Einführung: Gebet als gelebte Praxis
Ich finde es gut, dass wir nicht nur über Gebet reden, sondern tatsächlich beten. Über Gebet wird viel gesprochen, aber es bringt nur etwas, wenn wir wirklich beten lernen.
Es ist auch so: Wenn man das Beten nicht an einem Ort wie hier übt und lernt, dann lernt man es zuhause wahrscheinlich noch weniger.
Es gibt einen Vers im ersten Timotheusbrief Kapitel 4, Vers 7, der heißt: „Übt euch in der Gottesfurcht!“ Auch Gebet ist eine Übung. Man kann es nicht von heute auf morgen einfach so können, sondern es braucht Übung.
So wie man auch reden lernen muss – auch Reden ist eine Übung. Manchen fällt es leichter, manchen schwerer. Für diejenigen, die sich schwer tun, ist es ein Lernprozess.
Ich zum Beispiel rede nicht gerne. Das ist ein bisschen komisch, weil ich oft vorne stehe, aber das ist ja etwas anderes. Privat auf eine Person zuzugehen, fällt mir unheimlich schwer. Das muss man auch lernen, es ist nicht so leicht.
Subjektive Gründe für das Gebet: Was bewirkt Gebet für mich?
Ich möchte jetzt noch den zweiten Block über die subjektiven Gründe des Gebets ansprechen. Der erste Block beschäftigte sich vor allem mit der Frage: Was bewirkt mein Gebet? Warum hat es Einfluss auf andere Menschen, auf diese Welt und kann die Zukunft verändern oder beeinflussen?
Nun möchte ich darüber sprechen, was das Gebet für mich persönlich bewirkt.
Über die Jahre durfte ich lernen, dass Gebet kein rein religiöser Akt ist. Ich glaube, das habe ich inzwischen verstanden. Es ist in erster Linie keine religiöse Handlung, sondern eine menschliche Notwendigkeit.
Ich reise viel und habe das Privileg, viele Kulturen kennenzulernen. Letztes Jahr war ich in der Mongolei, in Indien, Israel und Australien. Wisst ihr, was mir dabei auffällt? Es ist völlig egal, in welches Land oder welche Kultur man kommt.
Man findet heute noch Gegenden ohne Krankenhäuser, ohne Schulen und ohne Geschäfte. Solche Orte gibt es nach wie vor. Aber es gibt keinen einzigen Ort auf der Welt ohne Anbetungsstätte. Das gibt es nicht. Überall auf der Welt, in jeder Kultur und selbst an den entlegensten Orten, gibt es eine Anbetungsstätte.
Das bedeutet, im Menschen steckt eine Sehnsucht, mit jemandem oder etwas Höherem zu sprechen – kurz: zu beten. In Filmen sieht man das manchmal, und das mag ein Klischee sein, aber es entspricht auch der Realität.
Sogar die wildesten oder gottlosesten Menschen beginnen zu beten, wenn sie in Bedrängnis geraten oder mit dem Tod konfrontiert werden. Es scheint also eine menschliche Notwendigkeit zu sein.
Als Christen haben wir das große Privileg, jederzeit und an jedem Ort mit dem Schöpfer des Universums in Kontakt treten und mit ihm reden zu können. Das heißt: Als Christ musst du keine einzige Minute untätig oder hilflos dastehen. Du kannst immer beten.
Gebet als alltägliche Möglichkeit und Gewohnheit
Wisst ihr, wo mich das oft ermutigt? Ich verbringe oft viel Zeit an Flughäfen. Das ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber es hilft nichts. Dann ist wieder ein Flieger zu spät oder der andere, was weiß ich.
Ich sitze oft in Flughäfen herum, und es ärgert mich, weil ich wieder wertvolle Zeit verliere, in der ich alles Mögliche tun könnte. Aber ich habe aufgehört, mich darüber zu ärgern. Ich habe gedacht: Herr, eigentlich ist es eine wunderbare Möglichkeit, in Ruhe mit dir zu reden.
Ich bin nicht abgelenkt, habe sowieso nichts zu tun. Ich kann einfach mit dir reden, und damit tue ich das Größte, was es zu tun gibt. Wesentlich wichtiger als alles andere, was ich je tun könnte, nämlich zu beten.
Für Jesus war Gebet, das Gespräch mit seinem Vater, keine Notlösung, wenn es ihm ganz schlecht ging, sondern das Normalste auf der Welt. Übrigens hat Jesus auch vorausgesetzt, dass Gebet etwas ganz Normales ist. Schlagt mal Matthäus 6 auf. Dort lesen wir, es ist das Kapitel, in dem auch das Vaterunser gelehrt wird. Schauen wir am Nachmittag noch kurz hinein.
