Wir stehen mitten in dieser Reihe, in dieser Glücksbild-Reihe, und nähern uns dem dritten Punkt.
Die Frage lautet: Was ist eigentlich wichtig, um ewiges Glück zu erlangen? Wir haben bereits gesehen, dass es dazugehört, arm im Geist zu sein. Außerdem haben wir festgestellt, dass es dazu gehört, mit einer gewissen Traurigkeit durchs Leben zu gehen. Das mag auf den ersten Blick verblüffend sein, hat aber damit zu tun, dass wir, wenn wir Traurigkeit nicht zulassen, bestimmte Momente des Glücks und wichtige Entwicklungsschritte für unser Leben nicht vollziehen können.
Heute geht es um das Thema Sanftmut.
Die moderne Vorstellung von Glück und die Botschaft Jesu
Die moderne Vorstellung von Glück ist oft die folgende: Wenn ich am längeren Hebel sitze, alles kontrollieren und beherrschen kann, wenn ich so viel Einfluss wie möglich habe und in meiner Ellenbogengesellschaft die spitzesten Ellenbogen besitze, mit denen ich mich am besten durchsetzen kann, dann muss das der Weg zum Glück sein.
Menschen, die anders denken und sich nicht so stark durchsetzen wollen, werden oft als etwas eigenartig eingeschätzt.
An dieser Stelle kommt Jesus ins Spiel. Er sagt etwas, bei dem man zunächst denkt: Hoppla, was bedeutet das denn?
In Matthäus 5,5 heißt es: Glückselig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.
Bevor wir auf diesen Vers näher eingehen, möchte ich kurz das Umfeld dazu beschreiben.
Die Verheißung an Abraham und die Geschichte des Landes
Das Drumherum beginnt mit Abraham. Gott schließt mit Abraham etwa zweitausend Jahre vor Christus einen Bund. Abraham erhält eine Verheißung, und diese lautet: „Ich bin der Herr, der dich herausgeführt hat, um dir dieses Land zu geben.“ Gemeint ist das Land Kanaan.
Gott gibt Abraham die Zusage, dass er dieses Land bekommen wird. Dieser Segen, den Abraham erhält, wird von Generation zu Generation weitergegeben. Etwa 500 Jahre später erfüllt sich diese Verheißung. Unter Mose zieht das Volk Israel aus Ägypten aus. Unter Josua, den man heute als General bezeichnen würde, zieht es in das verheißene Land ein.
Sie erhalten tatsächlich das, was Gott Abraham versprochen hat: das Land Kanaan. Wenn man die Bibel liest – und ich hoffe, das tut man – dann steckt am Ende der fünf Bücher Mose eine Menge Arbeit darin. Schließlich kommt man bei Josua an und denkt: „Endlich sind sie durch, endlich im verheißenden Land!“ Man freut sich kurz, zumindest wenn man die Geschichte noch nicht kennt.
Doch diese Freude ist nur von kurzer Dauer. Die Israeliten nehmen das Land nur sehr halbherzig ein. In der Folgezeit müssen sie immer wieder unter Fremdherrschaft leiden. Zur Zeit der Richter sind es Stämme wie die Midianiter oder die Philister, die das Land bedrohen. Später kommen die Assyrer, Babylonier, Perser und Griechen.
Zur Zeit, als Jesus sagt: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben“, sind die Römer schon fast hundert Jahre im Land und haben hier das Sagen.
Die Erwartung an den Messias und Jesu andersartiges Kommen
Ihr könnt euch vorstellen, wie groß die Empörung der Juden über diesen Zustand ist. Vor diesem Hintergrund sagt man: Das kann doch nicht sein, dass wir diese Verheißung haben, das Land zu erben, und jetzt sind hier die Römer. Die Römer sagen uns, was wir tun sollen.
