wissen über Jesus Christus zeigen, das er nur seiner Elite vermittelt habe.
Dieses geheime Wissen stand zum Beispiel in den apokryphen Evangelien, die heute weit verbreitet sind und von den Gnostikern verfasst wurden. Das Wort „Gnosis“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Erkenntnis, Weisheit und Wissen. Es ist ein zentraler Begriff in dieser religiösen Gruppierung.
Gnostiker gab es nicht nur im Christentum, sondern auch in anderen Religionen. Sie hatten ein ähnliches Konzept und versuchten, wie ein Krebs, der eine Krankheit symbolisiert, alles zu durchdringen und zu vereinen. Dabei kam es ihnen letztlich nicht auf Jesus Christus an. Jesus Christus ist bei ihnen nicht Gott, wie wir es sehen.
Die Gnostiker hatten, wie ich schon kurz vorgestellt habe, ein Konzept des Dualismus. Es gibt für sie zwei Götter: den bösen Gott, der die Materie geschaffen hat – den Schöpfergott des Alten Testaments – und den guten Gott, den sie mit Jesus Christus identifizieren, den Lichtgott, den reinen Geistgott.
Deshalb sagten sie auch, den Weg zur Erlösung müsse man selbst gehen, und diesen Weg gehe man durch geheimes Wissen. Wenn man dieses geheime Wissen über die eigene Geschichte, die Herkunft und den Geist, der in einem ist, habe und weiterentwickle, werde man errettet. Es handelt sich also um eine Art Selbsterlösung. Jesus habe zur Erlösung nichts beigetragen, sondern sei nur der große Meister, das Vorbild, nach dem man sich orientieren solle.
Diese Lehren finden sich heute in der Esoterik wieder. Zum Beispiel bei den Anthroposophen, die genau dasselbe sagen. Sie behaupten bei Rudolf Steiner, Jesus sei nur ein Geist; der Mensch und sein Leib seien egal. Der Christusgeist sei dieser Lichtgott, und man müsse diesem Christusgeist ähnlich werden, um errettet zu werden. Dasselbe findet man auch bei anderen Esoterikern unserer Zeit.
Ein Beispiel ist der bekannte amerikanische Esoterikautor Neale Donald Walsch, der die Bücher „Gespräche mit Gott“ geschrieben hat. Diese sind in Deutschland weit verbreitet. Er schreibt genau dasselbe: Man müsse den Christusgeist in sich entwickeln, so wie es die Gnostiker damals sagten. Sie behaupten ebenfalls, die Materie sei schlecht.
Es gibt auch Regeln dafür, was man essen soll, nämlich Nahrung, die besonders ökologisch ist und in der die Naturenergie enthalten ist. Das findet sich vielfach in alternativen Heilmethoden, bei denen Energien um uns herum wabern, die gechannelt werden können, etwa im Tai-Chi oder ähnlichen Praktiken. Diese Energien können auf Menschen übertragen werden.
Die Grundidee lautet: Materie ist irdisch und schlecht, der Geist ist das Wesentliche. Diesen Geist muss man sich zum Nutzen machen und sich ihm ausliefern. Das war die Idee der Gnostiker in der damaligen Zeit.
Die Gnostiker sagten, man müsse dahin kommen. Wie? Erstens, man müsse die Geheimschriften lesen. Zweitens, man müsse sein Leben verändern. Um den Körper zu verachten und den Geist zu entwickeln, gab es zwei Wege, die auch bei den Gnostikern bekannt waren.
Der eine Weg war der des Libertinismus. Sie sagten: Mach mit deinem Körper, was du willst, denn der Körper ist nichts. Du kannst damit tun, was du willst, es schadet deiner Seele nicht. Einen solchen Menschen habe ich während meines Studiums kennengelernt, als ich in einem noblen Hotel als Nachtportier arbeitete. Ein Kollege dort war Anthroposoph und sagte, es mache nichts, ob er trinke oder rauche, denn der Körper sei unwichtig. Seine Seele müsse sich entwickeln, insbesondere seine Astralseele. Er meinte sogar, meine Astralseele sei gut entwickelt und fragte, ob ich nicht auch Anthroposoph werden wolle, weil ich schon auf dem Weg höherer Erkenntnis sei.
Das war also der eine Weg: Mach, was du willst, der Seele ist es egal, das betrifft nur den Körper.