Aber schon in Matthäus 5 sagt Jesus: „Und wenn ihr betet“ (Vers 6), „wenn du aber betest“ (Vers 7), „wenn ihr aber betet“. Hier steht nicht „falls ihr betet“, sondern Jesus sagt „wenn ihr betet“. Das heißt, Jesus hat als völlig normal vorausgesetzt, dass wir beten.
Und wenn wir beten, gibt er uns ein paar Vorschläge, wie wir es tun sollten.
Warum beten? Die Wirkung auf die Welt und auf mich
Warum beten?
In der ersten Stunde heute haben wir aus objektiven Gründen gehört, warum Gebet wichtig ist. Zum einen öffnet Gebet den Kommunikationskanal, damit Gott in und durch mich wirken kann und so diese Welt verändert.
Zum anderen verändert Gebet nicht nur die Welt und andere Menschen, sondern auch mich, den Beter.
Falls jemand in diesem Raum sitzt und sagt: „Weißt du was, mich frustriert Gebet, weil ich ehrlich gesagt bisher keine einzige Gebetserhörung erlebt habe“, dann ist das verständlich. Vielleicht war dir auch nie bewusst, dass irgendein Gebet von dir jemals erhört wurde. Es würde mich nicht überraschen, wenn einige hier das so empfinden.
Wenn das bei dir so ist, bete trotzdem weiter. Weißt du warum? Weil dein Gebet dich bereits verändert hat. Auch wenn du objektiv vielleicht nichts erkennen kannst, das dein Gebet bisher verändert hätte – dich hat es hundertprozentig verändert.
Gebet ist ganz einfach die Kommunikation mit meinem Herrn, Heiland und Liebhaber.
Christsein als Beziehung, nicht als Erlebnis oder Gefühl
Seht ihr, Christ werden ist kein einmaliges Erlebnis. Leider wird es manchmal so verstanden: Christ werden war meine Wiedergeburt, meine Bekehrung, meine Taufe oder der Moment, als ich gläubig wurde. Dabei wird Christsein oft mit einem Erlebnis verwechselt, das man einmal erlebt hat. Und dann muss man irgendwie damit zurechtkommen.
Christsein ist auch kein Gefühl. Gefühle sind wunderschön, ich liebe Gefühle, und wir sollten Gefühle haben – hoffentlich. Aber Christsein ist mehr als ein Gefühl. Wenn Christsein nur ein Gefühl oder ein Erlebnis wäre, dann hätte ich mal einen guten Tag und dann wieder einen schlechten Tag. Einmal glaube ich fast, im Himmel zu sein, und dann wieder zweifle ich, ob ich überhaupt errettet bin.
Darum ist es so wichtig zu verstehen: Wenn du Christ wirst, weißt du, was du empfängst – eine Person, nämlich Jesus. Christsein bedeutet, dass eine Person in dein Leben einzieht. Es heißt, ab jetzt gemeinsam mit dieser Person zu leben und zu lernen, wie man zusammenlebt.
Ewiges Leben als Beziehung zu Gott
Schlage mal Johannes 17,3 auf. In Johannes 17,3 definiert Jesus Christus, was ewiges Leben bedeutet.
Früher habe ich immer gedacht, ewiges Leben heißt einfach ein sehr langes, extrem langes Leben – Millionen, Milliarden Jahre. Aber Jesus definiert es anders. Johannes 17,3 sagt: „Dies aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“
Ewiges Leben ist also nicht ein Ort, an den ich komme, und auch kein Zustand, in dem ich bin. Ewiges Leben bedeutet, jemanden zu kennen – Gott den Vater und seinen Sohn Jesus Christus.
Darum möchte ich auch 2. Timotheus 1,12 erwähnen. Das könnt ihr euch gerne unterstreichen, das gefällt mir sehr. 2. Timotheus 1,12 sagt der Apostel Paulus: „Denn ich weiß, wem ich geglaubt habe.“ Paulus sagt nicht: „Ich weiß, was ich geglaubt habe“, also die christliche Lehre oder etwas anderes. Er sagt: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe.“
Und wisst ihr, was mein Wunsch ist? Dass das auch für euch gilt, für alle, die zum Tauernhof kommen und Bibelschule machen. Eine Person hat es einmal so ausgedrückt: „Als ich zum Tauernhof kam, wusste ich, was ich glaubte. Als ich von euch nach Hause ging, wusste ich, an wen ich glaubte.“
Es ist also nicht entscheidend, was du glaubst, sondern an wen du glaubst.