Vor diesem Hintergrund entsteht eine Erwartung in Bezug auf den Messias. Wie hat man sich den Messias damals vorgestellt? Ein passendes Bild für uns sind Begriffe wie Rambo oder Terminator, aber auch Obelix oder Asterix mit seinem Zaubertrank. Also jemand, der dieses ganze römische Pack aus dem Land wirft, der sich an die Spitze einer Befreiungsarmee stellt und mit brachialer Gewalt sowie klugen taktischen Entscheidungen dafür sorgt, dass das Land Israel endlich nur noch von den Juden regiert wird.
Und jetzt kommt Jesus – und er passt einfach nicht in dieses Schema. Könnt ihr euch das vorstellen? Man hat so eine Erwartungshaltung, und dann kommt ein ganz anderer Messias. Ein Messias, der nicht erwartet wird.
Diese Andersartigkeit wird am Ende dazu führen, dass die Leute vor Jesus stehen und sagen: "Kann ja sein, dass du vieles tust, was dich als Messias ausweist, aber so einen Messias wie dich wollen wir eigentlich nicht haben." Also, ich denke...
Jesu Einzug in Jerusalem als Zeichen der Sanftmut
Besonders markant wird das, wenn Jesus in Jerusalem einzieht. Die Leute erwarten einen König, der mit blitzender Rüstung auf einem herrlichen Streitross an der Spitze einer siegreichen Armee unter Fanfarenstößen in Jerusalem einzieht und die Befreiung ausruft.
Doch dann lesen wir, wie der wahre König sich wirklich zeigt. In Matthäus 21,5 steht: „Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und auf einer Eselin reitend.“ Auf der einen Seite gibt es also das Bild vom Schlachtross, von Rüstung, von allem, was groß, gewaltig und martialisch ist. Und dann kommt da so ein kleiner Esel mit einer unscheinbaren Person, die man leicht übersehen könnte. Vielleicht ist der König nur etwa 1,50 Meter groß oder so.
Das, was ich eben gelesen habe, steht zwar in Matthäus, ist aber ein Zitat aus Zacharja. Dort sagt Gott: „Das ist dein König.“ An anderer Stelle beschreibt der Prophet Jesaja den Charakter des Messias. In Jesaja 42 heißt es, und das wird in Matthäus 12 zitiert: „Siehe, mein Knecht, den ich erwählt habe; meinen Geist habe ich auf ihm. Er wird nicht streiten noch schreien, ein geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen und einen glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“
Man hat also die Erwartung an jemanden, der nicht nur mit dem Ellenbogen, sondern mit dem Breitschwert seinen Weg geht. Doch dann kommt einer, der nicht streiten will, nicht schreien will, der sich um die geknickten Röhren kümmert und um den glimmenden Docht. Er nimmt sich der Menschen an, bei denen man sonst sagen würde: „Komm, vergiss es! Was die durchgemacht haben oder was sie darstellen, hat keinen Sinn. Damit geben wir uns nicht mehr ab.“
Ich komme ja aus Bayern, da heißt es: „Hopfen und Malz, verloren.“ Da braucht man es nicht mehr zu versuchen. Und genau an dieser Stelle greift der Messias ein und sagt: „Nein, dazu bin ich nicht bereit.“ Jesus geht zart und verständnisvoll mit Menschen um. Er begegnet ihnen mild und freundlich.
Und genau diese sanfte Art, dieser sanfte Retter, wird abgelehnt.
Die Bedeutung von Sanftmut und ihre biblische Erklärung
Was bedeutet es, sanftmütig zu sein?
Glückselig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben. Doch was bedeutet es, sanftmütig zu sein? Hier muss ich euch kurz mit einem griechischen Wort konfrontieren. Ich werde nicht sagen, wie es heißt, aber ich werde versuchen, zu erklären, was es bedeutet.
Man konnte damals von einem Reitpferd sagen, dass es sanftmütig ist, wenn es auf der einen Seite temperamentvoll war, aber bereit, seine Kraft von einem Jockey zügeln zu lassen. Ihr merkt, der Begriff muss also etwas anderes bedeuten, als wir normalerweise darunter verstehen.