Der andere Weg war asketisch. Diese Menschen sagten: Weil der Körper nichts wert ist, kümmer dich nicht um ihn. Iss nichts mehr, heirate nicht, verzichte auf Sexualität und genieße keine Musik oder Ähnliches. Der Körper ist nichts. Diese Sichtweise findet sich in der Tradition der Askese der Mönche im Mittelalter, die diese Ideen aufgenommen haben.
Diese Haltung finden wir bis heute. Es gibt Menschen, die sagen, geistliche Entwicklung sei wichtig, alles andere egal. Sie verzichten auf alles Materielle, weil das Materielle schlecht sei. Hier gibt es eine klare Parallele zur Ethik der Gnostiker.
Die Christen setzten sich intensiv mit diesen Lehren auseinander, weil sie gefährlich waren. Die Gnostiker waren keine äußeren Feinde, sondern kamen von innen und behaupteten, die besseren Christen zu sein, zu denen man ebenfalls gelangen könne.
Das verführte besonders Menschen, die die Bibel nicht gut kannten. Manchmal wurden Aussprüche Jesu zitiert, die er nie gesagt hatte, sondern erfunden waren und in eine ähnliche Richtung gingen.
Die Auseinandersetzung berief sich vor allem auf Aussagen der Bibel, wie ich sie schon genannt habe: „Wenn ein Geist nicht bekennt, dass Jesus ins Fleisch gekommen ist, also wirklich Mensch war, dann ist er nicht von Gott“ (1. Johannes 4,2-3). Paulus sagt: „Wenn ein Engel vom Himmel kommt und ein anderes Evangelium predigt, der sei verflucht“ (Galater 1,8-9). Johannes sagt: „Das Licht kam in die Finsternis“ (Johannes 1,5) und „Das Wort wurde Fleisch“ (Johannes 1,14).
Johannes verwendet das Wort „Logos“, das bei den Gnostikern ein zentraler Begriff war. Er benutzt es jedoch in dem Zusammenhang, dass Jesus der Logos war, der Schöpfer der Welt und gleichzeitig irdisch, menschlich und fleischlich geworden ist.
Man musste sich mit diesen Lehren auseinandersetzen und schloss die Gnostiker häufig als Gemeindezucht aus der Gemeinde aus. Im Kampf gegen die Gnosis wurde das apostolische Glaubensbekenntnis formuliert, um eine Kurzform zu haben, mit der man sagen konnte: „Was glaubst du?“
So musste man nicht die ganze Bibel vorlesen, sondern konnte sagen: „Ich glaube an ...“ – das apostolische Glaubensbekenntnis enthält die wichtigsten Aussagen des christlichen Glaubens. Es ist eine Art Kurzdogmatik, die man auswendig lernen kann und die als Unterscheidungsmerkmal diente: Bist du Gnostiker oder wirklich Christ?
Drittens wurde der Kanon des Neuen Testaments festgelegt, um klar zu sagen, welche Schriften wirklich von Jesus stammen und welche falsch und abzulehnen sind.
Diese Auseinandersetzungen und Kämpfe fanden im 3. und 4. Jahrhundert statt. Der Zeitgeist der Gnosis flaute damals ab. Bis heute müssen wir uns damit auseinandersetzen. Gnostiker sind auch heute Menschen, die den Geist betonen, von spirituellen Erfahrungen sprechen und behaupten, mit Gott zu kommunizieren.
Ich habe euch von Herrn Walsch und seinem Buch „Gespräche mit Gott“ erzählt. Er behauptet ernsthaft, persönlich mit Gott gesprochen zu haben. Andere Esoteriker sagen, sie verkehren regelmäßig mit Engeln, sprechen mit ihnen und geben Engelbotschaften weiter.
Es gibt Menschen, die Prophetien empfangen, etwa neugnostische Gruppen wie das Universelle Leben in Würzburg. Sie haben Propheten, die mit Gott sprechen, erleben Wunder und Heilungen, ähnlich wie in der charismatischen Bewegung. Dort finden sich fast deckungsgleiche Überschneidungen.
Das macht die Sache gefährlich. Sie reden vom selben Christus, nennen Bibelverse und bezeichnen sich als fromm – ähnlich wie Dan Brown, der sagt, er sei Christ, obwohl er eher zu den Gnostikern gehört.