Gebet als Mittel zur Beziehungspflege
Und Gebet ist nun das Mittel zur Kommunikation zwischen mir und meinem Herrn. Wir wissen, dass eine Freundschaft nur dann entstehen kann, wenn ich mich auch mit der Person unterhalte.
Wenn du befreundet bist, sitzt du nicht nur da und schaust dich an. Das mag bei Verliebten eine gewisse Zeit so sein, aber früher oder später müssen sie auch reden lernen. Sonst bleibt die Beziehung etwas steril.
Beziehung wächst durch Kommunikation, indem ich mit dem anderen rede und dem anderen zuhöre. Nur so entsteht Beziehung und Freundschaft.
Wenn Christen zu mir sagen – und das höre ich relativ oft –, dass ihr Christenleben langweilig ist, irgendwie trocken, Gott so fern erscheint und sich nichts im Leben tut, dann stelle ich oft die Frage: Wie viel Zeit verbringst du alleine mit deinem Herrn Jesus?
Und wisst ihr was? Die Antwort ist fast immer: Das ist mein schwacher Punkt.
Aber wisst ihr was? Das ist nicht der schwache Punkt, das ist das Problem vom Problem. Denn du verbringst keine Zeit mit ihm. Darum ist es so langweilig, so trocken und so monoton.
Die Bedeutung von Zeit im Gebet – ein Vergleich zur Ehe
Ein etwas ungewöhnliches Beispiel, aber nehmen wir an, ich heirate meine Frau und lebe ab sofort als verheirateter Mann. Dennoch vergesse ich ständig, dass ich verheiratet bin und dass sie da ist.
Morgens stehe ich auf, so wie ich es seit dreißig Jahren gewohnt bin, mache meinen Kaffee und gehe zur Arbeit. Dabei fällt mir plötzlich ein: „Oh, ich bin ja verheiratet.“ Also gehe ich zurück, sehe sie und sage: „Ah, du bist auch da. Komm, trink einen Schluck Kaffee mit mir.“ Dann muss ich aber los.
Ich trinke schnell einen Schluck Kaffee und sage: „Ja, ich muss jetzt los. Vielleicht komme ich heute Abend nach Hause, aber ich weiß noch nicht genau. Wir werden sehen.“ Dann gehe ich weg.
Abends komme ich nach Hause, öffne den Kühlschrank – wie jeden Tag in den letzten dreißig Jahren – und denke: „Ah ja, ich bin verheiratet.“ Ich gehe rein und sage: „Komm, trink noch schnell einen Schluck Kaffee mit mir im Wurstzimmer.“ Danach sage ich: „Jetzt muss ich ins Bett, ich muss morgen wieder früh aufstehen.“
Wenn man das in den ersten drei Monaten der Ehe so macht und jemand die Ehefrau fragt: „Bist du verheiratet?“, wird sie antworten: „Ja, bin ich.“ Auf die Frage: „Wie ist es so?“ wird sie sagen: „Ein bisschen langweilig, es ist ein bisschen trocken.“ Warum? Weil man keine Zeit miteinander verbringt.
Das klingt vielleicht witzig, aber leider ist es die Realität im Leben vieler Christen. Morgens stehe ich auf, mache meinen Kaffee und denke: „Ah ja, Christ bin ich ja. Lieber Vater, segne den Tag, hilf allen Missionaren und rette die verlorenen Armen.“ Dann lebe ich den Tag wie jeder andere auch.
Abends tue ich, was ich eben tue, gehe ins Bett und kurz bevor ich einschlafe, denke ich: „Ja, Christ bin ich auch noch. Lieber Vater, danke für den Tag und was immer. Amen.“
Wenn man diese Person fragt: „Bist du Christ?“, antwortet sie: „Ja, bin ich.“ Auf die Frage: „Wie ist es so?“ sagt sie: „Relativ langweilig.“ Das ist selbstverständlich, denn es muss langweilig sein, wenn man keine Zeit mit ihm verbringt.
Die Folgen mangelnder Gebetszeit
Alan Redbath, ein ehemaliger Fackelträger, der inzwischen verstorben ist, hat einmal geschrieben: „Wenn du deine Gebetszeit einen Tag versäumst, dann merkst du es. Wenn du sie zwei Tage versäumst, dann merkt deine Frau es. Wenn du sie drei Tage versäumst, dann merkt dein Nachbar es, und wenn du es eine Woche versäumst, dann merken es alle.“
Es ist kein Gesetz, aber ich weiß, was er damit meint. Es ist leider so: Viele bekennen sich durchaus zu Christus, aber sie leben wie ein Atheist. Wir bekennen uns als Christen, doch unser Leben, unser alltägliches Leben, ist ein atheistisches Leben. Wir rechnen überhaupt nicht mit Gott. Er ist also eine Nebenerscheinung, mit der man manchmal ein bisschen redet. Und wenn es einem ganz schlecht geht, dann soll er helfen. Aber ansonsten ist er irrelevant für unser Leben.
