Apollos

Bereitschaft zum Dienst
Konrad Eißler
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Liebe jungen Freunde, nach solch einem gemeinsamen Jahr habe ich euch kennengelernt und schätzen gelernt. Aus euch kann, aus euch muss etwas werden. Deshalb wünsche ich euch vieles, aber der beste Wunsch bleibt: Er schenke euch Bereitschaft zum Dienst. Fangt als Hilfsarbeiter an, werdet zu seinem Facharbeiter und dann endet einmal als Mitarbeiter Gottes. In seinen Diensten lohnt zu leben.“ - Konfirmationspredigt aus der Stiftskirche Stuttgart


[Predigtmanuskript; nicht wortidentisch mit der Aufnahme]

So wie zur Suppe das Salz oder zum Salat der Essig oder zum Kuchen die Sahne gehört, so gehört zur Konfirmation das Geschenk. “Bringet nur recht viel herbei, dass der Fritz auch glücklich sei”, hat einst mein Onkel getextet. Und weil ich will, dass ihr alle glücklich werdet, wünsche ich euch von ganzem Herzen: Der Opa schenke euch ein Fahrrad mit Zehngang und Alufelgen. Die Tante schenke euch einen CD-Player mit Kopfhörer und Autoreverse. Der Onkel schen­ke euch einen Computer mit Joystick und zwei Laufwerken. Und der Vater schenke euch einen Gnadenerlass für alle 5er, die ihr bis Juli ins Haus bringt. Aber das ist nicht alles. Das Wichtigste fehlt noch. Nachher wird euch ausdrücklich und wörtlich gewünscht: “Der Herr schenke euch Bereitschaft zum Dienst.” Auch wenn ihr von solch frommem Wunsch nicht sonderlich begeistert seid: Der Herr schenke euch Bereitschaft zum Dienst. Selbst wenn ihr meint, auf solche Geschenke großzügig verzichten zu können: Der Herr schenke euch Bereitschaft zum Dienst. Was das ist und wie das aussieht, möchte ich euch jetzt an einem jungen Mann zeigen, von dem die Apostel­geschichte erzählt. So wie du Christine und du Claudia und du Sven und du Benjamin heißt, so hieß er Apollos, Apollos aus Alexandria in Griechenland. Sein Dienst begann …

1. als Hilfsarbeiter, obwohl er klug wie ein Haus war. Stud.phil., Student der Philosophie, stand in seinem Ausweis. Auf der Stadt­universität atmete er den griechischen Geist, der sich auch in seinem Namen niedergeschlagen hatte. Apollos war der griechische Gott mit dem Bogen, der Krankheiten sendet und heilen kann, der Orakelgott. Vielleicht war er sogar auf einer Studienfahrt in Delphi gewesen, am Orakel des Apoll, wo einst Pythia auf einem goldenen Dreifuß hockte und weise Sprüche von sich gab. Aber Apollos blickte nicht nur in der griechischen Welt durch, sondern auch in der jüdischen Bibel. Sein Vater war Jude und hatte ihm von klein auf die Thorarolle vorgelesen. Beim Rabbi belegte er eine Vorles­ung über die fünf Bücher Mose. Dieser junge Mann war das, was wir einen Primus nennen, einen Topmann, ein Ass. Apollos war spitze. Er hatte alle Fähigkeiten, die weltliche oder kirchliche Karriereleiter hinaufzuklettern. Freunde sahen in ihm schon den zukünftigen Herrn Professor an der Uni oder den kommenden Bischof bei der Kirchenleitung. Apollos hatte alles Zeug zum Chef - und wurde Hilfsarbeiter im Reiche Gottes. Irgendwo ist er einem Christen begegnet. Irgendjemand hat ihm von Christus erzählt. Irgendwer schleppte ihn in die Gemeinde ab. Der Weg des Herrn kreuzte seinen Weg. Nun gab es nur zwei Möglichkeiten: entweder seinen Weg nach oben, oder Jesu Weg nach unten. Entweder seinen Weg des Ehrgeizes oder Jesu Weg des Gehorsams. Entweder seine Lorbeeren oder Jesu Dornen. Er musste wählen. Jeder muss wählen. Um diese Wahl kommt keiner herum. Das Evangelium ist keine Verbreiterung unserer Lebensstraße, sondern eine Kreuzung. Wir müssen wählen, wo es lang gehen soll. Entweder ich oder Er. Apollos wählte richtig. Noch einmal mag die faszinierende Weite des griechischen Geistes vor ihm gestanden sein, noch einmal die imponierende Gesetzeslehre der jüdischen Rabbinen, noch einmal die verlockende Welt mit allen Angeboten, dann aber ging er auf die Knie und sagte: “Gib, dass ich nichts achte, nicht Leben noch Tod, nur Jesum gewinne, dies eine ist Not.” Apollos schloss sich Paulus an. Der Senkrechtstarter in der Chefetage wurde Hilfsarbeiter auf Gottes Bau.