Es gab auch ein Medikament, das in der Lage war, dich umzubringen. Wurde es jedoch in der richtigen Dosierung eingesetzt, bezeichnete man es als sanftmütig. Oder ein guter Wind zum Segeln wurde als sanftmütiger Wind beschrieben. Also ein Wind, der genug Kraft hatte, um zu segeln, aber nicht so stark war, dass er dich umwerfen konnte.
Sanft zu sein oder sanftmütig zu sein bedeutet also, dass ich meine Möglichkeiten, mein Potenzial, so bereit bin zu kontrollieren, dass für den anderen etwas Gutes dabei herauskommt.
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Sanftmut im Umgang mit Gott und mit Menschen
Sanftmütigkeit ist etwas, das ich in zwei Richtungen leben kann. Zum einen kann ich sanftmütig gegenüber Gott sein, zum anderen gegenüber anderen Menschen.
Wenn ich Gott gegenüber sanftmütig bin, bedeutet das, dass ich bereit bin, die Möglichkeiten, die Gott mir gegeben hat, nicht widerständig zu nutzen, sondern sein Wort anzunehmen. Das heißt, ich verzichte darauf, mein eigenes Ding durchzuziehen und Gottes Führung abzulehnen.
Im Jakobusbrief heißt es: „Deshalb legt alle Bitterkeit ab und nehmt das eingepflanzte Wort mit Sanftmut auf, das eure Seelen zu retten vermag.“ Mir geht es dabei vor allem um diesen Punkt: Es ist wichtig, wie wir mit Gottes Wort umgehen.
Auf der Folie rechts oben steht das Wort „Widerspenstigkeit“ – das beschreibt die Haltung „Ich gegen Gott“. Gott sagt mir etwas in seinem Wort, und die Frage ist: Wie gehe ich damit um? Ich habe das Potenzial zu sagen: „Lass mich in Ruhe, ich will das nicht hören, ich will das nicht tun.“ Das ist natürlich Sünde, aber dieses Potenzial habe ich.
Gott fordert uns jedoch auf, sein Wort sanftmütig aufzunehmen – als solche, die bereit sind, es zu leben und ihr Potenzial dafür einzusetzen, dem Wort Gottes eine fleischliche Gestalt zu geben. Der Sanftmütige ist also jemand, der sich von Gott führen lässt, nicht widerspenstig ist, auf Gottes Wort hört und sich korrigieren lässt. Das ist die Ebene Mensch-Gott.
Es gibt aber auch die Ebene „Ich – andere“, also die Beziehung zu anderen Menschen. Im Epheserbrief heißt es: „Wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut einander in Liebe ertragend.“ Hier taucht das Wort Sanftmut wieder auf: „Mit Sanftmut einander in Liebe ertragend.“
Wenn wir den Begriff Sanftmut in der Bibel studieren, stellen wir fest, dass er eng verwandt ist mit Freundlichkeit, Demut, Langmut und auch Stille. Das heißt: Wenn ich sanftmütig mit Menschen umgehe, dann gehe ich freundlich auf sie zu. Ich gehe milde mit ihnen um, sie sind mir wichtig, und ich möchte ihnen nicht wehtun.
Drehen wir den Begriff um, was bedeutet es, wenn ich nicht sanftmütig mit jemandem umgehe? Dann gehe ich wahrscheinlich grob, unfreundlich, hochnäsig, besserwisserisch, herrisch, hart oder verletzend mit ihm um.
Und Gott sagt: Das möchte ich nicht. Ich möchte nicht, dass du auf eine lieblose Weise mit Menschen umgehst.
Sanftmut als kontrollierte Kraft und gelebte Stärke
Und noch einmal, damit wir das nicht falsch verstehen: Was bedeutet es, sanftmütig zu sein? Sanftmütige Menschen sind keine Weicheier. Das ist ganz wichtig, dass wir das verstehen.
Sanftmut heißt, ich zitiere hier John MacArthur: „Power put under control“ – Kraft, die kontrolliert wird. Ein Beispiel dafür ist ein Kernkraftwerk. Weißt du, wie ein Kernkraftwerk funktioniert? In der Mitte befinden sich Brennstäbe, in denen so viel Energie steckt, dass, wenn man sie spontan freisetzen würde, nichts mehr übrig bliebe – nicht nur hier, sondern im weiten Umkreis.