Das ist leider oft so, das muss man zugeben. Aber als Christen haben wir eben nicht ein Zertifikat erhalten, das uns die Sünde vergibt oder eine Freifahrt in den Himmel. Sondern als Christ hast du eine Person bekommen. So wie du an deinem Hochzeitstag zwar auch eine Heiratsurkunde bekommst, aber du lebst nicht mit deiner Heiratsurkunde. Die könntest du ablegen und dich trotzdem als Ehemann bezeichnen. Du hast eine Frau, und die lebt. Sie hat Wünsche, Probleme und Anliegen. Mit ihr lebst du jetzt 24 Stunden am Tag den Rest deines Lebens.
Und so ist es mit Christus. Du hast nicht ein Zertifikat erhalten, sondern den lebendigen Christus, der jetzt 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, den Rest seines Lebens mit dir lebt. Und dann wirst du ihn nicht mehr los. Jetzt kommt es darauf an, wie du mit ihm lebst – und das ist Gebet.
Darum ist es auch so wichtig, dass man nicht die Bibel liest, nur um die Bibel kennenzulernen. Ich lese die Bibel, um Jesus kennenzulernen. Das ist ein riesiger Unterschied. Wenn du die Bibel nur um der Bibel willen liest, dann kommt der Tag, an dem dich dieses Buch langweilt.
Die Bibel als Wegweiser zu Jesus
Einmal hat Jesus zu den Pharisäern gesagt, die die Bibel sehr viel gelesen haben. In Johannes 5,39 sagt er: „Ihr erforscht die Schriften, das Alte Testament, denn ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben. Und sie sind es, die von mir zeugen. Doch ihr wollt nicht zu mir kommen, damit ihr Leben habt.“
Mit anderen Worten sagt Jesus: Die Bibel an sich gibt euch kein ewiges Leben. Das ist ein Buch. Wir haben keinen Buchglauben. Das Buch hilft uns, den lebendigen Gott kennenzulernen. Aber ich lebe nicht mit einem Buch, ich lebe mit dem Auferstandenen.
Ich rede auch nicht mit der Bibel. Ich habe nicht die Bibel an meinem Schreibtisch und rede mit ihr, denn es ist ihr ziemlich egal, was ich sage. Ich rede mit dem auferstandenen Herrn Jesus, und der erfreut sich momentan bester Gesundheit.
Es ist so ähnlich: Ich hatte vor Jahren einen Subaru, ein Auto aus Japan, das einige Dinge hatte, die mein anderes Auto nicht hatte. Da habe ich die Bedienungsanleitung gelesen. Die liest man halt, wenn man sie braucht. Männer sind da nicht unbedingt ein Vorbild.
Die Bedienungsanleitung für dieses Auto stimmt absolut. Wenn du das Auto kennenlernen willst, lese die Bedienungsanleitung. Aber eine Bedienungsanleitung kannst du lesen, studieren, unterstreichen, hervorheben und auswendig lernen. Du kannst die Bedienungsanleitung von Subaru verdonen, du kannst sogar Japanisch lernen, um sie in der Originalsprache zu lesen. Du kannst einen Subaru-Club gründen, alles Mögliche – alles mit der Bedienungsanleitung.
Aber wenn nicht der Tag kommt, an dem du mit dem Auto fährst, dann wirst du müde von der Bedienungsanleitung. Denn die Aufgabe der Bedienungsanleitung ist nicht, sie auswendig zu können, sondern um mit dem Auto fahren zu können.
So ist es mit der Bibel. Du kannst die Bibel studieren, auswendig lernen, Hebräisch und Griechisch lernen, um sie in der Originalsprache lesen zu können. Du kannst Bibelkreise machen. Aber wenn du nicht mit Jesus lebst, hast du alles versäumt, worum es geht.
Und hier sind wir wieder beim Gebet. Die Aufgabe der Heiligen Schrift ist es, mich mit der Person Jesu bekannt zu machen – von 1. Mose bis Offenbarung. Darum ist es so wichtig, die Bibel zu lesen.
