I. Nicht alle sind gleich
Mit grosser Selbstversändlichkeit geht Paulus davon aus, dass es in der Gemeinde wesentliche Unterschiede sind. Es gibt keine Gleichschaltung, sondern verschiedene Aufgaben und verschiedene Verantwortlichkeiten. Wer mehr arbeiten kann und das auch tut, ist deswegen nicht unbedingt heiliger oder in den Augen Gottes gerechter. Paulus selbst war einer, der eine grosse Arbeitskapzität besass, was er auch unverholen den Korinthern sagte, in Bezug auf die anderen Apostel schreibt er: Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. 1.Kor.15,10. Die Gnade Gottes ermöglichte seinen Einsatz. Er erwartete auch nicht, dass alle seine Leistung vollbringen müssen. Die Menschen sind nicht gleich weder in der Welt noch in der Gemeinde. Jesus machte sogar bei seinen zwölf Jüngern Unterschiede. Er hatten einen engeren und vertrauteren Kreis, und den grösseren Jüngerkreis. Zum vertrauteren Kreis gehörten Petrus, Jakobus und Johannes (Die Söhne des Zebedäus) Bei der Verklärung Jesu: Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. ... Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist. Mt.17.1+9. Jesus in Gethsemane: Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen. Mt.26,37. Alle zwölf Junger zählt man zu den Jüngern Jesu, trotzdem pflegte Jesus zu drei Jüngern ein besonderes Verhältnis und vertraute ihnen Dinge an, von denen die anderen nichts wissen durften.
Für mein persönliches Leben ist es nicht von grosser Bedeutung welchen Platz ich bei Jesus und in der Gemeinde einnehmen. Entscheidend ist, ob ich ein Jünger von Jesus bin. In einem Punkt sind wir Menschen trotz aller Verschiedenheit alle gleich. Wir sind gleich, wenn es um unser Ansehen bei Gott geht. So macht die Bibel deutlich: Es ist kein Unterschied, die Menschen sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten. Rö.3,23. Wenn es um die Seele des Menschen geht sind alle gleich. Alle sind durch die Sünde von Gott getrennt. Und alle, ob in der Welt angesehen oder nicht, erfahren Rettung, wenn sie sich Jesus zuwenden. Die Trennung von Gott führt in die ewige Verdammnis, aber der Glaube an Jesus rettet für Zeit und Ewigkeit. Paulus schreibt: Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn. Rö.6,23. Haben Sie diese Gabe schon erhalten? Wissen Sie, ob sie ewiges Leben haben? Jesus lädt Sie ein!
Wenn wir Jesus nachfolgen, so sind wir in den Augen Gottes alle gleich. Wir gehören zu denen, die das ewige Leben bekommen haben und in seinem Reich Erben sein werden. Das heisst aber noch lange nicht, dass wir als Menschen auf dieser Erde und in der Gemeinde gleichgeschaltet sind. Jeder ist und bleibt ein Original mit seinen Gaben und Kräften, die ihm zur Verfügung stehen. Von dieser Sichtweise geht Paulus aus. Er fordert nicht die auf, die in der Gemeinde sich weniger einbringen, sich viel mehr einzubringen und ab sofort mehr Verantwortung zu übernehmen, sondern er bittet die Gemeinde, die anzuerkennen, die sich besonders stark um die Gemeinde mühen. Vermutlich will er sagen: Seid euch ihrer Bedeutung für das Gemeindewohl bewußt. Anerkennt solche Leute. Aber um welche Leute handelt es sich? Drei verschiedene Charakterisierungen macht Paulus, um die Verschiedenartigkeit der Dienste zu beschreiben:
Die sich unter euch Mühen
Es sind solche, die sich in vielfältiger Weise um die Gemeinde kümmern. Paulus selbst erinnert die Thessalonicher in 2,9 an ihr Mühen, als sie in Thessalonich weilten, er schreibt: Ihr erinnert euch doch, liebe Brüder, an unsre Arbeit und unsre Mühe; Tag und Nacht arbeiteten wir, um niemand unter euch zur Last zu fallen, und predigten unter euch das Evangelium Gottes. 1.Thess.2,9. Das Maß ihrer Bemühungen und Verantwortung geht über das Normale eines Gemeindegliedes hinaus. Es sind die Geschwister, die viele kleine und grosse praktische Dienste tun: Krankenbesuch, Büchertisch, Krankenpflege, Reinigungsdienst, Buchführung usw.