Ich muss dafür sorgen, dass immer nur ein klein bisschen von der Energie in einem solchen Kernreaktor freigesetzt wird. Gerade so viel, dass ich daraus Strom erzeugen kann. Wenn es zu einem Störfall kommt, ist das eine sehr heikle Angelegenheit. Dann muss ich schnell dafür sorgen, dass das Kernkraftwerk heruntergefahren wird, damit nicht alles in die Luft fliegt.
Wir haben momentan ja eine Diskussion über Kernkraftwerke. Sanftmut bedeutet, dass ich bereit bin zuzugeben, dass in mir das Potenzial steckt, andere wirklich zu verletzen. Wenn ich ehrlich hinschaue, sage ich: „Hey, ich bin jemand, der dich kaputt machen kann – durch einen blöden Scherz, durch Lieblosigkeit, dadurch, dass ich dir zeige, dass du mich nicht interessierst, oder dass ich dich nicht unterstütze, obwohl du Unterstützung brauchst.“
Ich habe die Kraft, dich zu verletzen. Jeder von uns hat die Kraft, einander auf eine Weise zu schaden, die richtig wehtut. Und jetzt sagt Gott: „Hey, ich wünsche mir, dass du sanftmütig bist. Ich wünsche mir, dass du diese Kraft, diese Power, die in dir steckt, so einsetzt, dass sie anderen Menschen nutzt.“
Deshalb hat ein sanftes Wesen in der Bibel nichts mit Feinheit oder einem Mangel an Überzeugungen zu tun. Es geht nicht darum, nur noch nett zu sein. Sanftmut ist gelebte Stärke, gelebter Mut und gelebte Glaubensüberzeugung – aber eben nach dem Vorbild Jesu, so wie Jesus es gemacht hat.
Denn Jesus war nicht schwach. Er stand vor Dämonen und sagte: „Zack, raus!“ Jesus hatte Kraft und Mut. Er konnte sich vor die Obersten stellen und behaupten: „Ich bin der Messias“, obwohl er genau wusste, dass ihm das den Tod bringen würde. Jesus hatte Glaubensüberzeugungen. Er konnte den Lehrern seiner Zeit entgegentreten und sagen: „Was ihr hier verkündet, ist alles falsch. Ihr habt selbstgemachte menschliche Gebote. Es stimmt alles hinten und vorne nicht, was ihr macht.“
Er hatte Mut, Stärke und Überzeugungen. Trotzdem sagte Jesus von sich selbst: „Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.“ Was meint er damit? Er ist bereit, die Kraft, die in ihm steckt, so zu dosieren, dass sein Gegenüber genau das bekommt, was er braucht.
Dabei zerbricht der andere nicht unter ihm, wird nicht von seiner Persönlichkeit zerdrückt und auch nicht von seiner Art kaputtgemacht. Man kann sagen: Sanftmut ist der Weg Christi – und damit unser Weg miteinander. Wir sollen wirklich auf diese Weise sanftmütig sein.
Sanftmut ist ein Teil des Wegs zum Glück. Du möchtest glücklich sein? Ich verspreche dir: In einer Ellenbogengesellschaft wirst du als Ellenbogenstoßer nicht glücklich. Werde sanftmütig.
Wozu brauchen wir Sanftmut? Die zweite Folie bitte.
Fünf Gründe, warum wir Sanftmut brauchen
1. Sanftmut macht uns Jesus ähnlicher
Zum Abschluss möchte ich fünf kurze Punkte nennen, warum wir Sanftmut brauchen.
Der erste Punkt lautet: Wir brauchen Sanftmut, um Jesus ähnlicher zu werden. Niemand kann sich auf Jesus beziehen, wenn er unbeherrscht, grob oder verletzend mit Menschen umgeht. Abgesehen von ganz extremen Fällen, wie wenn Jesus auf die Pharisäer trifft und ihnen deutlich die Meinung sagt – wenn man solche Ausnahmen außen vorlässt – kann sich niemand sonst mit einem groben oder verletzenden Verhalten auf Jesus berufen.