Du und ich, wir haben keine alexandrinische Hochschule besucht, sondern nur eine Stuttgarter Penne. Du und ich, wir haben keine Rhetorik, keine Redekunst gelernt, sondern nur das Stottern. Du und ich, wir haben keinen Marschallstab in der Tasche, sondern nur ein Taschentuch. Und doch will dieser Gott uns alle brauchen. Gott fragt nicht nach dem Schulzeugnis, sondern nach dem Christuszeugnis. Bei dem müssen wir keine guten Noten vorlegen. Bei ihm müssen wir keinen Test ablegen. Bei dem werden wir nicht dauernd examiniert. Ja zu ihm sagen, das kann jeder und die Konfirmation ist eine gute Gelegenheit dazu. Nur darauf kommt es an, dass auch wir unseren Lebensweg von Jesu Heilsweg kreuzen lassen und dann sagen: “Herr, schicke mich! Als Hilfsarbeiter stehe ich ganz zu deinen Diensten.” Apollos Dienst begann als Hilfsarbeiter, das ist das Erste, und das Zweite: Sein Dienst lief …

2. als Facharbeiter, obwohl er nach einiger Zeit Probleme bekam. Der Arzt Lukas berichtet das im Originalton so: “Er wusste nur von der Taufe des Johannes.” Das heißt, Apollos wusste nur von Weihnachten, Karfreitag und Ostern, nicht aber von Pfingsten. Apollos hatte nur vom ersten und zweiten Glaubensartikel etwas gehört, aber nicht vom dritten. Apollos glaubte nur an Gott den Vater und Gott den Sohn, aber nicht an Gott den Heiligen Geist. Das gibt es. Christentum ohne Pfingsten, Christentum ohne den dritten Artikel, Christentum ohne den Heiligen Geist. Aber liebe Freunde, das ist wie ein Flussbett ohne Wasser, wie eine Taschenlampe ohne Batterien, wie ein Moped ohne Motor. Christentum ohne den Heiligen Geist ist ein kompletter Krampf, der einem mit der Zeit über wird. Nicht umsonst stellte sich einmal der Rektor der Predigerschule in Basel vor seine Studenten und fragte: “Meine Herren, haben Sie die Gabe des Heiligen Geistes empfangen?” Ja, er habe auf jeden mit dem Finger gezeigt und gesagt: Und Sie? Und Sie? Und Sie? Der eine antwortete: “Ich glaube ja“. Der andere gestand zögernd: “Ich hoffe doch.” Dem dritten blieb die Spucke weg und sagte gar nichts mehr. Dann schlug der Rektor die Bibel auf und las: “Wer Christi Geist nicht hat, ist nicht sein”. Darf ich es auch so machen: Hast du die Gabe des Heiligen Geistes empfangen? Und du? Und du? Und du? Weißt du, ohne den Heiligen Geist bleiben wir nur Hilfsarbeiter, die ihre Flammen der Begeisterung sehr schnell auf Sparflamme zurückdrehen, auf ihrem eingeschlagenen Weg um­drehen und den ganzen Bettel hinwerfen. Wieviel Konfirmanden, die ein ganzes Jahr dabei waren, drehen zurück? Wieviel Jugendkreis­ler, die treu jede Gruppenstunde besucht haben, drehen ab? Wieviel Gottesdienstbesucher, die keinen Sonntagmorgen in der Stiftskirche ausließen, werfen den ganzen Bettel hin?