Die Vorstehen im Herrn
Weiter spricht er von denen, die vorstehen. Geschwister, die wie Paulus es ausdrückt, im Herrn vorstehen, denn sie sind von Gott eingesetzt und ihm gegenüber verantwortlich. Wie Gott Könige und Herrscher in der Welt ein- und absetzt, so tut er das ganz bestimmt auch in der Gemeinde. Paulus ist dieser Gedanke ganz selbstverständlich zu den verantwortlichen Leitern von Ephesus: So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat. Apg.20,28.
Die euch ermahnen
Und schließlich die Leute, die die Gemeinde ermahnen oder man könnte auch sagen, die sie zurechtrücken. Dieses Wort beschreibt die Einwirkung auf den Willen u. das Gemüt des Menschen, der Versuch einen Widerstand zu überwinden; der Sinn soll zurechtgerückt werden, Falsches richtiggestellt u. die geistig-seelische Haltung gebessert werden. Damit ist vermutlich der Wächter- und Lehrdienst im weitesten Sinn angesprochen. Geschwister, die diesen Dienst tun, stehen unter einem strengeren Urteil, wie Jakobus schreibt: Liebe Brüder, nicht jeder von euch soll ein Lehrer werden; und wißt, daß wir ein desto strengeres Urteil empfangen werden. Jak.3,1.
Zusammenfassung
Hier werden die Gemeindeglieder beschrieben, die Aufgaben wahrnehmen, die das normale Mass der Mitarbeit in der Gemeinde übersteigt. Gemeindeglieder, die mehr Verantwortung tragen, die sich aber, und das wird oft zuwenig deutlich erkannt, sich auch vor Gott mehr zu verantworten haben. Diese Gläubigen sollen von den übrigen Gläubigen anerkannt werden. Die Gemeinde soll sich ihrer Bedeutung für das Gemeindewohl bewusst sein.
II. Liebende Wertschätzung
Die Geschwister, die in den verschiedenen Bereichen der Gemeinde arbeiten, sollen sogar hoch geschätzt werden. Habt sie um so lieber um ihres Werkes willen. o. haltet sie hoch über alle Maßen in Liebe, wegen ihres Werkes. (13) Es handelt sich nicht um ein Hochhalten in Furcht und Zittern. Es geht nicht um eine Idolisierung dieser Geschwister. Man soll nicht erzittern, wenn sie erscheinen, denn in Liebe soll man sie hochhalten. Die Thessalonicher sollen diese Geschwister hochhalten wegen ihres Werkes, wegen ihrer Aufgabe, die sie wahrnehmen. Nicht weil sie als Personen besonders ansehnlich und repräsentativ sind, sondern wegen ihres Werkes. Wegen der Arbeit, die sie für die Gemeinde, für das Reich Gottes tun.
Es ist ganz natürlich, dass Geschwister, die arbeiten und Verantwortung tragen besonders exponiert sind und somit angreifbar. Es liegt in der Sache, wo Menschen Verantwortung tragen, müssen auch Entscheidungen gefällt werden, die in der Praxis oft schwieriger sind, als wenn man theoretisch aus Distanz entscheidet. Entscheidungen, die auch nicht von jedem verstanden werden. Gestern (28.4.95) habe ich gerade einen Brief von einem Missionar erhalten, der zurückkam, um in Deutschland die Leitung der Mission zu übernehmen, er schreibt: ...wir haben uns wieder in Deutschland eingelebt, obwohl unser Herz immer noch an Tanzania hängt. Was uns zu schaffen macht ist die schwierige Situation unserer Mission. Es ist halt doch was anderes, ob man „einfacher“ Missionar ist oder ob man in der Verantwortung für sie steht. Wie oft hätten wir uns am liebsten wieder davon gemacht! Flucht ist aber kein Ausweg. [1] Es kann schnell geschehen, wenn Dinge zurechtgerückt werden müssen, wenn Ermahnung geschieht, dass sofort Oposition entsteht. Paulus hat dies am eigenen Leib erfahren und Timotheus teilt er mit: Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streitsüchtig sein, sondern freundlich gegen jedermann, im Lehren geschickt, der Böses ertragen kann 2.Tim.2,24. Paulus schreibt dies aus eigener bitterer und schmerzlicher Erfahrung. Es ist leider so, wenn Menschen zusammen sind, dass Spannungen entstehen und dass den Verantwortlichen einer Gemeinschaft besondere Aufmerksamkeit zukommt. Und oft geht es so wie es Mose erfahren musste, als sich Mirjam, seine Schwester, und Aaron, sein