Es ist vielmehr so, dass Sanftmut genau das ist, was der Heilige Geist in dir bewirken will. Es gibt natürlich Menschen, die von Anfang an sehr nett und lieb sind. Zu diesen Personen spreche ich jetzt nicht. Ich wende mich an diejenigen, die merken: „Sanftmut ist irgendwie noch nicht so ganz meins.“ Und zu denen sagt die Bibel im Galater 5,22: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung.“
Wenn du also sagst: „Ich bin eigentlich nicht so der sanftmütige Typ“, dann weißt du jetzt, wohin der Heilige Geist dich führen möchte. Das ist deine geistliche Entwicklung.
Dem Timotheus schreibt Paulus: „Du jage aber nach Gerechtigkeit und Sanftmut.“ Wieder so ein Punkt. Timotheus steckt natürlich in einer schwierigen Situation. Er ist in Ephesus, soll dort in der Gemeinde einiges in Ordnung bringen und ist eigentlich noch ein junger Mann. Er muss sich mit Problemen herumschlagen, die eigentlich eine Ältestenschaft lösen sollte. Doch mit dieser Ältestenschaft stimmt irgendetwas nicht – es fehlen Kriterien und vieles andere.
Jetzt hängt Timotheus mitten in dieser Gemeinde, Paulus ist schon wieder weg und er bekommt keine Rückendeckung. Man kann sich vorstellen, dass er manchmal in Situationen gerät, in denen ihm der Kragen platzt und er am liebsten jemandem verbal eine Ohrfeige geben würde. So ungefähr: „Wer bist du denn?“ – „Ich bin Timotheus.“ – „Und wer bist du?“ – „Dritte Generation Christ, hat aber noch nie eine Gemeinde gegründet.“ – „Komm jetzt, halt endlich den Rand!“
In solchen Situationen weiß Paulus, dass Timotheus wahrscheinlich so reagieren könnte. Deshalb sagt er ihm: „Jage der Sanftmut nach! Pass auf, dass du auch in schwierigen Situationen immer Jesus ähnlicher werden möchtest!“
2. Sanftmut ermöglicht Liebe in der Gemeinde
Zweiter Punkt: Wir brauchen Sanftmut, weil sich sonst Gemeinde nicht lieben lässt.
Du hast deine Ecken, ich habe meine Kanten. Es ist ja schön, wenn wir in der Bibel lesen, dass wir uns immer aneinander abrubbeln sollen. „Eisen wird durch Eisen geschärft, und das Angesicht eines Mannes durch seinen Nächsten“ – ja, wir sollen uns alle kräftig rubbeln.
Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist: Wenn wir lange genug rubbeln, wird es auch ziemlich warm. Und irgendwann hat man zu lange gerubbelt, dann ist es wund. Wenn man noch weiter rubbelt, tut es weh.
Deshalb gibt es diesen Vers in Epheser 4: „Wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut einander in Liebe ertragend.“
Merkst du das? Du sollst in Sanftmut einander ertragen. Da ist einer, den verstehst du nicht, der lebt sein Leben anders. Gott hat uns – ich habe heute Morgen schon einmal gepredigt, da habe ich über Einmütigkeit gepredigt – dazu berufen, ein Team zu sein. Einmütig sollen wir Gott, unseren Vater, verherrlichen.
Das heißt, wir müssen lernen, einander anzunehmen. Wir müssen lernen, uns aneinander zu freuen. Wir müssen ganz aktiv dafür sorgen, dass wir Integratoren werden, dass wir uns zusammenbringen. Wir dürfen nicht dafür sorgen, dass jemand nicht dazugehört oder andere nicht mehr reinkommen. Wir sind dazu da, ein Team, eine Mannschaft zu bilden, eine Gemeinde, einen Leib.
Und dazu braucht es Sanftmut. An manchen Stellen müssen wir einander ertragen. Dann wirst du dir denken: „Jürgen, Jürgen, Jürgen, ich könnte es nie so machen, wie du das lebst.“ Und ich sage: Ja, das ist halt so. Tut mir auch irgendwie leid. Ich bin so, ich bin komisch an manchen Stellen. Aber du auch, du bist auch komisch an manchen Stellen.