Für uns ist es wichtig, daraus zu lernen, wie man damit umgeht und worauf man sich berufen kann. Dabei erkennen wir eine ähnliche Entwicklung, die ich eher zur Volksreligiosität, speziell zur katholischen Volksreligiosität, zählen würde.
Diese Volksreligiosität hat nicht den Anspruch einer Vergeistigung oder eines höheren Christseins, wie es die Gnosis mit ihrem Dualismus und den zwei Göttern tut. Sie hat nicht die dogmatischen Hintergründe der Gnosis.
Wir können uns darüber unterhalten, ob es sich bei solchen Erscheinungen um okkulte Phänomene, betrügerische Erscheinungen oder wirklich um Offenbarungen von Gott handelt. Meine persönliche Antwort ist, dass es teilweise betrügerische Erscheinungen sind, die nicht einmal von der katholischen Kirche anerkannt werden.
Die katholische Kirche erkennt bei weitem nicht alle Marienerscheinungen an. Ich besitze ein umfangreiches Buch von Hirzberger, in dem mehrere hundert Marienerscheinungen der letzten Jahre zusammengefasst sind. Nur ein kleiner Teil wird von der Kirche anerkannt.
Viele Erscheinungen bewegen sich im grauen Bereich, der Scharlatanerie, Volksreligiosität und Aberglauben zugeordnet wird. Die Kirche wendet sich deutlich dagegen.
Selbst bei den anerkannten Erscheinungen habe ich große Bedenken wegen des Inhalts. Paulus sagt, ich habe es schon zitiert: Selbst wenn ein Engel vom Himmel kommt – oder wir könnten sagen, selbst wenn eine Maria vom Himmel kommt – und ein anderes Evangelium predigt, dann ist sie verflucht.
Wenn eine Maria jedoch sagt, man müsse nur fleißig den Rosenkranz beten, um zu Gott zu kommen, widerspricht das deutlich dem Neuen Testament und kann daher nicht von Gott sein. Hier ist das inhaltliche Prüfkriterium.
Die meisten Marienerscheinungen bewegen sich im grauen Bereich und werden von der Kirche abgelehnt.
Esoterik finden wir in verschiedenen alternativen Heilmethoden, in Meditationspraktiken, in sektiererischen Gruppierungen und teilweise auch im aktuellen Zeitgeist. Dort befinden wir uns auf einer ganz ähnlichen Ebene.
Eigentlich würde ich gerne noch einige weitere Aspekte ansprechen. Vielleicht schließe ich mit einer Frage ab, die ich euch gerne stellen wollte: Wie standen die Christen damals zum Alltagsleben? Ich wollte euch dazu eigentlich etwas über den Schmuck der Frauen vorlesen, was ich sehr interessant finde.
Leider finde ich das gerade nicht, aber vielleicht lese ich euch stattdessen ein anderes Stück vor, wie die Christen mit dem öffentlichen Leben umgingen. Danach werde ich dann abschließen.
Über den Putz der Frauen schreibt zum Beispiel Tertullian sehr einfühlsam. Er beschreibt, wie auch die Frauen der damaligen Zeit sich ganz nach den Moden ihrer Umgebung richteten.
Es gab beispielsweise eine Praxis, die viele Frauen im Mittelmeerraum anwendeten. Die meisten hatten dunkle Haare, doch es war damals modern, helle Haare zu haben. Deshalb schmierte man sich zum Beispiel Taubendreck in die Haare, um sie blond erscheinen zu lassen.
Daneben gab es zahlreiche Arten, sich zu schminken, Locken in die Haare zu machen und sich mit verschiedenen Schmuckstücken zu behängen. Viel Zeit wurde für das Äußere aufgewendet. Tertullian verstand es sehr gut, fast satirisch darüber zu schreiben und die Verbreitung dieses Verhaltens auch in der christlichen Gemeinde kritisch zu beleuchten. Das fand ich sehr schön zu lesen.
Bei manchen Stellen dachte ich, man könnte sie heute durchaus noch vorlesen. Natürlich nicht hier in der Freizeit, wo ihr alle eher underdressed seid. Aber es gibt durchaus Gemeinden, in denen solche Worte ihre Gültigkeit hätten.
Nun lese ich euch einmal etwas vor über den Umgang mit solchen Dingen. Danach lasse ich euch gerne gehen.