Und es stimmt: Wer die Bibel nicht kennt, der kennt Jesus nicht. Aber du sprichst nicht mit dem Buch, sondern du sprichst mit dem Auferstandenen. Das Buch hört dir nicht zu, es hat keine Ohren. Das tut nur der lebendige Gott.
Die Bedeutung des Zuhörens im Gebet
Ich habe vor Kurzem etwas gelesen, das mir geholfen hat, das Gebet besser zu verstehen. Es sieht so aus, als sei dieser Text schon ein oder zwei Jahre alt.
Der Autor schreibt: Welchen Sinn hat es, wenn wir Gott im Gebet Dinge erzählen, die er schon weiß? Fragen stellen, die er längst beantwortet hat? Anliegen vorbringen, die er viel besser beurteilen kann? Bitten aussprechen, deren Erhörung er bereits eingeleitet hat? Abgesehen von seiner Liebe macht das keinen Sinn.
Aber angesichts seiner grenzenlosen Zuneigung zu uns können wir gar nicht zu oft vor ihn treten, zu lange mit ihm sprechen und zu viel von ihm erbitten. Denn Gott ist in seiner Liebe nicht nur darauf aus, Bitten zu erhören, sondern uns zuzuhören. Er möchte nichts Neues von uns hören, sondern er will uns hören – immer wieder aufs Neue.
Beim Gebet am Morgen ist man oft schon nach drei Minuten fertig. Man dankt zuerst für die Familie, die Eltern, die Kinder, das schöne Wetter oder den Regen – je nachdem, was gerade los ist. Dann betet man noch für den einen oder anderen Missionar. Danach denkt man: Jetzt bin ich langsam am Ende, ich weiß nichts mehr, was ich sagen soll. Vielleicht noch etwas für die Hasen, aber eigentlich denkt man: Ich habe es Gott doch schon gesagt, warum soll ich mich dauernd wiederholen?
Aber wisst ihr, Gott will nichts Neues von dir hören. Es gibt sowieso nichts Neues unter der Sonne. Er will dich hören.
Gerade vor einer Viertelstunde habe ich zuhause angerufen. Lukas, mein Sohn, ist jetzt neunzehn. Er hat gerade seinen letzten Kurs zum Landesskilehrer hinter sich und gestern die Prüfung gehabt. Ich habe meine Frau angerufen, und sie hat mir gesagt, dass er die Prüfung bestanden hat.
Jetzt habe ich Lukas angerufen. Er hat abgehoben und gesagt: „Vater, ich muss dir was erzählen.“ Ich dachte: „Halte mal die Klappe, ich weiß schon alles.“ Natürlich nicht. Ich wusste zwar schon, was er mir erzählen will, weil meine Frau es mir schon erzählt hatte. Ich kannte alle Details, die jetzt kommen würden.
Aber es ist wunderschön, wenn mein Sohn es mir selbst erzählt. Es ist nichts Neues, ich wusste schon alles. Es geht nicht darum, etwas Neues zu hören – als Vater geht es darum, dein Kind zu hören.
Und das ist der subjektive Grund für das Gebet.
Drei praktische Hinweise Jesu zum Gebet
Ich möchte euch noch drei konkrete Hilfen zum Gebet geben, die uns Jesus Christus selbst vermittelt hat. Schaut dazu bitte in Matthäus Kapitel 6, genau an die Stelle, an der wir zuvor waren. Es sind drei kurze Punkte.
Im Matthäus 6, Vers 5 sagt Jesus: „Und wenn ihr betet“ – er betont hier immer das „wenn“, nicht „falls“ ihr betet, sondern „wenn“ ihr betet. Dann gibt er euch einen Vorschlag. Achtet darauf: Ihr sollt nicht sein wie die Heuchler.
Denn sie lieben es, in den Synagogen oder an den Straßenecken zu stehen und zu beten, damit sie von den Menschen gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon erhalten.
1. Mit den richtigen Motiven beten
Punkt Nummer eins: Bete mit den richtigen Motiven.
Jesus spricht hier im Kontext von Menschen, die beten, um gesehen zu werden, um andere zu beeindrucken oder zu manipulieren. Er sagt: Tut das nicht!
Er erklärt das auch in Vers 2, zum Beispiel beim Geben von Almosen: Wenn du Almosen gibst, sollst du nicht vor dir herposaunen wie die Heuchler, damit sie von Menschen geehrt werden.
Gleiches gilt für das Fasten, wie Jesus in Vers 16 sagt: Wenn ihr fastet, so schaut nicht düster drein wie die Heuchler, denn sie verstellen ihre Gesichter, um von den Menschen bemerkt zu werden. Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.