Jetzt lass uns doch schmunzeln über die Dinge, wo wir komisch sind, und lass uns lieben, weil wir zur Liebe berufen sind. Ein Ausdruck von Liebe ist Sanftmut.
Wenn ich auf liebevolle Weise mit dir umgehe – im Galaterbrief heißt es: „Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt wird, so helft ihr einem solchen im Geist der Sanftmut wieder zurecht.“
Manchmal gibt es ja auch Momente, wo wir einander etwas sagen müssen. Dann heißt es: Wenn jemand sündigt, muss ich zu ihm hingehen, weil ich ihn lieb habe, und ihm sagen: „So geht das nicht.“
Aber mit welchem Geist gehe ich jetzt hin? Stehe ich mit einem Richtgeist da und sage von oben herab: „Wer bist du denn, dass du mir jetzt sagst, was ich in meinem Leben ändern muss?“ Oder schaffe ich es, in einem Geist der Sanftmut ihm auf Augenhöhe zu begegnen und zu sagen: „Du, ich habe dich wirklich gern. Aber an der Stelle müssen wir reden, weil es um dich geht, und letztlich auch um uns als Gemeinschaft. Es geht darum, wie Gott durch dein Leben verherrlicht wird. Lass uns doch reden.“
Ich begegne ihm in Sanftmut. Ich sage ihm nicht: „Was bist du für ein schlimmer Sünder!“, sondern ich lasse die Rute im Sack und helfe ihm, zu verstehen, was mir Sorgen macht.
3. Sanftmut lässt unser Licht leuchten
Dritter Punkt: Wir brauchen Sanftmut, um unser Licht leuchten zu lassen.
Im Titusbrief heißt es: „Die Kreter, ihr kennt ja die Kreter, oder?“ Ein bisschen, ja? Die Kreter werden als Bestien und faule Bäuche beschrieben. Sie haben also einen sehr schlechten Ruf.
Dann heißt es im Titusbrief, ermahne sie – das sind die Gläubigen auf Kreta – gegen alle Menschen alle Sanftmut zu erweisen. Wenn du also von Natur aus schon mit einer Bestie, wilden Tieren oder faulen Bäuchen verglichen wirst, dann ist das keine einfache Ausgangslage. Ich weiß nicht, ob ich gerne auf Kreta gelebt hätte, wenn das stimmt. Die beißen erst mal zu. Deshalb müssen sie tatsächlich lernen, gegen alle Menschen alle Sanftmut zu zeigen.
Das bedeutet, Sanftmut ist nicht nur auf die Gemeinde beschränkt. Ich glaube, es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, diese Sanftmut zu leben. Marga hat mir vorhin eine Geschichte erzählt von der kranken Arzthelferin. Du stellst einfach eine Frage, weil du merkst, dass deine Augenoperation etwas langsam heilt und du wirklich ehrlich nur wissen willst, wie der Stand der Dinge ist. Und dann wirst du einfach angeblafft.
Was macht man dann? Das ist nicht immer einfach, einfach sanftmütig zu reagieren.
4. Sanftmut als Voraussetzung, um Verheißungen zu erben
Vierter Punkt: Wir brauchen Sanftmut, um die Verheißungen zu erben.
Die Verheißung lautete am Anfang: „Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.“ Dort, wo wir sanftmütig sind, wird Gott uns belohnen.
Wenn Jesus zu der jüdischen Zuhörerschaft spricht, geht es um das Land. Dieses Land werden sie nicht erhalten. Diese Verheißung gilt nicht für uns; wir haben andere Verheißungen. Das Prinzip bleibt jedoch dasselbe: Wenn wir bereit sind, hier auf der Erde in Sanftmut zu reagieren, unsere Ellenbogen einzufahren und nicht aus jeder Situation alles herauszuholen, was in unserer Kraft liegt, dann...