Wem soll man sich nun anschließen? Den Gerechten, antwortet er allegorisch. Denen, die das Tier mit den gespaltenen Klauen haben und wiederkäuen, weil die gespaltene Klaue die Gerechtigkeit mit ausreichender Waagschale symbolisiert. Das überspringe ich mal, das höre ich nicht vor.
Dann fährt er fort: Daher wird uns der Erzieher auch nicht zu den Schauspielen führen. Und nicht ohne Grund könnte man die Stadien – also die Orte, an denen Sport beschrieben wird – und die Theater als Sitz des Verderbens bezeichnen. Denn auch hier findet eine schlimme Ratsversammlung statt, ähnlich wie einst gegen den Gerechten. Deshalb wird die gegen ihn gerichtete Versammlung verflucht.
Diese Zusammenkünfte sind voll von mannigfaltiger Unordnung und frevelhaften Taten. Die Gelegenheit des Zusammenkommens bietet den Anlass für ungebührliches Verhalten, weil Männer und Frauen bunt durcheinander gewürfelt zusammentreffen, um sich gegenseitig anzusehen. Schon aus diesem Grund ist eine solche Versammlung eine frivole Sache.
Durch die lüsternen Blicke werden die Begierden erhitzt. Da die Augen sich der erstrebten Muße hingeben können, gewöhnen sie sich daran, die Leute in ihrer Nähe unverfrorener anzublicken und so die erotischen Begierden zu entfachen.
Verboten seien daher auch die Schauspiele und Darbietungen zum Zuhören, die voll von dummen Witzen und viel blödem Geschwätz sind. Denn welche Handlung ist so schändlich, dass man sie nicht in den Theatern zeige? Welches Wort ist so schamlos, dass die Possenreißer es nicht aussprechen würden?
Diejenigen aber, die solche von diesen Leuten gebotenen schlimmen Dinge genießen, ahmen das Bildlich-Dargestellte zuhause sichtbar nach. Andere hingegen dürfen niemals leichtfertige Genüsse verfallen, wenn sie gegenüber solchen Dingen hart und unempfindlich bleiben.
Wenn man sagt, man müsse die Schauspiele wegen der Belustigung und zur Freude des Herzens hinnehmen, so könnte ich erwidern, dass Städte nicht vernünftig handeln, in denen solche Spiele mit verbissenem Ernst betrieben werden.
Denn keine Spielerei mehr sind die protzigen Umtriebe, die so erbarmungslos sind, dass sie den Tod bringen. Auch das eifrige Streben nach nichtigen Dingen, das unvernünftige Geltungsbedürfnis, die leichtfertige Verschwendung des Vermögens und die dabei entstehenden Unruhen sind gewiss keine Spielereien mehr.
Hier geht es also um Freizeitvergnügen und Freizeitverhalten. Damals hatte man ja keinen Fernseher, kein Video oder Internet zu Hause. Man musste ins Theater gehen oder zu sportlichen Veranstaltungen.
Hier sehen wir den Blick eines damaligen Christen auf diese Veranstaltungen. Er nennt verschiedene Probleme: Erstens legen die Leute großen Wert auf das Äußere. Das verführt, weil man sich so hergerichtet hat, dass falsche Gedanken entstehen.
Das ist heute ähnlich. Wenn man an einem deutschen Badestrand an der Nordsee entlanggeht, ist es für einen Mann gar nicht einfach, überhaupt noch wohin zu schauen, ohne verführt zu werden, weil überall halbbekleidete Frauen sind. Das meint er mit den falsch entfachten Gedanken.
Heute ist es kaum noch möglich, einen Spielfilm zu sehen, in dem nicht eine Entkleidungsszene vorkommt oder in dem nicht gezeigt wird, wie Leute im Bett miteinander schlafen.
Die Frage ist: Ist das für einen Christen normal? Wenn wir darauf nichts mehr empfinden, sind wir dann nicht vielleicht schon abgestumpft gegenüber der Sexualität, wie sie die Bibel sieht? Das ist das, was er hier sagen will.
Er sagt auch, vieles, was man sieht, ahmt man zuhause nach. Das fällt uns besonders bei Kindern auf. Kinder hören einen coolen Spruch und wiederholen ihn zuhause. Oder sie sehen einen Kung-Fu-Film und springen dann auf dem Schulhof genauso herum, wie im Film.