Fasten, beten, geben – Jesus fordert uns auf, dies nicht zu tun, um Menschen zu beeindrucken, sondern mit dem richtigen Motiv, nämlich um Gott zu ehren.
Wenn ihr zum Beispiel Geld gebt, braucht ihr nicht daraufzuschreiben, von wem es ist. Das bringt nur Stress, weil derjenige denkt, im nächsten Jahr wieder etwas von dir zu bekommen. Schreibe nur darauf, für wen das Geld bestimmt ist, nicht von wem es kommt.
Wisst ihr, was das Schöne daran ist? Ihr habt keinen Stress, und wem wird die dankbare Person danken? Gott. Wenn du deinen Namen darauf schreibst, erwartet die Person, dass sie auch dir etwas sagt. Wozu? Es ist doch sowieso Gottes Geld.
Wenn du betest, dann nicht, um Menschen zu beeindrucken, sondern um Gott zu ehren. Bete also mit den richtigen Motiven.
2. Im Privaten allein beten
Das Zweite, was Jesus im Vers 6 sagt: „Wenn du aber betest, so geh in deine Kammer, und nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten.“
Der zweite Punkt lautet: Bete allein im Privaten.
Das heißt nicht, dass nur Gebet im Privaten richtig und wahrhaftig ist. Nein, Jesus ermutigt uns oft, als Gemeinschaft zu beten – keine Frage. Aber was er hier sagt, ist: Dein wahres Gebetsleben spielt sich im Privaten ab, nicht in der Gemeinschaft.
Seht ihr, wenn du zum Beispiel – und da muss man ehrlich sein – vorwiegend nur in der Gemeinschaft betest, im Gebetskreis oder im Hauskreis, im Gottesdienst oder mit deiner Familie beim Essen, und das ist in erster Linie oder fast ausschließlich dein Gebet, dann besteht eine große Gefahr, dass dein Gebet eine Show ist.
Wir können aus vielen Gründen vor und mit anderen Menschen beten. Aber wenn ich zum Beispiel in der Gemeinschaft bete: „Herr, bitte segne die Missionare und errette diese und jene Menschen“, und ich bete das im Gebetskreis, aber nie im Privaten, dann bin ich ein Heuchler. Denn dann bete ich für die anderen Menschen nur, damit die anderen sehen, dass ich für sie bete – es ist aber nicht mein Herzensanliegen.
Seht ihr, in der Gemeinschaft zu beten kann manchmal dazu dienen, eine Botschaft zu vermitteln. Das habe ich schon öfter gehört. Diese Menschen beten nicht, um zu beten, sondern sie beten, um eine Predigt zu halten.
Vor kurzem habe ich eine witzige Geschichte gelesen: Ein kleiner Junge brüllte so laut er konnte: „Lieber Gott, bitte mach, dass ich zum Geburtstag ein Fahrrad bekomme.“ Seine Mutter wies ihn zu Recht zurecht: „Du brauchst nicht so zu schreien, Gott ist ja nicht taub.“ Der kleine Junge antwortete: „Ja, Gott nicht, aber Opa, der nebenan sitzt.“
Seht ihr, das ist kein echtes Gebet, sondern der Versuch, Menschen zu manipulieren.
Oder manchmal höre ich Gebete, in denen gesagt wird: „Herr, ich bete für alle Tischnachbarn, die dich noch nicht kennen, dass sie Buße tun und so weiter.“ Das ist kein Gebet, das ist eine Predigt. Predigen ist ja okay, aber man soll es nicht verwechseln.
Man kann auch in der Gruppe beten, um zu zeigen, wie viele Bibelverse man auswendig kann. Früher habe ich bibelartige Gebetsabende nicht gerne gemacht. Ich habe immer als Erster gebetet, weil beim Fünften die ganzen guten Phrasen aufgebraucht waren.
Man kann auch in der Gruppe beten, um Tratsch weiterzugeben. Man muss ja intelligent beten. Dann sagt man: „Herr, du weißt, dass Herr Weber mit Frau Schulte durchgebrannt ist; segne bitte die Hinterbliebenen und so weiter.“ Und danach fragt man: „Echt? Das wusste ich gar nicht.“ Ja, man muss ja beten.
Also, der zweite Punkt lautet: Bete allein und im Privaten. Das ist die Botschaft Jesu.