Wenn wir uns zurücknehmen, weil wir um andere bemüht sind und uns als Werkzeuge Gottes gebrauchen lassen, dann werden wir die Verheißungen Gottes eines Tages genießen. Gott wird uns dafür belohnen.
Das ist das, was Gott tut, und das ist das, was wir brauchen. Dieses Wirken wird hier auf der Erde schon beginnen. Wir werden bereits hier Verheißungen Gottes erleben, und das wird in Ewigkeit weitergehen.
5. Sanftmut führt zum wahren Glück
Und der fünfte und letzte Punkt: Wir brauchen Sanftmut, weil sie zum wahren Glück führt. Das ist unser Thema. Wir brauchen Sanftmut, weil sie uns wirklich durch und durch glücklich macht. Ewiges Glück ist eine Sache von Sanftmut. Ich wünsche uns, dass wir diese Lektion lernen.
Ich war jetzt auf dieser Outdoor-Bibelschule, und es gibt da immer einen Moment, der mich traurig macht. Ich will das mal so sagen: Man redet eine Woche lang mit den Leuten über den Römerbrief, den zweiten Teil vom Römerbrief. Also all das, wo diese ganz praktischen Ermahnungen drin sind, dass wir einander lieb haben sollen, rücksichtsvoll miteinander umgehen und so weiter und so weiter. Praktisches Christsein, es geht kaum praktischer.
Dann kommt der Abschlussabend. Am Abschlussabend gibt es ein besonderes Festessen, ein Zelt voller Teenager und ein Festessen. Natürlich ist so ein Festessen so angelegt, dass nicht die 50 von den 120 Leuten, die da waren, hingehen, sich die Teller vollpacken und dann für die letzten 70 nichts mehr übrig bleibt. Die Idee ist: Du gehst hin, nimmst dir etwas, setzt dich hin, schaust mal, ob die anderen auch etwas bekommen haben, nimmst dann wieder ein Stückchen, so dass jeder etwas kriegt.
Es ist immer traurig zu sehen, wie ein Teil der Teilnehmer sich eine Woche lang über die Bibel unterhalten kann. Aber wenn es praktisch wird, wenn es darauf ankommt, mal sitzen zu bleiben und zu warten oder sich einfach mal nicht den ganzen Teller gleich mit Leckereien vollzumachen, sondern einfach mal zu sagen: Ich nehme jetzt erst mal nur einen Schnitzel, und ich lasse die Bulette und den Nachtisch. Ich nehme hier noch einen Schnitzel und ein bisschen Salat und fertig. Dann setze ich mich wieder hin und esse das auf. Wenn ihr es aufgegessen habt, dann kann ich noch mal hingehen.
Das macht mich traurig zu sehen, wie es dann einfach Leute gibt, die es einfach nicht checken. Ich hatte dann so einen kleinen Jungen neben mir, der — war er dort? — schnappte sich seine Schnitzel, und bevor auch nur die Schlange einmal durch war, hatte er seine zweite Schnitzel. Da habe ich ihn gefragt, aber ich habe ihm dann gesagt: Du, du tust mir leid. Dann hat er mich mit großen Augen angeschaut und gefragt: Warum tust du mir leid?
Ich habe ihm gesagt: Weißt du, du bist jetzt eine Woche hier, aber du hast den wesentlichen Punkt von dem, was wir hier die ganze Zeit behandeln, nicht verstanden. Und ich wünsche euch, dass es euch nicht genauso geht.
Man kann sich so auf theoretischen Höhen im geistlichen Leben bewegen, und man kann prinzipiell bejahen, dass es ja so richtig gut ist, sanftmütig zu sein, liebevoll usw. Aber Christsein wird gelebt im Alltag: da, wo ich einer Arzthelferin begegne, da, wo ich im Gottesdienst den Geschwistern begegne, da, wo ich irgendjemandem begegne, der mich herausfordert.
An der Stelle wünsche ich euch, dass ihr sanftmütig reagieren könnt, euch unter Kontrolle haltet und dem anderen die Liebe gebt, die er tatsächlich braucht. Auf diese Weise werden wir Jesus ähnlicher.