Bruder, an dem Einfluss störten, den Mose im Volk hatte und sie sprachen zueinander: Und sie sprachen: Redet denn der Herr allein durch Mose? Redet er nicht auch durch uns? Und der Herr hörte es. Num.12,2. Oft sind es ganz persönliche Beweggründe, die solche Überlegungen und Gedanken auslösen. Manchmal ist es schlichtweg Eifersucht, wie hier bei Mirjam und Aaron. Angriffe, auch wenn sie in einem frommen Gewand daherkommen, sind nicht immer aus geistlicher oder biblisch begründeter Herzensbewegung. Ganz wichtig ist die Aufforderung nicht allein zur Wertschätzung, sondern zur liebenden Wertschätzung. Die Liebe ist hier ganz wichtig. Die Liebe sucht nicht die Fehler beim Nächsten. Liebe ist im positiven Sinn tolerant. Liebe versucht zuerst zu verstehen und nicht gleich zu behaupten. Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sie sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Die Liebe freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. 1.Kor.13,4-6. Leider bestimmt uns als Christen nicht immer diese Liebe. Schnell fühlen wir uns übergangen und haben Angst an Einfluss zu verlieren. Man verhält sich wie ein Zuschauer, der aus Distanz beobachtet und immer weiss wie und was richtig wäre.
Auf einen Punkt möchte ich Euch noch aufmerksam machen. Ich meine folgenden Verhaltensweise beobachtet zu haben. Vielleicht helfen sie dem einen oder anderen zur persönlichen Korrektur und Heiligung, damit wir in Liebe miteinander verkehren können. Wo ich selber Schwierigkeiten habe, da vermute und suche ich beim anderen dieselben Schwierigkeiten, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass der andere damit keine Probleme hat. Beispiel mit dem Nasenspitz. Was ich mit Worten sehr stark überbetone, das sind oft Dinge, die ich mir einzureden suche. Beispiel Bibelschule Wenn wir mit anderen Geschwistern Schwierigkeiten haben, dann tut es gut, wenn wir uns erst selber den Spiegel vorhalten und erst einmal fragen, ob es vielleicht mein eigenes Problem ist, dann tue ich gut darin, zuerst an mir zu arbeiten.
Also, wir sollen die Geschwister, die sich besonders um die Gemeinde mühen hochhalten und nicht unnötig mit Dingen belasten - die nüchtern betrachtet - eigentlich nicht einmal der Rede wert sind. In liebender Wertschätzung soll man sie halten. Nicht einfach im Umgang diesen Eindruck vermitteln, sondern im Herzen soll es so sein.
III. Haltet Frieden
Paulus war es wichtig, die Christen in Thessalonich darauf hinzuweisen, dass sie diese Geschwister wertschätzen sollen und sie darum zu bitten dies zu tun. Offensichtlich hängt es damit zusammen, ob in einer Gemeinde wirklich Frieden herrscht. Denn das war sein Anliegen, nicht ohne Grund fügt er die Aufforderung an: Haltet Frieden untereinander. Friede untereinander in der Gemeinde hängt wesentlich davon ab, dass die Gemeindeglieder, die sich verantwortlich in der Gemeinde einsetzen in liebender Wertschätzung gehalten werden. Auch dann, wenn sie einen Fehler machen. Wo diese Liebe nicht funktioniert bricht das Chaos aus. Paulus schreibt den Galatern diesbezüglich ein eindrückliches Wort: Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ / Wenn ihr euch aber untereinander beisst und fresst, so seht zu, dass ihr nicht einer vom andern aufgefressen werdet. Gal.5,14-15. Wieviele sind in unseren Reihen schon aufgefressen worden?
Schluss
Mein Wunsch ist, dass wir in unserer Gemeinde so miteinander umgehen. Nicht Neid, Angst, Profilierungssucht, Machtstreben usw. unsere Herzen regiert. Es würde mich freuen, wenn jeder von uns die Bitte des Paulus ernst nimmt und über seiner Gesinnung Busse tut, wenn es nötig ist. Wenn das geschieht, dann leben wir das, was Jesus uns vorgelebt hat, er der nicht das Seine suchte, sondern sich selbst für uns opferte. Mit einem Wort aus dem Philipperbrief möchte ich schliessen: Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, Phil.2,3. Amen
[1] Brief von Dorle und Bernd Brandel.