3. Spezifisch beten, nicht plappern
Und der dritte und letzte Punkt, Vers 7, Matthäus 6, Vers 7: „Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, denn sie meinen, dass sie um ihrer vielen Worte willen erhört werden. Seid ihnen nun nicht gleich, denn euer Vater weiß, was ihr benötigt, ehe ihr ihn bittet.“
Jesus sagt hier: Betet nicht nur, um Worte zu machen. Es erinnert auch daran, dass es Gebetsrituale gibt, auch unter den Juden, bei denen man für verschiedene Anliegen unterschiedliche Gebete spricht.
Im September war ich in Jerusalem und oft vor der Mauer. Dort sieht man Menschen, die man manchmal „die Pinguine“ nennt, weil sie immer so wackeln. Dieses Wackeln ist ein Gebetsrhythmus, ähnlich dem Rosenkranz der Katholiken, der viele Male heruntergebetet wird.
Ironischerweise formuliert Jesus, nachdem er sagt, man solle nicht plappern wie die Nationen, das Vaterunser. Heute ist das Vaterunser das meistgesprochene Gebet unter Christen. Jeden Sonntag beten Millionen Christen es, oft ohne zu wissen, was sie dabei sagen.
Ich kann mich gut erinnern, als ich noch in der Volksschule war. Wir mussten jeden Morgen das Vaterunser sprechen, das war immer der Anfang des Schultages. Ich erinnere mich, es war eine Art Rhythmus, den wir alle auswendig konnten. Dann gab es eine Aufgabe, bei der wir das Vaterunser auswendig aufschreiben sollten – und ich konnte es nicht. Es war eben im Rhythmus gesprochen, aber wir wussten nie wirklich, was wir sagten.
Natürlich war ich ein Kind, aber Jesus sagt uns genau, dass wir das nicht tun sollen.
Für die nächsten Tage gebe ich euch eine schwierige Aufgabe: Entsegnet eure Gebete. Du darfst in den nächsten zwei Tagen das Wort „segnen“ nicht benutzen. Wenn doch, musst du zehn Euro bezahlen. Das machen wir jetzt einfach so.
Wisst ihr warum? Weil wir das Wort oft benutzen, um nur zu plappern. Zum Beispiel beten wir zum Mittag: „Herr, segne diese Mahlzeit und segne die Hände, die sie bereitet haben.“ Aber was soll er mit der Mahlzeit tun? Soll er sie salzen oder wärmer machen? Und die Hände, die sie bereitet haben – soll er sie segnen? Was bedeutet das genau? Soll er sie besser machen oder etwas anderes?
Wir beten: „Herr, segne die Missionare.“ Aber was soll er mit ihnen tun? Soll er ihnen Geld schicken oder sie nach Hause holen? „Segnen“ ist ein Wort, das wir oft verwenden, ohne wirklich zu wissen, was wir sagen wollen.
Darum lerne, spezifisch zu beten – das ist Punkt Nummer drei: Bete spezifisch.
Und weißt du, was du dabei feststellst? Es wird ganz schön schwierig zu beten, weil du jetzt intelligent beten musst. Zum Beispiel bete ich jetzt so: „Herr, ich bete für diese Missionare, damit sie, wenn sie nächste Woche hinausgehen, eine offene Tür vorfinden. Herr, ich bete für dieses Essen, dass es mir zur Kraft dient. Ich möchte dir danken für das Gute, das du uns täglich schenkst.“
So beginne ich, intelligent und spezifisch zu beten.
Ich sage nicht, dass das Wort „segnen“ schlecht ist – missverstehe mich hier nicht. Alles, was ich sage, ist: So wie wir es oft gebrauchen, ist es einfach ein Wort, das wir benutzen, um zu plappern.
Gebet als geistlicher Kampf
Und wir dürfen nicht vergessen: Gebet ist und bleibt ein geistlicher Kampf. Auch bei mir selbst stelle ich fest, dass ich kaum Anfechtungen habe, wenn ich oberflächlich bete. Beginne ich jedoch, spezifisch zu beten, scheint es, als ob ein Kampf entsteht. Ich weiß nicht, wie es dir damit geht, aber ich erlebe das immer wieder.
Der Apostel Paulus spricht in Epheser 6 ganz klar darüber. Er sagt in Vers 12: „Denn unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut“, also nicht gegen das Weltliche, sondern gegen die Gewalten, gegen die Mächte, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistigen Mächte der Bosheit in den Himmeln. Deshalb fordert er uns auf, die Waffenrüstung Gottes anzulegen.