Bei Apollos lief das anders. Ein einfaches, aber gläubiges Ehepaar lud den jungen Mann zum Abendbrot ein. Vielleicht gab es Schnitzel und Pommes Frites, aber zum Nachtisch ein Gespräch über der Bibel. Der gebildete Mann war sich nicht zu gut, auf diese ungebildeten Leute zu hören. Der studierte Mann war sich nicht zu fein, mit diesen unstudierten Leuten zu beten. Der gescheite Mann war so gescheit, um zu wissen: Dieser Herr Aquila und diese Frau Priscilla haben das, was ich mit meiner ganzen Gehirnmasse nicht erreichen konnte, nämlich den Heiligen Geist. Und was auf der Hochschule von Alexandrien nicht möglich war, das passierte in der Arbeiterwohnung von Ephesus: In einem Leben wurde Pfingsten. Aus einer Religion wurde Glaube. An einem Mann geschah ein Wunder. Der Hilfsarbeiter wurde zum Fach­arbeiter.

Weil wir alle den Heiligen Geist brauchen, deshalb brauchen wir Hauskreise um die Bibel, Gesprächskreise über der Bibel, Jugendkreise mit der Bibel. Alle werden wir bald müde und folgen andern Geistern, die uns an die Leine nehmen. Ohne den Heiligen Geist sind wir den Weltgeistern und Zeitgeistern und Ungeistern hilflos ausgeliefert. Allein Gottes Wort kann uns im wahrsten Sinn des Wortes echt begeistern. Apollos Dienst lief als Facharbeiter, das ist das Zweite, das Dritte: Sein Dienst endete …

3. als Mitarbeiter, obwohl er mit seinem Christsein immer wieder aneckte und mit seinem Christuszeugnis immer wieder in akute Ge­fahr geriet. Aber Jesu Leute lassen sich nicht den Mund verbieten. Allen Menschen in der Welt muss gesagt werden, wer in der Welt das Sagen hat. Jeder hat ein Recht darauf, das Rechte zu wissen und daraus recht zu handeln. Glaube ist doch keine Geschmacks­sache, die dem einen das Leben versüßt und dem andern die Suppe versalzt. Glaube ist doch keine Ansichtssache, die der Intellektuelle mit seinem scharfen Verstand anders sieht als der einfach Gewickelte mit seinem frommen Gemüt. Glaube ist erst recht keine Ansichtssache, die man mit sich und seinem Herzen alleine abmacht. Glaube ist Eilsache, weil sie mit der Wahrheit zu tun hat und Wahrheit darf nicht unterschlagen werden. Deshalb gehen seine Leute hin und sagen den Verängstigten die Wahrheit: “Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.” Und für die Geschlagenen und Gebeutelten heißt die Wahrheit: “Weil du so wert bist in meinen Augen, so wirst du auch herrlich sein und siehe, ich habe dich lieb.” Und die Schuldigen brauchen die Wahrheit: “Wenn eure Schuld blutrot wäre, so soll sie doch schneeweiß werden.” Dieser Herr will jeden als Mitarbeiter und gibt ihm dabei die Zusage: “Ich bin bei euch alle Tage.” Es ist noch keiner im Namen Jesu ausgezogen, ohne dass sein Herr mitgegangen wäre, unsichtbar, aber wirklich und wirksam. Es gibt keinen Tag, an dem wir auf uns selber gestellt wären, denn er ist bei uns alle Tage. Und er gibt keinen Quadratmeter Erde, der außerhalb seines Machtbereiches läge, denn er ist bei uns bis an das Ende der Welt. Seine Leute stehen immer und überall unter der Schutzmacht Gottes. Apollos Dienst endete als Mitarbeiter.

Liebe jungen Freunde, nach solch einem gemeinsamen Jahr habe ich euch kennengelernt und schätzen gelernt. Aus euch kann, aus euch muss etwas werden. Deshalb wünsche ich euch vieles, aber der beste Wunsch bleibt: Er schenke euch Bereitschaft zum Dienst. Fangt als Hilfsarbeiter an, werdet zu seinem Facharbeiter und dann endet einmal als Mitarbeiter Gottes. In seinen Diensten lohnt zu leben.

Amen