Oder sie übernehmen coole Sprüche, wie Humphrey Bogart sie sagt – etwa "Schau mir in die Augen, Kleines". Zugegeben, das ist nicht gerade der neueste Film; das ist wohl aus Casablanca. Aber solche Dinge bleiben in Erinnerung.
Manchmal ahmen wir das nach oder denken zumindest darüber nach. Und er sagt, das sei schlecht. Er nennt die Possenreißer.
Denkt heute an Soap-Operas oder Fortsetzungsreihen wie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Tatsächlich gibt es kaum ein Thema der Unzucht, das dort nicht vorkommt. Nichts, worüber man spotten könnte, wird ausgelassen – selbst bei Leuten von etwas höherem Niveau wie Harald Schmidt.
Im Grunde geht es dabei oft darum, sich über andere lustig zu machen, über alles herzuziehen – natürlich auch über den Glauben. Das ist eigentlich keine christliche Vorgehensweise, wie wir hier sagen.
Dann fragt er: Wenn das so ist, warum schaut ihr euch das denn an? Warum geht ihr dahin? Das ist zumindest eine berechtigte Frage.
Nicht, dass ihr mich falsch versteht: Damit will ich nicht sagen, ihr müsst euren Fernseher sofort abschaffen. Ihr dürft ihn ruhig noch eine Zeit lang im Keller aufbewahren. Nein, das nicht.
Aber ich möchte sagen, diese Sensibilität, die die Christen damals hatten, sollte uns herausfordern. Sind wir nicht vielleicht in manchen Punkten zu lasch oder zu wenig empfindlich? Ist unser Gewissen vielleicht zu sehr abgestumpft? So möchte ich das eher ausdrücken.
Ich habe euch versprochen, jetzt Schluss zu machen. Ich glaube auch, dass ich sonst Ärger mit Joachim bekomme, wenn ich es nicht tue. Also werde ich jetzt lieber das Schlusswort sprechen.
Zum Abschluss möchte ich einfach mit euch beten.
Ich hoffe, ihr habt jetzt einige neue Eindrücke von den ersten Christen gewonnen und wurdet durch ihre Erfahrungen herausgefordert. Wir werden noch ein bisschen mehr hören und dabei nicht nur bei den ersten drei Jahrhunderten bleiben. Auch die Gegenwart wollen wir in den Blick nehmen.
Zum Abschluss bete ich noch mit euch:
Herr Jesus, vielen Dank für diese Christen, denen du so viel Mut gegeben hast. Sie haben vielfältige Widerstände überwunden und trotz allem überlebt. Du hast dafür gesorgt, dass sie nicht ausgerottet wurden. Du hast dich als derjenige erwiesen, der viele von ihnen hat überleben lassen. Schließlich hast du sogar bewirkt, dass der Kaiser des römischen Reiches erkannte, dass das, was in der Bibel steht, Wahrheit ist. Es ist sinnlos, Christen zu verfolgen, weil die biblische Botschaft wahr ist.
Wir bitten dich, dass du uns heute die Augen öffnest, besonders für Christen in anderen Ländern, die auch heute verfolgt werden und sterben, weil sie Christen sind. Lass uns an sie denken und für sie einstehen. Zeige uns, wie wir sie unterstützen und ihnen helfen können.
Bitte sensibilisiere uns auch dafür, wo in Deutschland eine kritische Stimmung gegenüber dem christlichen Glauben entsteht. Hilf uns, auch dort Farbe zu bekennen und Stellung zu beziehen. Gib uns den Mut, keine Kompromisse einzugehen.
Wir bitten dich außerdem, uns herauszufordern, dort zu handeln, wo es nötig ist – so wie die ersten Christen es getan haben. Lass uns konsequent sein, wenn es um soziales Engagement geht und wenn wir uns öffentlich mit Gegnern auseinandersetzen. Zeig uns, wie wir ihnen zeigen können, dass ihre Vorwürfe falsch sind.
Erinnere uns daran, wie die ersten Christen klar Stellung bezogen haben – gegen eine esoterische Verfälschung des Glaubens und gegenüber der Freizeitgestaltung sowie den Angeboten ihrer Zeit. Zeig uns, wie wir heute handeln müssen, und gib uns die Kraft, das auch zu tun.
Geh mit uns in diesen Abend und schenke uns einen erholsamen Schlaf. Danke dafür. Amen.
Wer noch weiter lesen möchte, findet die Materialien hier. Ich wünsche euch einen schönen Abend, gute Gespräche und bis morgen!