In Vers 18 heißt es: „Mit allem Gebet und Flehen betet zu jeder Zeit im Geist und wachet hierzu in allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen.“ Es wird uns nicht leichtfallen, denn es ist und bleibt ein geistlicher Kampf. Solange wir oberflächlich beten, zum Beispiel mit Worten wie: „Herr, segne den und hilf dem und mach dies“, fällt es relativ leicht. Wird das Gebet jedoch spezifisch, beginnt der Kampf.
Mir fällt oft auf, dass ich morgens, wenn die Bibel und die Tageszeitung bereitliegen, automatisch und ohne Anstrengung zur Tageszeitung greife. Deshalb habe ich auch keine mehr. Es ist ein geistlicher Kampf, auf Gott zu hören oder zu beten. Nicht immer, aber immer wieder, wenn ich bete, fällt es mir nicht schwer, mit meiner Frau, den Kindern oder Freunden zu sprechen. Aber ich muss mich aufraffen und sagen: „Herr, ich möchte jetzt gerne mit dir reden.“
Das sollte eigentlich das Leichteste sein, ist es aber nicht, weil es ein geistlicher Kampf bleibt. Darum sei nicht überrascht, wenn es dir nicht leichtfällt, obwohl Jesus Christus dein bester Freund ist und es eigentlich das Natürlichste sein sollte, mit einem Freund zu reden. Dennoch fällt es schwer.
Gebet ist das, was dein Leben prägen wird – oder eben nicht.
Gemeinsames Gebet in der Ehe als Schlüssel
Ich habe kürzlich gelesen, dass ich nicht genau weiß, wie viele von euch verheiratet sind. Es gibt aber einige wenige, die es noch werden, und die meisten sind es auf jeden Fall.
Als Ehepartner betet gemeinsam. Bei Ehepartnern, die gemeinsam beten, liegt die Scheidungsrate bei einem Prozent. Bei Christen insgesamt beträgt sie fünfzig Prozent.
Es ist völlig egal, ob du dich Christ nennst oder nicht, ob du zehnmal wiedergeboren bist oder fünfzigmal – das spielt keine Rolle. Weißt du, was zählt? Ob ihr als Ehepartner miteinander betet. Das ist der Schlüssel.
Denn im gemeinsamen Gebet anerkenne ich eine höhere Instanz, die über uns steht. Unter dieser Instanz gibt es Vergebung und auch Ehrfurcht. In dieser Konstellation bleibt etwas Heiliges erhalten.
Darum ist Gebet, auch wenn es allein im Privaten oder zu zweit geschieht, so besonders.
Orte des Gebets und persönliche Erfahrungen
Ein Ort, zu dem ich immer sehr gerne fahre, ist Eitlingen. Den kennt ihr wahrscheinlich. Zur Pfingstkonferenz war ich schon, ich glaube, vier- oder fünfmal.
Dort spüre ich wirklich, dass gebetet wird. Man hat einfach das Gefühl, dass Gebet dort eine wichtige Rolle spielt.
Manchmal komme ich an andere Orte, zu großen Veranstaltungen. Doch oft empfinde ich es als einen Kampf, von Anfang bis Ende. So fühle ich es zumindest. Vielleicht liege ich falsch, aber das ist mein Eindruck. Und ich glaube, das hat auch mit Gebet zu tun.
Jesus gibt uns drei wichtige Punkte zum Gebet mit: Erstens, bete mit den richtigen Motiven. Zweitens, bete allein im Privaten. Und drittens, bete spezifisch.
Schlussgebet und Dank
Ich möchte noch beten, Herr Vater. Es ist einfach gut, das Vorrecht und die Gnade zu haben, mit dir reden zu können.
Herr, ich danke dir, dass du uns klare Anleitungen und Hilfen gegeben hast für das Gespräch mit dir, für das Gebet zum allmächtigen Gott. Ich bete, dass wir lernen, das Gebet nicht zu unterschätzen, sondern zu erkennen, dass es die größte Macht ist, weil du dahinter stehst.
Wir wollen dir auch in unserem Leben Freiraum geben, damit du tun kannst, was du tun möchtest, und dich nicht einschränken. Herr, ich danke dir, dass das Gebet uns bereits verändert hat.
Ich bete, Herr, dass wir von dir und deinem Wort belehrbar bleiben. Auch von anderen Menschen, die du gebrauchen möchtest, um zu uns zu reden. Vater, ich bete, dass wir lernen, allein in der Privatzeit mit dir zu verbringen.
Ich bete, dass wir lernen, auch spezifisch für besondere Anliegen zu beten. Herr, danke für die Möglichkeit dieses Tages, danke, dass du da bist, dass du nahe bist, dass du uns liebst und dass du dir wünschst, Zeit mit uns zu verbringen. Amen.
